Urteil des BFH vom 02.11.2000

BFH (kläger, rechtliches gehör, vorweggenommene beweiswürdigung, richtigkeit, abbruch, verfahrensmangel, beweisantrag, kenntnis, umstand, erwägung)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 13.8.2008, VIII B 183/07
Unterlassen der Schlussbesprechung nach einer Außenprüfung: Heilung des Verfahrensfehlers - Ablehnung nicht
entscheidungserheblicher Beweisanträge - Verletzung des rechtlichen Gehörs
Gründe
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Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2.
Alternative und Nr. 3 FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
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1. Soweit Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend gemacht werden, wird
damit kein Zulassungsgrund dargetan. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des
angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung erheblich sein können; denn das prozessuale
Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu
gewährleisten (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297,
m.w.N.).
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2. a) Die ordnungsgemäße Darlegung eines Verfahrensmangels verlangt, dass diejenigen Tatsachen --ihre
Richtigkeit unterstellt-- genau und schlüssig bezeichnet werden, aus denen sich ergeben soll, dass ein behaupteter
Verfahrensmangel vorliegt und das angefochtene Urteil --nach der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen
materiell-rechtlichen Auffassung des Finanzgerichts (FG)-- auf ihm beruhen kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV
2006, 2297, m.w.N.).
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b) Das FG hat die wegen Durchführung einer Schlussbesprechung und Fortsetzung der Außenprüfung erhobenen
Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger hinreichend
Gelegenheit erhalten habe, in dem gegen die auf der Außenprüfung beruhenden Änderungsbescheide zur
Umsatzsteuer 1998 und 1999 sowie Einkommensteuer 1999 durchgeführten Einspruchsverfahren Stellung zu
nehmen, die Außenprüfung beim Kläger tatsächlich beendet gewesen sei und nach den gesamten Umständen auch
keine Anhaltspunkte für einen "vorzeitigen Abbruch" gegeben seien.
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Das Gericht darf entscheidungserhebliche ordnungsgemäße Beweisanträge weder ablehnen noch übergehen, wenn
es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es jedoch dann verzichten,
wenn es auf die Beweismittel für seine Entscheidung nicht ankommt (BFH-Urteil vom 2. November 2000 X R 17/00,
BFH/NV 2001, 611, m.w.N.).
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Nach der insoweit maßgebenden Rechtsauffassung des FG kam es ersichtlich nicht auf die vom Kläger angebotenen
Beweise an. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Beweisanträge überhaupt als ordnungsgemäß zu beurteilen
sind; denn danach wird "für alle meine Schreiben die in dieser Klage zitiert worden sind und für alle Schreiben des
Finanzamts, die in dieser Klage zitiert worden sind sowie für Anlagen, die in dieser Klage aufgelistet und beigefügt
sind, Beweisantrag gestellt, damit die befangene Richterin ja nicht wieder auf die Idee kommt alles zu ignorieren, was
ihren 'Freunden' vom Finanzamt auch nur irgendwie Schaden könnte". Hinsichtlich der vom Kläger angebotenen
Termine für eine Schlussbesprechung im Jahr 2005 (S. 6 des Urteils) ist der Beweisantrag nach der insoweit
maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG nicht entscheidungserheblich, weil der mögliche
Verfahrensmangel einer nicht durchgeführten Schlussbesprechung, auf die der geprüfte Steuerpflichtige nicht
verzichtet hat und die auch nicht nach § 201 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) entbehrlich ist, gemäß § 126
Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO geheilt worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Dezember 1997 X B 182/96, BFH/NV 1998,
811, m.w.N.; Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 30. Januar 1997 6 V 1/96, Entscheidungen der
Finanzgerichte --EFG-- 1997, 779; Urteil des FG Köln vom 22. Februar 2000 14 K 3004/99, EFG 2000, 775). Aus
diesem Grund scheidet auch eine vom Kläger insoweit behauptete unzulässige vorweggenommene
Beweiswürdigung aus (dazu BFH-Beschluss vom 21. Februar 2005 VIII B 209/03, BFH/NV 2005, 1123).
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In gleicher Weise scheidet eine Gehörsverletzung gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), § 96 Abs. 2 FGO
aus, wenn --wie hier-- es nach dem formellen oder materiellen Recht auf die Erhebung angebotener Beweise nicht
ankommt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. April 2008 IV B 7/07, juris; vom 27. Mai 2005 VII B 38/04, BFH/NV 2005,
1496). Rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 GG wird dem Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit
erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das
Gericht seinerseits ist verpflichtet, den Vortrag zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Indes liegt in dem
Umstand, dass das FG sich mit dem aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblichen Vorbringen des Klägers nicht
auseinandergesetzt hat, keine Gehörsverletzung; denn das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vortrag in den
Entscheidungsgründen seines Urteils ausdrücklich zu befassen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass
das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (vgl.
BFH-Urteil vom 12. Dezember 2007 XI R 25/07, BFH/NV 2008, 339, ständige Rechtsprechung).
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3. a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gehört u.a. eine
hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung
tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten
Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist
insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische
Rechtsfrage handelt. Es reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angebliche
fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte
Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen
(BFH-Beschlüsse vom 16. Mai 2006 VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477, m.w.N.; vom 27. Mai 2008 VIII B 123/07, juris).
10 b) Der Kläger meint, das FG sei von den BFH-Urteilen vom 24. Oktober 1972 VIII R 108/72 (BFHE 109, 1, BStBl II
1973, 542) und vom 28. Februar 1961 I 234/60 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961, 134) abgewichen,
weil es den "Abbruch" der bei ihm durchgeführten Außenprüfung gebilligt habe.
11 Indes ist das FG aufgrund tatsächlicher Würdigung schon nicht von einem vorzeitigen Abbruch der Prüfung beim
Kläger ausgegangen. Überdies hat der Kläger auch keinen abweichenden abstrakten Rechtssatz auf der Grundlage
des angefochtenen Urteils des FG formuliert und der von ihm zitierten BFH-Rechtsprechung gegenübergestellt.