Urteil des OLG Hamburg vom 02.01.2014
OLG Hamburg: Bei Überladung ist für die Bestimmung des Erlangten im Sinne des Verfalls (§29a Abs. 2 OWiG) das volle für die Fahrt erlangte Transportentgelt zugrunde zu legen
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Bei Überladung ist für die Bestimmung des Erlangten im Sinne des Verfalls (§29a Abs. 2 OWiG) das volle
für die Fahrt erlangte Transportentgelt zugrunde zu legen, wenn bei der Durchführung einer
Transportfahrt mit einem Lastkraftwagen das zulässige Höchstgewicht nach § 34 StVZO überschritten ist.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 2. Senat für Bußgeldsachen, Beschluss vom 02.01.2014, 2 - 43/13 (RB)
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg, Abteilung 252,
vom 21. Februar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an dieselbe Abteilung für Bußgeldsachen des
Amtsgerichts Hamburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Verfallsanordnung vom 4. Mai 2012 hat die Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Inneres und
Sport, Einwohnerzentralamt wegen in der Zeit vom 1. Dezember 2011 bis 16. Januar 2012 überladen
durchgeführter 1.855 Rübentransporte nach den §§ 29 a Abs. 4 OWiG, 34 Abs. 3, 69 a StVZO, 24 StVG den
Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 551.795,69 € angeordnet. Auf den Einspruch der Verfallsbeteiligten
hat die Verwaltungsbehörde mit Teilabhilfeentscheidung vom 6. August 2012 die Verfallsanordnung auf
Fahrten vor dem 3. Dezember 2011 und einen Verfallsbetrag von 514.837,75 € beschränkt.
Mit Urteil vom 21. Februar 2013 hat das Amtsgericht Hamburg gegen die Verfallsbeteiligte auf den Verfall
eines Geldbetrages von 390.000,-- € unter Bewilligung monatlicher Ratenzahlung von 16.250,-- € unter
Verfallklausel erkannt. Dagegen richtet sich die am 26. Februar 2013 eingelegte und nach Urteilszustellung
am 8. April 2013 am 8. Mai 2013 durch Verteidigerschriftsatz mit der (ausgeführten) Sachrüge und dem
Antrag auf Urteilsaufhebung begründete Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an dieselbe
Abteilung des Amtsgerichts Hamburg angetragen. Die Generalstaatsanwaltschaft vermisst in dem Urteil
„Feststellungen zu einem durch die Überschreitung des zulässigen Höchstgewichts erlangten wirtschaftlichen
Vorteil“, den allein sie (in Abweichung zu ihrer Auffassung in der Parallelsache 2 RB 1/13 des Senats -
Beschluss vom 20. November 2013 -; Aktenzeichen der Generalstaatsanwaltschaft: 3 Ss 149/12) im Wege
des Verfalls abgeschöpft wissen will.
II.
Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern, weil eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art im
Wert von mehr als 5.000,-- € festgesetzt worden ist (§ 80 a Abs. 2 S. 1 OWiG). Die Dreierbesetzung gilt
nämlich einheitlich auch dann, wenn wegen unzulänglicher Feststellungen – wie hier; siehe dazu nachstehend
III. 1., 2.a) – unklar ist, ob mehrere in der Summe 5.000,-- € übersteigende Geldbußen wegen einer oder
mehrerer Taten im prozessualen Sinn verhängt worden sind (vgl. Senat, NStZ-RR 1999, 57; BayObLGSt
1999, 25; Seitz in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 80 a Rdn. 3); Entsprechendes gilt mit Rücksicht auf
Nebenfolgen vermögensrechtlicher Art (vgl. Seitz, a.a.O.).
III.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache – vorläufigen – Erfolg.
1. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde folgt aus den §§ 87 Abs. 3 S. 2, Abs. 5, Abs. 6, 79 Abs. 3 S. 1
OWiG, 341, 344, 345 StPO). Das Amtsgericht hat eine einheitliche Nebenfolge im Wert von mehr als 250,-- €
festgesetzt. Einzelwerte für die 1.754 (richtig 1.726) Fälle der zugrunde gelegten Überladungsfahrten enthält
das Urteil nicht. Das Amtsgericht hat die Einzelfälle – überdies nur drucktechnisch abgesetzt von einer noch
weit größeren Zahl unbeanstandet gebliebener Fahrten – in eine dem Urteil (Aktenblätter 303 bis 322)
angehängte das Urteil im Übrigen an Umfang weit übertreffende Tabelle (Tabelle Anlage 3, Aktenblätter 330
bis 461) verwiesen. Es hat dabei eine nur monatsweise Unterteilung (Dezember 2011 und Januar 2012)
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vorgenommen und im Übrigen auf der Grundlage des sich aus der Tabelle aus der Addition der einzelnen
inkriminierten Frachtentgelte errechneten Gesamtbetrages (422.124,48 €) wegen „verbliebener
Unwägbarkeiten“ einen Gesamtabschlag auf einen Betrag von 390.000,-- € vorgenommen. Auf Seite 6 und 12
des Urteils werden die Überladungsfahrten insgesamt und ungetrennt prozentanteilig (mit 26,7 %) den nicht
überladenen Fahrten gegenübergestellt. Am Ende des schriftlichen Urteils (Seite 19, 20) wird schließlich
ausgeführt, selbst wenn in dem einen oder anderen Fall anderen Orts ein Ordnungswidrigkeitenverfahren
gegen einen der Fahrer eingeleitet worden sein könnte, wäre dem durch die im Rahmen des
Sicherheitsabschlags vorgenommene Reduzierung des Verfallsbetrags Rechnung getragen. Letztere
Erwägung erwiese sich indes allein auf der Grundlage der Annahme einer einheitlichen (prozessualen wie
materiell-rechtlichen) Tat als tragfähig. In der Tat wäre möglicherweise – vom Amtsgericht nicht in den Blick
genommen – unter Abstellen auf die Personen der Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten die Annahme eines
sogenannten uneigentlichen Organisationsdeliktes vorstellbar gewesen. In jedem Fall bleibt der vom
Amtsgericht in seiner rechtlichen Würdigung zugrunde gelegte Tatbegriff zweideutig. Schon deshalb ist eine
Zusammenrechnung der – vom Amtsgericht nicht ausgewiesenen – Einzelverfallsbeträge auf der
Zulässigkeitsebene des Rechtsmittels unausweichlich; die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde kann nicht
von der Beantwortung der sachlich-rechtlichen Beurteilung abhängig sein, ob das Gericht die Frage von
Tateinheit oder Tatmehrheit richtig entschieden hat (Seitz, a.a.O., § 79 Rdn. 23 m.w.N.). Letzteres gilt umso
mehr, wenn die Entscheidung des Amtsgerichts – wie hier – insoweit diffus bleibt.
2. Das Urteil hält der rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung aufgrund der erhobenen Sachrüge nicht
stand. Es ist in mehrfacher Hinsicht nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Der nach § 29 a Abs. 4 OWiG auch für den selbständigen Verfall geltende Prüfungsmaßstab des § 29
a Abs. 2 OWiG wird im Urteil bereits im Ansatz verfehlt.
Das Urteil legt der Verfallsanordnung zugrunde 1.754 wegen - jeweils ab 40,8 Tonnen angenommen - das
zulässige Gesamtgewicht der (Rüben) - Transport - LKWs übersteigenden Gewichts, objektiv
pflichtwidrige Überladungsfahrten, welche sich aus der dem Urteil als Anlage 3 beigefügten Tabelle (diese
zu entschlüsseln nach einer in das Urteil eingefügten weitläufigen Legende) für den Zeitraum vom 3.
Dezember 2011, 02:47 Uhr bis zum 16. Januar 2012, 10:21 Uhr – dabei, im Urteil nicht näher erläutert,
sofortiges Wiegen zu den angegebenen Uhrzeiten nach Verlassen des öffentlichen Verkehrsraumes
unterstellt – im Einzelnen ergeben sollen.
Nach § 29 a Abs. 2 OWiG muss aus der (mit Geldbuße bedrohten) Handlung „etwas“ von dem „anderen“,
für den der Täter gehandelt hat, hier der Verfallsbeteiligten – „erlangt“ worden sein. „Erlangtes“ in diesem
Sinne ist nach dem Urteil (dort insbesondere Seite 9, 14) das für den Rübentransport zu dem
Verarbeitungsbetrieb N jeweils entrichtete Entgelt (Seite 13 des Urteils: „erlangter Transportlohn“, Tabelle
Anlage 3: „Frachtkosten“ beziehungsweise „Entgeltanspruch“). Angeknüpft wird also an die (objektiv
pflichtwidrigen) Fahrten der einzelnen LKW-Fahrer in 1.754 (Urteil Seite 6, 7, 16) Transportfahrten (und
nicht an ein sogenanntes uneigentliches Organisationsdelikt der Geschäftsführer; siehe dazu bereits
vorstehend II.). Es muss folglich auf der Grundlage des Urteils das aus den einzelnen - 1.754 - Fahrten
jeweils erlangte in der Addition den Gesamtbetrag des Verfalls (390.000,-- €) ergeben, im Einzelnen also
auf Grundlage einer Zusammenrechnung der in der Tabelle Anlage 3 ausgewiesenen „Frachtkosten“
beziehungsweise „Entgeltansprüche“.
Aus der Tabelle Anlage 3 ergeben sich indes nicht 1.754, sondern lediglich 1.726 Überladungsfahrten, so
dass eine betragliche Zuordnung – sofern eine solche nach den Abschlagberechnungen des Urteils
überhaupt möglich erschiene – der zu addierenden einzelnen Verfallsbeträge zu jeweils einer von 1.754
„Handlungen“ schon deshalb nicht möglich ist. Auf der Grundlage des Urteils kann auf 28 Fahrten ein
Anteil an dem Gesamtverfallsbetrag aus der Tabelle Anlage 3 nicht entfallen. Um was für Fahrten es sich
dabei handelt, lässt sich aus dem Urteil nicht ersehen, sodass die Aufteilung des Gesamtbetrages auf
die Einzelfahrten insgesamt offen bleibt.
Das die den einzelnen Handlungen im Sinne des § 29 a Abs. 2 OWiG jeweils zuzuordnenden
Verfallsbeträge nicht ausweisende Urteil lässt demnach auch unter Zuhilfenahme der Tabelle Anlage 3
eine Ausrechnung der Beträge nicht zu. Auf welcher Handlung welcher Verfallsbetrag basiert, bleibt nach
dem Urteil unklar.
Der Senat merkt an, dass aus Vorstehendem die Bedenklichkeit einer – wenngleich grundsätzlich
zulässigen – Bezugnahme auf tabellarische Übersichten mit Rücksicht auf die gebotene geschlossene
Darstellung der zur Urteilsgrundlage gemachten Feststellungen erhellt (dazu BGHR StPO § 267 Abs. 1 S.
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1 Sachdarstellung 1; BGH, NStZ-RR 2010, 54; BGH, NStZ-RR 2012, 133 [C./Z.]; Kuckein in KK-StPO, 7.
Aufl., § 267 Rdnr. 3, 8 m.w.N.). Insbesondere wäre vorliegend eine Nummerierung der Einzelfälle
beziehungsweise Anbringung von Ordnungsziffern hilfreich gewesen (vgl. BGH, NStZ-RR 2012, a.a.O.;
Kuckein, a.a.O. Rdn. 8).
b) Auch der Rechtsfolgenausspruch ist nicht frei von Rechtsfehlern.
aa) Allerdings hat das Amtsgericht der Bestimmung des Wertes des Erlangten im Sinne des § 29 a
Abs. 2 OWiG nach dem sogenannten „Bruttoprinzip“ zutreffend den Wert der (vollen) Gegenleistung
für die Transporte (abzüglich der Mehrwertsteuer) zugrunde gelegt (dazu nur BGHR, StGB § 73 Abs.
3 Bruttoprinzip 1; BGH, Wistra 2011, 101, 102 mit Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien).
Danach ist bei Bestimmung des „Erlangten“ im Sinne des § 29 a Abs. 2 OWiG nicht allein, wie die
Generalstaatsanwaltschaft hier aber meint, auf den durch die Überschreitung des zulässigen
Höchstgewichts erlangten wirtschaftlichen Vorteil etwa in Gestalt ersparter Aufwendungen
abzustellen. Allerdings konnten Abweichungen von den das zulässige Gesamtgewicht von
Kraftfahrzeugen regelnden Bestimmungen des § 34 StVZO (in der hier maßgeblichen Fassung vom
22. Oktober 2003) nach § 70 StVZO von der zuständigen Verwaltungsbehörde genehmigt werden. In
solchen Fällen ist nach der Rechtsprechung des BGH danach zu differenzieren, ob die straf-
(beziehungsweise bußgeld-) bewehrte Handlung sich auf einen rein formalen Verstoß gegen einen
hoheitlichen Genehmigungsvorbehalt beschränkt, während die eigentliche - gewinnbringende -
Tätigkeit nicht in Widerspruch zu den Prinzipien der Rechtsordnung steht, oder ob die nicht
genehmigte Handlung selbst rechtlich missbilligt wird. Der dem Verfall unterliegende Vorteil ist
deshalb danach zu bestimmen, was letztlich bußgeld- beziehungsweise strafbewehrt ist. Soweit das
Geschäft beziehungsweise seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist, unterliegt
demzufolge grundsätzlich der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall. Ist dagegen nur die Art
und Weise bemakelt, in der das Geschäft ausgeführt wird, so ist nur der hierauf entfallende
Sondervorteil erlangt. Dabei gilt nach der Rechtsprechung des BGH der Grundsatz der Abschöpfung
des Erlöses eines Rechtsgeschäfts als aus der Tat „Erlangtes“ aber auch dann, wenn das
geschäftliche Tätigwerden des Tatbeteiligten einem Genehmigungsvorbehalt unterliegt, den dieser in
strafbarer (oder ordnungswidriger) Weise umgeht. Erreicht der Täter Vorteile dadurch, dass er ein –
gegebenenfalls auch nur nach dem Ermessen der Genehmigungsbehörde – nicht
genehmigungsfähiges Geschäft erfüllt sowie daraus entsprechende Vermögenszuwächse erzielt, so
sind diese in vollem Umfange erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 1 StGB beziehungsweise im
Sinne des § 29 a OWiG und unterliegen daher grundsätzlich uneingeschränkt dem Verfall.
Beschränkt der Verstoß gegen die Rechtsordnung sich dagegen auf die Umgehung der
Kontrollbefugnis der Genehmigungsbehörde (sogenanntes präventives Verbot mit
Erlaubnisvorbehalt), so ist erlangt nur der durch die Nichtdurchführung des Genehmigungsverfahrens
erwachsene (Sonder-) Vorteil. Stellt die behördliche Gestattung demgegenüber eine Ausnahme von
einem generell verbotenen Tun dar (sogenanntes repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt), so
verbleibt es bei der generellen Regel, dass das genehmigungslose Tun verboten ist und das
Rechtsgeschäft deswegen nur unter Verstoß gegen materielles Recht erfüllt werden kann (BGHSt 57,
79).
Bei der Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO handelt es sich um eine Ausnahme von einem
generell bestehenden Verbot. Die Vorgaben über Abmessungen, Lasten und Gewichte nach den §§
32, 34 StVZO dienen der Bestimmung dessen, was im Straßenverkehr grundsätzlich als hinnehmbar
und generell sozialverträglich gilt. Die Ausnahmeregelung nach § 70 StVZO, bei der der Behörde ein
Ermessen eingeräumt ist, bezweckt insbesondere die Vermeidung von Härten, daneben unter
anderem auch die Erprobung neuer Techniken. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist jeweils
der Ausnahmecharakter der Genehmigung zu beachten, wobei auch von Relevanz ist, ob der
Transport nicht auf andere Weise abgewickelt werden kann. Durch den Verwaltungsakt der
Ausnahmegenehmigung werden danach materiell-rechtliche gesetzliche Vorschriften außer Kraft
gesetzt und es wird durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt neues objektives Recht jenseits der
allgemeinen Vorgaben der StVZO geschaffen. Das Verhalten ist danach materiell und nicht lediglich
formell rechtswidrig, wenn ein Betroffener sich der Prüfung der Anforderungen für eine
Ausnahmegenehmigung entzieht. Der Tatrichter ist deswegen auch nicht gehalten, die
fahrzeugbezogene Genehmigungsfähigkeit des Transports nach § 70 StVZO zu prüfen und eine
hypothetische Ermessensausübung anstelle der hierzu berufenen Behörde vorzunehmen, um erst auf
dieser Grundlage den Wert des Erlangten im Sinne des § 29 a OWiG bestimmen zu können (OLG
Celle, NZV 2013, 610, 611 m.w.N.; OLG Schleswig, Beschluss vom 13. Dezember 2013, 2 Ss OWi
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115/13 [ 68/13]; siehe auch den Beschluss des Senats vom 20. November 2013, a.a.O.; sofern dem
von der Generalstaatsanwaltschaft angeführten Beschluss des 1. Senats des HansOLG vom 25.
Februar 2013, Az.: 1-13/12 [RB], eine andere Auffassung zugrunde liegen sollte, wird dem nicht
gefolgt).
bb) Die vom Amtsgericht vorgenommene nach § 29 a Abs. 2 OWiG gebotene Ermessensausübung
(„kann“) erweist sich indes als rechtsfehlerbehaftet.
Für die Ausübung des Ermessens, ob eine Anordnung getroffen werden soll oder nicht, sind
allgemeine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte sowie die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Als in
die Entscheidung einzustellende Aspekte kommen in Betracht Bedeutung und Folgen der Tat, der
Umfang des Erlangten, die Gefahr einer Wiederholung durch andere, das Bedürfnis nach einer
Befriedung der Rechtsordnung, die Auswirkungen des Verfalls für den von diesem Betroffenen, der
zur Aufklärung des Sachverhalts erforderliche Aufwand und (maßgeblich) der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Unter dem letztgenannten Gesichtspunkt soll von der Anordnung dann
abgesehen werden, wenn diese den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Adressaten oder sonst
eine unbillige Härte zur Folge hätte (Gürtler in Göhler, OWiG, a.a.O., § 29 a Rdn. 24 m.w.N.).
Zumal mit Rücksicht auf die beträchtliche Gesamthöhe des vorliegend in Rede stehenden Betrages
waren deshalb im Urteil Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Verfallsbeteiligten
erforderlich, die auf eigener Überzeugungsbildung des Gerichts beruhten. Den danach zu stellenden
Anforderungen genügen weder die getroffenen Feststellungen noch die zugrunde gelegte
Beweiswürdigung.
Das Urteil stellt fest (Seite 3, 4), die Verfallsbeteiligte sei „ein wirtschaftlich stabiles Unternehmen“.
Dazu wird mitgeteilt, „bei den Jahresabschlüssen“ für die Jahre 2009 bis 2011 habe sie jeweils über
„umfangreiche Kassenbestände, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten zwischen
1.940.405,67 € und 2.452.244,40 €“ verfügt; die Verfallsbeteiligte „zeichne sich durch ein hohes
Umlaufvermögen aus; die bestehenden Forderungen (seien) ganz überwiegend kurzfristiger Natur“;
die Verfallsbeteiligte verfüge über ein „hohes Eigenkapital“; die „wirtschaftliche Lage über die Jahre
2009 bis 2011“ sei „konstant gut“. „Hinsichtlich der Einzelheiten der Jahresabschlüsse“ werde auf die
Anlagen 1 (Jahresabschlüsse 2009/2010) und 2 (Jahresabschluss 2011) zum Urteil Bezug
genommen.
Die Feststellung „hohen Eigenkapitals“ und „bestehender Forderungen ganz überwiegend kurzfristiger
Natur“ bleibt damit schon mangels jeglicher Darlegung zu Quantitäten bzw. anzunehmenden
Realisierungszeiträumen im Urteil schemenhaft. Die Bezugnahme auf Anlagen zum Urteil begegnet
dabei nicht nur den unter vorstehend III.2.a) bezeichneten Bedenken, sondern erweist sich darüber
hinaus als rechtsfehlerhaft, weil die Auswertung der beigefügten Jahresabschlüsse und der dort
enthaltenen Zahlenwerke dem Rechtsbeschwerdegericht überlassen bleibt, auf welches die
Tatsachenfeststellung (und Beweiswürdigung insoweit) damit unzulässig vom Tatrichter verlagert
wird. Damit fehlt es insbesondere auch an tragfähigen Feststellungen zur Liquidität der
Verfallsbeteiligten, welche sich ohnedies aus den Jahresabschlüssen so nicht ohne weiteres
entnehmen lässt (vgl. zu Liquiditätsfeststellungen Bieneck in Müller-Gugenberger/Bieneck,
Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., § 76 Rdn. 56 a bis 62).
Im Rahmen der Beweiswürdigung wird ausgeführt (Seite 10, 11 des Urteils), die Feststellungen zur
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Verfallsbeteiligten beruhten auf den glaubhaften Bekundungen
des als sachverständigen Zeugen vernommenen Wirtschaftsreferenten des LKA Hamburg, der „im
Rahmen des Verfahrens die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Verfallsbetroffenen geprüft“ und
anhand der Jahresabschlüsse dargelegt habe, „dass die Verfallsbetroffene über ganz erhebliches
kurzfristig verfügbares Vermögen“ verfüge; zwar sei nicht auszuschließen, „dass es sich bei den
unter der Position B.II. (der Jahresabschlüsse in den Anlagen 1 und 2; Anm. Senat) genannten
Kassenbeständen, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks auch um
längerfristig angelegte Gelder handeln könnte, was aus der Übersicht nicht genau hervorginge;
allerdings sei es entsprechend betriebswirtschaftlicher Zweckmäßigkeit hochwahrscheinlich, dass ein
ganz überwiegender Betrag kurzfristig verfügbar sein könnte; selbst wenn dem nicht so wäre, könnte
dieses Geld auch beliehen werden“; letzteres sei „aufgrund der erheblichen finanziellen Reserven der
Verfallsbetroffenen unproblematisch möglich“. Im Übrigen habe der sachverständige Zeuge „auch
bekundet, dass es sich nach den vorliegenden Zahlen um ein wirtschaftlich leistungsstarkes
Unternehmen mit erheblichen finanziellen Reserven handele; der Verfall eines höheren Geldbetrages
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bis 500.000,-- € würde demnach die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens nicht gefährden“.
Die Wiedergabe dieser Ausführungen des sachverständigen Zeugen erschöpft sich zum einen in
bereits nicht quantifizierten, teilweise nur floskelhaften und rechtsbeschwerderechtlich nicht
überprüfbaren eigenen Bewertungen des Zeugen. Zum anderen wird eine über die Übernahme der
Wertungen des Zeugen hinausgehende eigenständige Prüfung des Amtsgerichts nicht ersichtlich.
Das Abheben auf die „hohe Wahrscheinlichkeit“ „kurzfristiger Verfügbarkeit eines ganz
überwiegenden Betrages“ verfehlt zudem den Anforderungsmaßstab richterlicher
Überzeugungsbildung, der selbst bei einer – hier nicht vorgenommenen – Schätzung (vgl. BGH
Wistra 2013, 462; BGH Wistra 2013, 474) auf der Grundlage (allein) gesicherter
Mindestfeststellungen maßgeblich wäre. Schließlich bleibt auch in der Beweiswürdigung die „aus der
Übersicht nicht genau hervorgehende“ Liquiditätssituation mit Rücksicht auf „längerfristig angelegte
Gelder“ ungeklärt und ohne indizielle Grundlage.
IV.
Das Urteil ist nach allem mit den Feststellungen aufzuheben. Da neue Tatsachenfeststellungen zu treffen
sind, verweist der Senat die Sache zurück. Vom Regelfall des § 79 Abs. 6, 2. Modalität OWiG (dazu Seitz in
Göhler, a.a.O., § 79 Rnd. 48 m.w.N.) abzuweichen, besteht kein Anlass.
V.
Das Amtsgericht wird bei neuer Verhandlung der Sache Gelegenheit haben, die Fahrzeugkategorien der in
Rede stehenden Transport-LKWs nach den Kriterien des § 34 StVZO (in der Fassung vom 22. Oktober 2008)
zu bezeichnen und damit auch eine Einordnung unter § 34 Abs. 6 Nr. 6 StVZO – Fahrzeugkombinationen mit
einem zulässigen Gesamtgewicht von 44,00 Tonnen, vorliegend überschritten in nur 11 Fällen – präzisierend
auszuschließen (vgl. dazu OLG Schleswig, a.a.O.).