Urteil des OLG Hamburg vom 15.02.2012

OLG Hamburg: Strafverfahren wegen versuchten Kfz-Diebstahls: Versuchsbeginn bei Untersuchung der Fahrertür

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Strafverfahren wegen versuchten Kfz-Diebstahls: Versuchsbeginn bei Untersuchung der
Fahrertür
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 1. Strafsenat, Beschluss vom 15.02.2012, 1 - 56/11 (REV), 1 - 56/11
(REV) - 1 Ss 183/11
§ 22 StGB, § 23 StGB, § 242 StGB
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kleine Strafkammer 10, vom
7. September 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Der Angeklagte K. wird freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen werden der
Staatskasse auferlegt.
3. Der Angeklagte ist für die erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen nicht aus der Staatskasse zu
entschädigen.
Gründe
Die gemäß §§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat in ihrer Antragsschrift vom 20. Dezember 2011 u.a. ausgeführt:
„ll. Das Rechtmittel macht zu Recht geltend, dass die dem Angeklagten K. vorgeworfene Tat als
straflose Vorbereitungshandlung anzusehen, das Versuchsstadium mithin noch nicht erreicht ist. Dies
muss zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Freisprechung des Angeklagten führen. Eines
Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht mehr.
A. Nach § 22 StGB versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung
des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Subjektive und objektive Abgrenzungskriterien sind miteinander
verknüpft: Der konkrete Tatplan bildet die Beurteilungsgrundlage und auf dieser Grundlage ist nach
objektivem Bewertungsmaßstab zu entscheiden, ob die Tatbestandsverwirklichung mindestens bis zu
einem "unmittelbaren Ansetzen" gediehen war (Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, Rdn. 9 zu § 22).
Demnach genügt es nicht, dass der Täter durch seine Tatbeiträge eine objektive Gefahr für das
anzugreifende Rechtsgut begründet, die Gefährdungshandlungen müssen vielmehr nach seiner
Vorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder in unmittelbarem
räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Auch bei Vorliegen eines aus Sicht des
Täters endgültigen Tatentschlusses kann es bei zeitlich gestreckten Handlungsabläufen an einem
unmittelbaren Ansetzen fehlen, wenn zwischen vorbereitenden Handlungen und Erfolgsherbeiführung
noch eine Mehrzahl von Handlungsschritten erforderlich ist, insbesondere wenn diese nach dem
Tatplan vom Täter selbst vorgenommen werden müssen (Fischer, a.a.O., Rdn. 10a zu § 22).
B. So liegt der Fall hier. Eine Tathandlung, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur
Tatbestandserfüllung führen sollte und das Eigentum an dem PKW Audi unmittelbar gefährdete, lag
noch nicht vor (vgl. auch BGH NStZ 1989, 473).
Nach den Urteilsfeststellungen leuchtete der Angeklagte mit seiner Taschenlampe auf den Türgriff der
Fahrerseite eines PKW Audi, um zu prüfen, ob dieser demontierbar war (UA S. 15). Das zum
Aufstechen oder Aufbohren erforderliche Werkzeug und die zur Überwindung der elektronischen
Sicherungen des Fahrzeuges benötigten Utensilien befanden sich in dem in geringer Entfernung
abseits um die Straßenecke geparkten PKW Suzuki des Angeklagten (UA S. 16). Weil er mit der
Untersuchung des Türgriffs fertig gewesen war, wollte er jetzt unmittelbar das erforderliche Werkzeug
und die weiteren Komponenten zur anschließenden Überwindung der elektronischen
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Sicherungselemente aus seinem PKW Suzuki holen. In dieser Situation gab der D. dem Angeklagten
nun (erneut) ein Warnzeichen (UA S. 17). Der Angeklagte K. begab sich daraufhin von der Fahrertür
des PKW Audi schnell zum Ausgang des B. Parks, wo D. Aufstellung genommen hatte, und ließ sich
von diesem dort nur sekundenlang über den Grund der Warnung informieren. Anschließend gingen der
Angeklagte und D. mit schnellen Schritten durch den Park zurück zu ihrem geparkten PKW Suzuki, in
welchen sie einstiegen und anschließend sofort davon fuhren (UA S. 18).
Diese Feststellungen zeigen auf, dass es schon an den objektiven Voraussetzungen für eine
unmittelbar bevorstehende Tatausführung fehlte. Es bedurfte vorliegend nämlich noch weiterer
wesentlicher Zwischenschritte bis zu einer tatbestandsrelevanten Beeinträchtigung des fremden
Eigentums. Die Schwelle zum „jetzt geht es los“ wäre allenfalls dann überschritten gewesen, wenn der
Beschwerdeführer das für den PKW-Aufbruch erforderliche Werkzeug bereits aus seinem Fahrzeug
geholt hätte, um geradewegs auf den PKW Audi zuzugehen. So war es hier aber gerade nicht.“
Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu eigen.
Der Angeklagte K. ist freizusprechen (§ 354 Abs. 1 StPO). Es ist auszuschließen, dass eine erneute
Hauptverhandlung auf der Grundlage der bisherigen vollständigen und rechtsfehlerfreien Feststellungen noch
Aufschlüsse zu erbringen vermag, die zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Diebstahls
führen könnten.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.
III.
Eine Entschädigung des Angeklagten K. für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen - er hat sich in der Zeit vom
8. Februar bis zum 4. Mai 2011 in Polizei- und Untersuchungshaft befunden (UA S. 10) - kommt nicht in
Betracht. Gemäß § 5 Abs. 2 StrEG ist die Entschädigung ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte
die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Diese Voraussetzungen sind
vorliegend gegeben. Bei dem von der Kammer festgestellten Verhalten des Angeklagten, das sich als
Vorbereitungshandlung für einen gemeinschaftlichen Diebstahl darstellt, liegt ein grob fahrlässiges Verursachen
von Strafverfolgungsmaßnahmen vor.