Urteil des OLG Hamburg vom 07.11.2013

OLG Hamburg: 1. Ein die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung rechtfertigendes Angebot, Ersatzwohnraum zu schaffen, erfordert u.a., dass hinreichend verlässlich damit gerechnet werden kann

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1. Ein die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung rechtfertigendes Angebot, Ersatzwohnraum
zu schaffen, erfordert u.a., dass hinreichend verlässlich damit gerechnet werden kann, dass der
angebotene Ersatzwohnraum zeitnah nach Erteilung der Zweckentfremdungsgenehmigung geschaffen
wird. Daran fehlt es, wenn in einem positiven Bauvorbescheid nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
festgestellt wird und die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit ausdrücklich offen gelassen und auch sonst
nicht dargelegt wird, dass mit der Erteilung einer Baugenehmigung tatsächlich gerechnet werden kann,
ohne dass öffentlich rechtliche Vorschriften des Bauordnungsrechts entgegenstehen.
2. Eine Auflage zur Leistung einer Ausgleichszahlung kann keinen Einfluss auf das Gewicht der
Interessen haben, die bei der Entscheidung über die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung
nach § 10 Abs. 1 Satz 1 HmbWoSchG gegeneinander abzuwägen sind. Dass Gesetz sieht nicht vor, dass
ein überwiegendes Interesse am Erhalt von Wohnraum durch eine Ausgleichszahlung überwunden
werden kann.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 4. Senat, Beschluss vom 07.11.2013, 4 Bs 186/13
§ 10 Abs 1 WoPflG HA, § 10 Abs 2 WoPflG HA, § 11 Abs 1 WoPflG HA
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 4. Juni
2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der
Antragsgegnerin, eine Zweckentfremdungsgenehmigung – hilfsweise verbunden mit Auflagen – zu erteilen.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in der W.- Straße …, das mit einem
zweigeschossigen Gebäude bebaut ist. Sie betreibt im Souterrain und im Erdgeschoss eine
Kindertageseinrichtung. Für diese Nutzung liegt eine Zweckentfremdungsgenehmigung vor. Die ca. 81 m²
große Wohnung, die sich über der Kindertageseinrichtung im Obergeschoss befindet, ist derzeit unbewohnt.
Einen Antrag des Rechtsvorgängers der Antragstellerin, im Baugenehmigungsverfahren mit
Konzentrationswirkung eine Nutzungsänderungsgenehmigung für die Wohnung im Obergeschoss zu erteilen,
um auch dort die Kindertageseinrichtung zu betreiben, lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 3.
Februar 2011 ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass kein Anspruch auf Erteilung einer (weiteren)
Zweckentfremdungsgenehmigung bestehe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Antragsgegnerin
mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2011 zurück. Die daraufhin erhobene Klage ist bei dem
Verwaltungsgericht anhängig (9 K 151/11). Einen Eilantrag des Rechtsvorgängers der Antragstellerin lehnte
das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. August 2011 ab (9 E 1631/11). Die daraufhin erhobene
Beschwerde wies das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 3. November 2011 zurück (2 Bs 174/11).
Bereits im Mai 2011 hatte der Rechtsvorgänger der Antragstellerin die isolierte Erteilung einer
Zweckentfremdungsgenehmigung beantragt. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16. Juni
2011 ab. Hiergegen erhob der Rechtsvorgänger der Antragstellerin Widerspruch, den die Antragsgegnerin
mittlerweile mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2013 zurückgewiesen hat. Die daraufhin erhobene
Klage ist bei dem Verwaltungsgericht anhängig (11 K 1727/13).
Im November 2011 beantragte der Rechtsvorgänger der Antragstellerin die Erteilung einer
Zweckentfremdungsgenehmigung, die mit der Auflage verbunden werden solle, eine Ausgleichszahlung für
die Dauer der Zweckentfremdung zu leisten. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 10. Februar
2012 ab. Über den daraufhin erhobenen Widerspruch hat die Antragsgegnerin bislang nicht entschieden.
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Im März 2012 beantragte der Rechtsvorgänger der Antragstellerin die Erteilung einer
Zweckentfremdungsgenehmigung und bot gleichzeitig an, Ersatzwohnraum zu stellen. Es solle
Ersatzwohnraum in einem noch zu errichtenden Gebäude in der L.- Straße geschaffen werden. Die
Antragsgegnerin regte daraufhin an, die Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.
Februar 2012 einstweilen bis zu einer Entscheidung über den nunmehr gestellten weiteren Antrag
zurückzustellen. Hiermit erklärte sich der Rechtsvorgänger der Antragstellerin einverstanden.
In der Folgezeit stritten die Beteiligten darüber, ob der angebotene Ersatzwohnraum geeignet i.S.d.
Wohnraumschutzrechts sei. Eine Baugenehmigung liegt für das bislang nicht errichtete Gebäude nicht vor.
Einen Vorbescheidsantrag betreffend die Errichtung eines mehrgeschossigen Gebäudes, das zu 49% dem
Betrieb einer Kindertageseinrichtung und zu 51 % der Unterbringung von Wohnungen dienen solle, hatte die
Antragsgegnerin zunächst vollständig abgelehnt und mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2013 dahin
beschieden, dass bei einer Ausführung als fünfgeschossiges Gebäude „das Bauvorhaben (...)
bauplanungsrechtlich zulässig“ sei, indes „hinsichtlich der Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorgaben
(...) eine abschließende Entscheidung auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen nicht möglich“ sei.
Einen zwischenzeitlich gestellten Antrag des Rechtsvorgängers der Antragstellerin, eine Baugenehmigung für
die Errichtung eines achtgeschossigen Gebäudes mit sieben Wohnungen, einer Kindertageseinrichtung für 60
Kinder und einer Tiefgarage zu erteilen, lehnte die Antragsgegnerin ab. Auf die daraufhin erhobene Klage
verpflichtete das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin mit Urteil vom 24. November 2011 zur
Neubescheidung (19 K 224/09). Das Beschwerdegericht hat auf die Berufung der Antragsgegnerin die Klage
mit Beschluss vom 8. August 2013 mittlerweile vollständig abgewiesen (2 Bf 108/11).
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Antragstellerin die einstweilige Erteilung
einer Zweckentfremdungsgenehmigung, hilfsweise mit der Auflage, Ersatzwohnraum zu schaffen, äußerst
hilfsweise mit der Auflage, eine Ausgleichszahlung zu leisten, begehrt. Diesen Antrag hat das
Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4. Juni 2013 abgelehnt: Die Antragstellerin habe jedenfalls einen
Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Darauf, dass ab dem 1. August 2013 ein Rechtsanspruch auf
Kinderbetreuung für Kinder ab einem Jahr bestehe, könne sich die Antragstellerin zur Begründung der
Eilbedürftigkeit jedenfalls deshalb nicht berufen, weil es sich hierbei nicht um ein subjektives Recht der
Antragstellerin handele. Drohende finanzielle Einbußen habe sie nicht glaubhaft gemacht. Zu berücksichtigen
sei ferner, dass die Antragstellerin bewusst das wirtschaftliche Risiko eingegangen sei, ein Grundstück zu
erwerben, für das eine Zweckentfremdungsgenehmigung, was die Nutzung des Obergeschosses anbelange,
nicht vorliege. Auf bereits vorliegende Anmeldungen für die Kindertageseinrichtung in der W.- Straße …
könne sie sich zur Begründung der Eilbedürftigkeit auch nicht berufen, weil sie diese in Kenntnis der
fehlenden Zweckentfremdungsgenehmigung entgegen genommen habe. Was den zweiten Hilfsantrag
anbelange, bestehe eine Eilbedürftigkeit ferner auch deshalb nicht, weil sich die Antragstellerin selbst damit
einverstanden erklärt habe, dass dieser Antrag zunächst zurückgestellt werde.
II.
Die dagegen erhobene zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Allerdings hat die Antragstellerin mit den dargelegten Gründen, die das Beschwerdegericht insoweit nur zu
prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung
ernsthaft in Zweifel gezogen.
Zu Recht bemängelt die Antragstellerin zum einen, dass die Argumentation des Verwaltungsgerichts
widersprüchlich sei. Dieses vertritt einerseits, ein Anordnungsgrund i.S.v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO könne
sich auch daraus ergeben, dass mit Blick auf öffentliche Interessen oder die Interessen anderer Personen
das Abwarten einer Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar sei. Es verweist aber andererseits darauf, die
Antragstellerin könne sich zur Begründung der behaupteten Eilbedürftigkeit nicht darauf berufen, dass seit
dem 1. August 2013 ein Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder ab einem Jahr bestehe, weil es sich
hierbei jedenfalls nicht um ein eigenes Recht der Antragstellerin handele. Es kann dahin stehen, ob im
Rahmen der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes i.S.v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch etwaige
öffentliche Interessen und subjektive Rechte Dritter Berücksichtigung finden können (hierzu Puttler, in:
Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 123 Rn. 84). Ebenso kann dahin stehen, ob – Ersteres unterstellt –
der seit dem 1. August 2013 bestehende Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder ab einem Jahr eine
Eilbedürftigkeit der vorliegenden Sache nach den vorstehenden Maßgaben zu begründen geeignet wäre. Denn
das Verwaltungsgericht setzt sich, worauf die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdebegründung zu Recht
verweist, in den Gründen für die Verneinung eines Anordnungsgrundes jedenfalls zu seinem eigenen
Obersatz in Widerspruch. Ein Teil der von dem Verwaltungsgericht gegebenen, aus mehreren Elementen
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kumulativ bestehenden Begründung erweist sich daher als nicht tragfähig, ohne dass die weiteren
Begründungselemente für sich genommen selbständig tragend wären.
Die Antragstellerin erschüttert die Gründe der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zum
anderen, indem sie zur Begründung der Eilbedürftigkeit nunmehr zusätzlich geltend macht, dass die ihr von
der Antragsgegnerin gewährte Zuwendung aus dem Krippenausbauprogramm endgültig verloren gehe, wenn
sie nicht alsbald den beabsichtigten Ausbau der Kindertageseinrichtung in der W. Straße vornehmen könne.
Gerade weil die Zuwendungsgewährung ausdrücklich unter dem Widerrufsvorbehalt erfolgt war, dass die für
den Ausbau des Obergeschosses erforderlichen Genehmigungen erteilt werden, kommt es in Betracht, dass
die Antragstellerin wegen des andernfalls zu befürchtenden Verlustes einer dem Grunde nach bewilligten
Zuwendung eine vorläufige Entscheidung über ihre Anträge beanspruchen kann, wenn die weitere Prüfung
ergeben sollte, dass die geltend gemachten (Genehmigungs-) Ansprüche aller Voraussicht nach bestehen
und von der Antragsgegnerin bislang zu Unrecht nicht erfüllt worden sind.
Da die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ernsthaft in Zweifel gezogen worden sind, ist das
Beschwerdegericht berechtigt, den gesamten Streitstoff – auch soweit er nicht Gegenstand der
Beschwerdebegründung ist – zu würdigen. Diese Würdigung ergibt, dass die Beschwerde der Antragstellerin
erfolglos bleibt. Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag der Antragstellerin abgelehnt.
Dies gilt für den Hauptantrag ebenso wie für die beiden Hilfsanträge.
1. Die Antragstellerin kann nicht beanspruchen, dass die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung vorläufig verpflichtet wird, eine Zweckentfremdungsgenehmigung zu erteilen. Denn die
Antragstellerin hat jedenfalls einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 HmbWoSchG ist eine Zweckentfremdungsgenehmigung zu erteilen, wenn ein
öffentliches oder ein berechtigtes Interesse Verfügungsberechtigter oder Nutzungsberechtigter an der
zweckfremden Nutzung vorliegt, welches das öffentliche Interesse am Erhalt der Wohnnutzung überwiegt.
Der 2. Senat des Beschwerdegerichts hat hierzu in seinem Beschluss vom 3. November 2011 (NordÖR 2012,
137, juris) im Einzelnen dargelegt, unter welchen Voraussetzungen vom Vorliegen eines öffentlichen
Interesses oder eines berechtigten Interesses des Verfügungs- bzw. Nutzungsberechtigten i.S.v. § 10 Abs. 1
Satz 1 HmbWoSchG ausgegangen werden kann. Er hat ferner ausgeführt, dass und aus welchen Gründen
diese Voraussetzungen im Hinblick auf die von der Antragstellerin beabsichtigte (Um-) Nutzung des
Obergeschosses des Gebäudes W.- Straße … nicht erfüllt werden. Neue rechtliche oder tatsächliche
Gesichtspunkte, die eine andere Bewertung rechtfertigen könnten, bringt die Antragstellerin in dem
vorliegenden Verfahren nicht vor. Auf die Ausführungen in dem o.g. Beschluss, denen sich der
beschließende Senat anschließt, kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.
Dass – worauf die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde einmal mehr verweist – seit dem 1. August 2013 ein
Betreuungsanspruch für Kinder ab einem Jahr bestehe, allgemein ein großer und weiter steigender Bedarf an
Krippenplätzen gegeben sei und sie zahlreiche Anmeldungen für die Einrichtung in der W.- Straße … habe,
vermag ein überwiegendes Interesse an einer zweckfremden Nutzung i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 1 HmbWoSchG
im Übrigen ebenfalls nicht zu begründen. Denn die Antragstellerin macht nicht glaubhaft, dass für die
Erweiterung einer Kindertageseinrichtung gerade an der betreffenden Stelle des Stadtgebiets ein dringender
Bedarf besteht und dass – Ersteres unterstellt – gewerblicher Raum als Alternative nicht zur Verfügung steht
bzw. bereitgestellt werden kann. Diese Voraussetzungen müssen aber u.a. erfüllt sein, damit das öffentliche
Interesse an der Erhaltung von Wohnraum hinter einem öffentlichem oder berechtigten Interesse an einer
zweckfremden Nutzung i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 1 HmbWoSchG zurücktritt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v.
3.11.2011, a.a.O., juris Rn. 17).
2. Die Antragstellerin kann ferner nicht beanspruchen, dass die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen
Anordnung vorläufig verpflichtet wird, eine Zweckentfremdungsgenehmigung mit der Auflage zu erteilen,
Ersatzwohnraum zu schaffen. Denn die Antragstellerin hat auch insoweit einen Anordnungsanspruch nicht
glaubhaft gemacht.
Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 HmbWoSchG gleicht ein beachtliches Angebot zur Bereitstellung von
Ersatzwohnraum, das gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 HmbWoSchG durch Nebenbestimmungen gesichert werden
kann, das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Wohnraums in der Regel aus. Die Antragstellerin hat
zwar angeboten, Ersatzwohnraum in einem noch zu errichtenden Gebäude in der L.- Straße … zu schaffen.
Dabei geht der Senat davon aus, dass sich dieses Angebot auf ein noch zu errichtendes fünfgeschossiges
Gebäude bezieht, das zu 49 % dem Betrieb einer Kindertageseinrichtung und zu 51 % der Unterbringung von
Wohnungen dienen soll und das Gegenstand des teilweise positiven Vorbescheids in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2013 ist. Denn die Antragstellerin hat in ihrem Schriftsatz vom 18.
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Oktober 2013 ausdrücklich klargestellt, dass sie sich in ihren Hilfsanträgen auf den geplanten Neubau eines
fünfgeschossigen Gebäudes beziehe, für den die Antragsgegnerin den vorbenannten – im Übrigen
bestandskräftigen – Vorbescheid erteilt habe. Indes hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass es
sich bei dem Angebot, ein fünfgeschossiges Gebäude mit Mischnutzung in der L.- Straße … zu errichten, um
ein beachtliches Angebot zur Bereitstellung von Ersatzwohnraum i.S.d. § 10 Abs. 2 HmbWoSchG handelt.
Ein beachtliches Ersatzwohnraumangebot liegt vor, wenn kumulativ die Voraussetzungen aus § 10 Abs. 2
Satz 2 HmbWoSchG erfüllt sind. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HmbWoSchG gehört hierzu u.a., dass
zwischen der Zweckentfremdung und der Bereitstellung von Ersatzwohnraum ein zeitlicher Zusammenhang
besteht. Für den Fall einer erst zukünftigen Schaffung von Ersatzwohnraum ist ein zeitlicher Zusammenhang
zwischen der Zweckentfremdung und der Bereitstellung von Ersatzwohnraum i.S.v. § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2
HmbWoSchG gegeben, wenn hinreichend verlässlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.5.1985, BVerwGE 71, 291,
juris Rn. 24) damit gerechnet werden kann, dass der angebotene Ersatzwohnraum zeitnah nach Erteilung der
Zweckentfremdungsgenehmigung geschaffen wird (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 24.1.2000, NZM 2000, 720,
juris Rn. 29 ff.). Andernfalls könnte der mit der Schaffung von Ersatzwohnraum verfolgte Zweck, den durch
die Zweckentfremdung eintretenden konkreten Wohnraumverlust auszugleichen, indem gleichwertiger Ersatz
geschaffen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.6.1996, 8 B 129.96, juris Rn. 2), nicht erreicht werden. Es muss
daher auch gewährleistet sein, dass die (öffentlich-) rechtlichen Voraussetzungen für die Realisierung des
geplanten Vorhabens erfüllt sind. Allein die Erteilung eines positiven Bauvorbescheids ist hierfür nicht
ausreichend, wenn – wie vorliegend – darin nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens
festgestellt und die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit ausdrücklich offen gelassen wird. In einem solchen
Fall muss derjenige, der die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung begehrt und im Gegenzug
anbietet, Ersatzwohnraum zu schaffen, zumindest darlegen und im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO), dass mit
der Erteilung einer Baugenehmigung auch tatsächlich gerechnet werden kann, ohne dass öffentlich-rechtliche
Vorschriften des Bauordnungsrechts dem entgegenstehen (§ 72 Abs. 1 Satz 1 HmbBauO).
Hieran mangelt es vorliegend. Die Antragstellerin, die für das Vorhaben in der L.- Straße … offenbar mehrere
Ausführungsvarianten verfolgt, legt nicht einmal dar, wie sie das noch zu errichtende fünfgeschossige
Gebäude zu gestalten beabsichtigt. Eine Einschätzung, ob die Vorgaben des Bauordnungsrechts und
sonstige im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften
eingehalten werden, kann angesichts dessen nicht getroffen werden. Insbesondere lässt sich nicht
überprüfen, ob dem bauordnungsrechtlichen Erfordernis aus § 10 HmbBauO (Herstellung einer
Kinderspielfläche) Rechnung getragen werden könnte. Für das ebenfalls geplante achtgeschossige Gebäude
hat der 2. Senat des Beschwerdegerichts jedenfalls entschieden, dass diesem Erfordernis nicht genügt werde
(Beschl. v. 8.8.2013, 2 Bf 108/11). Dass dies im Falle der Errichtung eines fünfgeschossigen Gebäudes
anders beurteilt werden müsste bzw. dass dann die Voraussetzungen aus § 10 HmbBauO erfüllt würden,
lässt sich dem Vorbringen der Antragstellerin, das keinen näheren Aufschluss über die geplante Ausführung
des Neubauvorhabens in der L.- Straße … gibt, nicht entnehmen.
3. Die Antragstellerin kann schließlich auch nicht beanspruchen, dass die Antragsgegnerin im Wege der
einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet wird, eine Zweckentfremdungsgenehmigung mit der Auflage zu
erteilen, eine Ausgleichszahlung zu leisten. Auch insoweit hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch
nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 HmbWoSchG kann die Zweckentfremdungsgenehmigung mit der Auflage, eine
einmalige oder laufende Ausgleichszahlung zu leisten, erteilt werden. Dabei macht das Verhältnis von § 10
HmbWoSchG, der die Genehmigungsvoraussetzungen abschließend regelt, und § 11 Abs. 1 Satz 1
HmbWoSchG, der Regelungen zur Zulässigkeit von Nebenbestimmungen enthält, deutlich, dass eine solche
Auflage erst in Betracht kommt, wenn zunächst – was vorliegend aber nicht der Fall ist (s.o. zu 1.) – die
allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung aus § 10 Abs. 1 Satz
1 HmbWoSchG erfüllt werden. Eine etwaige Auflage zur Leistung einer Ausgleichszahlung kann deshalb,
anders als dies die Antragstellerin in ihrer Antragsbegründung vertritt, keinen Einfluss auf das Gewicht der
Interessen haben, die bei der Entscheidung über die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung gemäß
§ 10 Abs. 1 Satz 1 HmbWoSchG gegeneinander abzuwägen sind. Insbesondere sieht das Gesetz nicht die
Möglichkeit vor, ein überwiegendes öffentliches Interesse am Erhalt von Wohnraum dadurch auszugleichen,
dass demjenigen, der die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung begehrt, die Verpflichtung
auferlegt wird, eine Ausgleichszahlung zu leisten. § 10 Abs. 2 Satz 1 HmbWoSchG sieht eine derartige
Möglichkeit des Ausgleichs nur vor, wenn ein beachtliches Angebot, Ersatzwohnraum zu schaffen, vorliegt.
Eine entsprechende Vorschrift fehlt aber für das „Angebot“, eine Ausgleichszahlung zu leisten. Dies ist
sachgerecht, denn könnte mithilfe einer Ausgleichszahlung ein überwiegendes öffentliches Interesse am
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Wohnraumschutz ausgeglichen werden, so wäre die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung letztlich
käuflich.
Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass bei einem solchen Verständnis die gesetzlich ausdrücklich
vorgesehene Möglichkeit leerliefe, eine Zweckentfremdungsgenehmigung mit der Auflage zur Leistung einer
Ausgleichszahlung zu verbinden, weil in derartigen Fällen stets ein überwiegendes öffentliches oder jedenfalls
berechtigtes Interesse i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 1 HmbWoSchG an der zweckfremden Nutzung gegeben sein
müsse. Selbst das Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der zweckfremden Nutzung
hindert die zuständige Behörde nicht von vornherein daran, einer Zweckentfremdungsgenehmigung die
Auflage beizufügen, dass eine Ausgleichszahlung zu leisten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.1999, NZM
1999, 815, juris Rn. 5 f.). Denn ein Bedürfnis, durch die Leistung einer Ausgleichszahlung den Schaden
auszugleichen, der dem Wohnungsmarkt durch die Zweckentfremdung des Wohnraums entsteht (vgl. § 11
Abs. 2 Satz 1 HmbWoSchG), kann auch bestehen, wenn die zweckfremde Nutzung im überwiegenden
(öffentlichen) Interesse erfolgt. Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des Beschwerdegerichts, auf
die sich die Antragstellerin zur Begründung ihrer gegenteiligen Rechtsauffassung beruft (Urt. v. 25.5.2007,
WuM 2007, 519, juris Rn. 44 ff.). Darin hat das Beschwerdegericht keinen Rechtssatz des Inhalts formuliert,
eine Zweckentfremdungsgenehmigung mit der Auflage, eine Ausgleichszahlung zu leisten, könne unabhängig
von den allgemeinen Genehmigungsvoraussetzungen erteilt werden. Vielmehr hat das Gericht der Sache
nach vertreten, dass sich nicht die Frage stelle, ob eine im überwiegenden öffentlichen Interesse erteilte
Zweckentfremdungsgenehmigung mit der Auflage verbunden werden dürfe, eine Ausgleichszahlung zu
leisten, wenn es an einem öffentlichen Interesse an der zweckfremden Nutzung fehle (und diese
ausschließlich im berechtigten Interesse eines Verfügungs- oder Nutzungsberechtigten erfolge).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts bleibt einer
gesonderten Entscheidung vorbehalten, da insoweit den Beteiligten zuvor noch rechtliches Gehör zu
gewähren ist.