Urteil des OLG Hamburg vom 30.07.2013
OLG Hamburg: aussetzung, beweisverfahren, hauptsache, gefahr, beweisergebnis, unternehmen, abhängigkeit, einfluss, gleichstellung, lieferung
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Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 15. Zivilsenat, Beschluss vom 30.07.2013, 15 W 5/13
Verfahrensgang
vorgehend LG Hamburg, 20. Juni 2013, Az: 325 O 64/13, Beschluss
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 20.06.2013
wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von € 24.280,00.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz von Mangelbeseitigungskosten und Mangelfolgeschäden in
Anspruch.
Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Errichtung einer Wärmepumpe. Teil des Auftrags war die
Lieferung eines Schaltschrankes. Hierfür bediente sich die Beklagte der Nebenintervenientin.
In der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2012 kam es zu einem Schaden an dem Schaltschrank.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Mängelbeseitigungskosten in Höhe von € 21.300,00 netto
sowie Kosten für erhöhten Energieverbrauch in Höhe von € 100.100,00 netto in Anspruch.
Zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin ist vor dem Landgericht Stade ein selbständiges
Beweisverfahren über die Schadensursachen anhängig. Das Landgericht Stade hat mit Beweisbeschluss
vom 5. Februar 2013 (Ablage B 1) die Einholung eines Sachverständigengutachtens beschlossen. Der
Sachverständige hat einen Ortstermin zur Inaugenscheinnahme des Schaltschrankes auf den 15. August
2013 bestimmt.
Die hiesige Beklagte hat der hiesigen Klägerin im selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Stade
mit Schriftsatz vom 8. Juli 2013 den Streit verkündet (Anlage B 4), nachdem sie eine früher erfolgte
Streitverkündung zwischenzeitlich zurückgenommen hatte.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. Juni 2013 (Bl. 47ff. d.A.) den Antrag der
Beklagten auf Aussetzung des vorliegenden Verfahrens gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf das selbständige
Beweisverfahren abgelehnt. Zwar könne gemäß § 148 ZPO analog eine Aussetzung auch im Hinblick auf ein
laufendes selbstständiges Beweisverfahren in Betracht kommen, allerdings nicht, wenn nur eine Partei des
Hauptprozesses auch Partei des selbständigen Beweisverfahrens sei.
Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 10. Juli 2013 (Bl. 54 d.A.), der das
Landgericht mit Beschluss vom 11. Juli 2013 (Bl. 65 d.A.) nicht abgeholfen hat.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 252 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, sie hat in der
Sache indes keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148
ZPO analog abgelehnt.
Dabei kann vorliegend dahin stehen, ob die Streitverkündung gegenüber der hiesigen Klägerin im
selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Stade in der vorliegenden Konstellation überhaupt
zulässig ist, da auch dann eine Aussetzung des hiesigen Klageverfahrens nicht in Betracht kommt.
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Selbst wenn die Streitverkündung gegenüber der Klägerin im selbständigen Beweisverfahren zulässig sein
sollte, wäre ihr Einfluss auf das dortige Verfahren aufgrund der gänzlich anderen Interessenlage gering, da sie
sich gemäß § 67 ZPO nicht in Widerspruch zur Hauptpartei verhalten dürfte, was aufgrund der
unterschiedlichen Interessenlage der Parteien erforderlich sein könnte (vgl. auch OLG Sachsen-Anhalt,
Beschluss vom 4. Oktober 1999, 14 W 2/99, zitiert nach juris, Rn.23).
Jedenfalls steht der Aussetzung gemäß § 148 ZPO analog entgegen, dass das selbständige
Beweisverfahren nicht durch dieselben Parteien geführt wird und daher das Ergebnis des Beweisverfahrens
nicht gemäß § 493 ZPO im Hauptsacheverfahren verwendet werden kann, gleichzeitig die
Interventionswirkung des § 68 ZPO allenfalls gegen die Klägerin und nicht auch gegen die Beklagte eingreifen
würde.
Zudem müsste - im Fall einer zulässigen Streitverkündung im Beweisverfahren - die Beklagte ein ihr
ungünstiges Beweisergebnis nicht gegen sich gelten lassen, da die Wirkung nur gegen die Streitverkündete
eintritt, nicht gegen die Hauptpartei, hier also die Beklagte. Gleichzeitig wäre das Ergebnis des selbständigen
Beweisverfahrens nicht nach § 493 ZPO im Klageverfahren zu verwerten, da die Wirkung des § 493 ZPO nur
zwischen den Parteien greift und die Klägerin auch als nicht beigetretene Streitverkündete nicht Partei des
selbständigen Beweisverfahrens ist (vgl. auch OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Oktober 1999, 14 W
2/99, zitiert nach juris, Rn.26).
Daraus folgt aber, dass es vorliegend bereits an eine Vorgreiflichkeit des Ergebnisses des selbständigen
Beweisverfahrens für das hiesige Klageverfahren fehlt. Es ist völlig offen, ob die dort erzielten Erkenntnisse
im vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden könnten.
Obwohl grundsätzlich für eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO eine Parteiidentität nicht zwingend
Voraussetzung ist, steht vorliegend daher die fehlende Parteiidentität einer Aussetzung entgegen.
Entsprechend waren in den seitens der Beklagten angeführten Entscheidungen des BGH (Beschluss vom 26.
Oktober 2006, VII ZB 39/06, zitiert nach juris; Beschluss vom 23. November 2006, VII ZB 40/06, zitiert nach
juris) die Parteien der Hauptsache und des selbständigen Beweisverfahrens jeweils identisch. Der BGH
begründet die Abhängigkeit gemäß § 148 ZPO und die Prozessökonomie zudem ausdrücklich mit der
Wirkung des § 493 ZPO, die bei einer bloßen Streitverkündung indes nicht eingreift.
Es ist auch nicht etwa so, dass die Beklagte Gefahr läuft, beide Verfahren zu verlieren, obwohl sie eines
gewinnen müsste. Es ist bereits unklar, welches Ergebnis des Beweisverfahrens für die Beklagte ungünstig
wäre. Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass zwar Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte bestehen,
der Beklagten aber keine gegen die Nebenintervenientin. Vor allem aber hätte der Gefahr widerstreitender
Entscheidungen bereits alleine durch eine Streitverkündung im laufenden Klageverfahren begegnet werden
können. Werden im hiesigen Verfahren Mängel festgestellt, würde zulasten der Nebenintervenientin die
Interventionswirkung des § 68 ZPO eingreifen. Dasselbe Ergebnis hätte die Beklagte erreichen können, wenn
sie ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Klägerin eingeleitet hätte und der Nebenintervenientin auch
dort den Streit verkündet hätte. In einem solchen Fall wäre ggf. auch die Aussetzung des Klageverfahrens im
Hinblick auf das selbständige Beweisverfahren in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober
2006, VII ZB 39/06, zitiert nach juris). Im Verhältnis zur Klägerin wäre das Ergebnis des selbständigen
Beweisverfahrens gemäß § 493 ZPO zu berücksichtigen, im Verhältnis zur Streitverkündeten würde § 68
ZPO eingreifen, so dass die Beklagte gegen widersprechende Entscheidungen geschützt wäre.
Anders verhält es sich aber in der vorliegenden Konstellation, in der § 493 ZPO nicht eingreift, so dass es
letztlich alleine in der Hand der Beklagten liegt, ob das Ergebnis des Beweisverfahrens im hiesigen
Klageverfahren berücksichtigt werden kann.
Insofern unterscheidet sich die Situation auch grundlegend von derjenigen, die der von der Beklagten
angeführten Entscheidung des OLG Hamm zugrunde lag (OLG Hamm, Beschluss vom 29. Oktober 1993, 26
W 13/93, Anlage B 6). Dort wurde bereits kein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt, es ging um zwei
Klageverfahren. Zudem klagte dort die Subunternehmerin gegen die Hauptunternehmerin und die
Hauptunternehmerin ihrerseits gegen die Bestellerin. Gegenstand waren teilweise dieselben Mängel. Dort
wurde das Verfahren zwischen der Subunternehmerin und der Hauptunternehmerin im Hinblick auf das
laufende Verfahren zwischen der Hauptunternehmerin und der Bestellerin, in dem der Subunternehmerin der
Streit verkündet wurde, ausgesetzt. Dies kann ggf. in der Tat sachgerecht sein.
Vorliegend beantragt die Beklagte als Hauptunternehmerin aber nicht die Aussetzung des Verfahrens gegen
die Subunternehmerin im Hinblick auf das laufende Verfahren zwischen Hauptunternehmerin und Bestellerin,
sondern Aussetzung des Verfahrens der Bestellerin gegen die Beklagte. Diese Konstellation ist mit
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derjenigen des OLG Hamm nicht vergleichbar und rechtfertigt nach obigen Ausführungen die Aussetzung des
Verfahrens gerade nicht.
Zu Recht hat das Landgericht mithin eine Aussetzung gemäß § 148 ZPO analog abgelehnt, so dass es auch
nicht mehr darauf ankommt, dass ein Zuwarten auf den Ausgang des selbständigen Beweisverfahrens
zwischen anderen Parteien für die Klägerin nicht zumutbar und auch nicht prozessökonomisch wäre, zumal
es die Beklagte selbst in der Hand gehabt hätte, durch eine andere Verfahrensgestaltung - Klärung der
streitigen Fragen im Verfahren mit der Klägerin und Streitverkündung gegenüber der Nebenintervenientin - zu
verhindern, dass die Verfahren nunmehr parallel laufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Beschwerdewert wird auf 1/5 des Wertes der Hauptsache
festgesetzt (vgl. HansOLG Hamburg, MDR 2002, S. 479).
Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.