Urteil des BFH vom 31.05.2000

BFH (kläger, rechtsfrage, beschwerde, zulassung, abweichung, beweiswürdigung, rechtsanwendung, richtigkeit, interesse, rüge)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 4.12.2007, VIII B 42/07
Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Divergenz - kumulative Urteilsbegründung - Anfechtung des
Steuerbescheids bzw. Haftungsbescheids und Zahlungsverjährung
Gründe
1 Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von
Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
2 a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein
allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung
des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F., vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. Mai 2000 IV
B 55/99, juris). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche
Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt
werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hierzu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche
Bedeutung, nicht. Vielmehr muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über
den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV
2005, 1212, m.w.N.; ständige Rechtsprechung). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen,
in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH-
Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
3 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in keiner Weise,
zumal der Umstand, dass von einer Rechtsfrage möglicherweise eine Vielzahl von Steuerfällen betroffen ist, für sich
allein ebenfalls nicht ausreicht, einer Sache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115
Rz 24, m.w.N.). Mit ihrer im Stile einer Revisionsbegründung gehaltenen Beschwerde wenden sich die Kläger vielmehr
gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Finanzgerichts (FG), d.h. gegen die materielle Richtigkeit des FG-
Urteils. Darin liegt jedoch nicht die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers, sondern falscher materieller
Rechtsanwendung, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-
Beschlüsse vom 28. April 2003 VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom 23. Juni 2003 IX B 119/02, BFH/NV 2003,
1289). Denn die Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl.
BFH-Beschluss vom 3. Februar 2000 I B 40/99, BFH/NV 2000, 874).
4 b) Soweit dem Vorbringen der Kläger die Rüge der Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO zu
entnehmen sein sollte, ist diese ebenfalls unschlüssig. Eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO
wegen Abweichung setzt u.a. voraus, dass dargelegt wird, dass das FG in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung
eines anderen Gerichts abgewichen ist, im Urteil des FG dieselbe Rechtsfrage wie in der Divergenzentscheidung
entschieden wurde und die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind (vgl.
Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 48). Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nach der Rechtsprechung
des BFH nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem, festgestellten Sachverhalt in einer
entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der BFH oder ein anderes FG; eine
Divergenz in der Würdigung von Tatsachen genügt nicht (BFH-Beschlüsse vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, BFHE 202,
231, BStBl II 2003, 790; vom 11. März 2003 VII B 208/02, BFH/NV 2003, 816, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz
53, m.w.N.). Insoweit fehlt es der Beschwerdeschrift an jeglichem substantiierten Vortrag. Nämliches gilt auch für die
Rüge, das FG habe einen Verfahrensfehler begangen. Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger auch insoweit
gegen die materielle Richtigkeit des FG-Urteils. Die Zulassung der Revision kann darauf nicht gestützt werden
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1336 und in BFH/NV 2003, 1289).
5 c) Die Kläger übersehen im Übrigen, dass das FG-Urteil auf mehrere Begründungen gestützt ist, von denen jede für
sich allein das Entscheidungsergebnis trägt. In solchen Fällen muss mit der Beschwerde für jede dieser Begründungen
ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-
Beschlüsse vom 5. November 1998 VIII B 18/98, BFH/NV 1999, 513; vom 12. Mai 2000 IV B 74/99, BFH/NV 2000, 1133;
vom 16. Juli 2001 V B 44/01, BFH/NV 2001, 1620). Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerde nicht.
6 d) Soweit sich die Kläger auf Zahlungsverjährung berufen, können sie damit im Verfahren der
Nichtzulassungsbeschwerde nicht gehört werden. Denn das zu Gunsten des Finanzamts ergangene Sachurteil im
Anfechtungsprozess entscheidet zugleich darüber, dass Zahlungsverjährung bezüglich des Steuer- oder
Haftungsanspruchs bis zum Tag der Entscheidung des Gerichts nicht eingetreten ist (BFH-Beschluss vom 6. August
1996 VII B 24/96, BFH/NV 1997, 95).