Urteil des OLG Hamburg vom 19.04.2013

OLG Hamburg: Dienstunfähigkeit setzt nicht die Feststellung eines objektiven medizinischen Krankheitsbilds voraus. Es genügt

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Dienstunfähigkeit setzt nicht die Feststellung eines objektiven medizinischen Krankheitsbilds voraus. Es
genügt, dass der Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution seine Dienstpflichten nicht ausüben kann.
Das Recht, sich auf eine bestehende Dienstfähigkeit zu berufen, kann der Beamte verwirken.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 1. Senat, Teilurteil vom 19.04.2013, 1 Bf 217/10
§ 47 BG HA, § 26 Abs 1 BeamtStG
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 2. Juli 2010 insoweit
aufgehoben, als der Senatsbeschluss vom 8. Februar 2005 über die Versetzung in den Ruhestand aufgehoben
wurde. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt als Beamter der Beklagten die Feststellung gesundheitlicher Beeinträchtigungen als Folgen
eines Dienstunfalls vom 18. November 2002; zugleich wendet er sich gegen seine Versetzung in den
Ruhestand mit Wirkung zum 31. Mai 2005 und erstrebt hilfsweise die Zahlung von Unfallruhegeld und
Unfallausgleich.
Der 1951 geborene Kläger war seit dem 1. Dezember 1990 als Studienrat auf Lebenszeit im Schuldienst der
Beklagten eingesetzt (Besoldungsgruppe A 13) und zunächst an der Berufsschule G 6 unter anderem im Fach
Sport tätig. Nach einem Bandscheibenvorfall stellte der Personalärztliche Dienst (PÄD) der Beklagten (Dr. S...,
Facharzt für Orthopädie) mit Gutachten vom 24. April 1996 fest, bei dem Kläger bestehe aufgrund eines
nachgewiesenen Bandscheibenleidens eine allgemeine Sportuntauglichkeit, er könne nicht mehr im
Sportunterricht eingesetzt werden. Am 30. August 1996 wurde der Kläger von der Berufsschule G 6 zur
Gesamtschule ... umgesetzt.
Im Jahr 1998 stellte der behandelnde Arzt des Klägers, Dr. B... (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie),
folgendes fest:
„Herr ... beobachtet seit 3 Jahren immer wieder auftretende Gefühlsstörungen und nimmt subjektiv
partielle Lähmungserscheinungen im Gesicht wahr, für die sich bisher kein organisches Korrelat finden
ließen. Er hat sich auch in der Vergangenheit immer wieder in ambulant-psychiatrische Behandlung
begeben.“ (…) „Es ist evident, dass der Patient unter erheblichen Arbeitsplatzschwierigkeiten leidet,
wobei eine psychotherapeutisch behandlungsbedürftige neurotische Lebensbeeinträchtigung einen
nicht unerheblichen Einfluss hat. Nachdem nunmehr auch noch ein quälendes Ohrgeräusch (Tinnitus)
aufgetreten ist, kommt es zu einem immer stärkeren Nachlassen der allgemeinen psychophysischen
Spannkraft.“
Der Kläger begab sich vom 28. April bis zum 9. Juni 1998 zur Behandlung in die ...-Klinik . Im
Entlassungsbericht vom 5. August 1998 an Dr. B heißt es unter anderem:
„Diagnosen: „psychovegetatives Syndrom, insbesondere Tinnitus (306.2/388,3), depressive
Entwicklung mit Ängsten bei narzisstisch akzentuierter Persönlichkeit (301.22).“
„Psychischer Befund: „Der Patient wirkt bewusstseinsklar, zu allen Qualitäten voll orientiert, im
Kontakt gibt er sich unangemessen locker und unbeschwert, zeigt keinen Leidensdruck, wenig
Problembewusstsein, drückt im Gegenteil aus, dass er mit sich im Grunde sehr zufrieden sei.“
„Therapie und Verlauf: Im therapeutischen Verlauf kristallisierte sich die narzisstische Problematik des
Patienten zunehmend deutlicher heraus. (…) Hinzu kamen in den letzten Jahren nun auch noch
Kränkungen und Abwertungen sowohl in der Ehe, als auch im beruflichen Bereich, auf die der Patient
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zunächst psychosomatisch reagierte, in der letzten Zeit aber auch zunehmend mit depressiven
Verstimmungen und Ängsten in Hinsicht auf die ihn demütigende Arbeitsplatzsituation, aber auch
prinzipiell in Hinsicht auf seine weitere Zukunft.“
Am 3. Juli 1998 (orthopädisch) und am 24. August 1998 (nervenärztlich) wurde der Kläger beim PÄD
untersucht. In der Stellungnahme von Dr. T... (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) vom 8. September
1998 heißt es u.a.: „Orthopädischerseits wird durch ein Rückenleiden die Dienstfähigkeit nicht in Frage
gestellt.“ (…) „Auf nervenärztlichem Stoffgebiet liegt eine psychische Erkrankung vor, die offenbar durch
Enttäuschungen und Kränkungen im Berufsleben ausgelöst oder auch reaktiviert worden ist.“ „Körperlicherseits
besteht bei dem Probanden ein vornehmlich linksseitiges Ohrgeräusch“. Der PÄD empfahl, den Kläger nicht
mehr vor größeren Klassenverbänden, sondern im Krankenhaus-Einzelunterricht oder im Lehrerprüfungsamt
einzusetzen. Die medizinischen Voraussetzungen für eine Versetzung des Klägers in den Ruhestand lagen
nach Einschätzung des PÄD nicht vor.
Daraufhin wurde der Kläger ab dem 30. November 1998 in die Präsidialabteilung der Behörde für Schule,
Jugend und Berufsbildung umgesetzt. Dort schied er auf eigenen Wunsch im Dezember 1999 aus und war
einige Monate lang ohne Dienstposten. Der Kläger strebte Anfang 2000 die Rückkehr in den Schuldienst an,
sah sich aber lediglich in der Lage, ab Klassenstufe 10 und mit einer Schülerzahl von höchstens 20 Schülern
pro Klasse zu unterrichten (vgl. Gutachten PÄD, Dr. T..., vom 1.2.2000). Zu einer Rückkehr in den Schuldienst
kam es in der Folge nicht.
Ab Mai 2000 war der Kläger im Lehrerprüfungsamt der Beklagten tätig. Dort hat er mit voller Stundenzahl und
ohne erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten (2000: keine Fehlzeiten; 2001: 9 Tage; 2002 bis 18.11.: 9 Tage)
gearbeitet.
Am 30. September 2002 erlitt der Kläger einen Auffahrunfall mit HWS-Schleudertrauma, der als Dienstunfall
anerkannt wurde. Der Kläger war aufgrund dessen 2 Tage dienstunfähig krank. Ausweislich des Berichts
seines Orthopäden Dr. H...vom 18. Oktober 2002 seien Dauerfolgen des Unfalls nicht anzunehmen.
Am 18. November 2002 wurde der Kläger auf dem vom Lehrerprüfungsamt genutzten Grundstück der
Beigeladenen (...Straße) von einer herabfallenden, teilgebremsten Parkplatzschranke auf den Kopf getroffen.
Er sackte zusammen und war ca. 1 bis 2 Minuten bewusstlos. Unmittelbar nach dem Unfall stellte sich der
Kläger Dr. F...-D... (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) und Dr. E…. (Unfallchirurg) vor; letzterer machte
eine Röntgenaufnahme des Kopfes des Klägers und überwies ihn zur Durchführung einer Computertomographie
an Dr. S... (Facharzt für Radiologische Diagnostik). Dr. S... berichtete am 25. November 2002 Dr. E….. über
die klinische Fragestellung „Zustand nach Commotio cerebri mit Schädelprellung – persistierende Cephalgien
und Nackenschmerzen“. Dort heißt es, das craniale CT ergebe einen altersentsprechend unauffälligen Befund,
insbesondere bestehe kein Hinweis auf ein chronisches subdurales Hämatom oder Contusionsherde. Bezüglich
der Halswirbelsäule gebe es computertomographisch keinen Nachweis einer frischen oder älteren knöchernen
Verletzung. Nebenbefundlich könnten geringgradige degenerative Veränderungen der mittleren und unteren
Halswirbelsäule sowie eine Rotationsfehlstellung von HWK 2 gegenüber HWK 1 um 5 Grad nach rechts
festgestellt werden.
In der Folgezeit gab der Kläger im Rahmen der Behandlung bei Dr. F...-D... an, er leide unter häufigen
Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Verstärkung eines Tinnitus, unsystematischen
Schwindelanfällen, Stauchung der Halswirbelsäule, vorübergehender Einschränkung des Gehvermögens mit
Einengung des Gesichtsfeldes und 2-monatiger Unfähigkeit, Auto zu fahren. Dr. F...-D diagnostizierte im
Unfallbericht vom 4. Februar 2003 „stumpfes Schädeltrauma, HWS-Schleudertrauma, HWS-Stauchung,
funktionelle Blockierung von HWK 2, vertebragenes Reflexsyndrom cervikal mit Tinnitus u. Schwindel.
Gesichtsfeldeinengung.“ Wegen „verstärkten Angstzuständen und somatoformer Überlagerung von Tinnitus und
Schwindel“ empfahl Dr. F...-D... die Durchführung eines psychosomatischen Heilverfahrens, um einer
Chronifizierung der Beschwerden vorzubeugen.
Der PÄD (Dr. T...) empfahl mit Gutachten vom 9. April 2003, als unmittelbare Dienstunfallfolgen nur
„Schädelprellung mit Gehirnerschütterung sowie eine HWS-Distorsion“ anzuerkennen, nicht aber sonstige
Beschwerden wie etwa Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, eine Einschränkung des sprachlichen
Ausdrucksvermögens, ein Taubheitsgefühl in den Fingerkuppen, eine Verstärkung eines bereits
vorbestehenden rechtsseitigen Tinnitus sowie Geschmacksstörungen und Libidoverlust. Diese
Krankheitserscheinungen beruhten nicht auf dem Dienstunfallgeschehen, sondern seien bereits vor dem
Dienstunfall vorhanden gewesen.
Mit Bescheid der Behörde für Bildung und Sport vom 16. April 2003 erkannte die Beklagte das Ereignis vom
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18. November 2002 als Dienstunfall mit den Folgen „Schädelprellung mit Gehirnerschütterung, HWS-Distorsion“
an. Der Kläger legte Widerspruch ein, soweit Spannungskopfschmerzen, Drehschwindel, mangelnde
Konzentrationsfähigkeit, Beeinträchtigung des Ausdrucksvermögens, Sehstörungen und Depressionen nicht
als Dienstunfallfolgen anerkannt worden waren.
Vom 30. April bis zum 11. Juni 2003 war der Kläger zur Behandlung in der ...-Klinik in Bad Gandersheim. Im
Arztbericht der Klinik an Dr. F...-D... heißt es:
„9. Epikrise: Im Vordergrund der stationären Behandlung stand eine reaktive Depression sowie ein
komplexes psychosomatisches Beschwerdebild mit kognitiven Leistungseinbußen, episodischen
Spannungskopfschmerzen, unspezifischen Rückenschmerzen und einer Verstärkung des
vorbestehenden chronischen komplexen Tinnitus, was infolge einer Fehlverarbeitung in unmittelbarem
Zusammenhang mit einem Schädel-Hirn-Trauma am 18.11.02 auftrat.“ „Durch die vorhandenen und
dargestellten Krankheitsfolgen ist die Leistungsfähigkeit im Bezugsberuf (…) aus unserer Sicht derzeit
qualitativ noch eingeschränkt. Arbeitsunfähigkeit 4 Wochen. Im Anschluss (…) empfehlen wir eine
Belastungserprobung durch die Wiederaufnahme der bisherigen Arbeitstätigkeit.“
Der Kläger war seit dem Dienstunfall bis zum 19. Oktober 2003 krankgeschrieben. Danach nahm er seine
Diensttätigkeit zunächst in quantitativ uneingeschränktem Umfang wieder auf und hat bis zum 15. Dezember
2003 gearbeitet, danach befand er sich im Erholungsurlaub.
Am 16. Dezember 2003 stellte sich der Kläger bei Dr. V….. (Facharztpraxis für Diagnostische Radiologie
München) vor, der eine Instabilität des Kopfgelenkverbandes diagnostizierte und das Unfallgeschehen vom 18.
November 2002 als mögliche Ursache hierfür ansah.
Anlässlich einer Untersuchung beim PÄD (Dr. T...) am 5. Januar 2004 gab der Kläger an, er leide im Abstand
von 2 – 3 Tagen an Drehschwindelattacken mit Sehstörungen sowie Spannungskopfschmerzen. Weiter leide er
unter einer Störung des Kurzzeitgedächtnisses, Schlaflosigkeit und Libidoverlust. Es komme zu Wortbildungs-
und Raumorientierungsstörungen. Das Taubheitsgefühl in den Händen sei mittlerweile verschwunden. Nach
seiner Dienstfähigkeit gefragt gab der Kläger an, eine Frühpensionierung könne er sich derzeit nicht leisten.
Anders sehe es aus, wenn er aufgrund der Dienstunfallfolgen in den Ruhestand versetzt würde. Auf Grund der
Cephalgien, der Sehstörung und der Drehschwindelattacken fühle er sich an manchen Tagen nicht dienstfähig,
ansonsten gelinge es ihm jedoch, seine dienstlichen Aufgaben zu erfüllen. Der PÄD stellte daraufhin mit
Gutachten vom 6. Januar 2004 fest, dass der Kläger dienstfähig sei.
Der Kläger reichte eine Bescheinigung von Dr. F...-D... vom 21. Januar 2004 ein, wonach er aufgrund seiner
Beschwerden nicht imstande sei, mehr als 10 Wochenstunden zu arbeiten. Eine vorzeitige Erwerbs- und
Dienstunfähigkeit sei denkbar. Daraufhin wurde er ab dem 1. Februar 2004 in das Landesinstitut Abteilung
„Qualitätsentwicklung und Standardsicherung, Lehrerprüfungsamt“ umgesetzt und seine Arbeitszeit auf 10
Stunden pro Woche reduziert. Gegenüber seiner Dienststelle erklärte der Kläger auf einem Formular zu
Nebentätigkeiten unter dem 1. April 2004, seit dem Schrankenunfall vom 18. November 2002 sei eine
Nebentätigkeit nicht mehr möglich.
Der PÄD (Dr. T…..) führte am 27. April 2004 eine erneute Untersuchung des Klägers durch. Der Kläger legte
eine Liste seiner Beschwerden vor (u.a. Drehschwindel, Gleichgewichtsstörungen, depressive Verstimmungen,
Angstprobleme, Konzentrationsprobleme, Spannungskopfschmerzen, Hals- und Rückenschmerzen,
Sehstörungen, Orientierungsprobleme, Datenverarbeitungsprobleme, mangelhafte
Kurzzeitgedächtnisspeicherung und unzureichendes Erinnerungsvermögen, Wortfindungsstörungen,
Satzbildungsstörungen, Kombinationsprobleme, eingeschränkte persönliche Kreativität, erhebliche Verstärkung
der Tinnitus-Problematik, Schlaflosigkeit) und gab an, trotz der gewährten Diensterleichterung habe sich sein
Gesundheitszustand bisher nicht gebessert. Aufgrund seines angegriffenen Gesundheitszustands sehe er auf
absehbare Zeit keine Möglichkeit, seine Wochenstundenzahl aufzustocken. Er spiele mit dem Gedanken, in
diesem oder im nächsten Jahr aus dem Dienst auszuscheiden. Grundvoraussetzung sei jedoch, dass ihm das
erhöhte Unfallruhegehalt zugesprochen werde. Daraufhin stellte Dr. T….. in seinem Gutachten vom 30. April
2004 fest, es sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger in absehbarer Zeit in der Lage sein werde, einer
geregelten und kontinuierlichen Diensttätigkeit nachzugehen. Die Voraussetzungen für eine Versetzung in den
Ruhestand lägen vor, eine Umsetzung nach § 47 Abs. 3 HmbBG sei nicht geeignet, die Versetzung in den
Ruhestand zu verhindern. Die Empfehlung der Zurruhesetzung erfolge jedoch nicht aufgrund der aus dem
Dienstunfall vom 18. November 2002 resultierenden Folgen.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, ihn wegen seines
Gesundheitszustands in den Ruhestand zu versetzen. Mit Schreiben vom 20. Juni 2004 erhob der Kläger
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Einwendungen. Er trug vor, er wolle ein begonnenes Projekt umsetzen und zum Erfolg führen. Auch sei die
Versorgungsfrage nicht geklärt, insbesondere nicht abzusehen, dass ihm ein erhöhtes Unfallruhegehalt gezahlt
werde. Seine Zustimmung zur Versetzung in den Ruhestand hänge maßgeblich von diesem Sachverhalt ab.
Die bisherige Beschäftigungsquote von 25 % solle in eine individuelle, hochflexible Beschäftigung unter
Einrichtung eines häuslichen Tele-Arbeitsplatzes umgestaltet werden. Am 21. Juli 2004 reichte der Kläger eine
Stellungnahme seines Arztes Dr. F...-D... ein, in der es heißt: „Die uneingeschränkte Erwerbsunfähigkeit von
Herrn... ist unmittelbar nach dem Unfall am 18.11.2002 eingetreten. Aus neurologischer Sicht ist von einer
dauerhaften Erwerbsunfähigkeit bei Herrn ... auszugehen. Herr ...kann keine Erwerbsfähigkeit in einer gewissen
Regelmäßigkeit mehr ausführen, von kleinen unbedeutenden Nebentätigkeiten einmal abgesehen.“
Der PÄD ging der Frage einer durch den Dienstunfall verursachten Kopfgelenksverletzung nach und holte ein
Gutachten von Prof. Dr. v. T... (Facharzt für Orthopäde) vom 5. August 2004 ein, in dem es u.a. heißt:
„Beurteilung der Röntgenaufnahmen vom 26.7.2004 aus der Röntgenpraxis Hamburg-P.. Obere und
mittlere HWS in ap-Sicht: In der Neutralhaltung des Kopfes deutliche Abweichung des dens axis aus
der Mittelposition nach rechts mit Annäherung des Dens an die rechte Massa lateralis bis auf einen
Abstand von 4 mm. Zur linken Massa lateralis beträgt dieser Abstand 7 mm. Funktionsaufnahme der
oberen HWS in ap-Sicht mit Seitwärtsneigung des Kopfes nach links: Dabei nähert sich der dens axis
der rechten Massa lateralis bis auf 2,5 mm Abstand, während sich der Abstand zur linken Massa
lateralis auf 8 mm vergrößert. Beurteilung: Die Funktionsaufnahmen ergeben eindeutig eine
Fehlfunktion des linken Ligamentum alare. Läsion des Ligamentum alare links. Theoretisch ist Zerrung,
Teilruptur oder komplette Ruptur in Betracht zu ziehen. Unter Berücksichtigung der sehr deutlichen
Lateraldislokation des Dens ist zumindest von Teilruptur auszugehen. Das Ligamentum transversum
ist nicht völlig unbeteiligt. Der geringfügig vergrößerte Abstand zum vorderen Atlasbogen, d.h. die
vermehrte atlanto-dentale Distanz, deutet eine leichte Überdehnung dieser Bandstruktur an. Die
einseitige Ligamentum-alare-Insuffizienz ruft eine atlanto-axiale Instabilität hervor. Das führt zu
zentralnervösen, insbesondere neurovegetativen Regulationsstörungen wie z.B. Schwindel,
Kopfschmerzen, temporärer Sehverschlechterung u.a.
Auch der PÄD selbst (Dr. S...) fertigte ein orthopädisches Gutachten vom 16. August 2004 und schloss sich
der Auffassung von Prof. Dr. von T... an. Dort wird ausgeführt:
„... muss damit jetzt ein struktureller Schaden als Unfallfolge angenommen werden, der als Dauerfolge
eine atlantoaxiale Instabilität (Instabilität zwischen dem ersten und zweiten Halswirbelkörper)
begründet. In unmittelbarer Nähe zu diesen Wirbeln und teilweise durch diese fixiert verläuft eine
Arterie (Arteria vertebralis) mit einem umgebenden Nervengeflecht. Durch die Instabilität kann dieses
irritiert werden, was zu vegetativen Störungen führen kann. Die von dem Verletzten angegebenen
Beschwerden wie Mattigkeit, Benommenheit, Kopfschmerzen, Sehstörungen,
Konzentrationsschwächen oder Übelkeit bei starkem Vorbeugendes Kopfes sind damit erklärbar. Die
rein mechanischen Auswirkungen der Instabilität sind gering und für weitere strukturelle Schäden der
HWS gibt es keinen Anhalt. So kann bereits aufgrund der verletzten Strukturen nicht davon
ausgegangen werden, dass unfallbedingte Bewegungseinschränkungen der HWS vorliegen. (…) Die
vegetativen Beschwerden, die aufgrund der nachgewiesenen strukturellen Veränderungen als
Unfallfolge anzuerkennen sind, können orthopädischerseits quantitativ nicht eingeschätzt werden.
Diese Bewertung einschließlich einer Abschätzung möglicher psychosomatischer „Vorschäden“ bleibt,
ebenso wie die Beurteilung möglicher Auswirkungen der vegetativen Beschwerden auf die
Dienstfähigkeit, einer (erneuten) nervenärztlichen Begutachtung vorbehalten.“
Daraufhin erkannte die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16. April 2003 mit Bescheid vom 24.
August 2004 als Dienstunfallfolgen an:
„Schädelprellung mit Gehirnerschütterung und Stauchung der Halswirbelsäule mit Läsion des
Ligamentum alare links und Überdehnung des Ligamentum transversum“.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 2. September 2004 Widerspruch und beantragte,
als Dauerfolgen des Unfalls zusätzlich festzustellen:
„chronische atlanto-axiale Instabilität des Kopfgelenkverbandes zwischen dem 1. und 2.
Halswirbelkörper (C1, C2) und den damit verbundenen stark ausgeprägten chronischen, multiplen
vegetativen Störungen und Unfallfolgen, wie Antriebslosigkeit, Benommenheit, Drehschwindel,
Störungen der Kalkulie, stechende Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit bei Nickbewegungen,
Konzentrationsschwäche, Störung der Potenz, allgemeiner Leistungsverlust, Verstärkung des Tinnitus,
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Reduzierung der Kreativität, Einschränkung des präzisen Denkens, Wortfindungsstörungen,
Orientierungsprobleme, erhebliche Kurzzeitgedächtnisstörungen sowie Störungen des Geschmacks-
und Geruchssinnes“.
Die Beklagte versetzte den Kläger mit Senatsbeschluss im Verfügungswege vom 8. Februar 2005 mit Ablauf
des 31. Mai 2005 in den Ruhestand, wobei sie sich auf die Beurteilung Dr. T... vom 30. April 2004 stützte. Die
sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Mit Widerspruchsschreiben vom 15. Februar 2005 führte der Kläger
aus, die Erhebung des Widerspruchs erfolge zunächst nur fristwahrend. Ob das Widerspruchsverfahren
fortgeführt werde, solle abschließend entschieden werden, sobald die Festsetzung der Ruhestandsbezüge
erfolgt sei.
Der PÄD (Dr. T...) holte ein weiteres Gutachten vom 10.2.2005 ein bei Dr. I... (Chefarzt für Neurologie und
Psychiatrie), in dem es u.a. heißt:
„Die aktuell noch beklagten Beschwerden sind nicht auf ein objektivierbares Korrelat zu beziehen. Es
ergeben sich weder im Hirnstamm (Drehschwindel, Gleichgewichtsstörungen), Occitalhirn
(Sehstörungen), Temporalhirn links (Wortfindungsstörungen, Satzbildungsstörungen) noch im
zervikalen Myelon (Hals- und Rückenschmerzen) oder anderen Hirnabschnitten Hinweise auf
Parenchymschäden. Klinisch stellt sich der neurologische Untersuchungsbefund unauffällig dar.
Insbesondere ergaben sich keinerlei Hinweise auf eine Hirnstamm-, Halsmark- oder zervikale
Wurzelschädigung zu beziehende Beeinträchtigung. Für die von Herrn ... beklagte Symptomatik findet
sich von neurologischer Seite im Rahmen der Diagnostik kein organisches Korrelat. Somit ergibt sich
von neurologischer Seite kein Hinweis auf dauerhafte Unfallfolgen oder erwerbsmindernde Folgen auf
neurologischem Gebiet. Darüber hinausgehende mögliche Unfallfolgen auf orthopädischem Gebiet sind
strittig und müssen ggf. über eigene orthopädische Begutachtungen geklärt werden. Zudem erscheint
eine eigene psychiatrische Begutachtung bei – wie oben dargelegt – unzureichendem organischen
Korrelat für die beklagte Symptomatik und diskrepanten psychiatrischen Vorbeurteilungen erforderlich.“
Am 17. Februar 2005 übersandte der Kläger dem Personalamt eine Stellungnahme seines Arztes Dr. F...-D...,
in der es u.a. heißt: „Die uneingeschränkte Erwerbsunfähigkeit von Herrn ... ist unmittelbar nach dem Unfall am
18.11.2002 eingetreten. Aus neurologischer Sicht ist von einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit bei Herrn ...
auszugehen. Herr …. kann keine Erwerbstätigkeit in einer gewissen Regelmäßigkeit mehr ausführen, von
kleinen unbedeutenden Nebentätigkeiten einmal abgesehen.“
Am 28. Februar 2005 erhob der Kläger vor dem Landgericht Saarbrücken Klage auf Zahlung einer
Zusatzunfallversicherung wegen andauernder Erwerbsunfähigkeit gegen seine Unfallversicherung, die Cosmos
Lebensversicherung (12 O 66/05; im Berufungsverfahren Saarländisches Oberlandesgericht, 5 U 227/08-26).
In einem am 10. März 2005 beim Personalamt eingegangenen Schreiben des Klägers teilt dieser u.a. mit,
seine uneingeschränkte Erwerbs- und Dienstunfähigkeit sei seit dem Unfalltag vom Neurologen Dr. F...-D...
testiert.
Die Beklagte setzte die Ruhestandsbezüge mit Bescheid vom 20. Mai 2005 fest. Dagegen legte der Kläger am
27. Mai 2005 Widerspruch ein, soweit nicht zu seinen Gunsten Unfallruhegeld festgesetzt worden war.
Schließlich erhob er gegen den den Unfallausgleich versagenden Bescheid vom 15. Juni 2005 am 20. Juni
2005 ebenfalls Widerspruch.
Am 29. Juli 2005 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Hamburg Untätigkeitsklage erhoben. Er hat
vorgetragen, bei dem Dienstunfall vom 18. November 2002 sei eine Verletzung des Kopfgelenkverbandes
eingetreten. Der Abriss des linken Ligamentum alare führe zu einer Instabilität des Kopfgelenkverbandes. Die
von ihm geltend gemachten Beeinträchtigungen seien unfallbedingt. Es bestehe keine Veranlassung, die
psychosomatischen Beschwerden als „Fehlverarbeitung des Traumas“ zu deuten. Hier werde der Versuch
unternommen, eine nicht wahrnehmbare depressive Störung, die vier Jahre vor dem Unfall aufgetreten sei, für
eine angebliche psychische Fehlverarbeitung heranzuziehen, die seine Beschwerden ursächlich begründen
solle. Tatsächlich sei eine Depression bzw. psychische Störung nicht gegeben. Als Anlage zur Klageschrift
reichte der Kläger eine fachärztlich-neuropsychiatrische Stellungnahme Dr. F...-D... vom 29. August 2005 ein.
Dort heißt es:
„Durch die spontan und anfallartig auftretenden Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen,
Sehstörungen, Nackenschmerzen, Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, kognitiven Ausfälle,
Konzentrationsprobleme und dem eingeschränkten Kurzzeitgedächtnis sind sitzende, organisierende
Tätigkeiten über einen Zeitraum von mehr als zwei Stunden auszuschließen. Herr ... kann, wenn
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überhaupt, nicht mehr als zwei Stunden am Tag Arbeiten verrichten. Er kann häufig krankheitsbedingt
keine Termine zeitgenau und zuverlässig einhalten. Da sich der Krankheitsverlauf nicht gebessert hat,
kann auch weiterhin von der vollen Erwerbsunfähigkeit bei Herrn ... ausgegangen werden.“
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verpflichten, über die mit ihrem Bescheid vom 24. August 2004 getroffenen
Feststellungen der Dienstunfallfolgen hinaus als weitere Folgen des Dienstunfalls des Klägers vom 18.
November 2002 festzustellen:
chronische atlanto-axiale Instabilität des Kopfgelenkverbandes zwischen dem 1. und 2.
Halswirbelkörper (C1, C2) und den damit verbundenen stark ausgeprägten chronischen, multiplen
vegetativen Störungen und Unfallfolgen, wie Antriebslosigkeit, Benommenheit, Drehschwindel,
Störungen der Kalkulie, stechende Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit bei Nickbewegungen,
Konzentrationsschwäche, Störung der Potenz, allgemeiner Leistungsverlust, Verstärkung des
Tinnitus, Reduzierung der Kreativität, Einschränkung des präzisen Denkens,
Wortfindungsstörungen, Orientierungsprobleme, erhebliche Kurzzeitgedächtnisstörungen sowie
Störungen des Geschmacks- und Geruchssinnes.
2. den Senatsbeschluss im Verfügungswege vom 8. Februar 2005 betreffend die Versetzung des
Klägers in den Ruhestand aufzuheben,
hilfsweise (zu 2.)
a. die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung ihres Bescheides über die Festsetzung der
Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz vom 20. Mai 2005 ab dem 1. Juni 2005
Unfallruhegehalt gem. § 36 BeamtVG zu gewähren,
b. die Beklagte zu verpflichten, an ihn mit Wirkung ab dem 18. Mai 2003 einen Unfallausgleich
gem. § 35 BeamtVG zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat mit Schriftsatz vom 14. September 2005 zunächst vorgetragen, der Erlass eines
Widerspruchsbescheides sei aus Kostengründen und zur Verfahrensbeschleunigung nicht beabsichtigt. Die
vielfältigen vegetativen Beschwerden des Klägers seien nicht durch den Dienstunfall vom 18. November 2002
verursacht worden. Nach Feststellung der dienstunfallbedingten orthopädischen Verletzungen im Bereich des
Kopfgelenkverbandes seien mit Bescheid vom 24. August 2004 als weitere Dienstunfallfolgen die Läsion des
Ligamentum alare links und die Überdehnung des Ligamentum transversum festgestellt worden. Dass dies eine
atlantoaxiale Instabilität zur Folge habe, bedürfe keiner ausdrücklichen Erwähnung im Anerkennungsbescheid.
Hinsichtlich der vegetativen Störungen hätten sowohl der neurologische Gutachter des PÄD als auch der von
dort eingeschaltete Neurologe Dr. I... festgestellt, dass sich für die vom Kläger beklagte Symptomatik von
neurologischer Seite kein organisches Korrelat finden lasse. Von neurologischer Seite ergebe sich kein Hinweis
auf dauerhafte Unfallfolgen oder erwerbsmindernde Folgen. Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand sei
rechtmäßig. Der Kläger sei dienstunfähig. Nach dem Dienstunfall sei der Kläger zunächst etwa ein Jahr lang
durchgehend krank gewesen, ab Anfang 2004 sei seine Arbeitszeit auf 10 Stunden pro Woche reduziert
worden. Trotz der gewährten Diensterleichterung habe sich der Gesundheitszustand des Klägers nicht
gebessert. Ab Januar 2005 sei der Kläger wieder vollen Umfangs arbeitsunfähig gewesen. Auch sein
behandelnder Arzt, Dr. F...-D..., gehe von einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit des Klägers aus. Der Kläger
habe weder im Zwangspensionierungsverfahren erhebliche Einwendungen erhoben noch im Klageverfahren
vorgetragen, dass er dienstfähig sei; er gehe selbst davon aus, dass er dienstunfähig sei. Die Gewährung von
Unfallruhegehalt und Unfallausgleich komme nicht in Betracht, da die orthopädischen Verletzungen für sich
genommen keine wesentliche Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. die Dienstunfähigkeit des Klägers
begründeten und die geltend gemachten vegetativen Störungen aus neurologischer Sicht als nicht
dienstunfallabhängig bewertet worden seien.
Nachdem der Kläger am 3. November 2005 Schadensersatzklage gegen die Beigeladene wegen Dienst- und
Erwerbsunfähigkeit vor dem Landgericht Hamburg erhoben hatte (320 O 19/07), wurde dort ein
unfallanalytisches, biomechanisches Gutachten eingeholt (deMotu GmbH vom 14. Oktober 2007, 22. April
2008 und vom 2. Dezember 2008), das zu dem Ergebnis kam, der Dienstunfall vom 18. November 2002 sei
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zwar geeignet gewesen, eine Schädelprellung und eine Gehirnerschütterung, nicht jedoch die Ruptur des
linksseitigen Ligamentum alare herbeizuführen; unter der Annahme einer leichten Kopfbeugung im Augenblick
des Unfalls sei die Entstehung der Dehnung des Ligamentum transversum durch den Aufschlag der Schranke
möglich. Die Kausalität des Unfalls für die Entstehung der vegetativen Störungen des Klägers könne nicht
nachgewiesen werden.
Daraufhin hat die Beklagte in Zweifel gezogen, ob die im Jahr 2004 vorgenommene erweiterte Anerkennung
von orthopädischen Dienstunfallverletzungen korrekt gewesen sei und mitgeteilt, sie erwäge insoweit, den
Bescheid vom 24. August 2004 abzuändern. Zu einer Änderung des Bescheides ist es bis heute nicht
gekommen.
Die Beigeladene hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf die Schriftsätze und das Vorbringen der Beklagten sowie auf
verschiedene weitere ärztliche Stellungnahmen bezogen.
Auf Antrag des Klägers vom 4. November 2006 wurde er mit Bescheid vom 9. Oktober 2007 rückwirkend ab
dem 18. November 2002 als Schwerbehinderter wegen verschiedener gesundheitlicher Beeinträchtigungen
(psychische Minderbelastbarkeit, zentrale vegetative Störungen, Hirnleistungsstörung, Minderbelastbarkeit der
Wirbelsäule) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt.
Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines neuropsychologischen Gutachtens, eines
radiologischen Gutachtens sowie eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens. Die Gutachter sollten dabei
eine atlanto-axiale Instabilität des Kopfgelenkverbandes zwischen dem 1. und 2. Halswirbelkörper als gegeben
zugrunde legen, nicht aber einen Abriss des linken Ligamentum alare und das Vorliegen der weiteren vom
Kläger beantragten Beeinträchtigungen.
Der Neuropsychologe G... untersuchte in seinem Gutachten vom 10. Mai 2010 das Vorliegen folgender
Beeinträchtigungen: Störungen der Kalkulie, Konzentrationsschwäche, allgemeiner Leistungsverlust,
Reduzierung der Kreativität, Einschränkung des präzisen Denkens, Wortfindungsstörungen,
Orientierungsprobleme sowie erhebliche Kurzzeitgedächtnisstörungen. In einigen Bereichen (Tempo der
Informationsverarbeitung, Aufmerksamkeit, Reaktionsschnelligkeit) stellte er teilweise erheblich
unterdurchschnittliche Ergebnisse fest, nahm aufgrund eines auffälligen Symptomvalidierungstests jedoch eine
mangelnde Motivation des Klägers an, für die er psychisch keine Ursache etwa im Sinne einer Depression
ausmachen konnte. Insgesamt kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass sich beim Kläger
neuropsychologische Gesundheitsstörungen nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen ließen. Die
vorliegenden Erkenntnisse sprächen eher gegen die Authentizität der Beschwerdeschilderung; eine bewusste
Manipulation des Klägers wurde jedoch ausgeschlossen.
Der Sachverständige Dr. S... (Facharzt für Radiologie) untersuchte in seinem Gutachten vom 11. Mai 2010, ob
beim Kläger posttraumatische Hirnsubstanzverletzungen nachzuweisen seien. Er hat hierfür eine
Magnetresonanztomographie des Neukraniums erstellen lassen und die Frage verneint. Auch die
angiographische Darstellung der intracerebralen Arterien und der Halsgefäße weise keine relevanten
Einengungen auf, es gebe keinen Hinweis auf Verschlüsse.
Der Sachverständige Dr. G... (Facharzt für Neurologie) gelangte nach Untersuchung des Klägers und unter
Einbeziehung der o.g. beiden Gutachten in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 14. Mai 2010
zu dem Ergebnis, dass die Gehirnerschütterung des Klägers mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zur
Auslösung einer Migräne einschließlich der damit verbundenen Symptome - stechende Kopfschmerzen,
vorübergehende Sehstörungen, Schwindel - geführt habe. Die Migräne sei bisher nicht adäquat behandelt
worden und könne in absehbarer Zeit und in wesentlichem Umfang gelindert werden; eine gravierende
Leistungsbeeinträchtigung des Klägers resultiere daraus nicht. Anderweitige gesundheitliche
Beeinträchtigungen lägen dagegen nicht vor bzw. seien nicht hinreichend zu begründen. Die neurologischen
Untersuchungen hätten überwiegend nicht zu einem auffälligen Befund geführt, zudem seien sowohl in der
klinischen Untersuchung als auch in den Funktionsuntersuchungen demonstrative Verhaltensweisen des
Klägers nicht zu übersehen gewesen. Eine psychische Störung insbesondere vom Ausmaß einer depressiven
Störung sei nicht festzustellen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 2. Juli 2010, in der die
Sachverständigen Dr. G... und G... ergänzend befragt wurden, teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte
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verpflichtet, über die mit ihrem Bescheid vom 24. August 2004 getroffenen Feststellungen der
Dienstunfallfolgen hinaus auch „Migräne“ als weitere Folge des Dienstunfalls des Klägers vom 18. November
2002 festzustellen. Den Senatsbeschluss im Verfügungswege vom 8. Februar 2005 betreffend die Versetzung
des Klägers in den Ruhestand hat das Verwaltungsgericht aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
Klage hinsichtlich des Antrages zu 1. sei zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet. Der Bescheid der
Beklagten vom 24. August 2004 verletze den Kläger nur insoweit in seinen Rechten, als die Beklagte es
abgelehnt habe, als Folge des Dienstunfalls „Migräne“, vom Kläger als „stechende Kopfschmerzen“ bezeichnet,
festzustellen. Die weiter begehrte Feststellung einer atlanto-axialen Instabilität des Kopfgelenkverbandes
zwischen dem 1. und 2. Halswirbelkörper (C1, C2) könne der Kläger nicht verlangen, weil ein etwaiger
Anspruch jedenfalls durch Erfüllung erloschen sei. Hinsichtlich aller weiter geltend gemachten Beschwerden
habe die Beklagte dem Kläger zu Recht eine Anerkennung als Dienstunfallfolge versagt. Hinsichtlich des
Antrages zu 2., mit welchem der Kläger die Aufhebung der Versetzung in den Ruhestand begehre, sei die
Klage zulässig und begründet. Zwar habe nach dem Widerspruch des Klägers über diesen Antrag erst nach
Festsetzung der Ruhestandsbezüge entschieden werden sollen. Dies führe aber nicht zur Unzulässigkeit des
Antrags zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Wie die Erhebung der Untätigkeitsklage mit dem Antrag zu 2. zeige,
habe der Kläger sich später anders entschieden. Dieser Sinneswandel könne nicht dazu führen, dem Kläger
unter Verweis auf ein widersprüchliches Verhalten das Rechtsschutzinteresse oder das Vorliegen der
besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 75 VwGO abzusprechen. Die Klage sei insoweit auch
begründet. Der Kläger sei im Zeitpunkt des Erlasses des Senatsbeschlusses im Verfügungswege vom 8.
Februar 2005 ebenso wenig wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt dienstunfähig im Sinne des bei Erlass des
Senatsbeschlusses geltenden § 47 HmbBG a.F. bzw. § 41 HmbBG n.F. i.V.m. § 26 BeamtStG. Die Beklagte
könne ihre gegenteilige Auffassung nicht mit Erfolg auf das personalärztliche Gutachten von Dr. T….. vom 30.
April 2004 stützen. Formal bestätige Dr. T….. dort zwar die Dienstunfähigkeit des Klägers. Dieses Gutachten
setze sich jedoch nicht mit dem vorangegangenen Gutachten des Verfassers vom 6. Januar 2004 auseinander.
Dies wäre aber geboten gewesen. Das Gutachten vom 30. April 2004 gehe davon aus, die geltend gemachten
Symptome bestünden „unverändert“ fort. Weshalb bei dieser gleichbleibenden gesundheitlichen Lage die zuvor
attestierte Dienstfähigkeit nunmehr verneint werden könne, sei für die Kammer nicht hinreichend
nachvollziehbar. Auch aus den durch das Gericht eingeholten Gutachten ergebe sich eine Dienstunfähigkeit
des Klägers nicht. Dies sei vom Sachverständigen Dr. G... klarstellend so auch zu Protokoll erklärt worden.
Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 24. März 2011 die Berufung zugelassen,
soweit das Verwaltungsgericht den Senatsbeschluss im Verfügungswege vom 8. Februar 2005 betreffend die
Versetzung des Klägers in den Ruhestand aufgehoben hat; dieser Beschluss wurde der Beklagten am 30. März
2011 zugestellt.
Zur Begründung der Berufung führt die Beklagte am 8. April 2011 aus, das Verwaltungsgericht habe den
Senatsbeschluss im Verfügungswege vom 8. Februar 2005 betreffend die Versetzung des Klägers in den
Ruhestand zu Unrecht aufgehoben. Der Klagantrag sei bereits unzulässig. Es fehle an der Klagebefugnis nach
§ 42 Abs. 2 VwGO. Nach dem Wortlaut der Vorschrift müsse der Kläger geltend machen, durch den
Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies erfordere, dass der Kläger Tatsachen vortrage, die es
denkbar erscheinen ließen, dass er in einer eigenen rechtlichen Position beeinträchtigt sei. Der Kläger habe
weder im Zwangspensionierungsverfahren erhebliche Einwendungen erhoben noch im Klagverfahren
vorgetragen, dass er dienstfähig sei. Vielmehr habe der Kläger im Widerspruchs- und Klagverfahren sowie in
dem Klagverfahren gegen seine private Unfallversicherung stets vorgetragen, er sei dienst- bzw.
erwerbsunfähig. Dem Kläger gehe es ausschließlich um die Wahrung seiner wirtschaftlichen Interessen. Der
Klagantrag sei auch unbegründet. Das Verwaltungsgericht habe das Gutachten des Personalärztlichen
Dienstes vom 30. April 2004, auf das die Versetzung des Klägers in den Ruhestand gestützt werde, nicht
ausreichend gewürdigt, insbesondere habe es nicht die Entwicklung in den Monaten Januar bis April 2004 und
die vom Kläger eingereichte fachärztliche Bescheinigung von Dr. F...-D... vom 21. Januar 2004 berücksichtigt.
Die Erklärungen des Zeugen Dr. G... in der mündlichen Verhandlungen stünden dem nicht entgegen. Die Frage
der Dienstfähigkeit des Klägers sei nicht Gegenstand der Beweiserhebung gewesen. Aufgrund der
Amtsbezogenheit der Frage, ob ein Beamter zur Erfüllung seiner Dienstpflichten in der Lage sei, müsse die
Entscheidung der Behörde vorbehalten bleiben und sei einem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich. Auch
habe das Verwaltungsgericht Dr. T….. nicht zu seinem Gutachten vom 30. April 2004 angehört.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 2. Juli 2010 aufzuheben, soweit darin die Versetzung
des Klägers in den Ruhestand aufgehoben ist, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Außerdem legt er Hilfsanschlussberufung ein und begehrt insoweit die Feststellung weiterer Folgen des
Dienstunfalls, die Gewährung von Unfallruhegehalt sowie die Zahlung eines Unfallausgleichs (die
Hilfsanschlussberufung ist nicht Gegenstand dieses Teilurteils). Hinsichtlich der Zulässigkeit seines
Klagantrags gegen die Versetzung in den Ruhestand trägt der Kläger vor: Auch er habe Zweifel, ob er zum
Zeitpunkt seiner Versetzung in den krankheitsbedingten Ruhestand dienstfähig gewesen sei. Er habe insoweit
allerdings ernsthaft keine Möglichkeit gesehen, gegen die tatsächliche Feststellung seiner Dienstunfähigkeit
mit Aussicht auf Erfolg vorzugehen. Das vom Verwaltungsgericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen
Dr. G... sei das einzige bislang erstellte Gutachten, welches zu dem Ergebnis komme, er sei dienstfähig. Für
die Klagebefugnis reiche aber die Möglichkeit der vom Kläger behaupteten Rechtsverletzung; nicht erforderlich
sei die schlüssige Darlegung einer solchen Rechtsverletzung. In seinem Zivilverfahren vor dem Saarländischen
Oberlandesgericht gegen die Cosmos Lebensversicherung liege ein fachorthopädisches Gutachten von Prof.
Dr. F... (siehe dazu unten) vor, das von seiner, des Klägers, Dienstunfähigkeit ausgehe, aber klarstelle, dass
die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet eindeutig auf den Unfall vom 18. November 2002
zurückzuführen seien. In seinem Zivilverfahren vor dem Landgericht Hamburg gegen die Beigeladene liege ein
neurootologisches Gutachten von Dr. S... (siehe dazu unten) vor, welches bestätige, dass bei ihm, dem
Kläger, eine messbare, schwere zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung vorliege und dass es ein adäquates
Unfallergebnis gegeben habe, welches diese Schädigungen im zentralen Gleichgewichts- und
Blickfolgebewegungssystem hervorgerufen habe. Die vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten seien im
Ergebnis nicht tragfähig. Die Gutachter hätten es unterlassen, die Zeiträume vor und nach dem Unfall
miteinander zu vergleichen. Vor dem Unfall sei er gesund gewesen, seitdem sei er schwerbehindert. Daher
könne zwar einerseits das Urteil des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben, es stehe jedoch andererseits
fest, dass die durch den Unfall hervorgerufenen körperlichen Beeinträchtigungen deutlich gravierender seien als
vom Verwaltungsgericht angenommen. Da weitere, insbesondere auf psychischem Gebiet liegende
Vorschädigungen als Ursache der Dienstunfähigkeit ausschieden, seien die im Wege der
Hilfsanschlussberufung verfolgten Anträge begründet. Das Vorhandensein der dargelegten Beschwerden und
die Frage, ob es sich insoweit um Unfallfolgen handele, seien einer neuerlichen (gutachterlichen) Überprüfung
zuzuführen.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Beklagten an und legt Hilfsanschlussberufung hinsichtlich der
Feststellung „Migräne“ als Unfallfolge ein (letztere ist ebenfalls nicht Gegenstand des Teilurteils).
Das Saarländische Oberlandesgericht hat im Berufungsverfahren 5 U 227/08-26 über die Frage, ob durch den
Unfall vom 18. November 2002 beim Kläger innerhalb eines Jahres Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, Beweis
erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens, eines neurologischen Gutachtens, eines
testpsychologischen Fachgutachtens und eines fachpsychiatrischen Gutachtens.
Der Sachverständige Prof. Dr. F... (Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie) stellte in seinem Gutachten
vom 30. September 2009 nach Untersuchung der Halswirbelsäule des Klägers sowie Auswertung von
Röntgenbildern eine Beeinträchtigung der Bewegungs- und Belastungsfähigkeit der oberen Halswirbelsäule fest.
Es liege eine Ruptur des linken Ligamentum alare und damit verbunden eine Instabilität zwischen dem
Hinterhaupt, dem ersten und dem zweiten Halswirbelkörper vor. Die Erkrankungen auf orthopädischem
Fachgebiet, nämlich Schmerzen an der Wirbelsäule und im Nacken, seien auf die Ruptur des linken
Ligamentum alare und die Instabilität in der oberen Kopf-Hals-Region zurückzuführen.
Der Sachverständige Dr. H… (Chefarzt für Neurologie und Psychiatrie) stellte in seinem Gutachten vom 23.
September 2010 nach Beschallung und Untersuchung der Arteria vertebralis bzw. basilaris einen regelrechten
Verlauf fest. Es gebe keinen Hinweis für eine makroangiopathische Veränderung an den genannten Gefäßen.
Die fortdauernde Beschwerdesymptomatik könne aus neurologischer Sicht nicht erklärt werden. Das
Restleistungsvermögen des Klägers sei aus neurologischer Sicht nicht aufgehoben.
Die Sachverständige ...l (Diplompsychologin) stellte in ihrem testpsychologischen Fachgutachten vom 17.
Oktober 2010 fest, wegen der äußerst wechselhaften Leistungsmotivation des Klägers könne seine
tatsächliche Leistungsfähigkeit nicht exakt beurteilt werden. Insgesamt werde die kognitive Leistungsfähigkeit
als krankheitswertig eingeschränkt beurteilt. Auch ein leichter Intelligenz-Abbau sei möglich. Weitere
Einschränkungen fänden sich in der kognitiven Flexibilität, im Leistungstempo und der
Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, in der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit, in der
Fähigkeit zum Aufnehmen, Einprägen und Wiedergeben komplexer Informationen und im assoziativen
Gedächtnis. Die Untersuchungsergebnisse wiesen auf eine eingeschränkte Belastbarkeit des Klägers hin.
Seine Stressverarbeitung erscheine pathologisch verändert. Seine beobachtbaren
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Stressbewältigungsstrategien bestünden oft aus inadäquatem, ungeordneten Verhalten und würden im
beruflichen Kontext als ungeeignet eingeschätzt. Die Glaubwürdigkeit der Persönlichkeitstestergebnisse werde
wegen der Dissimulationsneigung des Klägers als fraglich eingestuft. Davon seien nicht alle untersuchten
Persönlichkeitsmerkmale in gleichem Ausmaß betroffen. Welche Merkmale in welchem Ausmaß betroffen
seien, könne nicht genau quantifiziert werden. Der Kläger wirke in seinem Erscheinungsbild und Auftreten
insgesamt eigenartig und skurril. Klinisch auffällig seien eine Neigung zu unstrukturierten, planlos-verzettelt
erscheinenden Aktionen, umständliches und zähes Haften an Inhalten und eine hypoman gesteigerte
Stimmung mit erhöhtem Rededrang und eingeschränkter psychosozialer Kontaktfähigkeit. Die
Untersuchungsergebnisse seien mit der Annahme einer störungswertigen Zuspitzung und Akzentuierung der
prämorbid unauffällig beschriebenen Persönlichkeitseigenschaften vereinbar. Das Vorliegen einer psychischen
Erkrankung mit affektiver Symptomatik sei möglich. Es gebe keine Hinweise auf eine unipolare Depression
oder Angsterkrankung. Die Stimmung des Probanden werde insgesamt vielmehr als gesteigert, d.h. als zum
maniformen Pol hin verschoben beurteilt.
Die Sachverständige Dr. B... (Chefärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik) hat unter
Auswertung der Gutachten von Prof. Dr. H… und Frau R... mit fachpsychiatrischem Gutachten vom 6. Januar
2011 ausgeführt, in der psychiatrischen und psychologischen Untersuchungssituation finde sich gleichermaßen
ein vollständig orientierter Proband mit erhöhtem Antrieb und erhöhtem Redefluss, gleichzeitig jedoch Defiziten
der Auffassung und Konzentration. Diese Defizite seien allerdings nicht so gestaltet, dass sich Hinweise auf
ein dementielles Bild oder auf eine andere organische Störung ergeben würden, die dem Kapitel F0 des ICD 10
zuzuordnen wäre und als Unfallfolgen zu bezeichnen wären. Insbesondere sei ein organisches Psychosyndrom
nach Schädel-Hirn-Trauma (ICD 10: F07.2) oder eine organische Persönlichkeitsstörung nicht zu eruieren.
Auffällig sei ein außerordentlich rascher Wechsel der Verhaltensweisen und der Belastbarkeit vor dem
Hintergrund einer Persönlichkeit, die offensichtlich seit geraumer Zeit zu somatischen Symptomen neige. Die
besonders akzentuierten Persönlichkeitsmerkmale und hierdurch bedingten Einschränkungen im Rahmen der
primären Persönlichkeit wiesen auf eine Einschränkung der beruflichen Belastbarkeit hin, so dass eine
Belastung von 5 bis 6 Stunden pro Tag aus fachpsychiatrischer Sicht nicht überschritten werden sollte.
In der mündlichen Verhandlung vor dem saarländischen Oberlandesgericht sind die Sachverständigen Dr. H…,
Dr. B..., Prof. Dr. F….. sowie Dr. S... (s.u.) ergänzend befragt worden. Dr. H… gab an, er habe
Beeinträchtigungen des Gleichgewichtssinns beim Kläger nicht feststellen können. Die von ihm erhobenen
Befunde erlaubten die Beurteilung, dass der Kläger bei Überkopfarbeiten und bei Arbeiten in großen Höhen oder
auf Leitern eingeschränkt sei. Im Übrigen halte er dafür, dass der Kläger wenigstens 6 Stunden täglich
leistungsfähig sei. Dr. B... hat ausgeführt, die vor dem Unfall im Rahmen der Untersuchung der ...-Klinik
festgestellten psychischen Belastungen seien nicht abgrenzbar von jenen, die sich nach dem Unfall vom 18.
November 2002 ereignet hätten. In beiden Fällen handele es sich um die Schilderung psychosomatischer
Beschwerden, denen kein struktureller Befund zugrunde liege. Einschränkungen des Klägers in seinem Antrieb
ergäben sich aus Auffälligkeiten seiner Persönlichkeit; dies führe zu der Annahme, dass seine berufliche
Belastbarkeit ihre Grenze in 5 bis 6 Stunden täglich finde. Prof. Dr. F... hat vorgetragen, vor dem Hintergrund
der Belastungen des Klägers halte er - abgesehen von der Unzumutbarkeit von Überkopfarbeiten oder Arbeiten
auf Leitern - eine Belastung durch einen „Bürojob“ im Umfang von sechs Stunden für ohne Weiteres denkbar.
Mit Urteil vom 23. Mai 2012 hat das Saarländische Oberlandesgericht die Klage des Klägers abgewiesen. Der
Kläger habe nicht belegen können, dass innerhalb eines Jahres bei ihm eine unfallbedingte Erwerbsunfähigkeit
eingetreten sei.
Das Landgericht Hamburg hat neben dem biomechanischen Gutachten der deMotu GmbH (s.o.) auch ein
neurootologisches Gutachten von Dr. S... vom 27. Mai 2010 eingeholt, wonach beim Kläger eine messbare
schwere zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung vorliegt. Dr. S... hält die Schwindelbeschwerden des Klägers
für glaubhaft und nimmt hinsichtlich der Gleichgewichtsstörung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 %
an; zur Frage der atlanto-axialen Instabilität im oberen Kopfgelenk und fortlaufenden unphysiologischen
Stellungsänderungen von Atlas und Axis könne aus neurootologisch-hno-ärztlicher Sicht nicht Stellung
genommen werden.
In der Befragung vor dem Landgericht Hamburg vom 27. April 2012 gab der Sachverständige Dr. S... an, er
entnehme der von ihm durchgeführten Anamnese, dass der Kläger teilweise über stundenlange
Schwindelbeschwerden klage; insgesamt bewerte er diese Angaben dahingehend, dass Dienstfähigkeit nicht
mehr gegeben sei. In der mündlichen Verhandlung vom 18. und 22. Januar 2013 sind die Sachverständigen Dr.
S..., G... und Dr. G... ergänzend vernommen worden. Herr G... führte aus, er habe nie die Auffassung
vertreten, dass der Kläger simuliert habe, sondern lediglich ein Motivationsdefizit festgestellt. Dr. G... gab an,
eine Aggravation des Klägers könne er nicht ausschließen, eine Simulation liege aber nicht vor.
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Am 9. April 2013 verkündete das Landgericht ein Grund- und Teilurteil, mit dem die Schadensersatzklage des
Klägers gegen die Beigeladene im Wesentlichen abgewiesen wurde. Es sei nicht davon auszugehen, dass
beim Kläger eine unfallbedingte Dienst- bzw. Erwerbsunfähigkeit vorliege.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger die Kopie einer Internetseite über Klassifikationen
von Halswirbelsäulenverletzungen vorgelegt, auf der der höchste Schweregrad (QTF 4: HWS-Dislokation) sowie
weitere Symptome (Hörstörungen, Tinnitus, Schwindel, Kopfschmerz, schmerzhafte Schluckstörungen,
Gedächtnisbeeinträchtigungen, Schmerzen in den Kau- und Kiefergelenken) durch Markierungen
hervorgehoben sind. Er hat dazu vorgetragen, er sei seit dem Unfall schwerbehindert. Der Unfall habe zu einer
Kopfgelenksverletzung geführt; das Ligamentum alare sei gerissen. Dies sei ein Dauerschaden, der lebenslang
anhalte. Er sei seitdem und auch heute noch dienstunfähig. Die von ihm geschilderten Symptome lägen vor.
Die Symptome für Migräne stünden nicht in Übereinstimmung mit seinen Beschwerden; eine psychische
Beeinträchtigung liege nicht vor und habe auch nicht vorgelegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten des Saarländischen
Oberlandesgerichts (5 U 227/08-26), den Sonderband mit Kopien aus der Akte des Landgerichts Hamburg (320
O 19/07), den Sonderband mit Kopien aus der Akte des Versorgungsamtes (Az. KO 8 23-1-4105470) sowie die
Sachakten der Beklagten und des Personalärztlichen Dienstes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Senat darf durch Teilurteil (§ 110 VwGO) entscheiden, weil es sich bei der Berufung der Beklagten, die
allein die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit betrifft, um einen selbständigen,
entscheidungsreifen Teil des Streitgegenstands handelt. Die Entscheidung über die Versetzung des Klägers in
den Ruhestand ist nicht davon abhängig, wie über die vom Kläger und der Beigeladenen erhobenen
Hilfsanschlussberufungen betreffend die Anerkennung von Dienstunfallfolgen sowie Zahlung von
Unfallruhegehalt und Unfallausgleich, die weiterer Aufklärung bedürfen, zu urteilen ist.
II.
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage des Klägers gegen seine Versetzung in den Ruhestand bleibt
erfolglos. Das Urteil des Verwaltungsgerichts hat insoweit keinen Bestand.
Es kann dahinstehen, ob die Klage bereits mangels Klagebefugnis unzulässig ist, weil der Kläger bisher nicht
nur keine Tatsachen vorgetragen hat, die es denkbar erscheinen lassen, dass seine Versetzung in den
Ruhestand rechtswidrig sein könnte, sondern im Gegenteil sowohl im verwaltungsrechtlichen als auch in den
parallelen zivilrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht Hamburg (320 O 19/07) bzw. dem Landgericht
Saarbrücken (12 O 66/05) und dem Saarländischen Oberlandesgericht (5 U 227/08-26) durchgehend
vorgetragen und unter Beweis gestellt hat, dass er vollkommen erwerbsunfähig sei (vgl. BVerwG, Beschl. v.
29.1.2010, 5 B 21/09, juris). Ebenso kann dahinstehen, ob es aus diesem Grund schon an einem
Rechtsschutzbedürfnis für die Klage fehlt.
Jedenfalls hat die Klage in der Sache keinen Erfolg. Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen
Dienstunfähigkeit mit Wirkung zum 31. Mai 2005 durch Senatsbeschluss im Verfügungswege vom 8. Februar
2005 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 VwGO) unabhängig davon, ob für die rechtliche Überprüfung ein Zeitpunkt
im Jahr 2005 maßgeblich ist oder es auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt (1.).
Außerdem hat der Kläger seine Rechte verwirkt (2.).
1. Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit mit Wirkung zum 31. Mai 2005 durch
Senatsbeschluss im Verfügungswege vom 8. Februar 2005 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Es kann dahinstehen, ob der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Versetzung in den Ruhestand der Zeitpunkt
zugrunde zu legen ist, zu dem die Zurruhesetzung wirksam geworden ist, also der 31. Mai 2005 (in diesem
Sinne BVerwG, Beschl. v. 3.6.2009, 2 B 91/08, juris) oder ob es maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses
der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt (BVerwG, Urt. v. 16.10.1997, BVerwGE 105, 267; Urt. v.
26.3.2009, BVerwGE 133, 297; Beschl. v. 14.4.2011, 2 B 80/10, juris; vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v.
10.7.2012, 1 Bf 176/11.Z; OVG Münster, Beschl. v. 17.4.2013, IÖD 2013, 110). Ebenso bedarf keiner
Entscheidung, ob im vorliegenden Fall als letzte Verwaltungsentscheidung der Senatsbeschluss im
Verfügungswege vom 8. Februar 2005 oder die Klagerwiderung vom 14. September 2005, in der die Beklagte
mitgeteilt hatte, dass kein Widerspruchsbescheid ergehen werde, anzusehen oder ob wegen des Fehlens eines
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Widerspruchsbescheides auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist.
Denn in jedem Fall lagen und liegen die Voraussetzungen für eine Versetzung des Klägers in den Ruhestand
nach den maßgeblichen gesetzlichen Regelungen vor (vgl. zur Rechtslage im Jahre 2005: §§ 47 ff.
Hamburgisches Beamtengesetz vom 29.11.1977, HmbGVBl. 1977 S. 367 mit späteren Änderungen, HmbBG
a.F.; heute: §§ 26 ff. BeamtStG i.V.m. §§ 41 ff. Hamburgisches Beamtengesetz vom 15.12.2009, HmbGVBl.
2009 S. 405, HmbBG). Danach ist ein Beamter auf Lebenszeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in
den Ruhestand zu versetzen, wenn er dienstunfähig ist, es sei denn, es soll von der Zurruhesetzung
abgesehen werden, weil noch eine anderweitige Verwendung des Beamten im aktiven Dienst möglich ist. Der
Kläger war und ist dienstunfähig und nicht (begrenzt) dienstfähig (a.); eine anderweitige Verwendung des
Klägers kam und kommt nicht in Betracht (b.).
a. Der Kläger war im Jahr 2005 und ist auch heute dienstunfähig.
Dienstunfähigkeit liegt vor, wenn der Beamte wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen
Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist (§ 47 Abs. 1 Satz 1 HmbBG a.F.; § 26 Abs. 1
Satz 1 BeamtStG). Der Beamte kann auch als dienstunfähig angesehen werden, wenn er infolge Erkrankung
innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine
Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird (§ 47 Abs. 1 Satz 2
HmbBG a.F.; § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 41 Abs. 2 HmbBG). Letzteres stellt eine die Grundregel
ergänzende Zusatzregelung dar, mit deren Hilfe die Feststellung der Dienstunfähigkeit im Einzelfall erleichtert
werden kann. Eine dauernde Dienstunfähigkeit im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 HmbBG a.F. bzw. § 26 Abs. 1
Satz 1 BeamtStG liegt vor, wenn sie sich in absehbarer Zeit nicht beheben lässt; im Hinblick auf die o.g.
Regelung in § 47 Abs. 1 Satz 2 HmbBG a.F. bzw. § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 41 Abs. 2 HmbBG
muss hier ebenfalls die Prognose getroffen werden, dass der Beamte für einen Zeitraum von mindestens 6
weiteren Monaten dienstunfähig erkrankt bzw. prognostisch dienstunfähig ist.
Es kommt nicht allein und ausschlaggebend auf Art und Ausmaß der einzelnen körperlichen Gebrechen, den
objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an, sondern darauf, ob der
Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist
(BVerwG, Urt. v. 16.10.1997, BVerwGE 105, 267). Das Vorliegen einer Erkrankung im eigentlichen Sinn ist
nicht erforderlich (OVG Hamburg, Urt. v. 20.6.1988, DÖD 1989, 211). Ebenso können ein Mangel an
Willenskraft, Selbstbeherrschung oder Beeinträchtigungen durch eine Gemütsverfassung oder sonstige
seelische Zustände das Leistungsvermögen in einem Maß mindern oder beeinträchtigen, dass
Dienstunfähigkeit zu bejahen ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 4.11.1997, Bf I 74/97). Dienstunfähigkeit liegt vor,
wenn der Beamte seine Dienstpflichten nur mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen
kann; ansonsten ist begrenzte Dienstfähigkeit gegeben, die eine Versetzung in den Ruhestand nicht rechtfertigt
(vgl. § 47a HmbBG a.F., § 27 BeamtStG). Die Verantwortung zur Feststellung der Dienstunfähigkeit hat die
Behörde, nicht der Amtsarzt. Sie muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen inhaltlich
nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden (BVerwG, Beschl. v. 6.3.2012, IÖD 2012,
122). Für die Beurteilung kommt es darauf an, ob die zuständige Behörde nach den ihr zur Verfügung
stehenden Erkenntnissen annehmen darf, dass der Betroffene dauernd dienstunfähig ist (BVerwG, Urt. v.
16.10.1997, BVerwGE 105, 267). Dies bedeutet nicht, dass der Behörde etwa ein gerichtsfreier
Beurteilungsspielraum zukäme. Einen solchen Spielraum räumt ihr das Gesetz nicht ein. So unterliegt nicht nur
der vollen gerichtlichen Kontrolle, ob der Sachverhalt hinreichend sorgfältig ermittelt wurde, sondern im
Rahmen der tatrichterlichen Würdigung auch die Frage, ob der ermittelte Sachverhalt die Feststellung der
dauernden Dienstunfähigkeit rechtfertigt. Das schließt etwaige Feststellungen oder Schlussfolgerungen in
ärztlichen Gutachten grundsätzlich mit ein. Auch diese sind vom Gericht - in den Grenzen der erforderlichen
Sachkenntnis - nicht ungeprüft zu übernehmen, sondern selbstverantwortlich zu überprüfen und
nachzuvollziehen (BVerwG, Urt. v. 21.10.1966, VI C 46.63, Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 8; OVG Hamburg,
Beschl. v. 11.3.2012, 1 Bs 22/10; OVG Münster, Urt. v. 29.10.2009, 1 A 3598/07, juris).
Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-
funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf
denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann. Daher setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei
der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des
Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist (BVerwG, Urt. v. 26.3.2009, BVerwGE 133, 297).
Nach diesen Maßstäben lag beim Kläger im Jahre 2005 und liegt auch heute dauernde Dienstunfähigkeit vor.
Er war und ist auf unabsehbare Zeit nicht in der Lage, die Dienstpflichten aus seinem Amt als Studienrat zu
erfüllen:
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Der Kläger konnte aufgrund eines Tinnitusleidens bereits seit 1998 nicht mehr als Lehrer im Schuldienst
verwendet werden, sondern war in der Präsidialabteilung der Behörde bzw. im Lehrerprüfungsamt tätig. Nach
dem Dienstunfall vom 18. November 2002 war er fast ein Jahr lang, bis zum 19. Oktober 2003, dienstunfähig
krank geschrieben. Ein Versuch der Wiederaufnahme des Dienstes auf der Basis von 40 Wochenstunden - der
Kläger hatte nur von Mitte Oktober bis Mitte Dezember 2003 Dienst verrichtet und war anschließend im
Erholungsurlaub - war im Januar 2004 gescheitert; ab Februar 2004 war der Kläger lediglich mit 10
Wochenstunden tätig.
Der PÄD hat mit Gutachten vom 30. April 2004 die Dienstunfähigkeit des Klägers festgestellt mit der
Begründung, es sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger in absehbarer Zeit in der Lage sein werde, einer
geregelten und kontinuierlichen Diensttätigkeit nachzugehen. Ein Widerspruch zum vorherigen Gutachten des
PÄD vom 6. Januar 2004, in dem noch die Dienstfähigkeit des Klägers festgestellt worden war, besteht, anders
als es das Verwaltungsgericht angenommen hat, nicht. Denn Dr. T... stützt seine Einschätzung der
Dienstunfähigkeit des Klägers im Gutachten vom 30. April 2004 maßgeblich auf dessen Angabe, trotz der
gewährten Diensterleichterung habe sich sein Gesundheitszustand nicht gebessert und er sehe auf absehbare
Zeit keine Möglichkeit, seine Wochenstundenzahl aufzustocken. Er leide unter mannigfalten Beschwerden und
denke daran, sich in diesem oder im nächsten Jahr in den vorzeitigen Ruhestand versetzen zu lassen. Bei der
Begutachtung des Klägers vom 6. Januar 2004 war dagegen der Arbeitsversuch des Klägers auf der Basis von
40 Wochenstunden noch nicht gescheitert und hatte dieser ggü. Dr. T... noch angegeben, dass es ihm trotz
seiner Beschwerden gelinge, seine dienstlichen Aufgaben zu erfüllen. Auch lag zu jenem Zeitpunkt noch nicht
die Stellungnahme von Dr. F...-D... vom 21. Januar 2004 vor, wonach der Kläger mit seinen derzeitigen
Beschwerden nicht im Stande sei, mehr als 10 Wochenstunden zu arbeiten.
Die Einschätzung des PÄD vom 30. April 2004 über die fehlende Dienstfähigkeit des Klägers hat sich in der
Folgezeit auch bestätigt: Der Kläger hat bis Ende 2004 seinen Dienst lediglich im Umfang von 10
Wochenstunden verrichtet; ab Anfang 2005 war er bis zum Eintritt in den Ruhestand am 31. Mai 2005 wieder
dienstunfähig krankgeschrieben. Nachdem der Kläger im Januar 2004 die Bescheinigung Dr. F...-D...
eingereicht hatte, wonach er mit seinen derzeitigen Beschwerden nicht im Stande sei, mehr als 10
Wochenstunden zu arbeiten, erklärte er unter dem 1. April 2004 gegenüber seiner Dienststelle, seit dem
Schrankenunfall vom 18. November 2002 sei eine Nebentätigkeit nicht mehr möglich. In seinen Einwendungen
gegen die angekündigte Zurruhesetzung vom 20. Juni 2004 machte er nicht geltend, mehr als 10
Wochenstunden arbeiten zu können, sondern regte eine Umgestaltung der bisherigen Beschäftigungsquote von
25 % in eine „individuelle, hochflexible Beschäftigung“ unter Einrichtung eines häuslichen Tele-Arbeitsplatzes
an. Seinen Widerspruch gegen die Zurruhesetzung durch Senatsbeschluss im Verfügungswege vom 8. Februar
2005 erhob der Kläger ausdrücklich nur fristwahrend, ohne die Maßnahme der Sache nach in Zweifel zu ziehen.
Am 17. Februar 2005 übersandte der Kläger dem Personalamt eine Stellungnahme seines Arztes Dr. F -D..., in
der seine vollständige und dauerhafte Erwerbsunfähigkeit attestiert wird. In einem am 10. März 2005 beim
Personalamt eingegangenen Schreiben des Klägers teilt dieser u.a. mit, seine uneingeschränkte Erwerbs- und
Dienstunfähigkeit sei seit dem Unfalltag vom Neurologen Dr. F...-D... festgestellt. Als Anlage zu seiner
Klagschrift im vorliegenden Verfahren reichte der Kläger eine Stellungnahme seines behandelnden Arztes Dr.
F...-D... vom 29. August 2005 ein, ausweislich derer aufgrund der Beschwerden des Klägers sitzende,
organisierende Tätigkeiten über einen Zeitraum von mehr als zwei Stunden auszuschließen seien; der Kläger
könne, wenn überhaupt, nicht mehr als zwei Stunden am Tag Arbeiten verrichten und häufig krankheitsbedingt
keine Termine zeitgenau und zuverlässig einhalten; da sich der Krankheitsverlauf nicht gebessert habe, könne
auch weiterhin von seiner vollen Erwerbsunfähigkeit ausgegangen werden.
Allerdings war weder im Jahr 2005 noch ist zum jetzigen Zeitpunkt eindeutig geklärt, ob und inwieweit bei dem
Kläger tatsächlich erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen im Sinne eines objektiven medizinischen
Krankheitsbildes vorliegen, die seine Dienstunfähigkeit begründen können. Auch die aus der jüngeren
Vergangenheit stammenden, vom Verwaltungsgericht Hamburg, vom Saarländischen Oberlandesgericht und
vom Landgericht Hamburg eingeholten Gutachten beantworten diese Frage nicht abschließend. So nimmt der
Sachverständige Prof. Dr. F….. in seinem Gutachten vom 30. September 2009 eine Ruptur des linken
Ligamentum alare und daraus resultierend eine Instabilität der Halswirbelsäule mit damit einhergehender
Bewegungs- und Belastungseinschränkung sowie Wirbelsäulen- und Nackenschmerzen an, hält aber in seiner
Vernehmung vom 23. Mai 2012 vor dem OLG Saarland aus orthopädischer Sicht eine Belastung des Klägers
durch einen „Bürojob“ im Umfang von 6 Stunden für denkbar. Der Sachverständige Dr. H… führt in seinem
Gutachten vom 23. September 2010 aus, die Beschwerdesymptomatik des Klägers könne aus neurologischer
Sicht nicht erklärt werden; in seiner Vernehmung vom 23. Mai 2012 vor dem OLG Saarland gibt er an, die von
ihm erhobenen Befunde erlaubten die Beurteilung, dass der Kläger bei Überkopfarbeiten und bei Arbeiten in
großer Höhe oder auf Leitern eingeschränkt sei; im Übrigen halte er dafür, dass er wenigstens 6 Stunden
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täglich leistungsfähig sei. Der Sachverständige Dr. G... sieht ausweislich seines Gutachtens vom 14. Mai
2010, seiner Vernehmung vor dem Verwaltungsgericht Hamburg am 2. Juli 2010 sowie dem Landgericht
Hamburg am 22. Januar 2013 aus neurologischer Sicht keine wesentlichen Einschränkungen der
Leistungsfähigkeit des Klägers, da lediglich das Vorliegen einer ohne weiteres behandelbaren Migräne
gesichert festgestellt werden könne. Der Sachverständige Dr. S... nimmt aus neurootologischer Sicht eine
schwere Gleichgewichtsfunktionsstörung des Klägers und daraus folgend eine Minderung der Erwerbsfähigkeit
um 30 % an (vgl. Gutachten vom 27. Mai 2010). Der Diplompsychologe G... sieht ausweislich seines
Gutachtens vom 10. Mai 2010 keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers, es seien auch keine
psychischen Beeinträchtigungen etwa im Sinne einer Depression erkennbar. Die Diplompsychologin R... hält in
ihrem Gutachten vom 17. Oktober 2010 die kognitive Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Klägers für
eingeschränkt und das Vorliegen einer psychischen Erkrankung mit affektiver Symptomatik für möglich, trifft
aber keine Aussagen zum möglichen Umfang einer Erwerbstätigkeit. Dr. B... nimmt aus psychiatrischer Sicht
aufgrund der besonders akzentuierten Persönlichkeitsmerkmale des Klägers eine Einschränkung seiner
beruflichen Belastbarkeit an; eine Belastung von 5 bis 6 Stunden pro Tag solle nicht überschritten werden
(Gutachten vom 6. Januar 2011, Vernehmung vor dem OLG Saarland am 23. Mai 2012). Die aufgeführten
Gutachten verhalten sich nicht zu der Frage, ob und inwieweit der Kläger gerade seine Dienstpflichten aus
seinem Amt als Studienrat erfüllen kann. Zudem beziehen sich die Gutachter jeweils nur auf ihr eigenes
Fachgebiet; es bleibt aufgrund der Gutachten unklar, inwieweit die Leistungsfähigkeit des Klägers aus
orthopädischer, neurologischer und psychologischer bzw. psychiatrischer Sicht insgesamt eingeschränkt ist.
Der Senat ist aber dessen ungeachtet von der Dienstunfähigkeit des Klägers überzeugt. Wie oben festgestellt,
bedarf es zur Annahme der Dienstunfähigkeit nicht der Feststellung eines (objektiven) medizinischen
Krankheitsbildes. Vielmehr reicht es aus, dass der Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution nicht zur
Ausübung seiner Dienstpflichten in der Lage ist. Dies ist hier der Fall. Der Kläger ist selbst davon überzeugt,
dass er aufgrund seiner mannigfachen Beschwerden seine Dienstpflichten nicht mehr wird erfüllen können.
Gerade bei einem schwer objektivierbaren Leidensbild wie dem des Klägers kommt der Einschätzung des
Beamten, ob und inwieweit er sich zur Erfüllung seiner Dienstpflichten in der Lage sieht, besondere Bedeutung
zu. Der Senat ist überzeugt, dass der Kläger die von ihm beklagten Beschwerden nicht bewusst vortäuscht - in
diesem Falle wäre nicht Dienstunfähigkeit gegeben, die zur Versetzung in den Ruhestand führt, sondern
Dienstunwilligkeit, die die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach sich ziehen würde - , sondern sie wirklich
empfindet und unter ihnen leidet, obwohl die oben aufgeführten Sachverständigen teilweise
Verdeutlichungstendenzen bzw. Aggravationen festgestellt haben; auch die Sachverständigen gehen nicht von
einer bewussten Manipulation des Klägers aus (vgl. Diplompsychologe G... in der mündlichen Verhandlung des
Verwaltungsgerichts am 2. Juli 2010 und des Landgerichts vom 18. Januar 2013 und Dr. G... in der mündlichen
Verhandlung vor dem Landgericht am 22. Januar 2013). Der Kläger macht seit nunmehr über 10 Jahren
erhebliche Störungen und Beschwerden wie z.B. Antriebslosigkeit, Benommenheit, Drehschwindel, stechende
Kopfschmerzen, Sehstörungen, Konzentrationsschwäche, Leistungsverlust, Tinnitus etc. geltend. Er hat in
dieser Zeit eine Vielzahl von Ärzten aufgesucht und dort immer wieder Bestätigungen für das Vorliegen der von
ihm als chronisch empfundenen Leiden erhalten. Ärztlichen Feststellungen, die die Beschwerden in Frage
stellen und von seiner (teilweisen) Dienst- bzw. Erwerbsfähigkeit ausgehen, hat er jeweils vehement
widersprochen und sie zu widerlegen versucht. Die von ihm beklagten Beschwerden entsprechen den
Symptomen, die in wissenschaftlichen Veröffentlichungen als Begleiterscheinungen einer
Halswirbelsäulenverletzung genannt werden; beim Kläger ist durch Bescheid vom 24. August 2004 eine Läsion
des linken Ligamentum alare sowie eine Überdehnung des Ligamentum transversum bestandskräftig
festgestellt worden. Noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er unter Vorlage einer
Veröffentlichung einer Frankfurter Klinik zu Kopfgelenksverletzungen vorgetragen, er leide nach wie vor unter
den dort angegebenen Symptomen (Hörstörungen, Tinnitus, Schwindel, Kopfschmerz, schmerzhafte
Schluckstörungen, Gedächtnisbeeinträchtigungen, Schmerzen in den Kau- und Kiefergelenken) und sei
dienstunfähig. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Dienstpflichten auch in
Zukunft nicht wird erfüllen können. Vielmehr ist der Senat überzeugt, dass der Kläger aufgrund der von ihm
geschilderten und empfundenen Beschwerden und Leiden nicht in der Lage sein wird, seine Diensttätigkeit mit
einer gewissen Regelmäßigkeit und mindestens hälftiger regulärer Wochenarbeitszeit auszuüben. Selbst im
Fall einer Aufhebung der Zurruhesetzung wird der Kläger weiter ärztlich begründete
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einreichen und seinen Dienst nicht ausüben.
Im Rahmen der Berufung, in der es ausschließlich um die Rechtmäßigkeit der Versetzung des Klägers in den
Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit geht, muss nicht geprüft und untersucht werden, ob die vom Kläger im
Einzelnen beklagten Leiden orthopädisch oder neurologisch im Zusammenhang mit der von der Beklagten
durch Bescheid vom 24. August 2004 bestandskräftig als Dienstunfallfolge festgestellten
Kopfgelenksverletzung stehen. Denn unabhängig von diesen Fragen ist, wie oben festgestellt, angesichts der
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Art und des Ausmaßes der vom Kläger beklagten Beschwerden von seiner Dienstunfähigkeit auszugehen. Es
besteht keine Aussicht, dass der Kläger, der von seinen Beschwerden überzeugt ist, innerhalb von 6 Monaten
wieder dienstfähig werden und seinen Dienst aufnehmen wird. Hinzu kommt, dass eine genaue Prüfung des
Gesundheitszustandes des Klägers insbesondere angesichts der Ausführungen von Frau R... und Dr. B... die
Frage einschließen würde, ob er an einer psychischen Erkrankung leidet. Das würde u.U. bedeuten, dass der
Kläger einer (weiteren) psychiatrischen Untersuchung ausgesetzt werden müsste, obwohl er im Rahmen des
vorliegenden Verfahrens ausdrücklich vorträgt, nicht psychisch krank zu sein und als Folge des Dienstunfalls
vom 18. November 2002 psychische Erkrankungen auch nicht geltend macht.
b. Die Beklagte brauchte und braucht auch nicht eine anderweitige Verwendung des Klägers zu prüfen (§ 47
HmbBG a.F., § 41 HmbBG i.V.m. § 26 BeamStG). Art und Ausmaß der vom Kläger geschilderten und
empfundenen Beschwerden und Leiden lassen es als ausgeschlossen erscheinen, dass eine
Weiterverwendung des Klägers auf einem anderen Dienstposten in Betracht kommt. Auch der Kläger hält sich
nicht nur für dienstunfähig, sondern für vollkommen erwerbsunfähig (vgl. Teil- und Grundurteil des Landgerichts
Hamburg vom 9.4.2013).
3. Unabhängig davon ist die Klage auch deshalb unbegründet, weil der Kläger sein Recht, sich auf eine
bestehende Dienstfähigkeit oder anderweitige Verwendbarkeit berufen zu können, durch sein inner- und
außerprozessuales Verhalten verwirkt hat.
Im verwaltungsrechtlichen Verfahren hat er weder im Widerspruchsschreiben vom 15. Februar 2005 noch im
Rahmen seiner Klage Gründe vorgetragen, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung wecken
könnten. Vielmehr hat er sich durchgehend auf seine vollständige Dienst- und Erwerbsunfähigkeit berufen und
ärztliche Stellungnahmen vorgelegt, die dies belegen sollen. Ärztliche Äußerungen, die eher für das Bestehen
einer Restdienst- und Erwerbsfähigkeit sprechen, hat er in Zweifel gezogen. Zur Begründung im vorliegenden
Berufungsverfahren hat er vorgetragen, das Urteil des Verwaltungsgerichts könne hinsichtlich der Versetzung
in den Ruhestand keinen Bestand haben; er sei dienstunfähig, die Dienstunfähigkeit beruhe aber auf einer
dienstunfallbedingten Kopfgelenksverletzung. Noch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden
Senat hat der Kläger vorgebracht, er leide aufgrund des Dienstunfalls an einer Kopfgelenksverletzung mit den
dafür typischen Symptomen (Hörstörungen, Tinnitus, Schwindel, Kopfschmerz, schmerzhafte
Schluckstörungen, Gedächtnisbeeinträchtigungen, Schmerzen in den Kau- und Kiefergelenken); seitdem sei er
schwerbehindert und dienstunfähig. Der Kläger verhält sich widersprüchlich, wenn er einerseits auf seiner
vollständigen Dienstunfähigkeit besteht, sich andererseits aber gegen seine Versetzung in den Ruhestand nur
mit der Begründung wendet, seine Dienstunfähigkeit beruhe auf einem Dienstunfall. Tatsächlich geht es dem
Kläger mit seiner verwaltungsrechtlichen Klage nicht um die Verhinderung seiner Versetzung in den Ruhestand,
sondern will er eine höhere Ruhestandsversorgung in Form von Unfallruhegehalt sowie die Zahlung eines
Unfallausgleichs erreichen. Die Klärung dieser Fragen muss aber der Hilfsanschlussberufung überlassen
bleiben.
Auch sein Verhalten außerhalb des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens spricht für eine Verwirkung: So hat der
Kläger zivilrechtliche Prozesse gegen die Beigeladene und seinen Unfallversicherer angestrengt, in denen er
ebenfalls seine vollständige Dienst- und Erwerbsunfähigkeit behauptet und unter Beweis gestellt hat (OLG
Saarland, Urteil v. 23.5.2012, 5 U 227/08-26; LG Hamburg, Grund- und Teilurteil v. 9.4.2013, 320 O 19/07).
III.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 132 VwGO).