Urteil des OLG Hamburg vom 27.09.2013
OLG Hamburg: Die Auslobung einer "Geld-zurück-Garantie" für im Rahmen der Nagelpilz-Therapie eingesetzte Arzneimittel, die vom Verkehr dahingehend verstanden wird
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Die Auslobung einer "Geld-zurück-Garantie" für im Rahmen der Nagelpilz-Therapie eingesetzte
Arzneimittel, die vom Verkehr dahingehend verstanden wird, dass es sich um ein besonders gutes und
im Hinblick auf den zu erreichenden Erfolg sicheres Angebot handele, stellt ein unzulässiges
Erfolgsversprechen im Sinne des § 3 S. 2 Nr. 2a) HWG dar.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 3. Zivilsenat, Urteil vom 27.09.2013, 3 U 172/12
§ 3 S 2 Nr 2 Buchst a HeilMWerbG
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom
25.9.2012, Geschäfts-Nr. 312 O 379/12, wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Wert der Berufung beträgt € 250.000.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die das für die Behandlung von Nagelpilz zugelassene Arzneimittel L. herstellt und
vertreibt, wendet sich gegen eine Fernsehwerbung der Antragsgegnerin für das Produkt C.® Extra, deren
Gegenstand eine „6-Wochen-Nagelpilztherapie von C.“ ist (Anlagen AS 4 und AS 5).
Auf eine Abmahnung der Antragstellerin vom 29.6.2012 (Anlage AS 9) hat die Antragsgegnerin unter dem
5.7.2010 eine Unterwerfung abgelehnt (Anlage AS 10).
Die Antragstellerin hat u.a. geltend gemacht, die ausgelobte „Geld-zurück-Garantie“ verstoße gegen § 4 Nr.
11 UWG i.V.m. § 3 HWG. Sie sei ein implizites Heilversprechen im Sinne des § 3 Nr. 2 a) HWG. Zwar werde
in den Teilnahmebedingungen (Anlage AS 6) unter Ziff. 9 darauf hingewiesen, die Rückerstattung erfolge im
Rahmen einer „Kulanzregelung, da Arzneimittel nicht in jedem Fall wirken können“. Allerdings finde sich im
TV-Spot an keiner Stelle solch ein Hinweis. Die Teilnahmebedingungen würden erst nach dem Erwerb des
Produktes zur Kenntnis genommen.
Die Antragstellerin hat – soweit in der Berufung noch relevant – beantragt,
es der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel im Wege der einstweiligen
Verfügung zu verbieten, in geschäftlichen Verkehr für eine Nagelpilz-Therapie mit C.® Extra
(Nagelset und/oder Creme)
1. mit einer „Geld-zurück-Garantie“
(…)
zu werben und /oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem TV-Spot „Fische“, dessen
Bildsequenzen sich aus den als Anlagenkonvolut AS 5 beigefügten Screenshots ergeben
Das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 12, hat am 24.7.2012 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung
erlassen.
Im Widerspruchsverfahren hat die Antragsgegnerin u.a. vorgetragen: In der „Geld-zurück-Garantie“ liege kein
Garantieversprechen. Auch im Heilmittelwerberecht gelte, dass nicht das Versprechen eines Erfolgs, sondern
nur das Hervorrufen des Eindrucks, dieser sei sicher, unzulässig sei. Ein sicherer Erfolg werde aber
vorliegend nicht behauptet. Denn eine „Geld-zurück-Garantie“ mache überhaupt keinen Sinn, wenn das
werbende Unternehmen nicht auch die Möglichkeit in Betracht ziehe, dass es gelegentlich nicht zum
Therapieerfolg komme. Der Auslobung sei die Möglichkeit immanent, dass der Heilerfolg nicht eintreten
könne. Der Verbraucher sei inzwischen in erheblichem Umfange gewohnt, dass Arzneimittel mit einer „Geld-
zurück-Garantie“ beworben würden. Die zu Zeiten der BGH-Entscheidung „Vibrations-Massagekissen“ im Jahr
1972 herrschende Verkehrsanschauung habe sich erheblich gewandelt. Heutzutage wisse der Verbraucher,
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dass er etwa im Fernabsatz berechtigt sei, die Ware zu Erprobungszwecken zu verwenden und dann im
Rahmen der Widerrufsmöglichkeiten zurückzusenden. Bei dem Verbraucher entstehe daher nicht der
Eindruck, eine solche Konstellation sei nur möglich, weil der Verkäufer sicher sei, dass es nicht zur
Inanspruchnahme der Garantie komme, weil der Erfolg mit Sicherheit eintrete.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag insoweit
zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat demgegenüber beantragt,
die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe zu bestätigen, dass es im Anschluss an I.d) hinter dem
Semikolon weiter heißt „und dessen konkrete Verletzungsform sich aus der Anlage ASt 4 ergibt“.
Die Antragstellerin hat erwidert: Es treffe nicht zu, dass „Geld-zurück-Garantien“ im Arzneimittelbereich heute
„an der Tagesordnung“ seien. Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Beispiele bezögen sich nicht auf die
Wirkung von Arzneimitteln, sondern „Nichtlieferung oder Warenrückgabe" (Anlage AS 14).
Das Landgericht Hamburg hat mit am 25.9.2012 verkündeten Urteil die einstweilige Verfügung bestätigt.
Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des Urteils verwiesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten
Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und ergänzt diesen wie folgt: Das
Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass sich zwischenzeitlich Verbraucherleitbild und
Verkehrsverständnis erheblich gewandelt hätten. Der BGH-Fall „Vibrations-Massagekissen“ betreffe zudem
den anders gelagerten Fall eines Rückgaberechts nach Kauf auf Probe; werde – wie vorliegend – der
Kaufpreis schon gezahlt, müsse der Verkäufer nicht so häufig mit einer Rückgabe rechnen wie bei einem
Kauf auf Probe. Der Verkehr erwarte daher vorliegend nicht, dass der Erfolg mit Sicherheit eintreten werde,
da die Anzahl der möglichen Rücksendungen ohnehin geringer und damit für den Verkäufer finanziell
verkraftbar sei. Im angegriffenen Spot fehle es an Elementen, die auf einen sicheren Erfolgseintritt schließen
ließen. Es fehle auch an einer mindestens mittelbaren Gesundheitsgefährdung, die Voraussetzung eines
Verstoßes gegen § 3 S. 2 Nr. 2 a) HWG sei.
Die Antragsgegnerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 25.9.2012 die einstweilige Verfügung in
Bezug auf das Verbot zu Ziff. 1.a) aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag
zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ergänzt ihren Vortrag wie folgt:
Der Verkehr verstehe eine „Geld-zurück-Garantie“ nach wie vor so, dass der Anbieter von dem
Vorhandensein der jeweils ausgelobten Eigenschaft derart überzeugt sei, dass er den Kaufpreis
zurückerstatte, wenn der Verbraucher anderer Auffassung sei. Im Falle eines Arzneimittels gehe es in
diesem Zusammenhang allein um dessen Eignung, den Heilerfolg herbeizuführen. Es liege auch eine
mindestens mittelbare Gesundheitsgefährdung vor. Denn es bestehe die Gefahr, dass der Anwender dem
Heilversprechen einschränkungslos folge und das Präparat auch dann anwende, wenn es sich um einen
„schweren Fall“ handele, in dem mehr als 2/3 der Nagelplatte befallen seien, und bei dessen Vorliegen nach
den AWMF-Leitlinien die Konsultation eines Arztes angezeigt sei. Der Patient könne auf diese Weise bis zu
sechs Wochen von einem Arztbesuch abgehalten werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie
die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der zulässige Verfügungsantrag der Antragstellerin ist begründet.
1. Der Antragstellerin steht hinsichtlich der angegriffenen Werbung ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 4
Nr. 11, 5, 8 UWG i.V.m. § 3 HWG zu, weil es sich bei der beanstandeten „Geld-zurück-Garantie“ um ein
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Nr. 11, 5, 8 UWG i.V.m. § 3 HWG zu, weil es sich bei der beanstandeten „Geld-zurück-Garantie“ um ein
unzulässiges Erfolgsversprechen im Sinne des § 3 S. 1 Nr. 2a) HWG handelt. Diese Vorschrift verbietet
Werbung, mit der fälschlich der Eindruck erweckt wird, ein Erfolg könne mit Sicherheit erwartet
werden.Hiervon sind sowohl direkte Erfolgs-Aussagen erfasst als auch solche, die den Erfolg durch
Aussagen über andere Umstände suggerieren (Artz, in: Bülow u.a., HWG, 4. Aufl. 2012, § 3 Rn. 65).
a) Die Antragstellerin macht zu Recht geltend, dass der angesprochene Verkehr – es handelt sich um
Werbung gegenüber der Allgemeinheit – die vorliegende „Geld-zurück-Garantie“ als Erfolgsversprechen
versteht.
Das Verkehrsverständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und
vernünftigen Verbrauchers ebenso wie das eines Arztes vermögen die Mitglieder des Senats, die sich hierbei
auf ihre eigene Sachkunde und Lebenserfahrung stützen können, selbst zu beurteilen. Denn nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Beurteilung des Verkehrsverständnisses von Ärzten durch die
Mitglieder des Gerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Erkenntnisstand der Wissenschaft im Hinblick auf
den maßgebenden Sachverhalt vorgetragen wurde und außerdem – wie hier – keine Anhaltspunkte dafür
gegeben sind, dass ein Arzt die deutsche Sprache anders verstehen könnte als jemand, der ebenfalls ein
wissenschaftliches Studium absolviert hat (Senat, Urteil v. 21.12.2006, Az. 3 U 77/06, PharmaR 2007, 204).
Zunächst ist festzustellen, dass entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin der durchschnittlich
informierte und situationsadäquat aufmerksame Verbraucher keineswegs stets davon ausginge, dass
Heilmittel niemals sicheren Erfolg versprechen könnten. Vor diesem Hintergrund fasst der angesprochene
Verkehr die hier beanstandete Werbung mit einer „Geld-zurück-Garantie“ dahin auf, dass es sich um ein
besonders gutes und im Hinblick auf den zu erreichenden Erfolg sicheres Angebot handele, weil andernfalls
kein wirtschaftlich denkender Kaufmann das Risiko einer Kostenerstattung gegenüber der Allgemeinheit
einginge. Der Senat teilt diesbezüglich den Standpunkt des OLG München in dessen Beschluss vom
21.9.2012 (Az. 29 W 1579/12, Anlage BB 1), der sich auf die im Internet verbreitete, jedenfalls hinsichtlich
der „Geld-zurück-Garantie“ aber identische Fassung des Werbespots bezieht. Die im Werbefilm gezeigte
Szene beschreibt in anschaulicher Weise den Heilerfolg des beworbenen Präparats. Dann wird die „Geld-
zurück-Garantie“ beworben. Andere Bezugspunkte als den Heilerfolg hat diese Garantie naheliegenderweise
nicht. Das OLG München weist auch zu Recht darauf hin, dass die Erstreckung der „Geld-zurück-Garantie“
auf angebrochene oder sogar bereits vollständig verbrauchte Arzneimittel, die im Falle einer Rücknahme für
die Antragsgegnerin wirtschaftlich wertlos sind, bei den angesprochenen Verkehrskreisen gerade den
Eindruck noch verstärkt, dass es sich bei der beworbenen Leistung um ein besonders gutes und im Hinblick
auf den zu erreichenden Erfolg sicheres Angebot handelt. Die im Internet verfügbaren Teilnahmebedingungen
vermögen dieses Verkehrsverständnis nicht zu korrigieren, denn dieses stellt sich unmittelbar bei
Betrachtung des Films ein und eine etwaige Aufklärung, die zudem erst vergleichsweise umständlich im
Internet aufgesucht werden müsste, kommt zu spät.
Demgegenüber kann nicht festgestellt werden, dass sich das Verkehrsverständnis – wie die Antragsgegnerin
geltend macht – dahingehend geändert hätte, dass der Verkehr einer „Geld-zurück-Garantie“ aufgrund einer
entsprechenden Gewöhnung keine Erfolgsaussage mehr entnähme (vgl. etwa OLG Köln, Magazindienst
2010, 621, juris-Rn. 5). Die von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Gepflogenheiten des
Fernabsatzhandels erlangen für den auf die spezielle Warengruppe der Arzneimittel bezogenen
Verständnishorizont der Verbraucher keine Bedeutung. Auch die ganz überwiegende Meinung in der Literatur
sieht den von der Antragsgegnerin behaupteten Anschauungswandel nicht als gegeben an (Riegger,
Heilmittelwerberecht, Kap. 3 Rn. 55; Doepner, HWG, 2. Aufl. 2000, § 3 Rn. 85; Reese/Holtorf, in:
Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, Kap. 11 Rn. 169; zurückhaltender allerdings Gröning, HWG,
Bd. 1, § 3 Rn. 31).
b) Die Werbeangabe ist auch irreführend, denn die Antragsgegnerin hat nicht einmal den Versuch
unternommen, einen sicheren Heilerfolg zu belegen.
c) Die irreführende Werbung bewirkt auch eine zumindest mittelbare Gesundheitsgefahr. Denn es besteht –
hierauf weist die Antragstellerin zu Recht hin – die Möglichkeit, dass Patienten, die wegen eines „schweren
Falls“ (zu mehr als 2/3 befallene Nagelplatte) nach den maßgeblichen Behandlungsleitlinien einen Arzt
konsultieren sollen oder nach Ziff. 4.2 a.E. der Fachinformation (Anlage AS 2) einer ergänzenden
systemischen antimykotischen Therapie bedürfen, angesichts des vollmundigen Heilversprechens der
Antragsgegnerin für eine Dauer von bis zu sechs Wochen von einem Arztbesuch abgehalten werden könnten.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 ZPO.