Urteil des BFH vom 29.03.2017

BFH (abweisung der klage, erwerb, verfassungskonforme auslegung, durchführung, kläger, kommission, verweisung, enteignung, inkrafttreten, vorschrift)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 15.3.2007, II R 80/05
Steuerpflicht des Grundstückserwerbs im Flächenerwerbsprogramm nach § 3 AusglLeistG vor Inkrafttreten des VermRErgG -
Verhältnis von EigentÜbertrG und AusglLeistG
Leitsätze
Der Flächenerwerb im Rahmen des Flächenerwerbsprogramms nach § 3 AusglLeistG durch einen Käufer, dessen
Rechtsvorgänger Vermögen durch Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen
worden ist, ist auch dann nicht grunderwerbsteuerfrei, wenn der Erwerb vor Inkrafttreten des VermRErgG und der dadurch
bewirkten Neufassung des § 6 Abs. 2 AusglLeistG stattgefunden hat .
Tatbestand
1 I. Aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 16. Dezember 1996 erwarb der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) als Wiedereinrichter nach dem Flächenerwerbsprogramm der §§ 3 ff. des Ausgleichsleistungsgesetzes
(AusglLeistG) vom 27. September 1994 (BGBl I, 2624, 2628) von der BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs
GmbH Grundbesitz im Umfang von 420,6039 ha zum Gesamtkaufpreis von 734 643,65 DM. Der Grundbesitz bestand
zu 416,7919 ha aus Waldflächen mit einem Anteil hiebsreifer Bestände von weniger als 10 v.H. Außerhalb des
Flächenerwerbsprogramms erwarb er eine weitere Fläche von 1,4200 ha zum Kaufpreis von 13 120,80 DM. Der
erworbene Grundbesitz gehörte ursprünglich im Wesentlichen der Familie der Adoptivmutter des Klägers und ist dieser
1945 auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden. Der Kläger ist der Alleinerbe
der inzwischen verstorbenen Adoptivmutter.
2 Mit Bescheid vom 19. September 1997 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--)
Grunderwerbsteuer von 26 171 DM gegen den Kläger fest. Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der
Klage, mit der der Kläger geltend gemacht hatte, der Erwerbsvorgang sei gemäß § 11 des Gesetzes über die
Übertragung des Eigentums und die Verpachtung volkseigener landwirtschaftlich genutzter Grundstücke an
Genossenschaften, Genossenschaftsmitglieder und andere Bürger (EigentÜbertrG) vom 22. Juli 1990 (GBl DDR I, 899)
sowie gemäß § 34 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) i.d.F. der Bekanntmachung
des Gesetzes vom 2. Dezember 1994 (BGBl I, 3610) grunderwerbsteuerfrei, statt. Das FG war der Ansicht, es fehle
bereits an einem steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), da der
Flächenerwerb Teil des verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleichs für das den Enteignungsopfern zugefügte Unrecht
sei. Sollte dieser Ansicht nicht zu folgen sein und der Kaufvertrag einen Rechtsvorgang i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
darstellen, wäre er jedenfalls gemäß § 6 Abs. 2 AusglLeistG i.V.m. § 34 Abs. 3 Satz 1 und § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG
grunderwerbsteuerfrei. Die Steuerfreiheit erfasse auch den Erwerb der außerhalb des Flächenerwerbsprogramms
gekauften Fläche von 1,4200 ha.
3 Mit der Revision rügt das FA eine fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG,
der §§ 3 und 6 Abs. 2 AusglLeistG sowie der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) vom 20. Dezember 1995 (BGBl I,
2072). Die Verordnungsermächtigung in § 4 Abs. 3 AusglLeistG habe es dem Verordnungsgeber überlassen, den
Flächenerwerb öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich abzuwickeln. Der Verordnungsgeber habe sich für die
privatrechtliche Abwicklung durch Kaufverträge entschieden. Daraus folge im Einzelfall die Erfüllung des Tatbestandes
des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der Wortlaut des § 6 Abs. 2 AusglLeistG, der auf das VermG verweise, habe zwar zunächst
noch keine ausdrückliche Beschränkung auf die Durchführung der §§ 1, 2 und 5 AusglLeistG enthalten --diese
ausdrückliche Beschränkung sei erst durch das Vermögensrechtsänderungsgesetz (VermRErgG) vom 15. September
2000 (BGBl I, 1382) erfolgt--; gleichwohl sei der Flächenerwerb des § 3 AusglLeistG auch schon vor der Neufassung
des § 6 Abs. 2 AusglLeistG durch das VermRErgG nicht von der Verweisung auf das VermG betroffen worden. Das
VermRErgG habe insoweit nur eine Rechtslage klargestellt, die schon vorher bestanden habe. Für den Flächenerwerb
habe es der Verweisung auf das VermG nämlich nicht bedurft, weil für die Durchführung des Flächenerwerbs in der
FlErwV eine besondere Regelung zur Verfügung gestanden habe. Diese Regelung sei zwar nicht abschließend
gewesen; soweit sie Lücken enthalten habe, könnten diese aber nicht die Grunderwerbsteuer betroffen haben und
daher nicht durch § 34 Abs. 3 VermG geschlossen werden. Die Lücken müssten vielmehr Verfahrensfragen betroffen
haben; die Frage einer Grunderwerbsteuerbefreiung sei jedoch materiell-rechtlicher Natur. Dementsprechend schreibe
§ 1 Abs. 8 Buchst. a VermG i.d.F. des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes (2.VermRÄndG) vom 14. Juli 1992
(BGBl I, 1257) auch vor, dass das VermG vorbehaltlich seiner Bestimmungen über Zuständigkeiten und Verfahren nicht
für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage gelte. Der
Ausschluss jener Enteignungen aus dem Regelungsbereich des VermG sei vom Gesetzgeber mit der Nr. 1 Satz 1 der
gemeinsamen Erklärung zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990 begründet worden (BTDrucks
11/7831, S. 1). Die gemäß Art. 3 des Grundgesetzes (GG) gebotene Berücksichtigung auch dieser Enteignungen sei
durch das AusglLeistG erfolgt.
4 Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
5 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
6 Er macht geltend, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sei verfassungskonform dahin auszulegen, dass der Flächenerwerb durch
einen Alteigentümer nach § 3 AusglLeistG keinen Erwerbstatbestand darstelle. Dies ergebe sich aus dem
Wiedergutmachungsgedanken der Regelung. Dieser Gesichtspunkt rechtfertige auch eine analoge Anwendung des §
16 Abs. 2 GrEStG. Sollte ein derartiger Flächenerwerb doch steuerbar sein, wäre er gemäß § 6 Abs. 2 AusglLeistG
i.V.m. § 34 Abs. 3 VermG oder gemäß § 11 EigentÜbertrG steuerfrei. Letztere Vorschrift wäre insbesondere dann
einschlägig, wenn § 6 Abs. 2 AusglLeistG auf einen Flächenerwerb durch Alteigentümer nicht anwendbar wäre. § 6
Abs. 2 AusglLeistG sei aber zumindest in solchen Erwerbsfällen, die vor der Herausnahme des § 3 AusglLeistG aus der
Verweisung auf das VermG --nämlich vor Inkrafttreten des VermRErgG-- verwirklicht worden seien, anwendbar. Dem
VermRErgG komme insofern nicht lediglich klarstellende Bedeutung zu; vielmehr habe es insoweit die Rechtslage
verändert. Die Beanstandungen des Flächenerwerbsprogramms durch die EU-Kommission hätten nicht den Erwerb
durch Alteigentümer betroffen, sondern den Erwerb durch Neueinrichter, und seien daher für den Streitfall
bedeutungslos.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.
3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Erwerbsvorgang vom 16. Dezember 1996 ist steuerbar und nicht von
der Grunderwerbsteuer befreit.
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1. Mit dem Kaufvertrag vom 16. Dezember 1996 ist ein Anspruch auf Übereignung der streitbefangenen Grundstücke
begründet worden. Damit ist der Erwerbstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllt. Ein Rechtsträgerwechsel
bezüglich dieser Grundstücke auf den Kläger war möglich und nicht etwa deshalb von vornherein ausgeschlossen,
weil dem Kläger bzw. seiner Rechtsvorgängerin in der Vergangenheit das Eigentum an den nämlichen Grundstücken
durch entschädigungslose Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen
worden war. Die Enteignungen auf dieser Grundlage sind durch keinen Rechtsakt rückgängig gemacht, sondern im
Gegenteil durch Art. 143 Abs. 3 GG i.d.F. des Art. 4 Nr. 5 des Einigungsvertrages bestätigt worden (Urteil des
Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 23. April 1991 1 BvR 1170, 1174, 1175/90, BVerfGE 84, 90, 117, 126). Bei
dieser Verfassungsrechtslage ist für eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, die diese
Bestätigung negieren würde --darauf liefe die Verneinung der Steuerbarkeit im Streitfall hinaus--, kein Raum.
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2. Der Erwerbsvorgang ist auch steuerpflichtig. Er erfüllt keinen gesetzlichen Befreiungstatbestand.
10 a) Die Befreiungsvorschrift des § 11 EigentÜbertrG greift nicht ein, da der Kaufvertrag vom 16. Dezember 1996 nicht
der Durchführung dieses Gesetzes diente. Er diente vielmehr der Durchführung des AusglLeistG, und zwar des § 3
dieses Gesetzes. Das AusglLeistG regelt den Sonderbereich der staatlichen Ausgleichsleistungen für Enteignungen
auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage, die nicht mehr rückgängig gemacht werden
können, und stellt mit der Art und Weise des vorgesehenen Ausgleichs eine Spezialkodifikation dar (vgl. Leiner in
Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Kommentar, Stand März 2006, § 6 AusglLeistG Rz 31). Als
solche ginge sie dem EigentÜbertrG, das die Verwertung volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen
gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EigentÜbertrG i.V.m. § 1 Abs. 6 des Treuhandgesetzes der DDR vom 17. Juni 1990 (GBl
DDR I, 300) unter der breiten Zielsetzung regelt, ökonomischen, ökologischen, strukturellen und eigentumsrechtlichen
Besonderheiten Rechnung zu tragen, selbst dann vor, wenn das EigentÜbertrG als allgemeine "Basiskodifikation"
anzusehen wäre.
11 Dieser Spezialnormcharakter des AusglLeistG ergibt sich nicht nur aus der geregelten Sondermaterie, sondern auch
daraus, wie nach § 3 Abs. 7 AusglLeistG die Gegenleistung für den Flächenerwerb zu berechnen ist, und zwar sowohl
für den Erwerb landwirtschaftlich genutzter Flächen als auch für den Erwerb von Waldflächen. In dieser im Vergleich
zu den §§ 6 und 7 EigentÜbertrG bewusst niedrig gehaltenen Gegenleistung i.S. des § 3 Abs. 7 AusglLeistG liegt der
eigentliche Ausgleich für das erlittene Enteignungsunrecht.
12 Entscheidend ist auch, dass § 6 Abs. 2 AusglLeistG für die Durchführung des Gesetzes auf die Bestimmungen des
VermG verweist. Damit bildet das VermG die "Basiskodifikation" zum AusglLeistG (so Leiner in
Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/ Neuhaus, a.a.O., § 6 AusglLeistG Rz 31) und nicht das EigentÜbertrG. Für
einen Teilbereich des AusglLeistG, nämlich die Durchführung des Flächenerwerbs nach § 3 AusglLeistG, sind
allerdings auf der Grundlage einer eigens dafür in § 4 Abs. 3 des Gesetzes enthaltenen Ermächtigung besondere
Regelungen geschaffen worden, und zwar in Gestalt der FlErwV vom 20. Dezember 1995. Das VermG, das
AusglLeistG und die FlErwV bilden somit ein abgeschlossenes Regelwerk, das keinen Raum für einen Rückgriff auf
das EigentÜbertrG lässt. Auf den Zeitpunkt des förmlichen Außerkrafttretens des EigentÜbertrG kommt es daher
ebenso wenig an wie auf die Frage, ob dieses Gesetz bei seinem förmlichen Außerkrafttreten noch an anderer Stelle
einen Anwendungsbereich hatte oder nicht.
13 b) Die Befreiungsvorschrift des § 34 Abs. 3 VermG ist ebenfalls nicht einschlägig. § 6 Abs. 2 AusglLeistG ordnete zwar
ursprünglich an, dass für die Durchführung des AusglLeistG die Bestimmungen des VermG entsprechend gelten --das
VermG sieht in § 34 Abs. 3 eine Grunderwerbsteuerbefreiung für Grundstückserwerbe vor--; der erkennende Senat hat
aber bereits in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 2006 II R 49/05 (BFH/NV 2007, 606) Zweifel daran angedeutet,
ob die Verweisung des § 6 Abs. 2 AusglLeistG in seiner ursprünglichen Fassung auf das VermG für die Fälle eines
Flächenerwerbs i.S. des § 3 AusglLeistG eine Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG bewirkt hat. Er
hat diese Zweifel aber letztlich dahingestellt sein lassen, weil die Verweisungsnorm des § 6 Abs. 2 AusglLeistG durch
Art. 3 Nr. 4 Buchst. a VermRErgG dergestalt geändert worden ist, dass die Durchführung des Flächenerwerbs nach § 3
AusglLeistG von der Verweisung ausgenommen worden ist, und weil nach dem damaligen Sachverhalt schon die
Neufassung des § 6 Abs. 2 AusglLeistG maßgeblich war.
14 Diese Neufassung findet jedoch auf den Streitfall noch keine Anwendung. An dem Ergebnis, wonach § 34 Abs. 3
VermG nicht einschlägig ist, ändert sich dadurch allerdings nichts. Seit der Neufassung des § 34 Abs. 3 VermG durch
Art. 15 § 2 Nr. 8 Buchst. b des Registerverfahrensbeschleunigungsgesetzes (RegVBG) vom 20. Dezember 1993 (BGBl
I, 2182, 2225) gilt die Grunderwerbsteuerbefreiung nämlich nur für solche Personen, deren Vermögenswerte von
Maßnahmen nach § 1 VermG betroffen sind, sowie die Erben dieser Personen. Gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG
i.d.F. des 2.VermRÄndG gilt das VermG jedoch vorbehaltlich seiner Bestimmungen über Zuständigkeit und Verfahren
nicht für Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage.
Dies hat zur Folge, dass die Erwerber von Flächen aus dem Flächenerwerbsprogramm nach § 3 AusglLeistG, die
Opfer derartiger Enteignungen waren, und deren Erben auch nicht über den Umweg des § 6 Abs. 2 AusglLeistG in
den Genuss des § 34 Abs. 3 VermG kommen können. Die Vorschrift des § 34 Abs. 3 VermG gehört nicht zu den
vorbehaltenen Bestimmungen über Zuständigkeiten und Verfahren, sondern stellt eine materiell-rechtliche
Bestimmung dar.
15 c) Eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG kommt im Streitfall ebenfalls nicht in
Betracht. Bezüglich der Nr. 1 der Vorschrift fehlt es an der Wahrung der Zweijahresfrist. Bei diesem zeitlichen
Erfordernis handelt es sich um ein wesentliches Tatbestandsmerkmal der Norm, das auch bei einer analogen
Anwendung erfüllt sein müsste. Bezüglich der Nr. 2 der Vorschrift stünde von vornherein die Rechtswirksamkeit der --
wenn auch unrechtmäßigen-- Enteignung einer sei es auch analogen Anwendung des § 16 Abs. 2 GrEStG entgegen.
Bezüglich der Nr. 3 fehlte es für eine (analoge) Anwendung an einem anspruchsbegründenden Rechtsgeschäft,
dessen Vertragsbestimmungen nicht erfüllt sein könnten.
16 3. Ob die verschiedenen Regelungen über eine Grunderwerbsteuerbefreiung für den Eigentumserwerb im Zuge der
Neuordnung und Privatisierung des Grund und Bodens in den neuen Bundesländern --so die Vorschriften des § 11
EigentÜbertrG, des § 34 Abs. 3 VermG, des § 2 Abs. 3 des Mauergrundstücksgesetzes oder des § 67 des
Landwirtschaftsanpassungsgesetzes-- einen gemeinsamen Grundgedanken enthalten, kann auf sich beruhen. Sollte
dem so sein, ließe dies jedenfalls nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe mit der Herausnahme des
Flächenerwerbs durch Alteigentümer gemäß § 3 AusglLeistG aus dem Geltungsbereich des VermG (§ 1 Abs. 8
Buchst. a dieses Gesetzes) unbemerkt eine Lücke aufgerissen, die unter Heranziehung eines derartigen
Grundgedankens zu schließen sei.
17 Wie sich inzwischen herausgestellt hat, ist das Flächenerwerbsprogramm des § 3 AusglLeistG unter
Beihilfegesichtspunkten von europarechtlicher Relevanz. Die EU-Kommission hat mit Entscheidung vom 20. Januar
1999 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- vom 24. April 1999 L 107/21) Teile des
Flächenerwerbsprogramms wegen der verbilligten Grundstücksveräußerung aus beihilferechtlichen Gründen
beanstandet (dazu Ludden in Zeitschrift für Immobilienrecht 2001, 248). Die Beanstandungen der Kommission
betrafen zwar weder die eigentlichen Wiedergutmachungsfälle noch die Erwerber forstwirtschaftlicher Flächen,
sondern vornehmlich die sog. Neueinrichter i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG und auch diese nur insoweit, als
ihnen der verbilligte Erwerb landwirtschaftlicher Flächen ermöglicht wurde. Der verbilligte Erwerb forstwirtschaftlicher
Flächen blieb ausdrücklich unbeanstandet. Der Gesetzgeber des AusglLeistG hatte aber das Bestreben, innerhalb
des Flächenerwerbsprogramms des § 3 AusglLeistG keine Differenzierung nach den verschiedenen
Erwerbergruppen vorzunehmen. Dies steht der Annahme, das AusglLeistG enthalte bezüglich der Grunderwerbsteuer
für Alteigentümer eine Lücke, entgegen.
18 a) Was den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen durch Neueinrichter anbelangt, hat die Kommission das
Überschreiten der sog. Intensitätshöchstgrenze bemängelt. Gemäß Art. 92 Abs. 3 Buchst. c des Vertrages zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EGV-- (jetzt Art. 87 Abs. 3 Buchst. c EG) können staatliche Beihilfen zur
Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete genehmigt werden, die die Handelsbedingungen
nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwider läuft. Dabei ist insbesondere an Beihilfen
zur Beseitigung struktureller Schwächen gedacht. Bei Inkrafttreten des AusglLeistG war es der Kommission gemäß Art.
35 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 2328/91 des Rates vom 15. Juli 1991 zur Verbesserung der
Effizienz der Agrarstruktur (ABlEG vom 6. August 1991 L 218/1) grundsätzlich möglich, Beihilfen zum Kauf von
landwirtschaftlichen Flächen als Investitionsbeihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen und zu
genehmigen, wenn die Beihilfeintensität 35 v.H. (bzw. 75 v.H. in benachteiligten Gebieten) nicht überschritt (vgl.
Entscheidung der EU-Kommission vom 24. April 1999, a.a.O., L 107/43).
19 Dies veranlasste den Gesetzgeber im Jahr 2000, den § 3 Abs. 7 AusglLeistG, der im Rahmen des
Flächenerwerbsprogramms die Ermittlung des Kaufpreises regelt, durch Art. 3 Nr. 1 Buchst. e aa VermRErgG
dergestalt zu ändern, dass der Kaufpreis für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen nicht mehr --wie bisher-- nach
dem Dreifachen des Einheitswerts der jeweiligen Flächen nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 zu
berechnen ist, sondern nach dem Verkehrswert abzüglich eines Ausgleichs von 35 v.H. Diese neue
Kaufpreisberechnung sollte nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dem VermRErgG vom
29. Oktober 1999 (BTDrucks 14/1932, S. 15) gewährleisten, "dass beim Verkauf landwirtschaftlicher Flächen die
Grenzen zulässiger Beihilfeintensität in allen Fällen eingehalten werden".
20 b) Die europarechtliche Vorgabe, die Intensitätshöchstgrenze für Beihilfen nicht zu überschreiten, stand der
zusätzlichen Gewährung einer Grunderwerbsteuerbefreiung nicht erst seit der Entscheidung der EU-Kommission,
sondern von Anfang an entgegen. Da eine solche Steuervergünstigung eine zusätzliche Beihilfe dargestellt hätte,
wäre die europarechtlich problematische Verbilligung des Flächenerwerbs nach § 3 Abs. 7 AusglLeistG noch verstärkt
worden. Der Begriff der Beihilfe i.S. des Art. 92 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 87 Abs. 1 EG) umfasst nämlich nicht nur positive
Leistungen wie Subventionen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastung vermindern, die
ein Unternehmer normalerweise zu tragen hat, und die einer Subvention nach Art und Weise gleichstehen. Dazu
gehören auch Abgabenbefreiungen, die den Begünstigten besserstellen als die übrigen Abgabenpflichtigen (so
Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 19. Mai 1999 C-6/97, Slg. I-1999, 2981).
21 c) Obwohl dieser europarechtliche Gesichtspunkt nicht den Erwerb durch Alteigentümer betraf, wirkt er sich auch auf
solche Personen aus, denen land- und forstwirtschaftliches Vermögen durch Enteignung auf besatzungsrechtlicher
oder besatzungshoheitlicher Grundlage entzogen worden ist und die nicht zu den Neu- oder Wiedereinrichtern
gehören. Der Gesetzgeber des AusglLeistG sah sich nämlich von Anfang an genötigt, diese verschiedenen
Erwerbsgruppen aus innerdeutschen Gründen gleich zu behandeln.
22 d) Ungeachtet der grundsätzlich auf Wiedergutmachung gerichteten Zielrichtung des AusglLeistG werden in dessen §
3 (Flächenerwerb) zwei unterschiedliche Regelungsbereiche zusammengefasst, nämlich neben einem
Wiedergutmachungsprogramm für Alteigentümer ein eigenständiges Förderprogramm zum Aufbau der Land- und
Forstwirtschaft in den neuen Bundesländern (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Mai 1996 1 BvR 1408/95, BVerfGE 94,
334, 349). Letzteres war ein besonderes Anliegen der neuen Bundesländer, die dabei vornehmlich den
Flächenerwerb durch selbstwirtschaftende Pächter im Auge hatten und eine Bevorzugung der Bodenreformopfer
ablehnten (vgl. dazu Hauer in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 3 AusglLeistG Rz 24, sowie
das Petitum des Landes Brandenburg, über das das BVerfG mit Beschluss vom 29. April 1996 2 BvG 1/93, BVerfGE
94, 297 zu entscheiden hatte). Bei dieser Ausgangslage war es geboten, die Preisgestaltung für sämtliche
Erwerbsfälle einheitlich zu regeln und damit auch alle gleichermaßen der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen. Dies
verstieß nicht gegen das Willkürverbot, zumal dem Gesetzgeber auf dem Gebiet der Wiedergutmachung auch im
Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG ein besonders weites Beurteilungsermessen zukommt (so Urteil des BVerfG vom 22.
November 2000 1 BvR 2307/94, 1120, 1408, 2460, 2471/95, BVerfGE 102, 254, 299).