Rechtsanwalt Dr. Timo Ehmann

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06.10.2010

OpenAccess (Teil 3): Das Wissenschaftsurheberrecht in der Urheberrechtsreform - Vortragsmanuskript (OpenAccess-Tage, Göttingen 2010)



meine Damen und Herren,  ich freue mich aufrichtig, heute hier zu sein unter Menschen, die mit mir die Überzeugung teilen, dass der Zugang zu Fachinformationen die vielleicht wichtigste Frage für die Zukunft unserer Gesellschaft ist. Das Internet hat unseren Umgang mit Informationen fundamental verändert und die Zugänglichkeit von Informationen fundamental verbessert. Und das schon jetzt in einem Moment, in dem wir nur einen Bruchteil der Möglichkeiten nutzen, die das Internet uns bieten kann.  Neue Technik bringt neues Recht hervor – so war das schon immer, so ist es auch heute. Ich werde zunächst kurz die Interessenlage des Informationsmarktes skizzieren. Anschließend werde ich darlegen, was das Justizministerium aus der durch das Internet veränderten Interessenlage machen will und einen Überblick über das geben, was im „Dritten Korb“ drin ist. 

Das Urheberrecht hat zwar naturrechtliche Wurzeln, war aber immer und ist zweifelsohne auch zusätzlich ein Instrument zur Steuerung von Märkten. Neue Technik bringt neues Recht hervor, weil neue Technik die Interessenlage verschiebt. Und Recht muss sich mit diesem Wandel verändern, um die veränderten Interessen in einen neuen sachgerechten Ausgleich  bringen.  Die Aussage, das Urheberrecht behindert den Zugang zu Wissen, ist dabei zunächst eine  Behauptung. Diese Behauptung mit Argumenten zu konkretisieren, ist die Aufgabe für diese rechtspolitische Auseinandersetzung. Eine Analyse, wie das Recht richtig ist, setzt daher zunächst voraus, die im Raum stehenden Interessen zu benennen und gegeneinander zu gewichten:  Die Interessenlage stellt sich dabei als tripolar dar. Es gibt den Autor, den Verleger und die Allgemeinheit. Die Interessen dieser Marktbeteiligten überlappen sich teilweise und stehen sich teilweise gegenüber: 1. Der Autor hat beispielsweise das Interesse, zu schreiben, was er will, zu publizieren wie er will, eine größtmögliche Verbreitung zu erreichen und dabei -last but not least- möglichst viel Geld zu verdienen. 2. Das Interesse der Verlage steht diesem Autoreninteresse relativ nah. Auch der Verlag will möglichst viele Bücher verkaufen und möglichst viel Geld verdienen. Deswegen ging man auch lange davon aus, dass die Beziehung zwischen Autoren und Verlagen symbiotisch ist – also dass das gemeinsame Interesse den Interessengegensatz überwiegt.  Klar ist aber auch, dass der Verlag mehr verdient, wenn der Autor weniger bekommt oder sogar für seine Publikation bezahlen muss. Beim Verlagsvertrag müssen Autor und Verlag also eine „gerechte Anteils- und Rechteverteilung verhandeln - auch ein gerechter Vertrag entsteht nur durch einen „Kampf ums Recht“. 

Der Gesetzgeber ist nicht zu beneiden. Der „Dritte Korb“ könnte ein dickes Paket werden. Was alles drin sein könnte, hat die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger Mitte Juni in ihrer „Berliner Rede“ angedeutet. 4 Anhörungen sollten stattfinden. Drei liegen hinter uns - eine weitere folgt.  Naturgemäß haben sich im Zuge der Anhörungen die Themen konkretisiert. Ich habe hier einmal die Inhalte des Dritten Korbes zusammengefasst und ein wenig geclustert. Das Leistungsschutzrecht ist ein zentrales Thema, da der Markt für Tagesinformationen ein riesiger Markt ist und das Recht, das gesamte Urheberrecht in Unordnung bringen könnte. Kabelweitersendung und Kneipenrecht betreffen vor allem die Fernsehbranche und haben damit mit OpenAccess nur am Rande zu tun. Bei beiden geht es auch um kollektive Rechteverwertung und die kollektive Rechteverwertung liegt auch insgesamt etwas im Argen und soll daher auch  als solche  angefasst werden. Verwaiste Werke und Annexkompetenz zu § 52b UrhG sind in hohem Maße OpenAccess relevant, allerdings gibt es dazu nichts neues, so dass ich diese Probleme nur streifen werde. Die aktuell wichtigsten Themen für OpenAccess sind daher die Themen „Zweitverwertung und Anbietungspflicht“, die ich etwas vertieft darstellen werde.


In der ersten Anhörung des BMJ ging es Mitte Juni um das Thema „Leistungsschutzrecht für Verleger“. Ursprünglich sollte es um Presseverleger gehen und vor der Anhörung war auch von einer inhaltlichen Ausdehnung keine Rede. Doch plötzlich erschienen die Schulbuchverleger auf der Tagesordnung und gerade weil immer noch niemand über sie spricht, kann man wohl jetzt schon sagen, dass sie im Fahrwasser der Presseverleger wohl ihr Leistungsschutzrecht bekommen oder eben nicht. Das Thema Leistungsschutzrecht ist schwierig: Stark zusammengefasst geht es darum, dass Presseverleger der Auffassung sind, dass sie im Internet nicht genug Geld verdienen können.  Daher soll das Leistungsschutzrecht dem Schrumpfen der Gewinnspannen im Kerngeschäft entgegenwirken. 

Auch im „Dritten Korb“ enthalten ist das Problem „Technologieneutrale Ausgestaltung des Kabelweitersendungsrecht“. Das ist ein furchtbar kompliziertes Gebilde, vor allem weil man hier schon jetzt ein ziemliches Chaos angerichtet hat, in dem alles nur noch komplizierter wird. Im Kern geht es um die Frage der Gleichbehandlung verschiedener Vertriebskanäle des Fernsehens. Es wird wohl derzeit über eine Verwertungsgesellschaft Geld eingesammelt, um das Kabelfernsehen zu finanzieren. Die Frage ist, ob dieses System auf die anderen Fernsehvertriebskanäle skaliert werden soll und vor allem, was passiert, wenn bald alles über das Internet funktioniert. 

wie sie wissen dürfen seit einiger Zeit Bibliotheken gemäß § 52b UrhG Werke aus Ihren Beständen an elektronischen Leseplätzen zugänglich machen. Dabei hat der gesetzgeber versäumt zu regeln, was mit dem Speichern auf USB-Stick und dem Ausdrucken ist. Das hat auch zu einem Rechtsstreit geführt, über den noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Gleichzeitig hat das BMJ dieses Thema für die nächste Anhörung am 13.10. auf die Agenda gesetzt, um hier nachzubessern. In welche Richtung es gehen wird, ist noch nicht bekannt. Nur kurz möchte ich das Thema „verwaiste Werke“ erwähnen. Viele Fragen sind zu klären.  - Was ist ein „verwaistes Werk“ oder welchen Aufwand muss man betreiben, um den Autor zu suchen? - Wenn ein Werk dann die Kriterien erfüllt und „verwaist“ ist, wer darf dann was damit machen? - Wer profitiert vom ökonomischen Wert von verwaisten Werken? - Was passiert, wenn dann der Autor doch wieder auftaucht und der Verwaisung widerspricht. Auch dieses Thema ist auf der Tagesordnung der Anhörung vom 13.10.2010. So gibt es dazu noch nichts Neues, vor allem keine Tendenz, in welche Richtung es geht.