Urteil des BFH vom 24.02.1997
BFH (verhandlung, rüge, bezug, darlehen, beschwerde, steuerhinterziehung, sache, höhe, verletzung, abweichung)
BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 12.6.2009, II B 26/09
Keine Verletzung des Rechts auf Gehör, wenn Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung von der zu ihrer Vorbereitung
mitgeteilten "vorläufigen Einschätzung" abweicht - Keine Abweichung vom BFH-Urteil vom 7.11.2006 VIII R 81/04 mangels
Berufung auf Beweiserleichterung - Parteiöffentlichkeit von Erörterungs- und Beweisterminen
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres 2006 verstorbenen Ehemannes
(E). Dieser war in den Jahren 1992/1993 mit einer Steuerfahndungsprüfung überzogen worden, die u.a. die
Vermögensteuer 1981 bis 1990 betraf. Vermögensteuererklärungen hatte E bis dahin nicht abgegeben. Aufgrund der
Prüfung erging am 17. August 1994 ein Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1984; die dabei festgesetzte
Steuer minderte sich durch Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 1997 auf 2 385 DM. Als Besteuerungsgrundlage
waren angesetzt: Grundvermögen in Höhe von 63 140 DM, Sparguthaben von 849 318 DM, ein Nießbrauch an einem
Grundstück im Wert von 10 017 DM, eine Rentenverpflichtung mit 69 201 DM sowie eine Darlehensschuld von 50 000
DM. Das Darlehen sollte von einer Frau X gewährt worden sein. Schriftliche Unterlagen gibt es weder über die
Gewährung noch über die Rückzahlung des Darlehens. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--)
erkannte es daher nur zum Teil an.
2 Die gegen die Steuerfestsetzung erhobene Klage blieb erfolglos. Die Klägerin hatte sich gegen die Annahme
gewendet, E habe eine Steuerhinterziehung begangen. Sie bestritt, dass E überhaupt gewusst habe,
vermögensteuerpflichtig --und damit zu den Hauptveranlagungszeitpunkten erklärungssteuerpflichtig-- gewesen zu
sein. In der mündlichen Verhandlung hatte sie beantragt, mehrere Personen als Zeugen zu vernehmen, darunter den
Steuerberater Dr. A als Zeugen dafür, E dahin beraten zu haben, dass keine Vermögensteuererklärungen abzugeben
seien.
3 Das Finanzgericht (FG) bejahte eine Steuerhinterziehung durch E, ohne die Zeugen zu vernehmen.
4 Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin Verfahrensfehler. Außerdem macht sie
geltend, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Revisionsentscheidung.
5 Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet.
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1. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sind
entweder nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ausreichend dargelegt oder liegen nicht vor.
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a) Die Rüge, das FG habe in der mit Anschreiben vom 7. Februar 2006 übersandten "Darstellung des Sachverhalts",
die der "Vorbereitung der mündlichen Verhandlung" u.a. auch zur Vermögensteuer 1984 habe dienen sollen, noch
Zweifel an dem nunmehr zugrunde gelegten Vermögen geäußert, ergibt keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2
Nr. 3 FGO. Bei der Darstellung handelt es sich lediglich um eine vorläufige Einschätzung, die ausdrücklich unter dem
Vorbehalt "besserer Erkenntnisse" gestanden hat. Die Darstellung hat auch nicht bewirkt, dass sich das spätere Urteil
des FG als Überraschungsentscheidung erweist, durch die das Recht auf Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des
Grundgesetzes --GG--) verletzt sein könnte. Dem steht die nach Übersendung des Anschreibens und vor Ergehen des
Urteils durchgeführte mündliche Verhandlung entgegen, in der die Sache ausweislich der Sitzungsniederschrift in
tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert worden ist. Außerdem war der Klägerin die geänderte Sichtweise des FG
aus seiner ein knappes Jahr zuvor ergangenen Entscheidung zur Vermögensteuer 1982 bereits bekannt.
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b) Die Rüge, das FG habe zu Unrecht von den Beweiserleichterungen bei Auslandssachverhalten Gebrauch gemacht
und dadurch zu Ungunsten der Klägerin die Beweislast umgekehrt, greift ebenfalls nicht durch. Eine Abweichung von
den Rechtsgrundsätzen, die dem von der Klägerin angeführten Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. November
2006 VIII R 81/04 (BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364) zugrunde liegen, scheidet somit aus. Die Voraussetzungen einer
Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO sind nicht erfüllt. Es ist zwar zutreffend, dass bei
nicht behebbaren Zweifeln die Feststellung einer Steuerhinterziehung mittels reduzierten Beweismaßes nicht zulässig
ist (so das BFH-Urteil in BFHE 215, 66, BStBl II 2007, 364) und folglich die Finanzgerichte eine Steuerstraftat nur
feststellen können, wenn sie von ihrem Vorliegen überzeugt sind; im Streitfall hat sich aber das FG diese
Überzeugung von einer Hinterziehung der Vermögensteuer 1984 gebildet, ohne sich dabei auf
Beweiserleichterungen zu berufen. Für diese Überzeugung war kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für
die Feststellung anderer Tatsachen, für die die Finanzbehörde die Feststellungslast trägt (vgl. Beschluss des Großen
Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570, unter C.II.1.).
10 c) Auch mit der bloßen Behauptung, Art. 14 GG sei verletzt, ist kein Revisionsgrund dargelegt. Soweit in diesem
Zusammenhang auf das behauptete Darlehen der 1984 verstorbenen X Bezug genommen wird, hat das FG seine
Überzeugung, ein Darlehen in der geltend gemachten Höhe von 280 000 DM sei nicht gewährt worden, ausreichend
damit begründet, dass es weder für die Darlehenshingabe noch für die Darlehensrückzahlung irgendeinen
schriftlichen Beleg gebe.
11 d) Die Rüge, es sei bei der Ermittlung des Vermögens eine zu hohe Enteignungsentschädigung angesetzt worden,
geht schon deshalb fehl, weil zum 1. Januar 1984 noch keine derartige Entschädigung zu berücksichtigen gewesen
ist.
12 e) Auch das Vorbringen, die auf Luxemburger Konten befindlichen Guthaben habe E lediglich treuhänderisch
gehalten, ergibt keinen Revisionszulassungsgrund. In der als Beleg für das behauptete Treuhandverhältnis
vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Z ist lediglich von einer Vereinbarung aus dem Jahr 1988 die Rede,
wonach E für ihn habe Gelder verwahren und verwalten sollen. Im Streitfall geht es aber um das Vermögen auf den 1.
Januar 1984.
13 f) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung durch Nichteinvernahme diverser Zeugen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) hat
ebenfalls keinen Erfolg. Soweit sie Beweisanträge betrifft, die in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember
2008 nicht wiederholt worden sind, hat die Klägerin auf die Vernehmung dieser Zeugen verzichtet (§ 155 FGO i.V.m. §
295 der Zivilprozessordnung). Übergangen können daher nur die Beweisanträge sein, die in der mündlichen
Verhandlung wiederholt worden sind. Sie müssen überdies für die Entscheidung des Streitfalls erheblich sein (BFH-
Beschluss vom 7. August 2001 III B 67/00, BFH/NV 2002, 45). Diese Voraussetzungen können allenfalls die
Beweisanträge zu 4., 5. und 6. erfüllen, die in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2007 in der Sache 9 K
387/08 wegen Vermögensteuer 1983 gestellt worden waren und auf die in der Niederschrift über die mündliche
Verhandlung im Streitfall Bezug genommen wird. Die dort ebenfalls in Bezug genommenen Anträge zu 1. bis. 3.
betreffen einen Vorgang nach dem Stichtag 1. Januar 1984.
14 Die verbleibenden Beweisanträge hat das FG zu Recht mit der Begründung abgelehnt, sie seien unsubstantiiert.
Bezüglich der Beweisanträge zu 5. und 6. --betreffend die Zeugen C und Dr. A-- ist nicht erkennbar, wie jemand sicher
sein kann, über die Vermögensverhältnisse eines anderen umfassend und vollständig von diesem unterrichtet worden
zu sein. Der Beweisantrag zu 4. --betreffend den Zeugen Dr. D-- ist nicht erheblich, weil das FG festgestellt hat (S. 11
der Vorentscheidung), dass das Wertpapierkonto schon vor dem 2. März 1982 --d.h. schon vor der Abhebung des
Bargeldes-- einen entsprechenden Bestand aufgewiesen habe.
15 g) Die Rüge, das FG habe die Aussage einer Zeugin verwertet, obwohl die Klägerseite gegen sie Strafanzeige wegen
Falschaussage gestellt habe, ist unschlüssig. Aussagen der Zeugin werden in der Vorentscheidung nicht erwähnt;
außerdem stünde eine derartige Anzeige einer Verwertung der Aussage nicht von vorneherein entgegen.
16 h) Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit dadurch, dass ein der mündlichen Verhandlung
vorausgegangener Erörterungs- und Beweistermin nicht ausreichend durch schriftlichen Aushang kenntlich gemacht
worden sei, ist nicht ausreichend dargelegt. Dazu wäre erforderlich gewesen, Umstände vorzutragen, aus denen sich
ergibt, dass die Verhandlung in Räumen stattfand, zu denen während der Dauer der Verhandlung nicht grundsätzlich
jedermann der Zutritt offenstand (so BFH-Beschluss vom 30. September 1992 IV R 52/92, BFH/NV 1993, 543).
Abgesehen davon sind vorbereitende Erörterungs- und Beweistermine lediglich parteiöffentlich (so bei vergleichbarer
Gesetzeslage Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2000 2 C 5/99, Deutsches
Verwaltungsblatt 2001, 726).