Urteil des BFH vom 19.04.2005
Bindung an eine Steuerbescheinigung i.S. des § 27 KStG 2002 - Ausschüttungen an den Minderheitsgesellschafter bei Ergebnisabführungsvertrag - Einbringungsgeborene Anteile - Steuerpflicht der Einlagenrückgewähr - Dividendengarantien
BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 3.2.2010, I B 32/09
Bindung an eine Steuerbescheinigung i.S. des § 27 KStG 2002 - Ausschüttungen an den Minderheitsgesellschafter bei
Ergebnisabführungsvertrag - Einbringungsgeborene Anteile - Steuerpflicht der Einlagenrückgewähr - Dividendengarantien
Gründe
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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1. a) Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) machen geltend, das Finanzgericht (FG) sei von den Urteilen des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. April 2005 VIII R 27/03 (BFH/NV 2005, 1807), vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92 (BFHE
176, 317, BStBl II 1995, 362) sowie vom Urteil des FG Baden-Württemberg vom 15. Dezember 2008 10 K 169/06
(Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 875) abgewichen.
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b) Die Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)
ist dann geboten, wenn das angefochtene Urteil des FG in seinen tragenden Gründen bei gleichem oder
vergleichbarem Sachverhalt in einer identischen Rechtsfrage von einer Entscheidung des BFH oder eines anderen
Gerichts abweicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2007 XI B 162/06, BFH/NV 2008, 384; vom 20. Dezember
2005 X B 10/05, BFH/NV 2006, 777).
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c) Eine Abweichung liegt nicht vor. Die beiden genannten BFH-Urteile sind zu anders lautenden Rechtsvorschriften
des Anrechnungsverfahrens ergangen, so dass bereits deswegen eine Divergenz ausscheidet. Das Urteil des FG
Baden-Württemberg in EFG 2009, 875 betrifft die Frage, inwieweit dem Feststellungsbescheid über das Einlagekonto
nach § 27 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG 2002) materielle Bindungswirkung gegenüber dem
Anteilseigner zukommt, ferner, ob eine Verwendungsfestschreibung nach § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG 2002 auch für den
Fall eintritt, dass das Einlagekonto in der Bescheinigung nicht erwähnt wird. Demgegenüber streiten die Beteiligten
hier über die Frage, inwieweit im Veranlagungsverfahren des Anteilseigners eine Bindung an die vorgelegte
Bescheinigung der Kapitalgesellschaft nach § 27 Abs. 3 KStG 2002 besteht.
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2. Die von den Klägern für grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gehaltene Frage, ob eine
Steuerbescheinigung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG 2002 materiell-rechtliche Bindungswirkung für die Beteiligten entfalte,
kann im Streitfall offen bleiben. Denn selbst wenn mit den Klägern davon auszugehen wäre, dass die den
Anteilseignern ausgehändigte Bescheinigung der Kapitalgesellschaft nur ein Beweismittel wäre, wäre die
Entscheidung des FG im Ergebnis zutreffend (§ 126 Abs. 4 FGO analog; vgl. BFH-Beschluss vom 28. November 2008
VII B 59/08, BFH/NV 2009, 806). Denn die im Veranlagungsverfahren vorgelegte Bescheinigung erbringt jedenfalls
Beweis darüber, dass an den Anteilseigner der in der Bescheinigung genannte Betrag ausgeschüttet wurde und
inwieweit dieser Betrag aus dem steuerlichen Einlagekonto stammt.
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Die bloße Behauptung, die Bescheinigung sei falsch, ist nicht geeignet, diesen Beweis zu erschüttern. Solange keine
abweichende Bescheinigung vorgelegt wird, können vielmehr Finanzämter und FG regelmäßig von der Richtigkeit der
Bescheinigung ausgehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn --wie hier-- in vollem Umfang eine Einlagenrückgewähr
bescheinigt wird. Denn selbst wenn für die Ausschüttung entgegen der Bescheinigung auch belastetes Eigenkapital
vorhanden war, bleibt die der Bescheinigung zu Grunde gelegte Verwendung gleichwohl unverändert (§ 27 Abs. 1
Satz 5 KStG 2002). Die Steuerbescheinigungen sind daher auch dann richtig, wenn tatsächlich bei der
Kapitalgesellschaft noch weitere Eigenkapitalanteile vorhanden waren, da das Einlagekonto der die Bescheinigung
ausstellenden Körperschaft im bescheinigten Umfang gemindert wird.
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Das Vorbringen des Klägers, die C-AG, an der er als Gesellschafter beteiligt sei, habe die Ausschüttung für Rechnung
der C-GmbH an ihn geleistet, erschüttert den durch die Bescheinigung erbrachten Beweis einer Einlagenrückgewähr
nicht. Denn auch wenn die C-GmbH im Ergebnisabführungsvertrag mit der C-AG dem Kläger als
Minderheitsgesellschafter eine Dividende von 0,76 EUR je Geschäftsjahr und Aktie garantiert hat, handelt es sich
gleichwohl insoweit um Einkommen der Organgesellschaft (C-AG), das an den Minderheitsgesellschafter
ausgeschüttet wird. Für steuerlich anzuerkennende Ergebnisabführungsverträge i.S. des § 14 KStG 2002 folgt dies
aus § 16 KStG 2002, der ausdrücklich bestimmt, dass die Organgesellschaft ihr Einkommen in Höhe von 4/3 der
geleisteten Ausgleichszahlung selbst zu versteuern hat, und zwar selbst dann, wenn die Ausgleichszahlung vom
Organträger erfüllt wird. Aber auch bei zivilrechtlich wirksamen Ergebnisabführungsverträgen, die den Vorgaben des
§ 14 KStG 2002 nicht entsprechen, sind die von der Obergesellschaft an außenstehende Gesellschafter geleisteten
Vergütungen Einkommen der Organgesellschaft (BFH-Beschluss vom 27. November 1956 I D 1/56 S, BFHE 64, 368,
BStBl III 1957, 139).
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3. Auch die Frage, ob eine Verwendung des steuerlichen Einlagekontos i.S. des § 27 KStG 2002 gemäß § 21 Abs. 2
Satz 1 Nr. 3 Alternative 3 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 (UmwStG 1995) vorliege, wenn die Mittel der
Gesellschaft von anderer Seite wieder zugeführt werden, ist nicht klärungsbedürftig. Ob das steuerliche Einlagekonto
für eine Leistung der Gesellschaft als verwendet gilt, ergibt sich aus § 27 KStG 2002. Danach mindern Leistungen der
Kapitalgesellschaft das steuerliche Einlagekonto grundsätzlich nur, soweit sie den auf den Schluss des
vorangegangenen Wirtschaftsjahres ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (§ 27 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002).
Als ausschüttbarer Gewinn gilt dabei das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene
Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos.
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4. Es ist nicht zweifelhaft und daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung, dass die Rechtsfolgen des § 21 Abs. 1
UmwStG 1995 gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG 1995 bei Ausschüttungen von Beträgen aus dem steuerlichen
Einlagekonto i.S. des § 27 KStG 2002 eintreten. Nur soweit die Bezüge die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 1
oder 2 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) erfüllen, also Kapitaleinnahmen darstellen, tritt die
Rechtsfolge nicht ein (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 I R 116/08, Deutsches Steuerrecht 2010, 215, BFHE
227, 397).
10 5. Soweit die Kläger geltend machen, es sei grundsätzlich klärungsbedürftig, ob im Streitfall das
Halbeinkünfteverfahren anwendbar sei, legen sie nicht dar, ob und inwieweit es in der Literatur umstritten ist, dass für
die Ersatztatbestände des § 21 Abs. 2 UmwStG 1995 § 3 Nr. 40 Buchstabe a oder b EStG 2002 oder aber § 3 Nr. 40
Buchstaben d und f EStG 2002 anwendbar sind (vgl. Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 Nr. 40
EStG Rz 82, m.w.N., Rz 190 f.). Zwar fallen Dividendengarantien unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 (BFH-Urteil
vom 2. März 1993 VIII R 13/91, BFHE 171, 48, BStBl II 1993, 602; vom 16. Dezember 2008 VIII B 29/07, BFH/NV 2009,
574), im Streitfall liegt jedoch nach der Bescheinigung eine Einlagenrückgewähr und keine Kapitaleinnahme gemäß §
20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 vor. Auch hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit § 34 EStG 2002 auf die
Ersatztatbestände des § 21 Abs. 2 UmwStG 1995, bei denen die stillen Reserven nur teilweise aufgedeckt werden,
anwendbar ist, zeigen die Kläger nicht auf, dass insoweit Klärungsbedarf besteht.
11 6. Der Senat hält auch die weiteren Rügen für nicht durchgreifend und verzichtet insoweit gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2
FGO auf eine weitere Begründung.