Urteil des OLG Hamburg vom 16.11.2011

OLG Hamburg: Wettbewerbsverstoß eines Zeitschriftenverlags: Unzureichende Kenntlichmachung redaktioneller Werbung

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Wettbewerbsverstoß eines Zeitschriftenverlags: Unzureichende Kenntlichmachung redaktioneller
Werbung
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 5. Zivilsenat, Urteil vom 16.11.2011, 5 U 58/11
§ 3 Abs 1 UWG, § 3 Abs 3 Anhang Nr 11 UWG, § 4 Nr 3 UWG
Tenor
I. Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11.1.2011, Az. 416 O
184/10, abgeändert:
Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden
Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben
werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall
höchstens € 250.000,-, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verboten,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen redaktionell gestaltete Werbung zu veröffentlichen und / oder
veröffentlichen zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift „G...“ auf der Seite 73 der Ausgabe 4/10
(„Bundesweit Tester gesucht ...“), wie nachfolgend wiedergegeben:
Bild entfernt
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
I
Der Antragsteller ist eine qualifizierte Einrichtung nach § 8 III Nr.3 UWG und nimmt die Antragsgegnerin im
Wege des vorläufigen Rechtsschutzes aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.
Die Antragsgegnerin verlegt die Zeitschrift „G...“. In der Ausgabe 43/2010 vom 21.10.2010 erschien auf Seite
73 eine ganzseitige Anzeige der Fa. P….. P... Deutschland (Anl ASt 1, ASt 2), die wie aus dem Tenor
ersichtlich gestaltet war.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Gestaltung der Anzeige u.a. einen Verstoß gegen § 3 III UWG in
Verbindung mit Ziffer 11 des Anhanges zu dieser Norm darstelle. Eine deshalb an die Antragsgegnerin
gerichtete Abmahnung vom 8.11.2010 (Anl ASt 3) blieb erfolglos. Unter dem 3.12.2010 beantragte der
Antragsteller daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der der Antragsgegnerin die
Veröffentlichung einer derartigen Anzeige untersagt werden sollte. Das Landgericht wies nach mündlicher
Verhandlung den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung mit dem angegriffenen Urteil vom 11.1.2011 ab.
Mit der Berufung möchte der Antragsteller den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung erreichen.
Er ist der Ansicht, dass die äußere Gestaltung der Anzeige auf den Leser den Eindruck eines redaktionellen
Beitrags mache.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin unter Abänderung des Urteils des LG Hamburg vom 11.1.2011, Az. 416 O 184/10,
zu verurteilen,
es bei Meidung [der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel]
zu unterlassen,
im Wettbewerb handelnd
redaktionell gestaltete Werbung zu veröffentlichen und / oder veröffentlichen zu lassen, wenn dies
geschieht wie in der Zeitschrift „G...“ auf der Seite 73 der Ausgabe 4/10 („Bundesweit Tester gesucht
...“) (Anlage ASt 2).
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Antragsgegnerin verteidigt das angegriffene Urteil.
Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird
auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die angegriffene Entscheidung Bezug
genommen.
II
Die zulässige Berufung des Antragstellers ist begründet. Entgegen der Ansicht des Landgerichts in der
angegriffenen Entscheidung steht dem Antragsteller ein Unterlassungsanspruch zu; auch ein Verfügungsgrund
besteht.
1. Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Anzeige ein
Unterlassungsanspruch jedenfalls gemäß §§ 8 I, III Nr.3, 3 III UWG in Verbindung mit Ziff.11 des Anhang zu
dieser Norm zu.
a. Eine Berechtigung des Antragstellers zur Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche
nach § 8 III Nr.3 UWG ist unstreitig gegeben.
b. Bei der angegriffenen Anzeige handelt es sich um eine unlautere geschäftliche Handlung in Form einer als
Information getarnten Werbung.
Unstreitig ist die gesamte Seite 73 der „G...“ 43/2010 eine von der Fa. P….. P... Deutschland bezahlte
Anzeige. Nach § 3 III UWG in Verbindung mit Anh. Ziff.11 ist eine geschäftliche Handlung gegenüber
Verbrauchern stets unzulässig, wenn redaktionelle Inhalte in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung
eingesetzt werden, der Unternehmer diese Verkaufsförderung finanziert hat und dies weder aus dem Inhalt
noch aus klar erkennbaren Bildern oder Tönen eindeutig hervorgeht. Ein Beitrag hat einen redaktionellen Inhalt,
wenn er seiner Gestaltung nach als objektive neutrale Berichterstattung durch das Medienunternehmen selbst
erscheint (vgl. Köhler / Bornkamm, UWG, 28. Aufl., Anh. zu § 3 III Rz. 11.2). Bewertungsmaßstab hierfür ist
die Auffassung eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen
Verbrauchers (vgl. Urt. v. 4.8.2010, Az. 5 U 151/09). Die erforderlichen Feststellungen kann der Senat insoweit
selbst treffen, da seine Mitglieder zu den von der Zeitschrift „G...“ angesprochenen Verkehrskreisen gehören.
Bei der Subsumtion und Einschätzung der Anzeigen ist der Normzweck zu berücksichtigen. Dieser liegt in
erster Linie in dem Schutz des Verbrauchers (vgl. Wortlaut des § 3 III UWG: „Die im Anhang dieses Gesetzes
aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.“). Es ist aber
anerkannte Tatsache, dass der Leser (Verbraucher) in einem redaktionellen Beitrag im Allgemeinen eine
objektiv-kritische, nicht von gewerblichen Interessen geleitete Information einer unabhängigen und neutralen
Redaktion als Beitrag zur Unterrichtung und Meinungsbildung, nicht aber eine in erster Linie von den
Eigeninteressen des Werbenden geprägte Reklame erwartet. Dementsprechend misst er einem redaktionellen
Beitrag, der Äußerungen über Unternehmen und deren Produkte enthält und Werbewirkung entfaltet, regelmäßig
größere Beachtung und Bedeutung bei und steht ihm weniger kritisch gegenüber, als wenn es sich um
werbende Äußerungen des Unternehmens selbst handelt. Soweit eine bezahlte Werbeanzeige durch die
(irreführende) Verwendung von Gestaltungsmitteln, wie sie bei redaktionellen Beiträge üblich sind, nicht klar
und eindeutig ihren Werbecharakter erkennbar macht, muss daher zur Verhinderung einer Irreführung des
Verbrauchers und zur Absicherung des Trennungsprinzips von Werbung und redaktionellen Beiträgen der
Hinweis auf den Werbecharakter mit dem deutlich erkennbaren Wort „Anzeige“ erfolgen (vgl. Köhler/Bornkamm
a.a.O. Rz. 3.20; § 10 Hamburgisches PresseG; vgl. Urt. v. 4.8.2010, Az. 5 U 151/09).
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem oberen Teil der angegriffenen Anzeige eindeutig um eine
unzulässige, als Information getarnte Werbung:
Die obere Seitenhälfte ist in allen Gestaltungsmerkmalen als redaktioneller Beitrag aufgemacht. Die Überschrift
ist wie eine typische Schlagzeile gestaltet; sie nimmt die gesamte Seitenbreite ein, ist fett gedruckt und in
einer für eine Schlagzeile „typischen“ Schrifttype gesetzt. Die Aufteilung des Textes in drei Spalten lässt den
Verbraucher ebenfalls an einen redaktionellen Beitrag denken; der Antragsteller hat sogar auf vier Artikel in
derselben Ausgabe der „G...“ hingewiesen, die ebenfalls dreispaltig gesetzt sind. Der Fließtext ist wie ein
Artikel durch Absätze gegliedert. Der Fließtext selbst ist ebenfalls in einer nüchternen Schrifttype wie ein
Artikel gehalten. Der Text steht auf einem weißen Hintergrund, was für Artikel nicht nur in der „G...“ typisch ist.
Der Fließtext ist relativ lang und damit untypisch für eine Anzeige. Am Ende des oberen Teils der Seite findet
sich das Zeichen „mr“, das wie ein typisches Autorenkürzel am Ende eines redaktionellen Beitrags gestaltet
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ist; derartige Zeichen sind für Anzeigen gänzlich ungebräuchlich.
Die (Haupt-) Überschrift „Bundesweit Tester gesucht ...“ weist keineswegs unmissverständlich auf eine
Werbeanzeige hin. „Tester suchen“ können auch Redaktionen; der Antragsteller führt als treffendes Beispiel die
Schlagzeile „Mitmachen bei der Brigitte-Diät“ an.
Eine optisch-gestalterische Bezugnahme des „Artikels“ auf den unteren, eindeutig webenden Teil der Anzeige
vermag der Senat im Gegensatz zum Landgericht nicht zu erkennen. Vielmehr werden die beiden Teile der
Seite durch verschiedene markante Gestaltungselemente gerade ganz klar voneinander getrennt. Zunächst
bildet der kräftige dunkelrote Querbalken eine höchst markante Angrenzung, die die gesamte Seite
unübersehbar in zwei Hälften teilt. Die „Anzeige“ auf der unteren Seitenhälfte wird zudem von farbigen und
bildlichen Gestaltungselementen dominiert, während der „Artikel“ auf der oberen Seitenhälfte nahezu
ausschließlich aus dem Fließtext besteht; diese sehr unterschiedliche Gestaltung dieser beiden Teile der Seite
stellt einen weiteren ausgesprochen gewichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass der Verbraucher diese gerade
nicht als eine Einheit wahrnimmt. Der Prüfungsansatz des Landgerichts, dass der Verbraucher spätestens
dann den Zusammenhang zwischen oberer und unterer Seitenhälfte verstehe, wenn er beginne den Artikel zu
lesen, entspricht nicht den wettbewerbsrechtlichen Prüfungsmaßstäben. Im Übrigen vermag der Senat diese
Feststellung auch im Tatsächlichen nicht zu teilen. Die ersten Sätze des ersten Absatzes des Fließtextes
lassen gerade nicht erkennen, dass es sich um eine bezahlte Anzeige handeln könnte. Untypisch für eine
Anzeige ist es auch, dass das beworbene Produkt im Fließtext in keiner Weise hervorgehoben wird, etwa durch
Fettdruck.
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin gibt es auch in Zeitschriften wie der „G...“, die einen gewissen
„Glamour“-Faktor anstreben mögen, Tipps zum Abnehmen. Der Antragsteller hat hierzu einen Ausdruck aus
dem eigenen Webauftritt von „G...“ mit einem redaktionellen Beitrag mit dem Titel „Abnehmen wie die Stars“
vorgelegt (Anl ASt 7).
Schließlich bleibt festzustellen, dass der Hinweis „Anzeige“ rechts oben auf der Seite jedenfalls im Lichte der
nach den vorstehenden Ausführungen als redaktioneller Beitrag aufgemachten oberen Seitenhälfte nicht
ausreicht, um die erforderliche eindeutige Erkennbarkeit des werbenden Charakters zu bewirken. Dieser
Hinweis ist zum einen in sehr kleiner Schriftgröße (6- oder 7-Punkt) und zum anderen im einem sehr hellen
Grau gehalten, so dass er sich farblich kaum vom weißen Untergrund der Seite abhebt.
c. Daher ergibt sich der Unterlassungsanspruch des Antragstellers auch aus §§ 3 I, 4 Nr.3 UWG; nach den
obigen Ausführungen wird der Werbecharakter der Anzeige verschleiert. Dasselbe Ergebnis folgt auch aus den
§§ 3 I, 4 Nr.11 UWG iVm § 10 Hamburgisches PresseG: Da sich der Werbecharakter der streitigen
Veröffentlichung nicht schon allgemein aus der Anordnung und Gestaltung erschließt, hätten diese deutlich mit
dem Wort „Anzeige“ gegenüber dem Leser gekennzeichnet werden müssen.
2. Ein Verfügungsgrund liegt vor. Es sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, nach denen die
Vermutung des § 12 II UWG widerlegt sein könnte.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.