Urteil des BFH vom 04.09.2008

BFH: Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls, entlastungsbeweis, gefährdung, absichtserklärung, rechtseinheit, wirtschaftsprüfer, angestelltenverhältnis, druck

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 4.9.2008, VII B 11/08
Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls
Tatbestand
1 I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen den Widerruf seiner
Bestellung als Steuerberater wegen Vermögensverfalls (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--)
durch den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) als unbegründet abgewiesen.
Das FG hat die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater als gegeben angesehen, da das
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet worden sei und er die daraus folgende Vermutung des
Vermögensverfalls nicht widerlegt habe. Der Kläger habe auch nicht den Nachweis erbracht, dass in seinem Fall
ausnahmsweise eine Gefährdung der Interessen der Auftraggeber durch den Vermögensverfall ausgeschlossen sei.
Insoweit sei sein Vorbringen, dass er sich schwerpunktmäßig mit Schriftstellerei, dem Abhalten von
Lehrveranstaltungen und betriebswirtschaftlicher Beratung beschäftige, nicht ausreichend, da er als bestellter
Steuerberater die Möglichkeit habe, steuerberatend tätig zu sein. Sein Vorbringen, keine Mandantengelder
entgegenzunehmen, habe der Kläger nicht substantiiert und nicht nachgewiesen, wie dies aufgrund verbindlicher
Beschränkungen praktisch vermieden werden könne. Seine erklärte Bereitschaft, das Vier-Augen-Prinzip zu
akzeptieren und sich durch einen anderen Berufsangehörigen kontrollieren zu lassen, sei eine Absichtserklärung.
2 Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf den Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
3 II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht schlüssig dargelegt ist, wie es §
116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
4 Die im Zusammenhang mit dem sog. Entlastungsbeweis stehenden Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des
beschließenden Senats geklärt. Bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den
Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das
Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch
die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen ("es sei denn") ein Absehen von
dem gebotenen Widerruf der Bestellung; aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs-
und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt
(Senatsurteile vom 22. September 1992 VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; vom 4. Dezember 2007 VII R
64/06, zur Veröffentlichung bestimmt, BStBl II 2008, 401, BFH/NV 2008, 701; Senatsbeschluss vom 8. Februar 2000 VII
B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Erforderlich ist ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit
hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden
kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird
(Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 741;
Senatsbeschluss vom 4. März 2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016). Die Beantwortung der Frage, ob
dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der
komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu
berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer
Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile in BFHE 169, 286,
BStBl II 1993, 203; in HFR 2000, 741, und in BStBl II 2008, 401, BFH/NV 2008, 701).
5 Zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hätte die Beschwerde
eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den
betreffenden Fragen im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür
substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits
höchstrichterlich beantworteten Fragen umstritten sind, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang
nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die
höchstrichterliche Auffassung erhoben werden (vgl. BFH-Beschluss vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985,
m.w.N.).
6 Diesen Anforderungen wird die Beschwerde jedoch nicht gerecht. Die von ihr bezeichnete Frage, ob der sog.
Entlastungsbeweis geführt ist, wenn ein Steuerberater, der keine steuerberatende Tätigkeit ausübt, einschränkungslos
seine Bereitschaft erklärt, sich für den Fall der Ausübung der steuerberatenden Tätigkeit dem Vier-Augen-Prinzip zu
unterwerfen und sämtliche Tätigkeiten, die er als Steuerberater erbringt, durch einen anderen Berufsangehörigen
kontrollieren zu lassen, ist keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, sondern zielt lediglich, als allgemeine Frage
formuliert, auf die tatsächliche Situation, in der sich der Kläger nach seinen eigenen Angaben befindet.
7 Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 17. August 2005 6 C 15/04 (BVerwGE 124, 110) betreffend
den Fall eines sich in nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen befindenden Wirtschaftsprüfers zeigt, dass das
BVerwG an den auch für diese Berufsgruppe zu prüfenden sog. Entlastungsbeweis dieselben Anforderungen stellt wie
der beschließende Senat in Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG. Eine insoweit abweichende Rechtsauffassung
des BVerwG kann somit die Beschwerde mit dem Hinweis auf dieses Urteil nicht darlegen.
8 Ebenso wie das BVerwG für Wirtschaftsprüfer hält es der beschließende Senat bei in Vermögensverfall geratenen
Steuerberatern jedenfalls für erforderlich, dass im Arbeitsverhältnis des angestellten Steuerberaters durch
arbeitsvertraglich geregelte konkrete, verbindliche, auf Dauer angelegte und kontrollierbare berufliche
Beschränkungen die Gefährdung von Auftraggeberinteressen als nahezu ausgeschlossen angesehen werden kann.
Derartige verbindliche Beschränkungen hat das FG im Fall des Klägers, der sich nicht einmal in einem
Angestelltenverhältnis befindet, vermisst und hat seine erklärte Bereitschaft, sich ggf. Kontrollen durch andere
Berufsangehörige zu unterwerfen, als eine Absichtserklärung angesehen, die für den Entlastungsbeweis nicht
ausreicht. Grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben sich daraus nicht.