Urteil des OLG Hamburg vom 27.06.2012

OLG Hamburg: anschlussberufung, internet, rechtliches gehör, vergütung, veröffentlichung, familie, fleischerei, entschädigung, luft, form

1
2
3
4
5
6
7
8
--- kein Dokumenttitel vorhanden ---
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 5. Zivilsenat, Urteil vom 27.06.2012, 5 U 29/10
§ 287 ZPO
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 8, vom 12.10.2010 wird
zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere € 4.152,40 nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2008 zuzahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen der Kläger zu 43 % und die Beklagte zu 57
%.
Dieses Urteil sowie das erstinstanzliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der rechtsverletzenden Nutzung von ihm verfasster Sprachwerke in
Anspruch. Der Kläger ist ein freiberuflich arbeitender Journalist und Verfasser von Fachaufsätzen zu
verschiedenen Wirtschafts- und Steuerthemen.
Die Beklagte ist ein Verlagshaus, das mehrere Wirtschaftstitel und Fachmagazine verlegt und verschiedene
Themenportale zu diesen Fachzeitschriften betreibt. Die Beklagte nutzte dabei mehrfach aufgrund
entsprechender Rechtseinräumungen Fachaufsätze des Klägers in ihren Printmedien. So gestattete der Kläger
der Beklagten
- den Abdruck des Fachaufsatzes „Fahrzeugkosten optimal absetzen" mit einem Umfang von 21.670
Zeichen (hier und im Folgenden die Summe von Buchstaben, Zahlen, Sonder-, Satz- und Leerzeichen)
gegen Zahlung einer Vergütung in Höhe von € 455,00 netto in der Fachzeitschrift „rationell reinigen",
- den Abdruck des Fachaufsatzes „Sparmodell: Steueroptimierung mit der Familie" mit einem Umfang
von 19.168 Zeichen gegen Zahlung einer Vergütung in Höhe von € 420,00 netto in den
Fachzeitschriften „rationell reinigen" und „Die Fleischerei",
- und den Abdruck des Fachaufsatzes „Mit ersparten Steuern finanzieren" bzw. „EDV-Steuerliche
Vorteile nutzen" mit einem Umfang von 23.334 Zeichen gegen Zahlung einer Vergütung in Höhe von €
472,50 in der Fachzeitschrift „Die Fleischerei".
Kopien der Zeitschriftenseiten mit den Fachaufsätzen liegen in dem Anlagenkonvolut K 8 vor, auf das wegen
der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.
Die Beklagte machte die Fachaufsätze des Klägers zusätzlich in den zu ihren Fachzeitschriften gehörenden
Themenportalen
-www.geldinstitute.de,
-www.boden-wand-decke.de,
-www.versicherungsbetriebe.de,
10
11
12
14
15
16
17
18
19
20
22
9
13
21
-www.deutsche-handwerks-zeitung.de
-www.rw-textilservice.de,
-www.rationell-reinigen
-www.fleischerei.de
-www.handwerk-magazin.de und
-www.handwerk-info.de
jeweils in gekürzter Form im Internet mit Downloadmöglichkeit abrufbar, und zwar
- den Fachaufsatz „Fahrzeugkosten optimal absetzen", wie aus der Anlage B 6.3 ersichtlich, mit einem
Umfang von 5.051 Zeichen in der Zeit vom 03.09.2002 bis zum 31.01.2006,
- den Fachaufsatz „Sparmodell: Steueroptimierung mit der Familie", wie aus der Anlage K 1 S. 2
ersichtlich, mit einem Umfang von 4.455 Zeichen in der Zeit vom 06.04.2004 bis zum 31.01.2006,
- den Fachaufsatz „EDV-Steuerliche Vorteile nutzen", wie aus der Anlage B 6.1 ersichtlich, mit einem
Umfang von 5.151 Zeichen in der Zeit vom 22.10.2002 bis zum 31.01.2006,
und
- den Fachaufsatz „EDV-Steuerliche Vorteile nutzen" nochmals, nunmehr unter der Überschrift „Mit
ersparten Steuern finanzieren", wie aus der Anlage B 6.2 ersichtlich, mit einem Umfang von 3.798
Zeichen in der Zeit vom 31.01.2005 bis zum 31.01.2006.
Der Kläger ließ die Beklagte mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 09.07.2008 abmahnen,
woraufhin die Beklagte jeweils Unterlassungsverpflichtungserklärungen abgab (Anlagen K 10, K 10 a).
In Bezug auf den Fachaufsatz „Sparmodell: Steueroptimierung mit der Familie" ist die Beklagte mit (dem als
Anlage K 1 vorliegenden) rechtskräftigem Urteil vom 30.04.2008 des LG Hamburg, Az. 308 0 481/07 zur
Auskunft (Tenor zu I.) und dem Grunde nach zur Zahlung von Schadensersatz (Tenor zu II.) verurteilt worden.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.09.2008 forderte der Kläger die Beklagte
außergerichtlich zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von € 18.000.- zuzüglich Rechtsverfolgungskosten
auf. Dieses Verlangen wies die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.10.2008 zurück.
Die Beklagte hat dem Kläger auf der Grundlage ihrer Berechnungen lediglich € 994,84 als Schadensersatz
gezahlt.
Zur Berechnung der Höhe der jeweiligen Schadensersatzansprüche geht der Kläger von der Anwendbarkeit der
Honorarempfehlungen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di (im Folgenden: DJU-
Empfehlungen, Anlage K 5) als geeigneter Grundlage (auch) einer gerichtlichen Schätzung gemäß § 287 ZPO
aus. Wegen der Einzelheiten seiner Schadensberechnung wird auf die Seiten 5 bis 9 der Klage Bezug
genommen.
Er macht weiter wegen unzureichender Urhebernennung einen 100%-igen Verletzerzuschlag geltend sowie eine
Geldentschädigung wegen Verletzung seines Urheberpersönlichkeitsrechts in Höhe von mindestens €
2.500,00.
Darüber hinaus verlangt der Kläger die Erstattung der Abmahnkosten bezüglich der drei Fachartikel
„Fahrzeugkosten optimal absetzen", „EDV: Steuerliche Vorteile nutzen" und „Mit ersparten Steuern
finanzieren", berechnet mit einer 1,3-Gebühr nach einem Gegenstandswert von € 75.000,00 zzgl. € 20,00
Pauschale.
Der Kläger hat vorgetragen,
er habe der Beklagten für die Internetnutzung keine Rechte übertragen. Die Beklagte sei ihm zum
Schadensersatz verpflichtet. Zur Grundlage der Schadensberechnung könnten die DJU-Empfehlungen
herangezogen werden. Hierbei handele es sich um die allgemeinen branchenüblichen und fairen Tarife, die
23
24
25
27
28
29
33
34
26
30
31
32
zwischen den Parteien vereinbart worden wären, wenn die Beklagte eine rechtmäßige Online-Nutzung der
Aufsätze angestrebt hätte. Auszugehen sei im vorliegenden Fall von einer sog. Erstnutzung im Internet. Ein
Recht zur Online-Nutzung sei der Beklagten zuvor nicht eingeräumt worden. Sie habe vielmehr lediglich jeweils
ein einfaches Abdruckrecht zur Veröffentlichung in Print-Ausgaben erhalten. Zudem sei die Online-Nutzung
nicht in Online-Diensten erfolgt, die dem Print-Objekt zugeordnet sind, für die vertragsgemäß eine
Veröffentlichungsberechtigung eingeräumt worden sei. Vielmehr habe die Beklagte die Artikel auf zum Teil
thematisch völlig unterschiedlichen Themenportalen eingestellt.
Angesichts der zumindest bei zwei Veröffentlichungen fehlenden bzw. unzureichenden Urhebernennung sei ein
Verletzerzuschlag in Höhe von 100 % zu berücksichtigen. Ein weiterer Zuschlag - dessen Höhe in das
Ermessen des Gerichts gestellt werde - sei wegen der Entstellung der Artikel geschuldet. Für den Umfang der
zugrunde zu legenden Zeichen komme es allein auf die Länge des Original-Aufsatzes an. Andernfalls würde
eine umso stärkere Entstellung durch Kürzung unangemessen honoriert. Es sei gerade nicht ein abgrenzbare
Teil des Werks übernommen worden, sondern die Beklagte habe das Werk nach eigenem Gutdünken
bearbeitet, insbesondere gekürzt.
Der von ihm beanspruchte Schadensersatzbetrag liege sogar um ein Vielfaches unterhalb der nach den DJU-
Empfehlungen angemessenen Sätze sowie derjenigen Vergütungen, die sich aus konkreten Vergleichsbeträgen
für bereits an ihn gezahlten Lizenzhonorare (Anlage K 6) errechneten. Er beanspruche als Schadensersatz
statt rechnerisch geschuldeter ca. € 160.000.- 180.000.- lediglich € 19.000.- abzüglich der von der Beklagten
bereits gezahlten € 994,84.
Er beanspruche neben dem materiellen Schadensersatz auch Ersatz des Nichtvermögensschadens. Seine
Werke seien entstellt, seine Urheberpersönlichkeitsrechte krass missachtet worden.
Der Kläger hat beantragt:
1. a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von € 18.005,16 nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen durch das Gericht im Wege der Schätzung gemäß
§ 287 ZPO festzusetzenden, billigen Nicht-Vermögensschadensersatz zu zahlen, mindestens jedoch
€2.500,00.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.580,00 nach einem Gegenstandswert von
geschätzten € 75.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht,
es handele sich bei den gekürzten Fassungen im Internet um übliche Hinweise auf die vollständigen
Fassungen in den Print-Medien, die zur Bewerbung der vom Kläger erlaubten Printnutzung in das Internet
eingestellt worden seien. In Anbetracht der Üblichkeit der Nutzung in Form solcher Leseproben hätte der Kläger
bei der Rechtseinräumung einen Vorbehalt machen müssen, wenn er damit nicht einverstanden gewesen wäre.
Auf den Titelseiten der Zeitschriften habe sich jeweils ein deutlicher Hinweis auf die Internetseiten der
Zeitschrift befunden und der Kläger habe Belegexemplare erhalten. Zudem habe der Kläger auch eine
Veröffentlichung gestattet (Anlage B 8). Sie habe daher davon ausgehen dürfen, dass sie die Texte des
Klägers im Internet habe verwenden können. Die Internetfassungen seien auch nicht den Internetauftritten der
anderen Zeitschriften zur Verfügung gestellt worden. Das Abspeichern dieser Fassung erfolge durch die
Redaktion der Printzeitschrift „Die Fleischerei" in einer zentralen Datenbank aller Zeitschriften. Auf den anderen
Seiten gebe es eine entsprechende Suchfunktion, mit der ein Nutzer die zentral gespeicherten Beiträge abrufen
könne. Die Internetnutzung stelle sich tatsächlich auch als zusätzliche Werbung für den Kläger dar.
Alle vier Artikel seien nur insgesamt 841 mal von Nutzern aufgerufen worden (Anlage B 5), so dass ein
nachweisbarer Einfluss auf die Verkaufszahlen der Printprodukte, für die hier in Gestalt der Leseprobe
geworben worden sei, nicht feststellbar sei. Stattdessen sei der Kläger aber diesen 841 Nutzern nunmehr als
Wirtschaftsjournalist bekannt, so dass Ansehen und die Reputation des Klägers hiervon profitiert hätten. Die
Textteile hätten den Ursprungstext, der in den Printausgaben abgedruckt gewesen sei, auch nicht entstellt,
sondern zu ihm hingeführt und für ihn geworben. Eine Entstellung liege auch deshalb nicht vor, weil die
35
36
37
38
39
41
42
43
49
40
44
45
46
47
48
Grundauffassung der Werke weder verzerrt noch verfälscht worden sei. Ferner habe der Kläger selbst (wie sich
aus Anlagenkonvolut B 8 ergäbe) wiederholt erklärt, der Text könne leicht gekürzt oder auf mehrere Folgen
verteilt werden. Für das Vorliegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers fehle es auch an ihrem
Verschulden.
Die von dem Kläger begehrten Zahlungen stünden in einem deutlichen Missverhältnis zu den Beträgen, die der
Kläger für den Abdruck seiner vollständigen Artikel in den jeweiligen Printmedien erhalten hat. So sei ihm zum
Beispiel für die Print-Nutzung des Artikels „Sparmodell, Steueroptimierung mit der Familie" seinerzeit ein
Betrag von € 449,40 vergütet worden (Anlage B 1), während er nunmehr einen Betrag von € 20.837,25
beanspruche bzw. als berechtigt berechne. Für die anderen Artikel ergebe sich ein ähnliches Missverhältnis.
Ein solches bestehe ebenfalls, wenn man den von dem Kläger genannten Mindestbetrag zu Grunde lege.
Auszugleichen sei lediglich der objektive, sachlich angemessene Wert der Rechtsnutzung, um denjenigen
Zustand wiederherzustellen, der ohne die Rechtsverletzung bestehen würde.
Die DJU-Empfehlungen seien nicht branchenüblich. Sie seien vielmehr einseitige Vorstellungen, die
gewerkschaftlich organisierte Journalisten als Vergütung gerne durchsetzen würden. Sie würden von kleinen
Zeitschriftenverlagen, wie sie, die Beklagte es einer (gewesen) sei, regelmäßig aber nicht bezahlt werden.
Auch der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt nach den DJU-Empfehlungen vergütet worden. Ihm vergütete
Seitenbeträge lägen bei knapp € 62.-, unabhängig von der Anzahl der Zeichen (Anlage B 7). Dabei bezahle sie -
vertraglich jeweils ausdrücklich geregelt - auch heute noch keine Zusatzvergütung für die Veröffentlichung von
Texten im Internet, die zuvor in Printausgaben veröffentlicht wurden. Mit den gezahlten € 994,84 sei der Kläger
ausreichend vergütet worden.
Die von dem Kläger geltend gemachten angeblichen Anwaltskosten seien nicht entstanden und zudem
überzogen. In der Höhe des nunmehr angesetzten Streitwertes habe der Kläger vorprozessual keine Zahlung
verlangt.
Das Landgericht Hamburg hat die Beklagte mit dem angegriffenen Urteil vom 12.02.2010 nur zum Teil
antragsgemäß verurteilt, die Klage im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die form- und
fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Die Beklagte verfolgt in zweiter Instanz ihr
Klageabweisungsbegehren unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags weiter.
Die Beklagte trägt vor,
das Landgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Es habe sich eine
Sachkunde zugetraut, die ihm tatsächlich nicht zustehe. Dementsprechend sei das Landgericht verpflichtet
gewesen, auf ihren Antrag vom 30.07.2009 die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und die von ihr
angebotenen Beweise zu erheben.
Das Landgericht habe zu Unrecht die DJU-Empfehlungen zur Berechnung des Schadenersatzanspruchs
angewendet. Ein Rückgriff auf die Honorarsätze dieser Empfehlungen sei unzulässig. Hierbei handele es sich
um einseitige Vergütungsvorstellungen einer Journalistengewerkschaft. Diese seien in der Praxis nicht
durchsetzbar, würden insbesondere von kleineren Verlagen nicht gezahlt. Die von dem Landgericht
vorgenommene Schätzung sei unzulässig, weil sie mangels greifbarer tatsächlicher Anhaltspunkte völlig in der
Luft hänge.
Mit der Anwendung der DJU-Empfehlungen habe das Landgericht zudem gegen europäisches Kartellrecht
verstoßen sowie die Koalitionsfreiheit in unzulässiger Weise beeinträchtigt.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12.02.2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er beantragt (weiterhin) im Weg der Anschlussberufung,
1. a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von € 18.005,16 nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
50
51
52
54
55
56
59
60
61
62
63
64
53
57
58
b) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen durch das Gericht im Wege der Schätzung gemäß
§ 287 ZPO festzusetzenden, billigen Nicht-Vermögensschadensersatz zu zahlen, mindestens jedoch
€2.500,00.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.580,00 nach einem Gegenstandswert von
geschätzten € 75.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil auf der Grundlage der bereits erstinstanzlich gestellten Anträge.
Soweit das Landgericht die Klage zum Teil abgewiesen hatte, wiederholt der Kläger seinen erstinstanzlichen
Sachvortrag.
Er führt ergänzend aus,
der Umstand, dass die DJU-Empfehlungen die tatsächlichen Gegebenheiten zutreffend widerspiegelten, ergebe
sich nachdrücklich auch daraus, dass diese Honorare nunmehr sogar zwischen DJU und DJV einerseits und
dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. andererseits verbindlich angewendet würden (Anlage BB
3).
Die Höhe der angemessenen Vergütung für eine Online-Nutzung könne sich nicht an dem Wert einer einfachen
Printlizenz orientieren. Denn er habe bewusst keine "Internet-Rechte" vergeben, weil seine Aufsätze wegen der
ungeschützten Verfügbarkeit im Internet damit faktisch wertlos würden. Ein Abschlag wegen der Nutzung in
unterschiedlichen Portalen desselben Verlages sei nicht angemessen. Ebenfalls habe das Landgericht zu
Unrecht nicht die von ihm vorgetragenen Vergleichslizenzen erhöhend berücksichtigt. Hieraus ergebe sich,
dass er am Markt höhere Beträge erzielen könne.
Wegen der unterbliebenen Nennung seines Namens als Urheber stehe ihm darüber hinaus ein
Verletzerzuschlag in Höhe von 100 % zu, den das Landgericht ebenfalls zu Unrecht nicht berücksichtigt habe.
Weiterhin könne er auch Schadensersatz wegen der erlittenen Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechte
z.B. durch massive Kürzungen beanspruchen. Mit einem Eingriff in die Werkintegrität sei er gerade nicht
einverstanden gewesen.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem zur Grundlage der Anschlussberufung gemachten Sachvortrag des Klägers mit ihren im
Wesentlichen bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumenten entgegen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils
sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Demgegenüber ist die Anschlussberufung des Klägers zu einem Teil
begründet, im Übrigen aber ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
1. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht und mit zutreffender Begründung zur Leistung von
Schadensersatz verurteilt. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zu, und zwar mindestens in der
von dem Landgericht ihm zugesprochenen Höhe. Der Senat nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen
auf die überzeugenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug. Die Angriffe der Beklagten
gegen das landgerichtliche Urteil überzeugen nicht. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende
Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:
a. Das Landgericht hat ausführlich und mit zutreffender Begründung den klägerischen Anspruch dem Grunde
nach bejaht. Hiergegen wendet sich die Beklagte in 2. Instanz nicht. Sie greift allein die von dem Landgericht
zur Berechnung der Höhe des Schadensersatzes zu Grunde gelegte Beurteilungsgrundlage als unrichtig an.
Vor diesem Hintergrund hat der Senat keine Veranlassung, auf die vielfältigen materiellen Streitfragen näher
einzugehen, die zwischen den Parteien noch in 1. Instanz im Streit gestanden haben. Hierzu hat das
Landgericht das Erforderliche und Zutreffende ausgeführt. Für eine Wiederholung besteht keine Veranlassung.
b. Das Landgericht hat den dem Kläger zustehenden Zahlungsanspruch in nicht zu beanstandender Weise
ermittelt und berechnet. Der Anspruch ist - vorbehaltlich der Ausführungen zur Anschlussberufung - auch in
65
66
67
68
69
70
71
72
73
seinem Umfang angemessen. Konkrete Einwände gegen die Höhe der berechneten Honorare bzw. die
Anwendung der Berechnungssätze im Einzelnen hat auch die Beklagte nicht vorzubringen vermocht. Sie hat
sich stets ausschließlich grundsätzlich gegen die verwendete Berechnungsgrundlage gewandt. Insbesondere
hat sie nicht substantiiert dargelegt, warum die von dem Landgericht zu Grunde gelegten Berechnungssätze
schon im Ansatz unzutreffend sein sollen. Sie hat zwar auf ihr eigenes Berechnungsmodell verwiesen
("Berechnung der Lizenzentschädigung einschließlich Strafzuschlag" vom 12.09.2008, Anlage K 4). Für die
rechtswidrige digitale Nutzung von 3 unterschiedlichen Sprachwerken von allgemeinem, überwiegend auch
zeitlosem Interesse über einen Zeitraum von teilweise 4 Jahren auf 9 selbständigen Portalen im Internet, die
sich an ganz unterschiedliche Zielgruppen wenden, mit der Möglichkeit einer dauerhaften Speicherung kann
indes auch nach Auffassung des Senats eine Vergütung von unter € 1.000.- noch nicht einmal annähernd als
angemessen bezeichnet werden. Die Beklagte hat sich nicht der Mühe unterzogen, die differenzierte
Berechnung des Landgerichts und deren Begründung bzw. die zu Grunde liegenden Sätze konkret anzugreifen.
Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, lediglich das „ob" der Anwendung dieser Empfehlungen, nicht jedoch
das „wie" zu beanstanden. Vor diesem Hintergrund hat auch der Senat keine Veranlassung, sich mit den
einzelnen Vergütungssätzen der DJU-Empfehlungen im Einzelnen näher auseinander zusetzen.
c. Die Frage, ob die DJU-Empfehlungen (Anlage K 5) in Fällen der vorliegenden Art als ausschließliche
konkrete Berechnungsgrundlage in unmittelbarer Anwendung einem bezifferten Schadensersatzanspruch zu
Grunde zu legen sind, bedarf im vorliegenden Rechtstreit keiner Entscheidung. Denn in dieser Weise sind die
DJU-Empfehlungen von dem Landgericht gerade nicht herangezogen worden.
d. Vielmehr hat das Landgericht ausdrücklich eine eigene gerichtliche Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO
vorgenommen. Die Vorschrift lautet im Wortlaut auszugsweise in Abs. 1:
„Ist zwischen den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder
ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht nach Würdigung aller
Umstände in freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts
wegen die Begutachtung durch Sachverständigen anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts
überlassen."
aa. Diese zentrale zivilprozessuale Vorschrift des Schadensersatzrechts stellt in den Mittelpunkt eine
"Würdigung aller Umstände in freier Überzeugung". Um diese Verpflichtung mit Leben erfüllen zu können,
bedarf es einer (oder mehrerer) Grundlagen, die Ausgangs- bzw. Anhaltspunkt für eine Schätzung sein können,
ohne dass sie für sich genommen bereits notwendigerweise das zu findende Ergebnis vorgeben. In
entsprechender Weise ist das Landgericht verfahren. Es hat bei seinen Ausführungen zur Schadenshöhe
gerade das ausdrücklich festgestellt, was die Beklagten - zu Unrecht - als nicht berücksichtigt beanstanden:
„Bei den von dem Kläger für die Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie zugrunde gelegten
DJU-Empfehlungen ist zu bedenken, dass es sich bei diesen Empfehlungen um einseitige
Vergütungsvorstellungen eines Interessenverbandes handelt, denen deshalb mit Zurückhaltung zu
begegnen ist."
Diesen Ausführungen des Landgerichts ist nicht nur zu entnehmen, dass sich die Kammer der möglichen
Einseitigkeit und Subjektivität der dort niedergelegten Vergütungssätze in vollem Umfang bewusst gewesen ist.
Aus diesen und den folgenden Ausführungen folgt weiterhin, dass die Kammer deshalb die DJU-Empfehlungen
- anders als der Kläger - gerade nicht ihren Berechnungen als festes Regelwerk zugrunde gelegt hat. Die
Kammer hat vielmehr diese lediglich als Ausgangspunkt für eine eigene Schätzung herangezogen und hierzu
ausgeführt:
„Daher sind die Empfehlungen grundsätzlich durchaus geeignet, Anhaltspunkte für eine gerichtlich
gebotene Schadensschätzung gemäß § 287 zu geben." (Unterstreichung durch den Senat).
bb. Soweit das Landgericht die DJU Empfehlungen als einen „gut brauchbaren Überblick" bezeichnet hat,
bezog sich dies ausdrücklich nicht in erster Linie auf die Höhe der einzelnen Honorarsätze, sondern die
grundsätzliche Quantifizierung unterschiedlicher Nutzungsarten und -intensitäten sowie deren Relation
zueinander. Für den Senat ist nicht ersichtlich - und wird auch von der Beklagte nicht substantiiert dargelegt -
aus welchen Gründen derartige Anhaltspunkte in einem Maße von einer nicht hinnehmbaren Einseitigkeit
geprägt sein könnten, dass es sich bereits deshalb verbietet, derartige Empfehlungen - ohne sie zwingend und
ausnahmslos direkt anzuwenden - zumindest als Ausgangspunkt für eine gerichtliche Schadensschätzung im
Rahmen der Würdigung aller maßgeblichen Umstände zu verwenden.
cc. Dabei mag es sein, dass die DJU eine Journalistengewerkschaft ist, in der nur hauptberuflich tätige
73
74
75
76
77
78
79
Journalisten Mitglied sein können (Anlage BK 1) und sie deshalb ausschließlich die Interessen der
Anbieterseite vertritt. Es mag auch sein, dass die Honorar- und Vergütungssätze nicht immer dem
entsprechen, was gerade bei kleineren Verlagen vereinbart wird. Es mag ebenfalls sein, dass die Honorarhöhe
auch von Berufserfahrung, Fachgebiet, Renommee und sonstigen Eigenschaften des jeweiligen Autors
entscheidend mit abhängt. Gegenteiliges hat auch weder der Kläger behauptet noch das Landgericht zu Grunde
gelegt. Vielmehr hat das Landgericht - hieran sei nochmals erinnert - die DJU-Empfehlungen ausschließlich als
Ausgangspunkt für eine eigene Schätzung herangezogen und in diesem Rahmen deutlich abweichende Beträge
zu Grunde gelegt, als der Kläger vorprozessual und prozessual auf Grundlage der DJU-Empfehlungen ermittelt
hatte.
dd. Der Kläger hatte bereits in der Klageschrift auf der Grundlage der DJU-Empfehlungen einen
Schadensersatzanspruch Höhe von € 169.038,90 errechnet, gleichwohl aber lediglich insgesamt € 19.000
beansprucht und hiervon mit der Klage € 18.005,16 geltend gemacht. Auch diese eklatante Abweichung zeigt,
dass der Kläger selbst die DJU-Empfehlungen gerade nicht als festes Regelwerk zur Anwendung gebracht hat,
sondern nur einen deutlich geringeren Betrag beansprucht. Dementsprechend mag der Beklagten ohne
Weiteres in ihrer Auffassung zu folgen sein, die Honorarsätze der DJU-Empfehlungen seien objektiv
möglicherweise (deutlich) überhöht. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Quantifizierung der einzelnen
Nutzungsarten und deren Relation zueinander auf der Grundlage dieser Empfehlungen eine taugliche Basis für
eine gerichtliche Schätzung sein kann. Hiervon ist das Landgericht zutreffend ausgegangen. Dies beurteilt der
Senat nicht anders.
ee. Die Auffassung der Beklagten, die Schätzung auf der Grundlage der DJU-Empfehlungen sei unzulässig,
weil sie mangels greifbarer tatsächlicher Anhaltspunkte „völlig in der Luft hänge", kann der Senat vor diesem
Hintergrund nicht nachvollziehen. Er vermag ihr auch nicht zu folgen. Eine Situation, in der die Zurückweisung
eines Beweisangebotes, welches die tatsächlichen Grundlagen für eine Schätzung liefert, das pflichtgemäße
Ermessen des Gerichts überschreitet, liegt hier nach Auffassung des Senats nicht vor. Vielmehr ist das
Gegenteil der Fall. Soweit die Beklagte beanstandet, die Kammer habe ihre Sachkunde gerade für die
Beurteilung einer hier - vermeintlich - vorliegenden besonderen Konstellation nicht dargelegt, teilt der Senat
dieser Auffassung ebenfalls nicht. Gegenstand der Entscheidung des Landgerichts war ersichtlich eine
Schätzung, die auf mindestens vier Elementen beruhte:
- der eigenen Sachkunde der Kammer aus vorherigen Rechtstreitigkeiten
- der Gewichtung einzelner Nutzungsarten auf der Grundlage bestimmter Honorarsätze nach den
DJU-Empfehlungen
- die zwischen den Parteien in der Vergangenheit konkret vereinbarten Vergütungen
- die Vergütungen, die der Kläger von dritter Seite gezahlt bekommen hat.
Damit lagen nicht nur tragfähige Anhaltspunkte, sondern auch ausreichende Kontrollkriterien vor, mit Hilfe derer
die Angemessenheit und Plausibilität der von dem Kläger beanspruchten Beträge beurteilt werden konnte. Vor
diesem Hintergrund vermag der Senat die Behauptung der Beklagten, die Schadensschätzung des
Landgerichts hänge mangels greifbarer tatsächlicher Anhaltspunkte "völlig in der Luft" noch nicht einmal im
Ansatz nachzuvollziehen.
ff. Angesichts dieser Ausgangssituation kommt es nicht darauf an, ob der Kläger hauptberuflich als
Wirtschaftsjournalist tätig oder dies nicht der Fall ist, wie dies die Beklagte darzulegen versucht. Denn es geht
- wie bereits mehrfach ausgeführt - nicht um eine unmittelbare Anwendung der DJU-Empfehlungen, deren
direkte Geltung nach Darstellung der Beklagten (Anlage BK 1) nur für hauptberufliche Journalisten gelten soll.
Herangezogen werden diese Empfehlungen lediglich als Schätzungsgrundlage.
gg. Auch die Einwände der Beklagten gegen den relevanten Zeitraum, für den die Empfehlungen der DJU
Gültigkeit beanspruchen, überzeugen nicht. Die als Anlage K 5 vorgelegten Honorarempfehlungen beziehen
sich auf das Jahr 2005. Dies kann schon deshalb nicht von vornherein als sachwidrig beanstandet werden, weil
sich der Zeitraum für die hier streitgegenständlichen Texte überwiegend bis zum Anfang des Jahres 2006
erstreckt hat und deshalb ohne Weiteres von dem Empfehlungszeitraum mit umfasst war. Im Übrigen ergibt
sich bereits aus dem Vorwort der Anlage K 5, dass die Honorarempfehlungen nicht jedes Jahr aktualisiert
werden, sondern zuvor zuletzt im Jahr 2002 herausgegeben worden sind. Angesichts der Tatsache, dass die
80
81
82
83
84
85
rechtsverletzende Nutzung überhaupt erst im 2. Halbjahr 2002 begonnen worden ist, stellt es sich auch deshalb
nicht als sachwidrig dar, einheitlich erst daran anschließend veröffentlichten Empfehlungen zugrunde zu legen.
Auch insoweit geht es nicht darum, dass die Empfehlungen - wie die Beklagte zu Unrecht behauptet - "nicht
umstandslos für die Berechnung von Lizenzgebühren herangezogen werden" können. Sie sind vielmehr
lediglich eine von mehreren Grundlagen der gerichtlichen Schätzung, der das Landgericht indes dann im
Ergebnis weitgehend gefolgt ist.
hh. Ebenfalls ohne entscheidendes Gewicht ist die Behauptung, die gerichtliche Berechnung verletzte
europäisches Kartellrecht, denn sie verstoße gegen Art. 81 des EG Vertrages. Die Behauptung der Beklagten,
das Landgericht habe in kartellrechtswidriger Weise einseitig Preise festgesetzt, die sich ein Verband von
Herstellern "ausgedacht" habe, wird der gerichtlichen Schadensberechnung schon im Ansatz nicht gerecht.
Das Landgericht hat vielmehr - wie bereits dargelegt - eine umfassende Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO
vorgenommen und nicht - wie die Beklagte meint - kraft „staatlichen Zwangs" - eine kartellrechtswidrige
Vereinbarung zur Anwendung gebracht. Anders als die Beklagte behauptet, hat das Landgericht nicht lediglich
die einseitigen Preisempfehlungen eines Verbandes festgesetzt und damit sein Schätzungsermessen
fehlerhaft ausgeübt. Es ist nochmals daran zu erinnern, dass das Landgericht unter anderem die dem Kläger
für rechtsverletzende Onlinenutzungen tatsächlich gezahlten Vergütungen (Anlage K 6) ausdrücklich in seine
Beurteilung einbezogen hat. Schon deshalb verfehlen die Beanstandungen der Beklagten die tatsächliche
Sach- und Rechtslage. Dies gilt ebenfalls für den von der Beklagten gerügten Verstoß gegen die
Koalitionsfreiheit. Davon, dass das Landgericht einseitige Empfehlungen unter Verstoß gegen die kollektive
positive Koalitionsfreiheit "auf dem Weg über vollstreckbare Urteile durchsetzt", kann keine Rede sein.
ii. Soweit die Beklagte beanstandet, der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er für den hier
streitgegenständlichen Zeitraum für Online-Nutzungen bestimmte Vergütungssätze (zwischen € 700.- und €
950.-) erzielt habe, bleibt dieser Sachvortrag ebenfalls ohne entscheidende Relevanz. Diese Beträge ergeben
sich aus den mit der Anlage K 6 vorgelegten Honorarrechnungen No. 56/08 und 50/08. Anhaltspunkte, dass die
Rechnungen in dieser Weise nicht erstellt bzw. bezahlt worden sind, hat die Beklagte weder dargetan noch ist
dies sonst wie ersichtlich. Im Übrigen können diese Rechnungen zumindest die außerhalb dieses Rechtsstreits
erhobenen Vergütungsforderungen des Klägers belegen.
e. Zu Unrecht beanstandet die Beklagte vor diesem Hintergrund deshalb auch, das Landgericht habe ihren
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen.
aa. Das Landgericht ist - ebenso wie der Senat - als Spezialspruchkörper für Urheberrechtsstreitigkeiten seit
Jahren mit der Entscheidung von Rechtstreitigkeiten der hier vorliegenden Art befasst. Die Zivilkammer 8 des
Landgerichts Hamburg hat - ebenso wie der Senat - bereits in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Fällen
auch über Schadensersatzansprüche (nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie) wegen der unrechtmäßigen
Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke zu entscheiden gehabt, und zwar in Bezug auf ganz
unterschiedliche Werkschaffende (Schriftsteller, Fotografen, Journalisten, Möbelhersteller, Karikaturisten usw.).
Dies ist dem Senat aus dienstlicher Befassung bekannt. Vor diesem Hintergrund hat sich das Landgericht zu
Recht eine eigene Sachkunde bei der Beurteilung der Schadenshöhe zutrauen dürfen. Dies gilt gleichermaßen
für den Senat als Berufungsgericht (vgl. Senat GRUR-RR 2008, 230 - Chefkoch; Senat, Urteil vom 02.05.2012,
5 U 144/09 - Haferschleim). Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte und bedarf es nicht.
Dementsprechend war auch die von der Beklagten beantragte Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
erster Instanz nicht veranlasst.
bb. Hierfür bestand vor allem deshalb keine Veranlassung, weil die Beklagte bereits mit ihrer Klageerwiderung
vom 21.01.2009 ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt zur Angemessenheit, insbesondere der DJU-
Empfehlungen, durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt hatte.
Dementsprechend enthielt der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 30.07.2009 keinen neuen Sachvortrag. Die
Beklagte kann dem Landgericht auch nicht entgegenhalten, es habe bereits eingeführten Sachvortrag bzw.
Beweismittel prozesswidrig übergangen, so dass aus diesem Grund eine Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung erforderlich gewesen sei. Darum geht es nicht. Vielmehr hatte das Landgericht die Beweisantritte
der Beklagten ersichtlich bereits in der mündlichen Verhandlung -und ebenfalls in der Urteilsentscheidung - für
unerheblich gehalten, weil es eine Schadensschätzung aufgrund eigener Sachkunde für möglich hielt. Ob ein
derartiges Vorgehen im Einzelfall prozessual vertretbar ist, kann gegebenenfalls in der Rechtsmittelinstanz
überprüft werden. Die bewusste, sachlich veranlasste Nichtberücksichtigung von - aus Sicht des Landgerichts
nicht notwendiger - Beweisantritte kann sich deshalb jedenfalls nicht als ein Verstoß gegen das rechtliche
Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG darstellen.
2. Die in zulässiger Weise - insbesondere fristgerecht - eingelegte Anschlussberufung des Klägers ist zu einem
85
86
87
88
89
90
91
92
Teil begründet. Neben den bereits in erster Instanz zugesprochenen Beträgen steht dem Kläger eine weitere
Entschädigung dafür zu, dass in zweien der Veröffentlichungen eine Namensnennung des Autors unterblieben
ist. Die weitergehende Anschlussberufung ist ebenfalls unbegründet.
a. Das Landgericht hat seiner Schadensberechnung nicht die volle Länge der Aufsätze, sondern nur deren
gekürzte Version zu Grunde gelegt. Dieser Ansatz ist zutreffend. Die Frage, ob sich durch die Kürzung das
Werk des Klägers verschlechtert, kann für die konkrete Schadensberechnung im vorliegenden Rechtstreit
keine Rolle spielen. Sofern man - was der Kläger selbst als angemessen erachtet - auf der Grundlage der DJU-
Empfehlungen ein Honorar an der Anzahl der konkret verwendeten Zeichen orientiert, kann es nur auf die
tatsächliche Länge der (gegebenenfalls auch gekürzten) Version des Textes ankommen. Eine abweichende
Ermittlung wäre bei dieser Berechnungsart ein nicht zu vertretender Systembruch. Zudem fehlt es auch im
zweitinstanzlichen Sachvortrag des Klägers insoweit bereits im Ansatz an nachvollziehbaren Kriterien.
Gleiches gilt für seine Behauptung, neben dem direkten Lizenzschaden sei ihm auch ein Ruf- bzw.
Marktverwirrungsschaden entstanden, der ebenfalls abzugelten sei. Einen pauschalen Zuschlag von 100 %,
den der Kläger insoweit beansprucht, hält auch der Senat weder für begründbar noch für angemessen.
b. Das Landgericht hat ebenfalls zu Recht einen 50% Abschlag dafür vorgenommen, dass die Veröffentlichung
der streitigen Artikel nicht lediglich auf einem, sondern auch auf weiteren Portalen des beklagten Verlages
vorgenommen worden ist. Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass die DJU-Empfehlungen
insoweit überzeugend ein allgemeines Strukturprinzip zugrunde legen, das auch auf digitale (Erst)Verwertungen
der vorliegenden Art zu übertragen ist.
c. Die von dem Kläger konkret vorgetragenen Vergleichslizenzen hat das Landgericht in seine Bewertung im
Sinne von Korrekturfaktoren mit einfließen lassen. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass diese Beträge
den auf der Grundlage der DJU-Empfehlungen gefundenen Werten nicht unvereinbar entgegenstehen, und zwar
weder erhöhend noch vermindernd. Auch diese Beurteilung des Landgerichts hält der Senat für überzeugend.
Denn es geht nicht um konkrete Einzelbeträge, sondern um ein Gesamtgefüge, dessen Besonderheiten
(gekürzte Texte, Vergütung bereits für eine Printnutzung erfolgt, Veröffentlichung auf mehreren Portalen
desselben Verlages, Nutzung in einer eher fachfremden Umgebung usw.) angemessen Rechnung zu tragen ist.
Es mag sein, dass der Kläger in der Lage gewesen ist, in Einzelfällen für singuläre Nutzungen höhere Beträge
am Markt auszuhandeln. Dies ist jedoch für die hier zu treffende Ermessensentscheidung nicht das
entscheidende Kriterium.
d. Ein Nichtvermögensschaden in Geld gemäß § 97 Abs. 2 UrhG steht dem Kläger nicht zu. Diese
Ausnahmevorschrift steht nach der Rechtsprechung des Senats unter ausgesprochen strengen
Voraussetzungen (Urteil vom 10.12.2008, 5 U 88/07 - Kanzlerfoto). Insbesondere muss die Billigkeit eine
derartige Entschädigung unabweisbar erfordern. Hierfür ist von dem Kläger nichts Ausreichendes vorgetragen
worden und auch sonst nichts ersichtlich.
e. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Kürzung der Texte durch die Beklagte zu schwerwiegenden
Eingriffen in das Urheberpersönlichkeitsrecht des Klägers geführt haben, die nicht anders ausgeglichen werden
können als durch eine Entschädigung eines Nichtvermögensschadens in Geld. Auch insoweit kann der Senat
auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug nehmen. Der Sachvortrag des Klägers - auch
derjenige in zweiter Instanz - entspricht nicht im Ansatz den insoweit zu stellenden Darlegungsanforderungen in
Bezug auf eine derartige Ausnahmesituation. Zu Recht weist im Übrigen die Beklagte darauf hin, dass der
Kläger selbst ihr im Rahmen der vorgerichtlichen Angebotsschreiben (Anlage BB 8) eine (leichte) Kürzung der
Texte und sogar eine Aufteilung auf verschiedene Ausgaben angeboten hatte. Dies zeigt, dass eine absolute
Wahrung der Integrität des Werks auch aus der maßgeblichen Sicht des Klägers gerade nicht geboten war.
f. Soweit der Kläger mit der Anschlussberufung schließlich beanstandet, das Landgericht habe für die
Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren einen unzutreffend niedrigen Streitwert zu Grunde gelegt, bleibt sein
Rechtsmittel ebenfalls ohne Erfolg. Der von dem Landgericht angenommene Streitwert ist auch nach
Auffassung des Senats unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit € 10.000.- pro Aufsatz
angemessen festgesetzt. Der von dem Kläger favorisierte Wert von € 25.000.- pro Aufsatz findet selbst bei
einem grob fahrlässigen Verhalten der Beklagten in dem Angriffspotenzial keine tragfähige Grundlage. Dabei ist
insbesondere auch zu bedenken, dass sich die Beklagte nicht schlicht unrechtmäßig der geistigen Leistung
des Klägers bedient, sondern diese zuvor auf vertraglicher Grundlage zur Verfügung gestellt erhalten, hiervon
jedoch in rechtswidriger Weise erweiternden Gebrauch gemacht hat.
g. Begründet ist die Anschlussberufung jedoch insoweit, als der Kläger beanstandet, das Landgericht habe
wegen der fehlenden Erwähnung seines Namens im Rahmen der rechtsverletzenden Nutzung keinen
93
94
95
96
97
98
99
Verletzerzuschlag wegen fehlender Urhebernennung gemäß § 13 UrhG angesetzt.
aa. Allerdings ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger ein derartiger Anspruch in
Bezug auf die rechtswidrige Nutzungen der Aufsätze „Sparmodell: Steueroptimierung mit der Familie" (Anlage
K 1) sowie „Mit ersparten Steuern finanzieren" (Anlage B 6.2) nicht zusteht. In diesen Aufsätzen ist der Kläger
namentlich ausdrücklich im Fließtext genannt und als Autor bezeichnet worden. Selbst wenn diese Benennung
- wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - den Anforderungen von § 13 UrhG nicht genügt, ergibt sich
zum anderen aber auch nicht, inwieweit dem Kläger insoweit durch das Unterbleiben einer weitergehenden
Bezeichnung als Urheber ein materieller Schaden entstanden sein könnte. Konkrete Anhaltspunkte dafür legt
auch der Kläger nicht dar. Dementsprechend hat es nach Auffassung des Senats insoweit bei der zutreffenden
Wertung des Landgerichts zu bleiben.
bb. Anders verhält es sich jedoch bei den Aufsätzen „Fahrzeugkosten optimal absetzen" (Anlage B 6.3) sowie
„EDV-Steuerliche Vorteile nutzen" (Anlage B 6.1). Bei diesen Aufsätzen fehlt jeder Hinweis auf den Kläger als
Urheber. Hierin liegt auch nach Auffassung des Landgerichts ein Verstoß gegen § 13 UrhG, der gemäß § 97
Abs. 1 UrhG zu einer Schadenersatzpflicht führt.
aaa. Soweit sich das Landgericht in formeller Hinsicht gehindert gesehen hat, einen derartigen Anspruch
zuzusprechen, teilt der Senat diese Bedenken nicht.
(1) Die Auffassung des Landgerichts, der Kläger habe erstmals mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom
19.06.2009 einen derartigen Anspruch geltend gemacht, trifft nicht zu. Vielmehr hatte der Kläger bereits in der
Klage sowie in seinem Schriftsatz vom 11.6.2009 "die Unterdrückung der Urheberschaft" als
"Urheberpersönlichkeitsrechtsverletzung" beanstandet und hieraus Zahlungsansprüche hergeleitet.
Insbesondere war dies jedoch mit Schriftsatz vom 18.06.2009 innerhalb der eingeräumten Schriftsatzfrist
geschehen. Mit weiterem Schriftsatz vom 19. 06.2009 sind diese Ansprüche sodann lediglich konkretisiert
worden.
(2) Selbst wenn man - wie das Landgericht - maßgeblich nur auf diesen letzten Schriftsatz abstellen wollte,
durfte das Landgericht diesen nicht unter Verweis auf § 296 a ZPO bei der Entscheidungsfindung
unberücksichtigt lassen. Denn das am 12.02.2010 verkündete Urteil war seinerseits nicht in formell
zutreffender Weise aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2009 ergangen. Das Landgericht hatte am
17.06.2009 mündlich verhandelt, das schriftliche Verfahren angeordnet und Termin zur Verkündung einer
Entscheidung auf den anberaumt. In der Folgezeit ist der Verkündungstermin zweimal verlegt worden, und zwar
zuletzt mit Beschluss vom 30.10. auf den 20.11.2009. An diesem Tag ist jedoch keine Entscheidung
verkündet worden. Vielmehr hatte das Landgericht die Parteien mit Verfügung des Vorsitzenden vom
13.01.2010 darauf hingewiesen, dass die Akte "hier außer Kontrolle geraten" war. Die Parteien sind um
Erteilung ihres Einverständnisses mit einer Verkündung am gebeten worden. Dieses Einverständnis haben
zwar beide Parteien erteilt und das weitere Vorgehen nicht gerügt. Das Landgericht hat daraufhin am
21.01.2010 einen Beschluss gefasst, mit dem dieser Verkündungstermin festgesetzt worden ist. Dieser
Beschluss basierte aber nicht mehr auf der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2009. Vor diesem Hintergrund
konnten auch die Voraussetzungen für die Zurückweisung verspäteten Vorbringens gemäß § 296 a ZPO nicht
vorliegen.
bbb. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die fehlende Benennung als Urheber im Regelfall
Schadensersatzansprüche auslöst. Insbesondere bei Fotografie, aber auch bei Schriftwerken berücksichtigt die
herrschende Meinung die rechtswidrig unterlassene Namensnennung im Rahmen der Berechnung des
materiellen Schadens durch eine Erhöhung des als Schadensersatz zu gewährenden Lizenzsatzes
(Schricker/Dietz/Peukert, Urheberrecht, 4. Auflage, § 13 Rn. 21 a). Insbesondere im journalistischen Bereich
ist die Nennung des Autors in Verbindung zu seinem Sprachwerk im Regelfall ohne Weiteres üblich und
verbreitet, soweit es sich nicht etwa um Agenturmeldungen o.ä. handelt. Eines weiteren Nachweises bedurfte
es insoweit nicht, zumal die Beklagte selbst in zwei Artikeln ausdrücklich den Kläger als Autor genannt hatte.
Die Höhe der wegen der unterbliebenen Urhebernennung zusätzlich zu zahlenden Lizenz wird in
Rechtsprechung und Literatur überwiegend mit 100 % angesetzt (Schricker/Dietz/Peukert, a.a.O.;
Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 13 Rdn. 35, jeweils mit weiteren Nachweisen). Dieser Auffassung schließt
sich der Senat für den vorliegenden Fall an.
ccc. Grundlage für die Berechnung eines Verletzerzuschlages kann dabei aus der Natur der Sache
ausschließlich der im Übrigen bereits zugesprochene Schadensersatzbetrag in seiner konkreten Berechnung
sein. Für den Artikel „Fahrzeugkosten optimal absetzen" ergibt sich nach der Berechnung des Landgerichts -
ausgehend von einem Grundhonorar von € 408,60 -ein Gesamtbetrag von € 2.043.-, für den Artikel "EDV-
100
101
Steuerliche Vorteile nutzen" - ausgehend von einem Grundhonorar von € 421,88 - ein Gesamtschadensbetrag
von € 2.109,40. Dementsprechend beträgt der von der Beklagten auf die Anschlussberufung für diese beiden
Artikeln weiterhin zu zahlende Verletzerzuschlag insgesamt € 4.152,40.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Rechtsstreit bietet dem Senat keine Veranlassung, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Der
Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender
Rechtsgrundsätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch
nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.