Urteil des BFH vom 26.11.2009
BFH: Gewerbesteuerpflicht einer Handelsvertreterausgleichszahlung, verdeckte gewinnausschüttung, unternehmer, zustand, vertretung, einspruch, kauf, beendigung
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 26.11.2009, III R 110/07
Gewerbesteuerpflicht einer Handelsvertreterausgleichszahlung
Tatbestand
1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war seit 1978 für die X-GmbH (Unternehmer) als Handelsvertreterin
tätig. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich.
2
Am 15. Mai 1985 errichtete sie die Y-GmbH(GmbH), deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin sie wurde,
und betraute sie als Untervertreterin mit der Vertretung der von ihr betreuten Firmen. Die GmbH sollte die Provisionen
erhalten, die die Klägerin von den von ihr vertretenen Unternehmen erhielt.
3
Am 30. Juni 1985 veräußerte die Klägerin ihr gesamtes aktives und passives Betriebsvermögen durch einen
schriftlichen "Rahmen-Kauf- und Übertragungsvertrag" an die GmbH. Der Saldo zwischen dem übertragenen Aktiv-
und Passivvermögen sollte dem bei der GmbH für die Klägerin geführten Kontokorrentkonto gutgeschrieben werden.
Das Einzelunternehmen sollte aufgegeben werden und die Klägerin verpflichtete sich, ihre Handelsvertretung
unverzüglich abzumelden und sich jeder weiteren Tätigkeit in ihrem Namen zu enthalten. In dem "Rahmen-Kauf- und
Übertragungsvertrag" wird weiter ausgeführt, der Unternehmer habe sich mit dem Vertrag vom 15. Mai 1985
einverstanden erklärt und der Übernahme der Vertretung durch die GmbH zugestimmt; die folgenden
Provisionsabrechnungen/Gutschriften würden auf die GmbH ausgestellt.
4
Dem für die Besteuerung der GmbH zuständigen Finanzamt teilte die Klägerin im Juli 1985 mit, die GmbH sei
Gesamtrechtsnachfolgerin des Einzelunternehmens geworden. In den Folgejahren setzte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) keine Gewerbesteuermessbeträge mehr für die Klägerin fest.
5
Nach der Auflösung des Vertragsverhältnisses mit dem Unternehmer erhielt die Klägerin 759.729,49 DM (=
660.634,34 DM zzgl. Umsatzsteuer) auf Grund einer Einigung vom 1. Februar 1995 über die Höhe des
Ausgleichsanspruchs nach § 89b des Handelsgesetzbuchs (HGB). Zugrunde gelegt waren die Umsätze der Jahre
1989 bis 1994. Der Anspruch, den "ich laut meinen Unterlagen habe", war mit Schreiben der GmbH vom 2. Januar
1995 geltend gemacht worden. Die Einigung regelte, dass mit der Zahlung "dem Handelsvertreter Frau A" keine
weiteren Ansprüche bezüglich des Ausgleichsanspruchs zustünden. Die Klägerin unterzeichnete doppelt, zum einen
als "Handelsvertreter" und zum anderen als Geschäftsführerin der GmbH, für die noch eine Restprovision festgelegt
wurde. Die GmbH wurde später liquidiert.
6
Das FA berücksichtigte die Ausgleichszahlung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Klägerin
erklärungsgemäß unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (vgl. § 24 Nr. 1c, § 34 Abs. 2 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes --EStG--).
7
Die Ausgleichszahlung wurde darüber hinaus auch bei der GmbH erfasst. Nach dem Einspruch der GmbH wurde dies
rückgängig gemacht. Zur Einspruchsbegründung hatte die GmbH vorgetragen, ihr seien nur Provisionsansprüche,
nicht aber der Ausgleichsanspruch übertragen worden.
8
Am 7. Oktober 2002 erließ das FA gegenüber der Klägerin den streitigen Gewerbesteuermessbescheid 1995, in dem
es die Ausgleichszahlung in Höhe von 759.729 DM als Gewinn aus Gewerbebetrieb ansetzte. Der Einspruch der
Klägerin blieb erfolglos.
9
Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als die Ausgleichszahlung um die Umsatzsteuer und eine
Gewerbesteuerrückstellung vermindert wurde und sich der Messbetrag dadurch ermäßigte. Im Übrigen wies das
Finanzgericht (FG) die Klage mit Urteil vom 23. März 2006 8 K 3816/03 G (Entscheidungen der Finanzgerichte 2008,
1219) ab. Es führte aus, die Klägerin habe auch nach 1985 einen Gewerbebetrieb unterhalten und sei nach
Abschluss des Untervertretungsvertrags mit der GmbH und der Übertragung ihres Aktiv- und Passivvermögens als
Handelsvertreterin des Unternehmers tätig gewesen.
10 Mit ihrer Revision erhebt die Klägerin sowohl verfahrensrechtliche als auch materiell-rechtliche Rügen.
11 Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil, den Gewerbesteuermessbescheid 1995 und die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise, den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückzuverweisen.
12 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
13 II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, weil
seine Feststellungen nicht für eine abschließende Entscheidung ausreichen, ob die Ausgleichszahlung zu Recht dem
seine Feststellungen nicht für eine abschließende Entscheidung ausreichen, ob die Ausgleichszahlung zu Recht dem
Gewerbesteuermessbescheid 1995 zugrunde gelegt wurde (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --
FGO--).
14 1. Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1
des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--). Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des
EStG zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Die Gewerbesteuer bemisst sich nach dem Gewerbeertrag (§ 7
GewStG), das ist grundsätzlich der nach den Vorschriften des EStG bzw. des Körperschaftsteuergesetzes zu
ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die Hinzurechnungen und Kürzungen nach den
§§ 8 und 9 GewStG. Veräußerungs- und Aufgabegewinne (§ 16 EStG) sind dabei nicht einzubeziehen, weil dies dem
Wesen der Gewerbesteuer als einer auf den tätigen Betrieb bezogenen Sachsteuer widersprechen würde (Urteil des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juni 2007 IV R 49/04, BFHE 217, 150, BStBl II 2009, 289).
15 2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Ausgleichszahlung an den Handelsvertreter i.S. von § 89b
HGB auch dann den Gewerbeertrag erhöht, wenn sie auf Grund der Beendigung eines Handelsvertretervertrags
geleistet wird, die mit der Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit zusammenfällt. Die Ausgleichszahlung ist --als letzter
Geschäftsvorfall-- Bestandteil des laufenden Gewinns, wenn der Gewerbebetrieb mit der Beendigung des
Vertretervertrags veräußert oder aufgegeben wird; als zusätzlicher Vergütungsanspruch für die vor Vertragsende
geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste folgt er unmittelbar aus dem Handelsvertreterverhältnis und
setzt keinen besonderen Willensentschluss voraus, wie ihn die Aufgabe einer Tätigkeit oder eines Gewerbebetriebs
erfordert (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 19. Februar 1987 IV R 72/83, BFHE 149, 188, BStBl II 1987,
570; vom 2. April 2008 X R 61/06, BFH/NV 2008, 1491; BFH-Beschluss vom 17. März 2009 X B 225/08, BFH/NV 2009,
967; kritisch zur Einbeziehung der Ausgleichsansprüche Blümich/ v. Twickel, § 7 GewStG Rz 158).
16 3. Die Feststellungen des FG tragen dessen Schlussfolgerung nicht, die Klägerin habe auch nach 1985 einen eigenen
Gewerbebetrieb unterhalten.
17 a) Die steuerliche Handhabung von 1985 bis 1994, die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs auf Firmenbogen
der GmbH wie auch die Verpflichtung der Klägerin aus dem Vertrag vom 30. Juni 1985, ihre Handelsvertretung
abzumelden und sich jeder weiteren Tätigkeit in ihrem Namen zu enthalten, sprechen dafür, dass
Leistungsbeziehungen seit dem Sommer 1985 nur noch zwischen der GmbH und dem Unternehmer bestanden und
die Klägerin selbst nicht mehr als Gewerbetreibende, sondern nur als Geschäftsführerin der GmbH tätig geworden ist.
18 b) Das FG hat sich zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht lediglich auf den Untervertretungsvertrag vom 15.
Mai 1985 zwischen der Klägerin und der GmbH bezogen und nicht geprüft, ob die GmbH nach dem 30. Juni 1985
alleinige Vertreterin geworden ist. Auch seine Auffassung, dass die Abrechnung von Provisionen zwischen
Unternehmer und GmbH sowohl als Provisionsabrechnung des Unternehmers mit der Klägerin als Hauptvertreterin
als auch der Klägerin mit der GmbH als Untervertreterin anzusehen sei, beruht auf der nicht durch ausreichende
Feststellungen gedeckten Annahme, dass die Klägerin Hauptvertreterin geblieben sei.
19 4. Falls die Ausgleichsforderung der Klägerin zustand, obwohl sie ihren Betrieb 1985, d.h. zehn Jahre zuvor veräußert
hatte, kam der Erlass eines Gewerbesteuermessbescheides nicht in Betracht, wenn sie seitdem nicht mehr als
Handelsvertreterin tätig gewesen war. Denn der Gewerbesteuer unterliegen nur tätige Betriebe (BFH-Urteil in BFHE
217, 150, BStBl II 2009, 289). Wurde die werbende Tätigkeit beendet, so sind nachträgliche Betriebseinnahmen oder -
ausgaben gewerbesteuerlich nicht mehr zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 31. März 1977 IV R 111/76, BFHE 122,
139, BStBl II 1977, 618; Blümich/v. Twickel, § 7 GewStG Rz 154). Durch die bloße Vereinnahmung einer
Ausgleichszahlung wird auch kein neuer, der Gewerbesteuer unterliegender, Betrieb eröffnet. Im Streitfall könnte dann
die nach den Umsätzen 1989 bis 1994 bemessene und 1995 vereinnahmte Zahlung nicht mehr dem 1985
veräußerten Einzelunternehmen zugerechnet werden.
20 Falls der Ausgleichsanspruch nicht der Klägerin, sondern der GmbH zustand, die das gesamte Aktivvermögen des
Einzelunternehmens übernommen hatte, läge in der Auszahlung an die Klägerin eine verdeckte Gewinnausschüttung,
deren Zufluss bei der Klägerin zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört und keine Gewerbesteuer auslöst.
21 5. Da die Sache zurückverwiesen wird, erübrigt sich eine Entscheidung zu den geltend gemachten Verfahrensfehlern.
22 6. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die Tatsachen festzustellen und zu würdigen haben, anhand derer beurteilt
werden kann, ob die Ausgleichsforderung tatsächlich der Klägerin zustand und ob diese nach 1985 weiterhin ein
Einzelunternehmen als "inaktive" Hauptvertreterin betrieben hat.