Urteil des BFH vom 30.01.2009

BFH: wiedereinsetzung in den vorigen stand, eigenes verschulden, gesetzliche frist, rechtsmittelbelehrung, zustellung, steuerberater, fristverlängerung, zivilprozessordnung, rechtsirrtum

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 30.1.2009, IV B 105/08
Keine Wiedereinsetzung bei verschuldetem Rechtsirrtum über die Voraussetzungen und die Anforderungen eines
Rechtsmittels
Gründe
1 Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig.
Das Rechtsmittel wurde nicht fristgerecht begründet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.
2 1. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist beim
Bundesfinanzhof (BFH) einzureichen (§ 116 Abs. 3 Satz 2 FGO). Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf
einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO). Eine
weitere Fristverlängerung kommt nicht in Betracht (BFH-Beschlüsse vom 21. September 2001 IV B 118/01, BFHE 196,
56, BStBl II 2001, 768; vom 27. Juli 2005 II B 22/05, BFH/NV 2005, 2036).
3 Im Streitfall lief die --verlängerte-- Begründungsfrist am 27. November 2008 ab. Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin
lediglich einen als "Klage gegen das" Urteil des Finanzgerichts (FG) "in Verbindung mit § 116 Abs. 4 FGO"
bezeichneten Schriftsatz eingereicht, der keine Begründung der bereits eingelegten Beschwerde enthielt. Die
Beschwerdebegründung selbst ist erst am 19. Dezember 2008 und damit verspätet beim BFH eingegangen.
4 2. Die von der Klägerin beantragte Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist kann nicht gewährt werden.
5 a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne
Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei ist das Verschulden des
Prozessbevollmächtigten der Klägerin als ihr eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der
Zivilprozessordnung --ZPO--; ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. Februar 2001 X R 5/01, BFH/NV
2001, 936, und vom 24. März 2006 V R 59/05, BFH/NV 2006, 1323).
6 b) Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen, aufgrund der Art der Abfassung des FG-
Urteils sei darüber "Verwirrung" entstanden, ob das Urteil revisibel sei. Das FG sei in seinem Urteil --entgegen der
Praxis von anderen FG-- nicht ausdrücklich auf die Nichtzulassung der Revision eingegangen.
7 c) Von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe, der als Prozessbevollmächtigter beim BFH ein Rechtsmittel
einlegt, muss erwartet werden, dass er die Voraussetzungen und die Anforderungen für dieses Rechtsmittel kennt oder
dass er sich zumindest davon Kenntnis verschafft (BFH-Beschlüsse vom 7. Januar 1998 VII B 222/97, BFH/NV 1998,
616; vom 2. Februar 2004 VII B 284/03, BFH/NV 2004, 963); ferner muss er die Hinweise in der Rechtsmittelbelehrung
beachten (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2001, 936; in BFH/NV 2004, 963).
8 Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, ein Steuerberater, hätte daher wissen müssen, dass die Revision gegen ein
Urteil des FG --wie sich eindeutig aus dem Wortlaut des § 115 Abs. 1 FGO ergibt-- einer ausdrücklichen Zulassung
bedarf und dass die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 FGO zu
begründen ist. Das Versäumen der Begründungsfrist wäre zudem vermeidbar gewesen, wenn der
Prozessbevollmächtigte die Hinweise der Rechtsmittelbelehrung beachtet hätte. Denn danach konnte die
Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde angefochten werden und war die Nichtzulassungsbeschwerde
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen.