Urteil des OLG Hamburg vom 07.06.2012

OLG Hamburg: Markenschutz: Voraussetzungen der rechtserhaltenden Benutzung der Marke; Einrede der wettbewerbswidrigen Behinderung gegen die Inanspruchnahme aus Markenrecht

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Markenschutz: Voraussetzungen der rechtserhaltenden Benutzung der Marke; Einrede der
wettbewerbswidrigen Behinderung gegen die Inanspruchnahme aus Markenrecht
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 3. Zivilsenat, Urteil vom 07.06.2012, 3 U 186/10
§ 14 Abs 2 Nr 2 MarkenG, § 14 Abs 5 MarkenG, § 25 MarkenG, § 26 MarkenG, § 49 Abs 1 MarkenG, § 49 Abs 3
MarkenG, § 55 Abs 1 MarkenG, § 55 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 3 UWG, § 4 Nr 10 UWG
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 25.11.2010,
Geschäfts-Nr. 327 O 301/09, wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird das vorgenannte Urteil abgeändert und die Klägerin auf die
Widerklage weiter verurteilt, in die Löschung der beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen
Marken Nr. ... „W...“ und Nr. ... „H...“ auch insoweit einzuwilligen, als sie jeweils für die Waren
„Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Eiweiß oder Kohlenhydrate oder
Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und Enzymen“ eingetragen sind.
Auf die Berufung des Beklagten zu 2. wird unter Abänderung des vorgenannten Urteils klargestellt, dass
Widerklägerin allein die Beklagte zu 1. ist.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags
abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils
vollstreckbaren Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage auf markenrechtlicher Basis gegen die Verwendung der Bezeichnung
„H...G...“ für ein Weihrauch-Produkt durch die Beklagte zu 1., deren Präsident der Beklagte zu 2. ist. Die
Beklagte zu 2. hat Löschungswiderklage erhoben, die durch Beschluss des Landgerichts Hamburg,
Zivilkammer 12, vom 24.2.2009 (Az. 312 O 207/09) zum vorliegenden erstinstanzlichen Rechtsstreit verwiesen
worden ist.
Die Klägerin vertreibt in Deutschland u.a. das Nahrungsergänzungsmittel „H ...“, das 400 mg -Trockenextrakt
von indischem Weihrauch (boswellia serrata) enthält. Die Beklagte zu 1. bringt in Deutschland das Produkt
„H...G...“ in Verkehr, das ebenfalls 400 mg Trockenextrakt von indischem Weihrauch (boswellia serrata)
enthält.
Die Klägerin ist Inhaberin folgender Marken:
- deutsche Wortmarke „H ...“ Nr. ... (Anlagen K 2, B 13), angemeldet am 26.9.1995, eingetragen am
7.11.1996 für die Klassen 5, 29, 30 (Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie
Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse/ Lebensmittel für medizinische Zwecke;
diätetische Lebensmittel/ Nahrungsergänzungsmittel zur Gesundheitspflege auf der Basis von
Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in Kombination; diätetische
Lebensmittel/ Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Eiweißen,
Fetten, Fettsäuren, unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Aroma- und
Geschmacksstoffen, Süßstoff entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 29 enthalten;
diätetische Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von
Kohlenhydraten, Ballaststoffen, unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen,
entweder einzeln oder in Kombination, Aroma- und Geschmacksstoffen, Süßstoff, soweit in Klasse 30
enthalten);
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- deutsche Wortmarke „H...“ Nr. ... (Anlage K 5), angemeldet am 18.4.2000, eingetragen am 11.7.2000
für die Klassen 5, 29, 30 (Arzneimittel aller Art; Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische
Zwecke auf der Basis von Eiweiß oder Kohlenhydrate oder Vitaminen, Mineralstoffen,
Spurenelementen und Enzymen);
- deutsche Wortmarke „W...“ Nr. ... (Anlage K 5), angemeldet am 18.4.2000, eingetragen am 31.7.2000
für die Klassen 5, 29, 30 (Arzneimittel aller Art; Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische
Zwecke auf der Basis von Eiweiß oder Kohlenhydrate oder Vitaminen, Mineralstoffen,
Spurenelementen und Enzymen);
- deutsche Wortmarke „G...“ Nr. ... (Anlage B 24), angemeldet am 24.8.2003, eingetragen am
15.10.2003 für die Klassen 5, 29, 30 (Arzneimittel aller Art, Medizinprodukte zum Einnehmen oder zur
Anwendung am menschlichen Körper, deren Wirkung aber weder pharmakologisch noch
immunologisch, noch durch Metabolismus erfolgt und soweit die Produkte nicht in der Klasse 5
enthalten sind; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Eiweiß,
Kohlenhydraten, Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Enzymen und Kräutern).
Die von der Klägerin innegehaltene deutsche Wortmarke „H...G...“ Nr. ... (Anlage B 19), angemeldet am
25.8.2003, eingetragen am 3.11.2003 für die Klassen 5, 29, 30 (u.a. Arzneimittel aller Art;
Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Eiweiß, Kohlenhydraten,
Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, Enzymen und Kräutern) ist nach dem in diesem Verfahren
erstinstanzlich ergangenen, insoweit rechtskräftigen Löschungsurteil mittlerweile gelöscht (Anlage K 24).
Die Klägerin hat bezüglich ihrer Klage geltend gemacht, sie nutze die Klagemarken „H ...“ und „H...“ und die Fa.
B...N... GmbH nutze die Klagemarke „W...“ seit Jahren für Nahrungsergänzungsmittel mit dem Inhaltsstoff
„Weihrauch“. Zwischen ihren Marken und der von den Beklagten genutzten Produktbezeichnung „H...G...“
bestehe erhebliche Verwechslungsgefahr. Die Klagemarken seien wegen des Buchstaben- und
Ziffernbestandteils „H ...“ durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Keineswegs handele es sich um einen
Gattungsbegriff; dies könne aufgrund der von den Beklagten vorgelegten wenigen wissenschaftlichen Artikeln
nicht angenommen werden. Die angegriffene Bezeichnung sei aus dem kennzeichnenden Bestandteil „H ...“
und dem in seiner Bedeutung für das Gesamtzeichen zurücktretenden Firmennamen der Beklagten zu 1. „G...“
zusammengesetzt. Jedenfalls bestehe Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens „H ...“. Es
bestehe Warenidentität. Die Beklagten schuldeten zudem Abmahnkostenersatz in Höhe einer 1,5-
Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG nach einem Streitwert von € 150.000 (€ 2.377,50) zuzüglich Postpauschale
in Höhe von € 20.
Die Klägerin hat bezüglich der Widerklage geltend gemacht: Der Nichtbenutzungseinwand greife nicht durch.
Denn die Marken der Klägerin seien für Nahrungsergänzungsmittel benutzt worden. Eine Eintragung der Ware
„Nahrungsergänzungsmittel“ sei bis heute nicht möglich; die Klägerin habe ihre Marken nur durch den Zusatz
„auf der Basis von“ erlangen können. Ein Nahrungsergänzungsmittel, das einen Pflanzenextrakt enthalte, sei
von der Eintragung „auf der Basis von“ umfasst. Das auf Behinderung gestützte Löschungsbegehren der
Beklagten sei unbegründet. Denn die Marke „H ...“ sei bereits im Jahr 1995 eingetragen worden; die Beklagte
zu 1. habe ausweislich der Anlage B 29 erst seit dem 26.12.2001 in Indien Markenschutz, zudem nicht für eine
Marke „H...G...“, sondern die Bezeichnung „H...G... ANTI-INFLAMMATORY AYURVEDIC MEDICINE 100
TABLETS“. Die Klägerin könne die Marken „H ...“, „W...“ und „H...“ nicht bösgläubig erworben haben, weil sie
vor Eintragung der indischen Marke der Beklagten zu 2. eingetragen worden seien. Zudem dürften nicht
zugelassene Arzneimittel in Deutschland gem. § 8 HWG nicht beworben werden, also auch nicht in die Lauer-
Taxe eingetragen werden. Die Klägerin handele nicht in Verdrängungsabsicht, sondern sie habe ein
berechtigtes Interesse daran, dass ihre Produkte nicht mit der rechtswidrigen Einfuhr nicht zugelassener
Arzneimittel in Verbindung gebracht würden. Jedenfalls seien etwaige Rechte der Beklagten verwirkt, da
Nahrungsergänzungsmittel mit den angegriffenen Bezeichnungen „H ...“, „W...“ und „H...“ schon seit 2003 mit
Wissen der Beklagten von der Klägerin in Verkehr gebracht würden. Die mittlerweile gelöschte Marke „H...G...“
könne in diesem Zusammenhang nicht mehr berücksichtigt werden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. der Beklagten bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen
Verkehr mit Nahrungsergänzungsmitteln, diätetischen Lebensmitteln oder Arzneimitteln die
Bezeichnung „H...G...“ zu benutzen, insbesondere eine Bezeichnung auf ihrer Aufmachung oder
Verpackung anzubringen, unter dieser Bezeichnung anzubieten, selbst oder durch Dritte in den Verkehr
zu bringen oder zu diesem Zweck zu besitzen, unter dieser Bezeichnung einzuführen, oder diese
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Bezeichnung im Geschäftsverkehr oder in der Werbung zu benutzen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der
ihr dadurch entstanden ist und/oder noch entstehen wird, dass die Beklagten im geschäftlichen
Verkehr mit in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln die Bezeichnung „H...G...“ benutzt
haben, insbesondere unter dieser Bezeichnung Arzneimittel angeboten, selbst oder durch Dritte in den
Verkehr gebracht oder zu diesen Zweck besessen haben und unter dieser Bezeichnung Arzneimittel
eingeführt und unter dieser Bezeichnung im Geschäftsverkehr und in der Werbung für Arzneimittel
benutzt haben,
3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin schriftlich in geordneter Form Auskunft zu erteilen über alle
Handlungen gemäß Ziffer 1., und zwar insbesondere Auskunft über die Abnehmer oder
Angebotsempfänger dieser Produkte unter Angabe ihrer Namen/Firma und ihrer Anschrift, wobei der
Name/Firma nicht der Klägerin mitgeteilt werden muss, sondern einem von der Klägerin zu
bestimmenden Wirtschaftsprüfer, dessen Kosten die Beklagte zu tragen hat, sofern dieser von der
Beklagten ermächtigt wird, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob einzelne von der Klägerin benannte
Namen/Firmen in der Auskunft enthalten sind, des oder der Lieferanten unter Angabe der Mengen und
der Preise der Produkte, das Datum des Verkaufs, des Angebots und der Lieferung der Produkte, die
Menge und die Preise der gelieferten und der verkauften Produkte,
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.397,50 an außergerichtlichen Gebühren nebst Zinsen
in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen
Die Beklagte zu 1. hat darüber hinaus - im Wege der Widerklage - beantragt,
die Klägerin zu verurteilen, in die Löschung der folgenden beim Deutschen Patent- und Markenamt
eingetragenen Marken einzuwilligen:
a) Marke Nr. ... „H ...“
b) Marke Nr. ... „H...G...“
c) Marke Nr. .... „W...“
d) Marke Nr. ... „H...“
e) Marke Nr. ... „G...“
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten haben auf die Klage erwidert: Es bestehe keine Verwechslungsgefahr. Der Bestandteil „H ...“ sei
als Gattungsbezeichnung unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftig; es handele sich nicht um eine
Phantasiebezeichnung, sondern eine spezielle Zubereitung des Weihrauchharzes. „H ...“ stehe also
beschreibend für eine Form des Weihrauchextrakts. Der Bestandteil „G...“ hingegen sei prägend, ebenso wie
das „H...“ in der Klagemarke „H...“. Für den angesprochenen Verkehr sei erkennbar, dass es sich bei „G...“ um
die Firma des weltweit führenden Herstellers von Weihrauchpräparaten handele; er nehme die Bezeichnung
„H...G...“ daher als Kombination aus einer Typenbezeichnung und einem den Gesamteindruck des Zeichens
prägenden Unternehmenskennzeichen wahr.
Die Beklagte zu 1. hat hinsichtlich der Widerklage geltend gemacht, die Klagemarken seien wegen
bösgläubigen Erwerbs, älterer Rechte der Beklagten zu 1. sowie mangels Benutzung löschungsreif. Die
Klagemarken „H ...“, „W...“ und „H...“ seien durch die Verwendung für ein Nahrungsergänzungsmittel nicht für
die eingetragenen Waren benutzt worden. Es handele sich weder um ein pharmazeutisches oder
veterinärmedizinisches Erzeugnis, noch um „Präparaten für die Gesundheitspflege“ oder diätetische
Erzeugnisse bzw. Lebensmittel für medizinische Zwecke. Es handele sich bei dem Weihrauchprodukt der
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Klägerin auch nicht um ein Nahrungsergänzungsmittel „auf der Basis“ der in der Markeneintragung genannten
Stoffe (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Eiweiß, Fette, Fettsäuren, Kohlenhydrate, Ballaststoffe).
Denn es sei „auf der Basis“ indischen Weihrauchextrakts hergestellt. „Auf der Basis“ bedeute, dass eine
bestimmte Zutat als Grundlage des Lebensmittels diene und von ihr die hauptsächlichen nutritiven Wirkungen
stammten. Die Weihrauch-Kapseln der Klägerin bestünden zu 77 %, die Weihrauch-Tabletten zu 57,1 % aus
indischem Weihrauchtrockenextrakt. Es handele sich daher um ein Produkt „auf der Basis“ indischen
Weihrauchextrakts. Die Ware „Nahrungsergänzungsmittel auf der Basis indischen Weihrauchextrakts“ könne
auch nicht in einen verschiedene Untergruppen umfassenden Oberbegriff, für den die Klagemarken eingetragen
seien, integriert werden. Die Marke „G...“ sei überhaupt nicht für Produkte benutzt worden.
Die Klägerin habe die Marken in bösem Glauben erworben und nutze sie in Behinderungsabsicht. Die Beklagte
zu 1. habe bereits vor dem Erwerb der Marken durch die Klägerin einen schutzwürdigen Besitzstand an den
Bezeichnungen erworben, weil sie das Produkt „H ...“ und „H...G...“ bereits seit 1989 nach Deutschland in
erheblichen Mengen importiere, nämlich, wie sich aus der Übersicht Anlage B 28 ergebe, im Jahr 1998 42.354,
in den Jahren 1999 und 2000 jeweils über 96.000, im Jahr 2001 über 83.000, im Jahr 2002 59.000 Packungen
zu je 100 Tabletten verkauft habe. In Kenntnis dieses Besitzstandes habe die Klägerin im Jahr 2003 die
Marken „H...G...“ und „G...“ sowie im Jahr 2000 die Marken „W...“ und „H...“ angemeldet bzw. im Jahr 2003 die
Marke „H ...“ von der Fa. H... erworben. Ziel des Gesellschafters der Klägerin, Herrn Ga..., sei es gewesen,
einen Alleinvertrieb für das Produkt H ... in Deutschland aufzubauen und die Beklagten, deren Tochterfirma das
Produkt herstelle, vollständig aus dem Markt zu verdrängen. Mit Abmahnung vom 12.2.2004 habe sodann die
Klägerin die Fa. Be..., von der sie zuvor vier Jahre lang das Produkt H ... bezogen habe, zur Unterlassung des
Vertriebs unter der Bezeichnung „H ...“ aufgefordert, weil dieser Vertrieb die Marken der Klägerin verletze. Auch
gegen Apotheken und Vertriebsfirmen sei die Klägerin aggressiv vorgegangen.
Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 25.11.2010 die Klage abgewiesen und der Löschungswiderklage
zu a), b) und e) vollständig, zu c) und d) teilweise (hinsichtlich der Waren „Arzneimittel aller Art“) stattgegeben.
Hinsichtlich der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen. Gegen dieses Urteil richten sich
die wechselseitigen Berufungen der Parteien.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung ihrer Klage und die auf die Widerklage
erfolgte Verurteilung zur Einwilligung in die Löschung der Marken „H ...“ und „G...“. Sie wiederholt und vertieft
ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie zur Klage noch vor: Das Landgericht habe zu Unrecht
einen bösgläubigen Erwerb der Marken „H ...“, „H...G...“ und „G...“ angenommen. Insoweit komme es allein auf
den Zeitpunkt der Markenanmeldung an, zu dem eine Bösgläubigkeit nicht bestanden habe. Das Landgericht
habe zu Unrecht und auf unzureichender Tatsachengrundlage angenommen, dass die Bezeichnung „H ...“ ein
Gattungsbegriff sei. Der „Umwandlung“ in einen Gattungsbegriff stehe auch entgegen, dass die Klägerin ihre
Marke „H ...“ stets verteidigt habe. Angesichts des Anmeldungszeitpunkts der Marken „H ...“, „H...“ und „W...“
im Jahr 1995 bzw. 2000 müsse es vielmehr als bösgläubig und rufausbeutend beurteilt werden, dass die
Beklagte im Jahr 2001 ein Produkt mit „H ...“ und dem Firmenschlagwort „G...“ kennzeichne. Unstreitig habe
die Beklagte bis zum Jahr 2001 die Marke „A...“ und nicht „H...G...“ verwendet. Es werde bestritten, dass die
Beklagte schon seit 1989 ein Zeichen „H ... A...“ benutzt hätten. „H ...“ habe die Beklagte erst im Jahr 2001 in
Indien als Marke angemeldet. Um der Rufausbeutung durch die Beklagte entgegenzutreten und die Marken
„H...“ und „W...“ als Serienmarken zu schützen, sei die Klägerin gezwungen gewesen, auch die deutsche
Marke „H ...“ zu erwerben. Es handele sich hierbei nicht um den zweckfremden Einsatz als Wettbewerbsmittel.
Es fehle zudem an der für die Annahme eines schutzwürdigen Besitzstandes notwendigen Voraussetzung
einer gewissen Bekanntheit der Bezeichnung „H...G...“ im Inland. Mittlerweile habe sich in einem anderweitigen
Verfahren herausgestellt, dass der Name „H ... A...“ nicht von den Beklagten, sondern der Fa. A... GmbH &
Co. KG benutzt worden sei; die Beklagte zu 1. habe bis zur Markenanmeldung 1999 nur Bulkware in
Blisterverpackungen geliefert und keine eigene Kennzeichnung vorgenommen. Danach habe die Fa. A... die
mit „H ... A...“ gekennzeichneten Produkte vertrieben. Von einem Besitzstand der Beklagten könne mithin gar
keine Rede sein. Herr Ga..., Geschäftsführer der Klägerin und der Fa. Ga... P... in Österreich, habe keine
Produkte „H...G...“ bestellt und erhalten; Vertragspartner wegen der Lieferungen eines Produkts „H ...“ sei die
Fa. P... gewesen.
Zu Unrecht habe das Landgericht auch angenommen, dass eine Verwechslungsgefahr zwischen den
Klagemarken „H...“ und „W...“ und der Bezeichnung „H...G...“ nicht bestehe. Die Zahlen-Buchstaben-
Kombination „H ...“ sei grundsätzlich kennzeichnungsstark. Um einen Gattungsbegriff handele es sich nicht, „H
...“ sei auch in keiner Weise beschreibend für die eingetragenen Waren. Vorliegend hätten die Beklagten die
Bezeichnung „G...“ bis zum Jahr 2001 überhaupt nicht als Marke benutzt. Das Landgericht habe zu Unrecht
angenommen, dass die Klägerin bis zur Abmahnung im Mai 2009 nichts gegen die Benutzung des Zeichens „H
...“ oder „H...G...“ durch die Beklagten getan habe. Die Klägerin sei - im Gegenteil - in verschiedenen Verfahren
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vor dem HABM gegen die Bezeichnungen „H ... B...“ bzw. dem OLG Stuttgart und dem OLG München sowie
dem LG Mannheim gegen die Bezeichnung „G... H ...“ vorgegangen. Es sei auch die Annahme des
Landgerichts falsch, dass die Beklagten das Zeichen „H ...“ selbst eingeführt und seit 20 Jahren
ununterbrochen benutzt hätten. Denn dies täten sie erst seit dem Jahr 2001; auch handele es sich bei dem
Produkt der Beklagten nicht um ein Arzneimittel, weil es in Indien keine arzneimittelrechtliche Zulassung habe.
Nehme man vorliegend eine Verwechslungsgefahr nicht an, so könne man jeden Phantasiebegriff mit einer
Firmenbezeichnung verbinden und so als Marke eintragen lassen.
Zur Widerklage macht die Klägerin geltend: Bis zum Jahr 2001 hätten die Beklagten ihr Produkt ausschließlich
unter der Bezeichnung „A...“ vertrieben; sämtliche Vertriebsbelege könnten daher allenfalls eine
Bekanntmachung des Firmenschlagworts „G...“ stützen, nicht aber die rechtserhaltende Benutzung einer
Marke. Die Bezeichnungen „H ...“ und „G...“ seien nicht verwechslungsfähig. Zudem habe allein die Klägerin
durch ihren Vertrieb des so bezeichneten Nahrungsergänzungsmittels für eine Bekanntheit der Marke „H ...“
gesorgt habe. Die Marke „H...G...“ könne mit den Marken „H ...“, „H...“ und „W...“ verwechselt werden. Die
Marke „H ...“ sei nicht bösgläubig angemeldet worden; sie sei zudem prioritätsälter gegenüber „H...G...“.
Hinsichtlich der Marke „G...“ fehle es an einer Verwechslungsgefahr, weil es sich bei „G...“ um eine
Firmenbezeichnung handele und es an einer Warenähnlichkeit fehle, weil die Beklagten ausschließlich
Arzneimittel so bezeichneten und „G...“ für Lebensmittel insgesamt eingetragen sei. Schon der Austausch
eines Buchstabens könne bei Kurzwortmarken die Verwechslungsfähigkeit aufheben. Zudem brächten die
Verkehrsteilnehmer bei gesundheitsbezogenen Produkten bei der Zeichenwahrnehmung eine gesteigerte
Aufmerksamkeit auf. Wegen der bestehenden Unterschiede komme auch - entgegen der Ansicht des
Landgerichts - eine Nutzung als Sperrzeichen nicht in Betracht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 25.11.2010, Az. 327 O 301/09 abzuändern und
auf ihre Berufung die Beklagte nach den erstinstanzlichen Klageanträgen zu verurteilen und die
Widerklage zurückzuweisen, soweit auf Einwilligung in die Löschung der Marken „H ...“ und „G...“
erkannt worden sei sowie
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
Die Beklagten beantragen,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte zu 1. beantragt darüber hinaus widerklagend,
die Klägerin zu verurteilen,
in die Löschung der folgenden beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Marken Nr. ...…
„W...“ und Nr. ... „H...“ auch insoweit einzuwilligen, als sie für die Waren „Nahrungsergänzungsmittel für
nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Eiweiß oder Kohlenhydrate oder Vitaminen,
Mineralstoffen, Spurenelementen und Enzymen“ eingetragen sind.
Die Beklagte zu 1. wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Teilzurückweisung ihres widerklagend geltend
gemachten Löschungsantrags. Der Beklagte zu 2. wendet sich mit seiner Berufung gegen das landgerichtliche
Urteil, soweit dieses ihn unzutreffenderweise als Partei der Widerklage behandele. Die Beklagten wiederholen
und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend tragen sie zur Klage noch vor: Das Landgericht habe
die Klage zu Recht abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Markenanmeldung in
Behinderungsabsicht lägen jedenfalls hinsichtlich der Marken „H ...“, „H...G...“ und „G...“ vor. Die Beklagten
hätten durch Benutzung der Firmenbezeichnung „G...“ seit 1989 einen schutzwürdigen Besitzstand erlangt. Die
Bezeichnung „H ...“ sei vor ihrer Wandlung zum Gattungsbegriff ursprünglich eine kennzeichnungskräftige
Eigenschöpfung gewesen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin Herr Ga... habe in den Jahren
1999-2003 erhebliche Mengen des Produkts der Beklagten (Warenwert von mehr als € 100.000) zum Zwecke
des Weiterverkaufs bezogen. Jedenfalls die Firma „G... Ltd.“ sei auf den Produktpackungen zu finden gewesen
und es habe deshalb nahegelegen, dass die Beklagte mit einem Produkt „H...G...“ auf den Markt kommen
werde. In engem zeitlichen Zusammenhang mit der letzten Bestellung des Herrn Ga... seien die Marken
angemeldet bzw. erworben worden. Bulkware habe die Beklagte zu 1. allenfalls bis 1992/1993 in die Schweiz
geliefert, danach seien die Präparate bereits in Indien endverpackt worden. Die Bezeichnung „H ...“ habe die
Beklagte zu 1. entwickelt. Die von der Klägerin - wenngleich zumindest teilweise ohne Erfolg - betriebenen
Verfahren reihten sich in die Blockadestrategie der Klägerin ein. Demgegenüber sei es geradezu paradox, wenn
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die Klägerin nun versuche, sich selbst als Opfer einer Rufausbeutung darzustellen. Anders als im Sinne einer
aggressiven Anlehnung an die Beklagten könne nicht erklärt werden, weshalb die Klägerin im Jahr 2003 gerade
die Zeichen „H...G...“ oder „G...“ angemeldet habe. Schon seit 1989 hätten die Beklagten die Bezeichnung „H
... A...“ benutzt; den Bestandteil „H ...“ dieser Kennzeichnung unterschlage die Klägerin in ihrem Vortrag.
Wegen der Wandlung zum Gattungsbegriff könne die Klägerin aus der Nutzung des Zeichens „H ...“ keinen
schutzwürdigen Besitzstand herleiten. Es bestehe, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, keine
Verwechslungsgefahr, weil „H ...“ mittlerweile ein kennzeichnungsschwaches Element sei. Die von den
Beklagten vorgelegten Unterlagen gem. Anlagen G 8 und G 9 spiegelten die im Jahr 2003 bereits erfolgte
Wandlung hin zum allgemein üblichen Gebrauch der Bezeichnung „H ...“ wider.
Zur Widerklage macht die Beklagte zu 1. geltend: Das Landgericht habe zu Unrecht eine rechtserhaltende
Benutzung der Marken „H...“ und „W...“ für die Waren „Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische
Zwecke auf der Basis von Eiweiß oder Kohlenhydrate oder Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und
Enzymen“ angenommen. Anders als in dem vom Landgericht herangezogenen BGH-Fall „Lottocard“ sei
vorliegend die Marke nicht für einen Ausschnitt des eingetragenen, weit gefassten Oberbegriff von
Waren/Dienstleistungen benutzt worden; es handele sich vielmehr um ein aliud. Eine Benutzung nur für
ähnliche Waren reiche nicht aus. Zu Unrecht habe das Landgericht die Löschungswiderklage teilweise
abgewiesen. Auch die Marken „H...“ und „W...“ seien evidente Bestandteile der unlauteren Gesamtstrategie der
Klägerin, die die Anmeldung der Marken „H ...“, „H...G...“ und „G...“ lediglich als letzte Eskalationsstufe
enthalten habe. Hierfür spreche u.a., dass die Klägerin die Marken „H...“ und „W...“ bis ins Jahr 2004 hinein
nicht genutzt habe.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen wird ergänzend auf
den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg (nachfolgend unter I.). Die Berufungen der Beklagten
sind hingegen erfolgreich (nachfolgend unter II.).
I. Berufung der Klägerin
Die Klägerin greift das Urteil des Landgerichts hinsichtlich der Zurückweisung ihrer Klage sowie hinsichtlich der
auf die Widerklage erfolgten Verurteilung zur Einwilligung in die Löschung der Marken „H ...“ und „G...“ an. Die
Berufung der Klägerin hat weder hinsichtlich der Klage (nachfolgend 1.) noch der Widerklage (nachfolgend 2.)
Aussicht auf Erfolg.
1. Klage
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Klägerin gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG besteht
nicht. Mangels eines solchen sind auch die geltend gemachten Annexansprüche nicht gegeben.
a) Mit ihrem Antrag zu 1. begehrt die Klägerin, den Beklagten zu verbieten,
- im geschäftlichen Verkehr mit Nahrungsergänzungsmitteln, diätetischen Lebensmitteln oder
Arzneimitteln
- die Bezeichnung „H...G...“ zu benutzen,
- insbesondere eine Bezeichnung auf ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen, unter
dieser Bezeichnung anzubieten, selbst oder durch Dritte in den Verkehr zu bringen oder zu diesem
Zweck zu besitzen, unter dieser Bezeichnung einzuführen, oder diese Bezeichnung im
Geschäftsverkehr oder in der Werbung zu benutzen.
Die Klägerin hat in der mündlichen Berufungsverhandlung die Bestimmtheit ihres Klageantrags dahingehend
klargestellt, dass sie ihren Antrag in der Hauptsache auf die Marke „H ...“, hilfsweise auf die Marke „H...“ sowie
weiter hilfsweise auf die Marke „W...“ stützt.
b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts besteht Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG zwischen der angegriffenen Bezeichnung „H...G...“ und den in genannter Reihenfolge geltend
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gemachten Klagemarken „H ...“ und „H...“ und „W...“, die in Kraft stehen (Anlagen K 2 und K 5).
Die Verwechslungsgefahr i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls zu beurteilen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren besteht,
insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit
der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch erhöhte
Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 387,
389f., Tz. 22 f. - Sabél/Puma; GRUR 1998, 922, 923, Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 2009, 766, Tz. 26 -
Stofffähnchen; GRUR 2008, 258 Tz. 20 - INTERCONNECT/T-InterConnect).
aa) Zwischen den für die Klägerin geschützten und dem von den Beklagten angebotenen Produkt - einem
Arzneimittel - besteht Warenidentität, soweit man auf die Klagemarken „H...“ und „W...“ abstellt, die u.a. für
„Arzneimittel aller Art“ eingetragen sind. Hinsichtlich der Klagemarke „H ...“ besteht ebenfalls Warenidentität,
denn diese ist u.a. für „pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse“ eingetragen.
bb) Der Klagemarke „H ...“ kommt mindestens unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zu.
Buchstaben-Zahl-Kombinationen können als solche durchschnittlich kennzeichnungskräftig sein (BGH GRUR
1996, 977 - P3-drano/DRANO; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 585). Im Falle einer
eingetragenen Marke ist das Verletzungsgericht zudem an die im Erteilungsverfahren getroffene Annahme
einer Mindestkennzeichnungskraft gebunden (BGH GRUR 2007, 1071, 1072 - Kinder II; BGH GRUR 2007, 780,
783 - Pralinenform m.w.N.; BGH GRUR 2008, 905, 907 Rz. 20 - Pantohexal; Ingerl/Rohnke § 14 Rz. 535). Eine
nachträgliche Schwächung der Kennzeichnungskraft eines Zeichens kann sich ergeben, wenn es in
erheblichem Umfang und für eine erhebliche Zeitdauer im Verkehr beschreibend verwendet worden ist
(Ingerl/Rohnke § 14 Rn. 665).
Gesteht man der Marke „H ...“ zunächst durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu, so dürfte eine solche
nachträgliche Schwächung vorliegend durch den breiten beschreibenden Einsatz dieser Bezeichnung für eine
besondere Zubereitungsform des Weihrauch-Harzes eingetreten sein, den die Beklagten durch Vorlage
zahlreicher wissenschaftlicher und allgemein journalistischer Beiträge nachgewiesen haben (Anlagen G 8, G 9).
Der Einschätzung des Landgerichts, im Falle der Marke „H...“ verstärke der hinzugefügte Firmenbestandteil
„H...“ die Kennzeichnungskraft mit dem Ergebnis durchschnittlicher Kennzeichnungskraft, tritt der Senat bei.
Sie ist mit der Rechtsprechung des BGH zur Frage der Bedeutung in der zusammengesetzten Marke
enthaltener Firmenbezeichnungen vereinbar, denn der BGH hat betont, dass nicht schematisch von einem
Zurücktreten des Firmenbestandteils auszugehen ist, sondern im Einzelfall die tatrichterliche Würdigung zu
einem anderweitigen Ergebnis führen kann (BGH GRUR 2008, 905, juris-Rz. 27 - Pantohexal). Ist „H ...“
mittlerweile kennzeichnungsschwach, so liegt die Annahme nahe, dass der Verkehr eine Bezeichnung „H...“ als
zu der produktidentifizierenden Angabe „H ...“ hinzutretende herkunftsbezeichnende Angabe in dem Sinne
auffasst, dass es sich um „das H ... von H…..“ handele. Dann kann aber der Gesamtbezeichnung auch eine
gegenüber der isolierten Verwendung von „H ...“ gesteigerte Kennzeichnungskraft zugebilligt werden.
Der Senat teilt ferner die Ansicht des Landgerichts, dass die Marke „W...“ wegen des beschreibenden Gehalts
des Bestandteils – Weihrauch - keinesfalls mehr als eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft hat, die
im wesentlichen auf den Bestandteil „H ...“ zurückgeht.
cc) Entgegen der Ansicht des Landgerichts besteht aber wegen der Übereinstimmung der sich
gegenüberstehenden Zeichen im Bestandteil „H ...“ durchaus Zeichenähnlichkeit.
dd) Die Gesamtbetrachtung führt - entgegen der Ansicht des Landgerichts - zur Annahme einer
Verwechslungsgefahr, und zwar in der Form der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. Dies gilt für alle drei
in genannter Reihenfolge geltend gemachten Klagemarken.
Als unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne wird die Gefahr verstanden, dass das eine Zeichen für
das andere gehalten wird (BGH, GRUR 2008, 485, Tz. 30 - METROBUS; Urteil v. 22.11.2001, Az. I ZR 111/99,
juris-Rz. 32 - BIG). Reichen die Unterschiede der Zeichen aus, um sie auseinanderzuhalten, können aber
gemeinsame Merkmale dennoch die Vorstellung bewirken, dass die Zeichen demselben Unternehmen
zuzuordnen seien, so spricht der BGH neuerdings anstelle des früher verwandten Begriffs der „mittelbaren
Verwechslungsgefahr“ (bzw. des zwischenzeitlich verwandten Begriffs der „unmittelbaren Verwechslungsgefahr
im weiteren Sinne“, vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl. 2003, § 14 Rz. 252) nur noch von
„Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens“ als Unterfall des gedanklichen
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Inverbindungbringens (zur Entwicklung der Terminologie siehe Inger/Rohnke, 3. Aufl. 2010, § 14 Rz. 391).
Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne schließlich wird angenommen, wenn der Verkehr die Unterschiede
zwischen den Zeichen zwar erkennt, wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung aber von wirtschaftlichen oder
organisatorischen Zusammenhängen zwischen den Zeichenverwendern ausgeht (BGH GRUR 2008, 905, Tz.
37 - Pantohexal; Urteil v. 22.7.2004, Az. I ZR 204/01, juris-Rz. 45 - Mustang; Urteil v. 5.10.2000, Az. I ZR
166/98, juris-Rz. 25f. - DB-Immobilienfonds; Ingerl/Rohnke, § 14 Rz. 391).
Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ist angesichts der gegebenen Unterschiede der Zeichen nicht gegeben.
Eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens - „H ...“ als Stammbestandteil einer
Zeichenserie der Klägerin - scheidet ebenfalls aus, weil die Klägerin über die Eintragung der genannten
Klagemarken hinaus nicht hinreichend substantiiert zur Benutzung einer Markenfamilie durch die Klägerin
vorgetragen hat. In Betracht kommt aber eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. Diese liegt dann vor,
wenn ein mit der älteren Marke übereinstimmender Bestandteil identisch oder ähnlich in eine komplexe Marke
aufgenommen wird, in der er neben einem Unternehmenskennzeichen eine selbständig kennzeichnende
Stellung behält und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den
angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, die fraglichen Waren stammten aus
wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen (BGH GRUR 2008, 905, Tz. 37 „ Pantohexal). Erkennt
der Verkehr in einem zusammengesetzten Zeichen das Unternehmenskennzeichen und in dem weiteren
Bestandteil den Produkthinweis, so besteht aufgrund des selbständig kennzeichnenden produktbezogenen
Bestandteils die Gefahr, dass der Verkehr diese andere Marke dem Inhaber des Unternehmenskennzeichens
zuordnet und meint, sie bezeichne dessen Waren oder die Waren stammten von wirtschaftlich miteinander
verbundenen Unternehmen (BGH GRUR 2008, 905, Tz. 38 - Pantohexal). Diese Annahme setzt auch nicht
voraus, dass die Klagemarke mindestens normale Kennzeichnungskraft besitzt (BGH a.a.O.). Diese
Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, weil von einer zwar geschwächten, aber noch vorhandenen
Kennzeichnungskraft des Bestandteils „H ...“ ausgegangen werden muss. Weil es sich bei dem Bestandteil
„G...“ erkennbar um das Unternehmenskennzeichen der Beklagten zu 1. handelt, kann eine ausschließliche
Prägung des angegriffenen Zeichens „H...G...“ durch diesen Bestandteil nicht angenommen werden. Es ist
vielmehr davon auszugehen, dass beide Bestandteilen jeweils ihre selbständig kennzeichnende Stellung
behalten. Dann aber besteht die eben dargestellte Gefahr der Zuordnungsverwirrung.
c) Mit Erfolg berufen sich die Beklagten aber auf die Einrede der Nichtbenutzung gem. §§ 25, 26 MarkenG.
Nach § 25 Abs. 1 MarkenG kann der Markeninhaber Verbotsansprüche nicht geltend machen, wenn die dem
Benutzungszwang unterliegende Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Geltendmachung des
Anspruchs für die Waren oder Dienstleistungen, auf die er sich zur Begründung seines Anspruchs beruft, nicht
gem. § 26 MarkenG benutzt worden ist. Nach Absatz 2 der Vorschrift hat der Kläger eine solche Benutzung auf
Einrede des Beklagten nachzuweisen. Nach § 26 Abs. 1 MarkenG muss die Marke von ihrem Inhaber für die
Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, im Inland ernsthaft benutzt worden sein. Die
Klägerin macht geltend, die Marken für den Vertrieb eines Nahrungsergänzungsmittels mit Trockenextrakt von
indischem Weihrauch (boswellia serrata) selbst („H ...“: Anlage K 4; „H...“: Anlagen K 6, K 8) bzw. durch die Fa.
B...N... GmbH („W...“: Anlagen K 7, K 8) verwendet zu haben und legt hierzu umfangreiche Nachweise vor, die
aus dem relevanten Zeitraum stammen (jüngste Verwendung „H ...“, „H...“: Okt. 2008; „W...“: Sept. 2008). Die
Ernsthaftigkeit dieser inländischen Verwendung haben die Beklagten nicht in Zweifel gezogen; es ist auch
unstreitig, dass die Fa. B... mit Gestattung der Klägerin - mithin in dieser zurechenbarer Weise - die Marke
„W...“ benutzt hat.
Es fehlt aber an einer Benutzung der Marke „für Waren, für die sie eingetragen ist“. Im Rahmen des § 26
MarkenG ist die Ware/Dienstleistung, auf die sich die jeweilige Benutzungshandlung nach dem
Verkehrsverständnis bezieht, unter die Begriffe des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses zu subsumieren
(Ingerl/Rohnke § 24 Rn. 107). Die Benutzung lediglich ähnlicher oder unter einen nicht eingetragenen
gemeinsamen Oberbegriff fallender Waren reicht nicht aus (Ingerl/Rohnke § 24 Rn. 108). Genauer betrachtet
werden muss die Benutzung von Waren, die unter einen weiten Oberbegriff fallen: ihre Benutzung rechtfertigt
im Löschungsverfahren die einschränkungslose Aufrechterhaltung eines solchen Oberbegriffs nur deshalb, weil
die Ware unter diesen weiten Oberbegriff fällt, regelmäßig nicht; es kommt dann vielmehr die Beschränkung
des Oberbegriffs auf die tatsächlich benutzten Waren in Betracht (BGH GRUR 2002, 59, juris-Tz. 58 f. - ISCO).
Der Bundesgerichtshof hat allerdings weiter entschieden, dass die Markeneintragung nicht auf die tatsächlich
benutzten konkreten Waren oder Dienstleistungen zu beschränken sei; vielmehr rechtfertigten es die gebotene
wirtschaftliche Betrachtungsweise und das berechtigte Interesse des Zeicheninhabers, in seiner geschäftlichen
Bewegungsfreiheit nicht ungebührlich eingeengt zu werden, im Warenverzeichnis über die benutzte konkrete
Ware hinaus auch die Ware zu belassen, die nach Auffassung des Verkehrs gemeinhin als zum gleichen
Warenbereich gehörend angesehen werden (BGH GRUR 2009, 60, Tz. 32 - LOTTOCARD; GRUR 2002, 59,
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juris-Tz. 59 - ISCO). Im Rahmen der Nichtbenutzungseinrede muss somit auch eine Ware als benutzt
angesehen werden, die nach Auffassung des Verkehrs über die konkrete Ware hinaus als zum gleichen
Warenbereich gehörend angesehen wird.
aa) Die Subsumtion unter die im Warenverzeichnis der Marke „H ...“ eingetragenen Waren der Klassen 5, 29,
30 ergibt, dass eine rechtserhaltende Benutzung dieser Marke nicht vorliegt.
(1) Die Marke ist zunächst eingetragen für „Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse“.
Hierunter fällt das von der Klägerin vertriebene Produkt nicht, weil es als Nahrungsergänzungsmittel ein
Lebensmittel und kein Arzneimittel ist. Die Eintragung besteht weiter für „Präparate für die Gesundheitspflege“,
womit, wie der Erläuterung zu Klasse 5 der Nizza-Klassifikation entnommen werden kann, Hygieneprodukte für
medizinische Zwecke gemeint sind. Auch ein solches stellt das Produkt der Klägerin nicht dar.
(2) Die Marke ist ferner eingetragen für „diätetische Erzeugnisse/Lebensmittel für medizinische Zwecke“. Um
ein diätetisches Erzeugnis handelt es sich bei dem Produkt der Klägerin nicht. Bei diesem handelt es sich um
ein Nahrungsergänzungsmittel, nicht hingegen um ein Lebensmittel, das im Sinne des § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nrn.
1 bis 3 DiätV für eine „besondere Ernährung bestimmt“ ist: weder entspricht es den Ernährungserfordernissen
der in vorgenannter Vorschrift aufgeführten Zielgruppen, noch wird es mit dem Hinweis darauf in Verkehr
gebracht, dass es sich für einen in der Vorschrift genannten Ernährungszweck eignet. Es handelt sich auch
nicht um ein „Lebensmittel für medizinische Zwecke“, da das Produkt der Klägerin ernährungsspezifische, nicht
aber medizinische Zwecke erfüllt.
(3) Die Marke ist ferner eingetragen für „diätetische Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel zur
Gesundheitspflege auf der Basis von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in
Kombination“. Auch diese Klassifizierung erfüllt das Produkt der Klägerin nicht.
Es handelt sich bei dem Produkt der Klägerin zwar um ein Nahrungsergänzungsmittel, nicht aber um ein
solches „auf der Basis“ der weiter im Warenverzeichnis genannten Stoffe. Die Wortfolge „auf der Basis“
bezeichnet die aus nutritiver Sicht wertbildende Zutat des Produkts. Die Beklagten haben schon erstinstanzlich
in Abrede gestellt, dass im Produkt der Klägerin die im Warenverzeichnis genannten Stoffe enthalten wären.
Obgleich die Notwendigkeit solchen Vortrags mithin schon erstinstanzlich erkennbar war, hat die Klägerin nicht
- wie es ihr im Rahmen der §§ 25, 26 MarkenG oblegen hätte - dargelegt, dass ihr Produkt „H ...“ einen der in
der Warenklasse genannten Stoffe in hinreichender Menge enthielte.
Allein die Qualifikation des Produkts der Klägerin als Nahrungsergänzungsmittel führt - entgegen der Ansicht
des Landgerichts - nicht zur Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung der Marke. Denn als zum gleichen
Warenbereich gehörend können - auch bei Berücksichtigung der durch das Landgericht herangezogenen
„Lottocard“-Entscheidung des BGH (GRUR 2009, 60) nur solche Waren angesehen werden, die gleichermaßen
wie die benutzte Ware einem im Warenverzeichnis enthaltenen Oberbegriff unterfallen. Die Benutzung von
Waren, die unter einen nicht eingetragenen gemeinsamen Oberbegriff fallen, reicht hingegen nicht
(Ingerl/Rohnke § 24 Rn. 108). Denn andernfalls weitete man den Schutzbereich der Marke in unzulässiger
Weise über die Eintragung hinaus aus. Im vorliegenden Falle liegt die Benutzung der Marke für das
Nahrungsergänzungsmittel der Klägerin nicht im Bereich des Warenverzeichnisses, weil davon
Nahrungsergänzungsmittel nicht dem Oberbegriff nach - also schlechthin - erfasst sind, sondern nur in
spezifischen (Unter-)Formen, die durch das Vorhandensein der im Warenverzeichnis genannten Stoffe
gekennzeichnet sind. Hierzu gehört das Produkt der Klägerin, wie vorstehend dargelegt, nicht. Dass es sich -
dem gemeinsamen, aber nicht eingetragenen Oberbegriff nach - jeweils um Nahrungsergänzungsmittel handelt,
hilft der Klägerin daher nicht.
(4) Auch hinsichtlich der eingetragenen Waren „diätetische Lebensmittel/ Nahrungsergänzungsmittel für
nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Eiweißen, Fetten, Fettsäuren, unter Beigabe von Vitaminen,
Mineralstoffen, Spurenelementen, Aroma- und Geschmacksstoffen, Süßstoff entweder einzeln oder in
Kombination, soweit in Klasse 29 enthalten“ liegt aus den vorstehend genannten Gründen keine
rechtserhaltende Benutzung vor. Auch insoweit fehlte es trotz der bestreitenden Einlassung der Beklagten
schon erstinstanzlich an relevantem Vortrag der Klägerin zur Zusammensetzung des von ihr vertriebenen
Produkts. Die Eigenschaft als „Nahrungsergänzungsmittel“ allein reicht, wie ebenfalls bereits dargelegt, nicht.
(5) Das Vorstehende gilt schließlich entsprechend hinsichtlich der eingetragenen Waren „diätetische
Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Kohlenhydraten,
Ballaststoffen, unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, entweder einzeln oder in
Kombination, Aroma- und Geschmacksstoffen, Süßstoff, soweit in Klasse 30 enthalten“. Auch diesen Waren
unterfällt das von der Klägerin angebotene Produkt nicht.
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bb) Die Subsumtion unter die im Warenverzeichnis der Marken „H... ….“ und „W...“ eingetragenen Waren der
Klassen 5, 29, 30 ergibt ebenfalls, dass eine rechtserhaltende Benutzung dieser Marken nicht vorliegt. Weder
handelt es sich bei dem Produkt der Klägerin um ein „Arzneimittel“ noch um ein „Nahrungsergänzungsmittel für
nicht medizinische Zwecke auf der Basis von Eiweiß oder Kohlenhydrate oder Vitaminen, Mineralstoffen,
Spurenelementen und Enzymen“. Auf die vorstehenden Ausführungen, die hier entsprechend gelten, wird
verwiesen.
d) Die Beklagten berufen sich ferner erfolgreich darauf, dass die Geltendmachung der Markenrechte der
Klägerin eine wettbewerbswidrige Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG darstellt.
Der Inanspruchnahme aus Markenrecht kann einredeweise entgegengehalten werden, dass auf Seiten des
Markeninhabers Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes als eine
wettbewerbswidrige Behinderung i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 10, 8 UWG erscheinen lassen (BGH GRUR 2008, 917 Tz. 19
- EROS). Zwar handelt nicht schon derjenige unlauter, der ein Zeichen in Kenntnis der Benutzung eines
verwechselbaren, nicht formal geschützten Zeichens durch einen anderen als Marke anmeldet; eine
wettbewerbswidrige Behinderung kann aber darin liegen, dass die Anmeldung in Kenntnis eines schutzwürdigen
Besitzstands des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund mit dem Ziel der Störung des
Besitzstands des Vorbenutzers oder in der Absicht erfolgt, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu
sperren. Eine wettbewerbswidrige Behinderung kommt ferner dann in Betracht, wenn der Zeichenanmelder die
mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich
unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (zum Vorstehenden s.
BGH GRUR 2010, 642 Rn. 51 - WM-Marken; GRUR 2008, 621 Rn. 21 - AKADEMIKS; GRUR 2008, 917 Rn. 20
- EROS). Die Absicht der wettbewerbswidrigen Behinderung braucht nicht der einzige Beweggrund des
Anmelders zu sein; es ist ausreichend, wenn sie das wesentliche Motiv für die Anmeldung darstellt (BGH
GRUR 2000, 1032, 1034 - EQUI 2000; GRUR 1986, 74, 76f.- Shamrock III). Deshalb schließt allein die etwaig
bestehende Absicht, die angemeldete Marke auch tatsächlich zu benutzen, die Annahme der
Behinderungsabsicht nicht zwangsläufig aus (BGH a.a.O.). Für die Feststellung der Behinderungsabsicht ist
eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BGH GRUR 2008, 621, 623 -
Akademiks).
Im vorliegenden Fall führt die Gesamtabwägung der gegebenen Umstände zu der Einschätzung, dass die
Klägerin die Beklagten durch einen zweckfremden Markeneinsatz der Marken „H ...“, „H...“ und „W...“ in
unlauterer Weise im Wettbewerb behindert.
Die Klägerin hat ihre Marken „H...“ und „W...“ im April bzw. Juni 2000 angemeldet, nachdem die Beklagte zu 1.
zuvor seit (jedenfalls) 1999 ihr Produkt als „H ... A...“ und seit 2001 als „H...G...“ nach Deutschland vertrieben
hatte. Der Geschäftsführer der Klägerin Herr Ga... hat ferner schon seit 1999 bei der Fa. P... GmbH, Freiburg,
das von der Beklagten zu 1. importierte Präparat „W...“ bzw. „H ...“ bestellt (Anlagen B 30-B 34). Die Klägerin
hatte mithin Kenntnis von dem Vertrieb eines so bezeichneten Weihrauch-Produkts in Deutschland. Im Jahr
2003 erwarb die Klägerin die Marke „H ...“ und meldete die - erkennbar an die Firma der Beklagten zu 1.
angelehnten - Marken „H...G...“ und „G...“ an. Für die hier vorzunehmende Würdigung der Einzelfallumstände
ist - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch die Anmeldung der inzwischen gelöschten Marke „H...G...“ zu
berücksichtigen, soweit sie im vorliegenden Kontext - also für die Frage einer vor der Löschung liegenden
wettbewerblichen Behinderung - relevant erscheint. Die Anmeldung bzw. der Erwerb der vorgenannten Marken
dienten bei der nach § 286 ZPO vorzunehmenden lebensnahen Betrachtung des vorstehend dargestellten
Geschehensablaufs, womöglich nicht ausschließlich, aber doch maßgeblich dem Zweck, durch eine breit
angelegte Belegung identischer oder verwechslungsfähiger Bezeichnungen für Nahrungsergänzungsmittel
Vorbereitungen dafür zu treffen, unter Nutzbarmachung des Markenrechts den Vertrieb des Arzneimittels der
Beklagten zu 1. in Deutschland zu vereiteln. Für die an die Firmenbezeichnung der Beklagten zu 1. sowie die
seit 2001 verwendete Bezeichnung ihres Produkts angelehnten Marken „H...G...“ und „G...“ ist dies in
besonderer Weise evident; das Vorgehen der Klägerin ist aber unter Einschluss auch ihrer übrigen Maßnahmen
als insgesamt planvolles Handeln in markenrechtsfremder Motivation zu bewerten. Der noch heute andauernde
Import des Präparats „H...G...“ der Beklagten zu 2. stellt einen schutzwürdigen Besitzstand dar. Es liegt
zudem auf der Hand, dass die Klägerin sich von ihrem Vorgehen Wettbewerbsvorteile bei dem Vertrieb ihres -
der Zusammensetzung nach identischen - Nahrungsergänzungsmittels versprach. Maßgeblich
verhaltensleitende legitime Interessen an der Wahl bzw. dem Erwerb der vorgenannten Bezeichnungen hat die
Klägerin nicht substantiiert geltend machen können; solche sind insbesondere im Hinblick auf den - von der
Klägerin selbst betonten - kennzeichnenden Charakter des Bestandteils „H ...“ auch nicht ersichtlich: es steht
eben gerade nicht die Nutzung einer rein generischen Bezeichnung in Rede. Ob die Fa. He...bei der Anmeldung
der Marke „H ...“ seinerzeit bösgläubig war, kann dahinstehen, weil es für den Vorwurf der wettbewerbswidrigen
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Behinderung nicht notwendig auf den Zeitpunkt der Markenanmeldung ankommt, wenn die spätere Verwendung
der Marke die Voraussetzungen des § 4 Nr. 10 UWG erfüllt (vgl. Ingerl/Rohnke Vor §§ 14-19d RN. 355). Die
Klägerin hat die vorgenannten Marken sodann im Februar 2004 sowie Januar und April 2009 auch gegen
Apotheken und Vertriebspartner der Beklagten zu 1. (Anlagen B 35, B 36, B 37) sowie im Mai 2009 gegen die
Beklagte zu 1. (Anlage B 38) ins Feld geführt und somit die schon aus dem vorgenannten Geschehensablauf
sprechende Behinderungsabsicht manifestiert. Jeder dieser letztgenannten Einzelakte stellt eine
wettbewerbswidrige Behinderung der Beklagten zu 1. dar. Nach Auffassung des Senats geht es angesichts des
planvollen Gesamthandelns der Klägerin in deutlicher Missbrauchsabsicht nicht an, die Bezeichnungen „H...“
und „W...“ einer isolierten, für die Klägerin günstigeren Betrachtung zu unterziehen.
e) Mangels Unterlassungsanspruchs der Klägerin stehen ihr auch keine Annexansprüche auf Feststellung der
Schadensersatzpflicht, Auskunft und vorgerichtlichen Kostenersatz zu.
2. Widerklage
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung ohne Erfolg gegen die auf die Widerklage erfolgte Verurteilung zur
Einwilligung in die Löschung der Marken „H ...“ und „G...“. Die Beklagte zu 1. hat einen Anspruch auf Löschung
dieser Marken. Dass nur die Beklagte zu 1. die widerklagend geltend gemachten Löschungsansprüche verfolgt,
ergibt sich aus dem Umstand, dass allein die Beklagte zu 1. die erstinstanzliche Widerklage im Verfahren 312
O 207/09 erhoben hat, die sodann mit Beschluss vom 24.2.2009 abgetrennt und zum vorliegenden Rechtsstreit
verwiesen worden ist (s. das im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 23.9.2001 angegebene Rubrum: „Bekl.
zu 1. und Widerklägerin“, „Beklagter zu 2.“).
a) Der Löschungsanspruch der Beklagten zu 1. folgt aus den §§ 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 49 Abs. 1, Abs. 3
MarkenG. Denn die Klägerin hat die angegriffenen Marken nicht im maßgeblichen Zeitraum rechtserhaltend
benutzt. Hinsichtlich der Marke „H ...“ kann auf die unter 1. c) vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.
Für die Marke „G...“ hat die Klägerin auf die Nichtbenutzungseinrede der Beklagten zu 1. keinerlei
Benutzungshandlung vorgetragen.
b) Die Beklagte zu 1. hat ferner Anspruch auf Löschung der Marke „G...“ gem. §§ 50 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 10
MarkenG, denn die Klägerin hat diese Marke im August 2003 bösgläubig angemeldet. Bösgläubig ist eine
Markenanmeldung u.a. dann, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls eine sittenwidrige Behinderung im
Sinne des § 4 Nr. 10 UWG darstellt (Ingerl/Rohnke § 8 Rn. 296 ff., 306). Die Anmeldung der Marke behindert
die Beklagte zu 1. unlauter im Wettbewerb, indem sie ihren durch den im Zeitpunkt der Anmeldung bereits
mehrjährigen Import ihres Produkts „H...G...“ aufgebauten schutzwürdigen Besitzstand bedroht. Die Anlehnung
der Marke an die Firmen- und Produktbezeichnung der Beklagten zu 1. macht die unlautere Absicht des
Vorgehens der Klägerin in besonderer Weise evident. Diese Markenanmeldung ist nach lebensnaher
Betrachtung der Gesamtumstände Teil eines planvollen Handelns der Klägerin; auf die unter 1.d) vorstehenden
Ausführungen, die hier entsprechend gelten, wird verwiesen. Ob die Anmelderin der Marke „H ...“, die Fa. He...,
von der die Klägerin die Marke im Jahr 2003 erworben hat, im Anmeldezeitpunkt bösgläubig war, muss
offenbleiben, denn diesbezüglich ist der Vortrag der Beklagten zu 1. unsubstantiiert.
c) Die Beklagte zu 1. hat ferner Anspruch auf Löschung der Marken „H ...“ und „G...“ zwecks Beseitigung der
aus ihrem Einsatz resultierenden wettbewerbswidrigen Behinderung gem. § 3, 4 Nr. 10, 8 UWG. Ein solcher
Löschungsanspruch, der - anders als derjenige nach §§ 50, 8 MarkenG - nicht auf Bösgläubigkeit im
Anmeldezeitpunkt beschränkt ist, sondern auch den späteren wettbewerbswidrigen Einsatz des Markenrecht
erfasst, ist anerkannt (s. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl. 2012, § 2 Rn. 101). Hinsichtlich der
Voraussetzungen der wettbewerblichen Behinderung gelten die Ausführungen zu 1.d) gleichermaßen
entsprechend.
II. Berufungen der Beklagten
Die Berufungen der Beklagten haben Erfolg.
1. Berufung der Beklagten zu 1.
a) Die Beklagte zu 1. verfolgt mit ihrer Berufung die vom Landgericht abgewiesenen Widerklageanträge auf
restliche Löschung der Marken „H...“ und „W...“ weiter, begehrt also,
„in die Löschung der Marken Nr. ... „H...“ und Nr. ... „W...“ auch insoweit einzuwilligen, als sie für die
Waren „Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke auf der Basis von Eiweiß oder
Kohlenhydraten oder Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und Enzymen“ eingetragen sind.“
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Dass die Berufungsbegründung den gesamten erstinstanzlichen Löschungsantrag aufführt (also die vom
Landgericht zugesprochene Teillöschung nicht berücksichtigt) schadet nicht, weil die Beklagte zu 1. diese
Antragstellung im Termin zur mündlichen Berufungsverhandlung klargestellt hat und sich aus der
Berufungsbegründung klar ergibt, dass mit der Berufung nur die vom Landgericht abgewiesenen Teile des
Widerklageantrags weiterverfolgt werden.
b) Die Beklagte zu 1. hat Anspruch auf Löschung der Marken „H...“ und „W...“ wegen Verfalls gem. §§ 55, Abs.
1, Abs. 2 Nr. 1, 49 Abs. 1, Abs. 3 MarkenG. Aus den bereits dargelegten Gründen (s.o. I.1.c]) sind die Marken
„H...“ und „W...“ auch im verbliebenen Umfang wegen Nichtbenutzung zu löschen.
c) Die Beklagte zu 1. hat ferner Anspruch auf Löschung der Marken „H...“ und „W...“ wegen
wettbewerbswidriger Behinderung gem. §§ 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 S. 1 UWG. Ihre Eintragung und ihr Einsatz
erfüllen die Voraussetzungen einer wettbewerbswidrigen Behinderung; auf die unter I.1.d) vorstehenden
Ausführungen wird verwiesen. Der Anspruch der Beklagten zu 1. ist auf vollständige Beseitigung der von den
Markeneintragungen ausgehenden Störungen gerichtet und erfasst daher jeweils auch das gesamte restliche
Warenverzeichnis. Denn die Annahme einer Warenähnlichkeit zwischen dem W...-Produkt „H...G...“ und der
nach dem Urteil des Landgerichts im Warenverzeichnis noch verbliebenen Eintragung von
Nahrungsergänzungsmitteln der beschriebenen Art erscheint nicht ausgeschlossen, so dass auch mit der
Geltendmachung etwaiger markenrechtlicher Unterlassungsansprüche gerechnet werden muss.
2. Berufung des Beklagten zu 2.
Die Berufung des Beklagten zu 2. ist ebenfalls begründet. Der Beklagte zu 2. wendet sich gegen die durch das
Landgericht vorgenommene Einordnung als Partei der Widerklage. Die Einstufung als „Scheinpartei“ einer
Widerklage ist eine mit der Berufung in zulässiger Weise verfolgbare Beschwer, weil sie einerseits die
Zuschreibung einer unrichtigen Rechtsberühmung und andererseits - so auch vorliegend - im Falle des (Teil-
)Verlusts der Widerklage negative Kostenfolgen beinhaltet. Die Widerklage hat, wie oben zu I.2. bereits
ausgeführt, allein die Beklagte zu 1. erhoben. Der Senat hat die richtige Bezeichnung der Widerklagepartei
zwecks Klarstellung in den Tenor des Urteils aufgenommen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die
Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).