Urteil des BFH vom 31.01.1994
Voraussetzungen von Duldungs- und Anscheinsvollmacht - Verletzung der Belehrungspflicht und Verwertungsverbot - erhöhte Mitwirkungspflicht bei Zuordnung von Baumaßnahmen zu den Herstellungskosten - Aktivierung der Provisionsforderung eines Handelsvertrete
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 28.10.2009, I R 28/08
Voraussetzungen von Duldungs- und Anscheinsvollmacht - Verletzung der Belehrungspflicht und Verwertungsverbot -
erhöhte Mitwirkungspflicht bei Zuordnung von Baumaßnahmen zu den Herstellungskosten - Aktivierung der
Provisionsforderung eines Handelsvertreters - Aufgabe der sog. Theorie der finalen Betriebsaufgabe - Voraussetzung für
Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO
Tatbestand
1
A. Streitpunkt ist u.a., ob durch Wegzug und Verlegung des Betriebs eines selbständigen Handelsvertreters nach
Luxemburg ein fiktiver Aufgabegewinn zu versteuern ist.
2
Der zunächst im Inland wohnhafte Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte dort in den
Streitjahren (1992 und 1993) als Handelsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 des
Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG 1990.
Die Steuererklärungen für 1992 hatte er im Jahr 1993, die Erklärungen für 1993 hatte er im Jahr 1995 eingereicht.
3
Am 31. Dezember 1993 verzog der Kläger nach Luxemburg. Er übte von dort aus die Tätigkeit als Handelsvertreter
weiterhin aus.
4
Im November 1993 erließ der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für das
Streitjahr 1992 einen Einkommensteuerbescheid, der im Oktober 1996 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung
(AO) und im Februar 1997 nach § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 geändert wurde. Für das Kalenderjahr 1993 hatte das
FA erstmals im April 1995 einen Einkommensteuerbescheid erlassen, der im Oktober 1996 und im Februar 1997
jeweils nach § 164 Abs. 2 AO geändert wurde; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
5
Den erstmaligen Bescheid für das Jahr 1992 über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag erließ das FA im
November 1993; er wurde im Oktober 1996 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert. Der erstmalige Bescheid über den
Gewerbesteuermessbetrag des Jahres 1993 datierte vom April 1995; dieser Bescheid wurde im Oktober 1996 nach §
164 Abs. 2 AO geändert; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
6
Die Bekanntgabe der geänderten Einkommensteuerbescheide sowie der Bescheide über den einheitlichen
Gewerbesteuermessbetrag erfolgte mit der Versendung an den damaligen Steuerberater des Klägers, M. Dieser hatte
in den Jahren 1994 bis 1996 namens des Klägers beim FA verschiedene Anträge gestellt (Anträge auf Anpassung
und Herabsetzung der Vorauszahlungen, auf Stundung und Teilzahlung und auf Aussetzung der Vollziehung) sowie
gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 Einspruch eingelegt und für den Kläger an Erörterungen mit dem
zuständigen Sachbearbeiter des FA teilgenommen. Nachdem M dem FA mit Schreiben vom 31. Januar 1994 mitgeteilt
hatte, der Kläger sei nach Luxemburg verzogen, forderte das FA M mit Schreiben vom 9. Februar 1995 auf, für den
Kläger einen inländischen Empfangsbevollmächtigten zu benennen. Daraufhin ließ M dem FA im April 1995 über
einen Mitarbeiter seiner Kanzlei mitteilen, der den Kläger betreffende Schriftverkehr solle weiterhin an ihn (M) gesandt
werden.
7
In der Zeit vom 29. Oktober 1997 bis 7. Dezember 2000 fand (mit Unterbrechungen) eine Außenprüfung beim Kläger
statt. Eine Ausfertigung der Prüfungsanordnung vom 12. September 1997 wurde an M übersandt.
8
Nach Eingang einer Kontrollmitteilung des Finanzamts für Großbetriebsprüfung B im Januar 1998 wurde im März
1998 ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger eingeleitet. Nachdem sich der Verdacht der Steuerhinterziehung
nicht weiter erhärtet hatte, wurde das Steuerstrafverfahren nach einem abschließenden Gespräch mit dem Kläger im
Dezember 1998 eingestellt und die Außenprüfung beim Kläger fortgesetzt.
9
Der Prüfer nahm in seinem Bericht über die Außenprüfung vom 7. Dezember 2000 aufgrund der von ihm getroffenen
Feststellungen u.a. folgende Änderungen der Besteuerungsgrundlagen vor:
10 - Anschaffungsnahe Aufwendungen:
Aufwendungen für Baumaßnahmen (Mietereinbauten und Reparaturkosten) in beiden Streitjahren an einem Gebäude
in R, das der Kläger zunächst noch betrieblich genutzt und ab 15. Februar 1992 vermietet hatte, behandelte der Prüfer
im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht als in voller Höhe abzugsfähige Werbungskosten,
sondern ordnete sie als anschaffungsnahe Aufwendungen den Herstellungskosten zu.
11 - Aufgabegewinn:
Im Hinblick auf die Verlegung des Betriebs des Klägers nach Luxemburg legte der Prüfer einen nach Maßgabe von §
16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 EStG 1990 zu versteuernden Aufgabegewinn von insgesamt 887.836 DM zugrunde, wovon auf
den Geschäfts- bzw. Firmenwert 700.000 DM entfielen. Weiterhin erhöhte er den Teilwert der durch die
Betriebsverlegung als entnommen angesehenen Wirtschaftsgüter (Außenanlagen, Fahrzeuge, sonstige abnutzbare
Wirtschaftsgüter) im Vergleich zum bisherigen Ansatz um 50.000 DM. Darüber hinaus setzte der Prüfer die in der
Bilanz zum 31. Dezember 1993 noch nicht ausgewiesenen Provisionsansprüche aus dem Auftragsbestand bis zum
31. Dezember 1993 in Höhe von 75.400 DM an und ordnete sie dem Aufgabegewinn zu; es handelte sich dabei um
Provisionsforderungen für im Dezember 1993 vom Kläger vermittelte Kaufverträge, die von den jeweiligen
Geschäftsherren durch Warenlieferungen im Jahr 1994 erfüllt worden waren.
12 Das FA folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ unter dem Datum vom 20. Februar 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1
AO geänderte Einkommensteuerbescheide für 1992 und 1993 und geänderte Bescheide über die einheitlichen
Gewerbesteuermessbeträge für 1992 und 1993. Die deswegen erhobene Klage stützte der Kläger zuletzt noch auf
den seiner Auffassung nach gegebenen Ablauf der Festsetzungsfrist vor Erlass der Bescheide, auf ein
Verwertungsverbot im Hinblick auf die aus der Außenprüfung gewonnenen Erkenntnisse, auf die Ermittlung des
Aufgabegewinns und die Behandlung der Baumaßnahmen als anschaffungsnahe Aufwendungen. Die Klage hatte
insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz den im geänderten Einkommensteuerbescheid für 1993
angesetzten Aufgabegewinn um die auf den Geschäftswert/Firmenwert entfallenden 700.000 DM reduziert hat; es hält
die Besteuerung eines Aufgabegewinns infolge der Betriebsverlegung im Hinblick auf den Geschäftswert für
gemeinschaftsrechtswidrig (Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit). Im Übrigen hat das FG die Klage als
unbegründet abgewiesen. Sein Urteil vom 17. Januar 2008 4 K 1347/03 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte
(EFG) 2008, 680 abgedruckt.
13 Gegen das FG-Urteil richten sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen von Kläger und FA.
14 Der Kläger beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil und die angefochtenen Änderungsbescheide sowie die hierzu
ergangenen Einspruchsentscheidungen aufzuheben.
15 Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16 Die Beteiligten beantragen im Übrigen, die Revision des jeweils Anderen zurückzuweisen.
17 Während des Revisionsverfahrens ist das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dem Rechtsstreit beigetreten.
Einen Sachantrag hat es nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
18 B. Die Revision des Klägers hat Erfolg; das Rechtsmittel des FA ist hingegen unbegründet.
19 I. Die Revision des Klägers ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung.
20 1. Die Annahme des FG, die angefochtenen Änderungsbescheide seien innerhalb der Festsetzungsfristen ergangen,
wird von den tatrichterlichen Feststellungen nicht getragen.
21 a) Die vierjährigen Festsetzungsfristen für die Einkommensteuer und die Gewerbesteuermessbeträge (§ 169 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 AO) haben gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres begonnen, in dem der
Kläger seine Steuererklärungen eingereicht hatte. Sie endeten demnach für das Streitjahr 1992 regulär mit Ablauf des
Jahres 1997 und für das Streitjahr 1993 regulär mit Ablauf des Jahres 1999, mithin jeweils vor dem Erlass der
angefochtenen Bescheide, die vom 20. Februar 2001 datieren.
22 b) Das FG hat angenommen, der Ablauf der Festsetzungsfristen sei im Streitfall gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO durch
den Beginn der Außenprüfung am 29. Oktober 1997 gehemmt worden. Nach dieser Bestimmung läuft u.a. dann, wenn
vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen wird, die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die
sich die Außenprüfung bezieht, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Bescheide
unanfechtbar geworden sind. Ob eine solche Ablaufhemmung im Streitfall eingetreten ist, lässt sich anhand der
Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen.
23 aa) Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO setzt voraus, dass im Hinblick auf die begonnene Außenprüfung
eine Prüfungsanordnung i.S. des § 196 AO ergangen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Januar 1996
V R 42/95, BFHE 179, 480, BStBl II 1996, 338; vom 6. Juli 1999 VIII R 17/97, BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306;
Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 9. Aufl., § 171 Rz 39). Daran könnte es hier fehlen, weil nach dem Vorbringen des
Klägers dessen früherer Steuerberater M, gegenüber dem das FA die Prüfungsanordnung vom 12. September 1997
bekannt gegeben hat, nicht empfangsbevollmächtigt war. Die Bekanntgabe an den Steuerpflichtigen oder an einen
Bevollmächtigten (vgl. BFH-Beschluss vom 3. März 2003 IX B 206/02, BFH/NV 2003, 884) ist aber gemäß § 122, § 197
AO Voraussetzung für die Wirksamkeit der Prüfungsanordnung.
24 bb) Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob zum Bekanntgabezeitpunkt eine rechtsgeschäftlich
(ausdrücklich oder konkludent) erteilte Empfangsvollmacht des M bestanden hat, sondern hat die wirksame
Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gegenüber M auf eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht des M gestützt.
Diese hat es daraus abgeleitet, dass M im Zeitraum vor der Bekanntgabe für den Kläger mehrfach im Verfahren der
Einkommensteuerveranlagung und in den Rechtsbehelfsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 und
den Bescheid über die Feststellung des Gewerbesteuermessbetrags 1993 für den Kläger aufgetreten sei; überdies
habe M dem FA mitteilen lassen, dass der den Kläger betreffende Schriftverkehr nach dem Umzug nach Luxemburg
weiterhin über ihn (M) abgewickelt werden solle. Diese Feststellungen reichen indes für das Vorliegen einer
Anscheins- oder einer Duldungsvollmacht nicht aus.
25 aaa) Von einer Anscheinsvollmacht wird gesprochen, wenn der Vertretene das Handeln eines angeblichen Vertreters
nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn ferner der
Geschäftsgegner nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln seines
Vertreters. Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für
ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf,
dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (BFH-Urteil vom 28. Januar 1976 IV R 168/73, BFHE 118, 49,
BStBl II 1976, 344; BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 884; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 80 AO Rz 10).
26 bbb) Von diesen Definitionen ist zwar auch das FG ausgegangen. Jedoch fehlt es an den erforderlichen
Feststellungen zu wesentlichen Tatbestandsmerkmalen. So ist anhand der Entscheidungsgründe nicht erkennbar,
inwiefern der Kläger nach Dafürhalten des FG gewusst hat, dass sich M gegenüber dem FA nach dem Umzug des
Klägers nach Luxemburg als weiterhin bevollmächtigt geriert hat; nur dann käme nach der vorstehenden Definition
das Institut der Duldungsvollmacht in Betracht. Hinsichtlich des Tatbestands der Anscheinsvollmacht fehlt es an
Feststellungen zur Zurechenbarkeit des von M gesetzten Rechtsscheins zum Kläger. Das FG stellt ausschließlich auf
den von M erzeugten Rechtsschein ab und befasst sich nicht mit der Frage, ob der Kläger das Auftreten des M als
Vertreter bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können.
27 cc) Bei der erneuten Befassung mit der Sache wird das FG auch zu prüfen haben, ob im Streitfall nicht eine formlos --
z.B. durch schlüssiges Verhalten des Klägers-- erteilte Vollmacht gegeben sein könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 12.
Oktober 2005 XI B 11/04, BFH/NV 2006, 237). Gegebenenfalls ist auch an eine Heilung einer unwirksamen
Bekanntgabe durch tatsächliche Weiterleitung zu denken (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Dezember 1989 III R 49/89,
BFH/NV 1991, 288; in BFH/NV 2006, 237).
28 2. Die Frage, ob die Prüfungsanordnung wirksam zugestellt wurde, ist entscheidungserheblich. Über die
Begründetheit der Klage kann nicht vollen Umfangs ohne ihre Beantwortung entschieden werden.
29 a) Der Eintritt der Ablaufhemmung ist nicht aufgrund des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO ausgeschlossen. Die Rüge des
Klägers, das FG habe den Tatbestand dieser Vorschrift im Streitfall zu Unrecht verneint, bleibt ohne Erfolg.
30 Gemäß § 171 Abs. 4 Satz 2 AO greift die Ablaufhemmung gemäß Satz 1 nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar
nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde
zu vertreten hat. Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfall nicht vor. Die Vorinstanz ist zu dem Ergebnis gekommen,
dass der als Zeuge vernommene Prüfer bis zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Prüfung im November 1997 an
mehreren Tagen in erheblichem Umfang Prüfungshandlungen vorgenommen und Feststellungen getroffen hatte, so
dass entgegen der Darstellung des Klägers von einer Prüfungsunterbrechung unmittelbar nach Prüfungsbeginn bzw.
einer sog. "Scheinprüfung" nicht die Rede sein könne. An die tatrichterliche Beweiswürdigung, die das FG in
verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen hat und die weder gegen Denkgesetze noch
gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Soweit sich der Kläger
demgegenüber in der Revisionsbegründung weiterhin auf den Standpunkt stellt, es liege offenkundig eine
Scheinprüfung vor, setzt er lediglich die eigene Beweiswürdigung an die Stelle jener des FG. Revisionsrechtlich
beachtliche Fehler vermag er nicht aufzuzeigen.
31 b) Unbegründet sind des Weiteren die Einwände des Klägers gegen die Annahme des FG, die in der Außenprüfung
gewonnenen Erkenntnisse unterlägen im Hinblick auf eine unterbliebene Belehrung des Klägers gemäß § 393 Abs. 1
Satz 4 AO keinem Verwertungsverbot.
32 aa) Gemäß § 393 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO sind nach Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Steuerpflichtigen
Zwangsmittel (§ 328 AO) im Besteuerungsverfahren unzulässig, wenn der Steuerpflichtige dadurch gezwungen wäre,
sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. § 393 Abs. 1
Satz 4 AO schreibt vor, dass der Steuerpflichtige darüber zu belehren ist, soweit dazu Anlass besteht.
33 bb) Ob danach im Streitfall für das FA Anlass zur Belehrung des Klägers bestanden hat, bedarf für die hier
maßgebliche Frage keiner Entscheidung. Denn im Besteuerungsverfahren besteht kein allgemeines gesetzliches
Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden (vgl. z.B. BFH-
Beschluss vom 30. Oktober 2008 VIII B 146/07, juris, m.w.N.). Deshalb führt auch eine Verletzung der
Belehrungspflicht des § 393 Abs. 1 Satz 4 AO im Besteuerungsverfahren grundsätzlich zu keinem Verwertungsverbot
(BFH-Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 11/01, BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328).
34 cc) Im Übrigen ist den tatrichterlichen Feststellungen kein Anhalt dafür zu entnehmen, dass das FA den Kläger unter
dem Eindruck angedrohter oder angewendeter Zwangsmittel zu konkreten Mitwirkungshandlungen im
Besteuerungsverfahren veranlasst hat. Nur die daraus gewonnenen Erkenntnisse kämen aber überhaupt für ein
Verwertungsverbot in Betracht. Insbesondere ist das FG im Rahmen der Beweiswürdigung zu dem Ergebnis
gekommen, dass der vom Kläger behauptete Besprechungstermin mit dem Prüfer, dessen Sachgebietsleiter, dem
Kläger und dem Steuerberater M vom 26. März 1998 nicht stattgefunden hat. Auch insoweit ist der Senat gemäß § 118
Abs. 2 FGO an die revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Feststellungen gebunden. Soweit der
Kläger die Aussagekraft der vom FG als eines von mehreren Indizien herangezogenen Reisekostenabrechnung des
Prüfers in Zweifel zieht, ergibt sich daraus kein Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze.
35 c) Die Begründetheit der Einwendungen des Klägers gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Änderungsbescheide
lässt sich anhand der tatrichterlichen Feststellungen ebenfalls nicht in allen Punkten abschließend klären.
36 aa) Der Kläger rügt zu Recht, dass die Vorinstanz die Aufwendungen für die Baumaßnahmen an dem vermieteten
Gebäude in R ohne konkrete Feststellungen als anschaffungsnahe Aufwendungen behandelt und sie deshalb bei der
Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur über ein erhöhtes Abschreibungsvolumen --und nicht
gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1990 als sofort abziehbare Werbungskosten-- berücksichtigt hat.
37 aaa) Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, um welche Art von Baumaßnahmen es sich konkret gehandelt
und in welchem Maße sich der Zustand des Gebäudes dadurch verbessert hat. Deshalb lässt sich anhand der
angefochtenen Entscheidung nicht beurteilen, ob es sich bei den Baumaßnahmen um solche gehandelt hat, die
entweder der Herstellung oder Erweiterung des Gebäudes gedient oder zu einer wesentlichen Verbesserung des
Gebäudes gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) geführt haben. Das ist aber nach der BFH-
Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569; vom 25.
September 2007 IX R 28/07, BFHE 219, 96, BStBl II 2008, 218) die Voraussetzung für die Zuordnung der
Aufwendungen zu den Herstellungskosten.
38 bbb) Entgegen der Sicht der Vorinstanz kann die Zuordnung zu den Herstellungskosten nicht darauf gestützt werden,
dass der Kläger Mitwirkungspflichten verletzt hat. Die Feststellungslast hinsichtlich der Tatsachen, die eine
wesentliche Verbesserung begründen und deshalb die Behandlung als Herstellungskosten rechtfertigen, trägt das FA
(BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569). Da das FA in der Regel nicht in der Lage ist, den Zustand eines
Gebäudes im Zeitpunkt des Erwerbs festzustellen, trifft den Steuerpflichtigen insoweit zwar eine erhöhte
Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 1 Satz 3 AO, vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569). Diese erhöhte
Mitwirkungspflicht führt aber nicht dazu, dass der Steuerpflichtige ohne vorherigen Aufklärungsversuch der
Finanzbehörde oder des Gerichts unaufgefordert aus eigener Initiative zu begründen hat, warum die von ihm als
Werbungskosten abgezogenen Aufwendungen nicht zu einer wesentlichen Verbesserung des Gebäudes geführt
haben. Dadurch würden die Anforderungen an die Mitwirkungspflicht in einer Weise überdehnt, dass die
Feststellungslast faktisch umgekehrt wäre. Aus der Feststellungslast der Finanzbehörde folgt vielmehr, dass zunächst
das FA konkrete Ermittlungen darüber anstellen muss, aus welchen Gründen eine Zuordnung der Aufwendungen zu
den Herstellungskosten in Betracht kommt. Dabei kann es den Steuerpflichtigen erforderlichenfalls zu bestimmten
Mitwirkungshandlungen auffordern. Erst wenn der Steuerpflichtige dem nicht im gebotenen Umfang nachkommt und
deshalb nach Ausschöpfung der behördenseitigen Erkenntnismöglichkeiten noch Unsicherheiten verbleiben, kann
dies zu Lasten des Steuerpflichtigen gewertet werden (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 IX R 75/03, BFH/NV 2005,
1765; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 90 AO Rz 14).
39 Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keine Mitwirkungspflichten verletzt. Im Rahmen der Außenprüfung hat nach
den Feststellungen des FG die Frage der wesentlichen Verbesserung des Gebäudes durch die Baumaßnahmen keine
Rolle gespielt und sind insoweit auch keine Feststellungen getroffen worden. Dass solche Feststellungen --wie das
FG meint-- auf der Grundlage des Stands der BFH-Rechtsprechung zu den sog. anschaffungsnahen Aufwendungen
zum Prüfungszeitpunkt noch nicht erforderlich gewesen sein mögen, ist für die Beurteilung des Streitfalls irrelevant.
Auch im weiteren Verlauf der Besteuerungsverfahren sind insoweit keine Ermittlungen mehr angestellt worden.
Ebenso wenig ist ersichtlich, dass der Kläger vom FA --oder vom FG-- zur Mitwirkung an der Aufklärung des
Sachverhalts aufgefordert worden wäre. Bei dieser Sachlage hat für diesen kein Anlass bestanden, von sich aus
bestimmte Mitwirkungshandlungen vorzunehmen.
40 bb) Keiner weiteren Feststellungen bedarf die Frage der Besteuerung der Provisionsforderungen des Klägers in Höhe
von 75.400 DM für das Streitjahr 1993. Die von FA und FG für das Streitjahr 1993 als Aufgabegewinn der Besteuerung
unterworfenen Forderungen waren nicht zu versteuern.
41 aaa) Soweit der Kläger nunmehr allerdings geltend macht, die Provisionsforderungen seien bereits in seiner
ursprünglichen Bilanz zum 31. Dezember 1993 aktiviert gewesen und deshalb schon Bestandteil des erklärten
laufenden Gewinns dieses Streitjahres, kann er damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Nach den
bindenden Feststellungen des FG waren die Provisionsansprüche nicht in der Bilanz des Klägers zum 31. Dezember
1993 aktiviert. Dem entspricht es, dass der Kläger die Berücksichtigung der Forderungen als Teil des Aufgabegewinns
erstinstanzlich mit der Begründung angegriffen hatte, die Erträge aus den Provisionsforderungen habe er im Jahr
1994 in Luxemburg versteuern müssen. Der neue Tatsachenvortrag zur Aktivierung der Forderungen bereits zum 31.
Dezember 1993 ist in der Revisionsinstanz nicht zulässig.
42 bbb) Die Provisionsforderungen waren in der Bilanz zum 31. Dezember 1993 nicht zu aktivieren. Der
Provisionsanspruch des Handelsvertreters ist grundsätzlich erst zu aktivieren, wenn der Unternehmer (Geschäftsherr)
das vom Handelsvertreter vermittelte Geschäft ausgeführt hat (BFH-Urteile vom 15. Januar 1963 I 259/61 S, BFHE 76,
699, BStBl III 1963, 256; vom 17. Januar 1963 IV 335/59 S, BFHE 76, 702, BStBl III 1963, 257; vom 3. Mai 1967 I
111/64, BFHE 88, 498, BStBl III 1967, 464). Dem entspricht es spiegelbildlich, dass der Geschäftsherr vor Ausführung
des Liefergeschäfts keine Rückstellung für die künftige Forderung des Handelsvertreters auf Provision bilden darf
(BFH-Urteile vom 19. Oktober 1972 I R 50/70, BFHE 107, 426, BStBl II 1973, 212; vom 22. Februar 1973 IV R 168/71,
BFHE 109, 33, BStBl II 1973, 481; vom 20. Januar 1983 IV R 168/81, BFHE 137, 489, BStBl II 1983, 375). Beides
beruht darauf, dass der Provisionsanspruch zwar gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB mit dem erfolgreichen Abschluss der
Vermittlung entsteht, die Provision aber gemäß § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB erst verdient ist, sobald und soweit der
Geschäftsherr das Geschäft ausgeführt hat. Das bedeutet, dass der Provisionsanspruch nach dem Vertragsabschluss
zwischen dem Geschäftsherrn und dem Kunden noch unter der aufschiebenden Bedingung der tatsächlichen
Ausführung des vermittelten Geschäfts durch den Geschäftsherrn steht (BFH-Urteile in BFHE 107, 426, BStBl II 1973,
212; in BFHE 109, 33, BStBl II 1973, 481; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 2004 IX ZR 195/03, BGHZ 159,
388; Emde in Staub, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., § 87 Rz 48; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,
Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., § 87a Rz 2). Erst durch den Bedingungseintritt wird der Provisionsanspruch abrechenbar
und durchsetzbar. Forderungen, die einer echten aufschiebenden Bedingung unterliegen, deren Wesen in der
Ungewissheit des Bedingungseintritts besteht, können indes, solange diese Ungewissheit besteht, nicht aktiviert
werden (Senatsurteil vom 26. April 1995 I R 92/94, BFHE 177, 444, BStBl II 1995, 594; Blümich/Schreiber,
Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 5 EStG Rz 482).
43 Da im Streitfall die Geschäftsherren des Klägers die die Provisionen auslösenden Geschäfte erst im Jahr 1994
ausgeführt haben, standen die Provisionsforderungen des Klägers zum 31. Dezember 1993 noch unter einer
aufschiebenden Bedingung und waren deshalb nicht aktivierungsfähig.
44 ccc) Die vom FG für möglich gehaltene teilweise Aktivierung der Provisionsforderungen als "unfertige Leistungen" (§
266 Abs. 2 Buchst. B. Nr. I. 2. HGB), kommt nicht in Betracht. Denn die Provisionsforderungen waren, weil sie noch
unter der aufschiebenden Bedingung der Geschäftsausführung durch die Geschäftsherren standen, zum
Bilanzstichtag insgesamt noch nicht realisiert. Eine Unterteilung in einen realisierten und einen noch nicht realisierten
Forderungsteil ist deshalb nicht möglich. Dass der Kläger die ihm obliegenden Vermittlungsleistungen bereits
vollständig erbracht hatte, ändert daran nichts.
45 ddd) Die sonach nicht aktivierungsfähigen Anwartschaften auf die künftigen Provisionsforderungen waren --entgegen
der Sicht von FA und FG-- nicht im Rahmen eines mit der Verlegung des Betriebs des Klägers nach Luxemburg zu
ermittelnden Aufgabegewinns zu versteuern. Der Wegzug und die Betriebsverlegung nach Luxemburg haben als
solche für das Streitjahr 1993 keinen Besteuerungstatbestand im Hinblick auf die gewerblichen Einkünfte des Klägers
ausgelöst (vgl. die nachfolgenden Ausführungen zur Revision des FA).
46 II. Die Revision des FA ist unbegründet. Die Vorinstanz hat die Besteuerung des vom FA mit 700.000 DM
veranschlagten Geschäftswerts als Aufgabegewinn durch den geänderten Einkommensteuerbescheid 1993 im
Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der dem Gewerbebetrieb des Klägers immanente Geschäftswert war im Streitjahr 1993
nicht aufzudecken und im Rahmen eines Aufgabegewinns zu versteuern. Die Verlegung von Betrieb und Wohnsitz
des Klägers zum 31. Dezember 1993 nach Luxemburg war keine Betriebsaufgabe i.S. von § 16 Abs. 3 EStG 1990.
47 1. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1990 gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb u.a. der Gewinn aus der
Veräußerung eines Gewerbebetriebs. Als Veräußerung gilt gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG 1990 auch die Aufgabe
eines Gewerbebetriebs. Eine Aufgabe liegt vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Steuerpflichtigen, den Betrieb
aufzugeben, die bisher in diesem Betrieb entfaltete gewerbliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird, alle wesentlichen
Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang entweder insgesamt in das Privatvermögen überführt bzw.
anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt oder insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert werden
und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (vgl. z.B. BFH-
Urteile vom 9. September 1993 IV R 30/92, BFHE 172, 344, BStBl II 1994, 105; vom 26. April 2001 IV R 14/00, BFHE
195, 290, BStBl II 2001, 798; Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 28. Aufl., § 16 Rz 173, jeweils m.w.N.). Es
handelt sich bei der Betriebsaufgabe somit um einen Entnahmevorgang (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG 1990) in Form
einer Totalentnahme (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, BStBl II
1975, 168).
48 2. Wird ein Gewerbetrieb in andere Geschäftsräume verlegt, handelt es sich nicht um eine Betriebsaufgabe, selbst
wenn die Verlegung mit einer vorübergehenden Betriebseinstellung verbunden ist (Senatsurteile vom 20. Dezember
1967 I 103/64, BFHE 91, 166, BStBl II 1968, 276; vom 3. Oktober 1984 I R 119/81, BFHE 142, 433, BStBl II 1985, 245;
Blümich/Stuhrmann, a.a.O., § 16 EStG Rz 334; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz,
Körperschaftsteuergesetz, § 16 EStG Rz 416). Entscheidend ist, ob sich der ursprüngliche und der andernorts
fortgeführte Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den
Verhältnissen des Einzelfalls als wirtschaftlich identisch darstellen (z.B. weil die Betriebsmittel oder das Wirkungsfeld
oder die Kundschaft unverändert geblieben sind) und demgemäß eine Fortführung des bisherigen Unternehmens --
eventuell unter Änderung der innerbetrieblichen Struktur oder der Rechtsform-- anzunehmen ist (vgl. BFH-Urteile vom
19. April 1966 I 221/63, BFHE 85, 445, BStBl III 1966, 459; vom 24. Juni 1976 IV R 199/72, BFHE 119, 425, BStBl II
1976, 670; vom 28. Juni 2001 IV R 23/00, BFHE 196, 228, BStBl II 2003, 124). Bei einem Handelsvertreter ist von einer
Fortführung des identischen Geschäfts auch dann auszugehen, wenn er seine bisherigen Vertretungen aufgibt, um im
Anschluss daran --namentlich in der gleichen Branche-- eine andere Vertretung zu übernehmen; es findet in diesen
Fällen lediglich ein innerbetrieblicher Austausch der Betätigungsgrundlagen bei ununterbrochener betrieblicher
Kontinuität statt (Senatsurteil in BFHE 85, 445, BStBl III 1966, 459; Blümich/Stuhrmann, a.a.O., § 16 EStG Rz 344;
Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 16 EStG Rz 416 a.E.).
49 3. Im Streitfall liegt danach kein Fall der Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG 1990 vor. Das FG ist
offenkundig davon ausgegangen, dass der Kläger sein bisher von inländischen Geschäftsräumen aus ausgeübtes
Handelsvertretergewerbe nunmehr von Geschäftsräumen in Luxemburg aus in identischer Form fortgeführt hat. Auch
die Beteiligten stellen die Identität des inländischen Betriebs des Klägers mit dem später von Luxemburg aus
ausgeübten Betrieb nicht in Frage, so dass für den Senat kein Anlass besteht, daran zu zweifeln.
50 4. Allerdings wird es nach der Rechtsprechung des BFH wie eine Betriebsaufgabe behandelt, wenn der Betrieb als
wirtschaftlicher Organismus zwar bestehen bleibt, aber durch eine Handlung bzw. einen Rechtsvorgang in seiner
ertragsteuerlichen Einordnung so verändert wird, dass die Erfassung der stillen Reserven nicht gewährleistet ist (vgl.
Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168; BFH-Urteile vom 12. April 1978 I R
136/77, BFHE 125, 157, BStBl II 1978, 494; vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81, BFHE 140, 526, BStBl II 1984, 474;
vom 22. April 1998 XI R 28/97, BFHE 186, 210, BStBl II 1998, 665; vom 14. März 2007 XI R 15/05, BFHE 217, 438,
BStBl II 2007, 924; Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 16 EStG Rz 437 f., m.w.N.). In ähnlicher Weise
bestimmt jetzt der für das Streitjahr 1993 noch nicht anwendbare § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 i.d.F. des Gesetzes über
steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer
steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4), einer Entnahme für
betriebsfremde Zwecke stehe der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik
Deutschland aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich.
51 5. Nach diesen Grundsätzen hat der Senat in der Vergangenheit eine Betriebsverlegung vom Inland in das Ausland
als Betriebsaufgabe angesehen, wenn der Gewinn aus dem in das Ausland verlegten Gewerbebetrieb aufgrund eines
Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) nicht der inländischen Besteuerung unterliegt (sog. Theorie der finalen
Betriebsaufgabe, vgl. Senatsurteile vom 28. April 1971 I R 55/66, BFHE 102, 374, BStBl II 1971, 630; vom 13. Oktober
1976 I R 261/70, BFHE 120, 225, BStBl II 1977, 76; vom 28. März 1984 I R 191/79, BFHE 141, 244, BStBl II 1984, 664).
Das entsprach der mit Senatsurteil vom 17. Juli 2008 I R 77/06 (BFHE 222, 402, BStBl II 2009, 464) aufgegebenen
sog. Theorie der finalen Entnahme, nach der die Überführung eines Einzelwirtschaftsguts in eine ausländische
Betriebsstätte zur sofortigen Gewinnrealisation führen sollte, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne
aufgrund eines DBA von der Besteuerung im Inland freigestellt waren (Senatsurteile vom 16. Juli 1969 I 266/65, BFHE
97, 342, BStBl II 1970, 175; vom 24. November 1982 I R 123/78, BFHE 137, 59, BStBl II 1983, 113).
52 Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ist ein Realisationstatbestand zu bejahen. Denn die nach der
Betriebs- und Wohnsitzverlegung nach Luxemburg dort erzielten gewerblichen Einkünfte des Klägers unterfielen
schon nach innerstaatlichem Recht nicht der Besteuerung durch die Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger war,
weil er keinen inländischen Wohnsitz mehr hatte, nicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 unbeschränkt
steuerpflichtig. Seine fürderhin in Luxemburg erwirtschafteten Gewinne waren des Weiteren keine Einkünfte aus
Gewerbetrieb, für die in Deutschland eine Betriebsstätte unterhalten wurde oder für den ein ständiger Vertreter bestellt
war (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 1990), so dass auch kein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht eingriff. Auf
eine Freistellung der Einkünfte nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem
Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe
auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern
vom 23. August 1958 --DBA-Luxemburg-- (BGBl II 1959, 1270) kam es mithin für den Verlust der inländischen
Besteuerungsmöglichkeit nicht an.
53 6. Der Senat hält indes an der Rechtsprechung zur finalen Betriebsaufgabe aus den gleichen Gründen nicht fest, die
ihn zur Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme bei der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern in eine
ausländische Betriebsstätte des gleichen Unternehmens bewogen haben (Senatsurteil in BFHE 222, 402, BStBl II
2009, 464; dazu Nichtanwendungsschreiben des BMF vom 20. Mai 2009, BStBl I 2009, 671). Für die Annahme eines
Realisationstatbestands bei Verlegung eines Gewerbetriebs ins Ausland fehlte es im Streitjahr 1993 sowohl an einer
gesetzlichen Grundlage als auch an einem Bedürfnis (ablehnend deshalb z.B. auch Kessler/Huck, Steuer und
Wirtschaft --StuW-- 2005, 193, 198 ff.; Buciek in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen
Deutschland-Schweiz, Art. 7 Rz 156; Ditz in Wassermeyer/Andresen/ Ditz, Betriebsstätten Handbuch, 2006, Rz 4.89
und Wassermeyer, a.a.O., Rz 5.15; Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 49 Rz D 4024;
Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 16 Rz 70a; Pohl in Lüdicke, Fortentwicklung der
Internationalen Unternehmensbesteuerung, 2002, S. 33, 46 ff.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht,
9. Aufl., S. 279 ff.). Die der früheren Rechtsprechung zugrunde liegende Erwägung, dass die in den Wirtschaftsgütern
des Betriebsvermögens ruhenden stillen Reserven nicht endgültig der Besteuerung entgehen dürften (Senatsurteil in
BFHE 102, 374, BStBl II 1971, 630), gebietet keine sofortige Besteuerung eines fiktiven Aufgabegewinns zum
Zeitpunkt der Betriebsverlegung.
54 Die genannte Erwägung beruht auf der Annahme, der mit der Betriebsverlegung verbundene Wegfall des
Besteuerungszugriffs auf die künftigen gewerblichen Einkünfte habe zur Folge, dass auch die während der
gewerblichen Tätigkeit im Inland entstandenen stillen Reserven an den Gegenständen des Betriebsvermögens der
Besteuerung durch den deutschen Fiskus entzogen seien, wenn sie sich zu einem späteren Zeitpunkt --zum Beispiel
durch eine Betriebsveräußerung-- tatsächlich realisierten. Das trifft indes nicht zu. Denn soweit der spätere
Veräußerungsgewinn auf der Realisierung der in der vormaligen inländischen Betriebsstätte erwirtschafteten stillen
Reserven beruht, handelt es sich um der inländischen Besteuerung unterliegende Einkünfte:
55 a) Behält der Betriebsinhaber seinen Wohnsitz im Inland bei, ist er weiterhin unbeschränkt steuerpflichtig. Dann ergibt
sich der Besteuerungstatbestand aus § 16 Abs. 1 EStG 1990. Da der Veräußerungsgewinn nach der maßgeblichen
wirtschaftlichen Veranlassung (vgl. Senatsurteil in BFHE 222, 402, BStBl II 2009, 464) insoweit nicht "durch" die in
dem anderen Staat fortgeführte Betriebsstätte erzielt worden ist, ist er gemäß Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Satz 1
DBA-Luxemburg nicht von der Besteuerung in Deutschland freigestellt.
56 b) Entfällt die unbeschränkte Steuerpflicht, weil der Betriebsinhaber --wie im Streitfall-- nicht nur den Betrieb, sondern
auch seinen Wohnsitz in den ausländischen Staat verlegt, geht das Besteuerungsrecht im Hinblick auf die im Inland
entstandenen stillen Reserven --entgegen der Auffassung von FA und BMF-- ebenfalls nicht verloren.
57 aa) Der Betriebsinhaber bleibt nämlich mit dem Veräußerungsgewinn, soweit dieser auf der Realisierung der im
Inland gebildeten stillen Reserven beruht, gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 1990 beschränkt
steuerpflichtig (vgl. Buciek in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 7 Rz 156; Hidien in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 49 Rz D 4026; Kessler/Huck, StuW 2005, 193, 204, 212; Pohl in Lüdicke, a.a.O., S.
33, 47 f.; Lüdicke, Steuerberaterkongress-Report 1994, S. 217, 240). Denn es handelt sich dabei um Einkünfte aus
Gewerbebetrieb, die durch die vormalige inländische Betriebsstätte erwirtschaftet worden sind. Aus der Formulierung
in § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 1990, dass für den Gewebebetrieb im Inland eine Betriebsstätte "unterhalten
wird", folgt nicht, dass die inländische Betriebsstätte zu dem Zeitpunkt, in dem die Realisation eintritt und die Einkünfte
erzielt werden, noch existieren muss (Roth in Herrmann/Heuer/ Raupach, a.a.O., § 49 Rz 181). Entscheidend für die
Zuordnung ist nicht der zeitliche, sondern der wirtschaftliche Zusammenhang mit der inländischen Betriebsstätte.
Deshalb können auch nachträgliche Einkünfte, die durch eine nicht mehr bestehende inländische Betriebsstätte
veranlasst worden sind, als inländische Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht unterfallen (vgl. unter Hinweis auf §
24 Nr. 2 EStG Senatsurteile vom 15. Juli 1964 I 415/61 U, BFHE 80, 213, BStBl III 1964, 551; vom 12. Oktober 1978 I R
69/75, BFHE 126, 209, BStBl II 1979, 64; ebenso BMF-Schreiben vom 27. September 1982, BStBl I 1982, 771; BMF-
Schreiben --Betriebsstättten-Verwaltungsgrundsätze-- vom 24. Dezember 1999, BStBl I 1999, 1076, Tz. 2.9; Gosch in
Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 49 Rz 166; Roth in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 49 Rz 53;
Blümich/Wied, a.a.O., § 49 EStG Rz 46 f.; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 49 Rz 7; Schaumburg, Internationales
Steuerrecht, 2. Aufl., Rz 18.32; Lüdicke, Steuerberaterkongress-Report 1994, S. 217, 240; i.E. auch Wassermeyer in
Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, MA Art. 7 Rz 305).
58 Der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung des BMF, eine beschränkte Steuerpflicht für nachträgliche
Betriebsstätteneinkünfte komme nur in Betracht, wenn die Betriebsstätte nach dem Wegzug in das Ausland dort nicht
fortgeführt werde, vermag der Senat nicht zu folgen. Ein sachlicher Grund dafür, nachträgliche
Betriebsstätteneinkünfte zwar bei einer Betriebsaufgabe, nicht aber bei einer Betriebsverlegung in das Ausland als im
Inland beschränkt steuerpflichtiges Substrat anzuerkennen, ist nicht ersichtlich.
59 bb) An der späteren Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven im Falle einer Realisierung ist die
Bundesrepublik Deutschland nicht aufgrund abkommensrechtlicher Bestimmungen (hier: des DBA-Luxemburg)
gehindert. Vielmehr weist Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg (ähnlich Art. 7 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens 2005 zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen --OECD-MA--)
dem Staat, in dem der Unternehmer nicht ansässig ist (hier: der Bundesrepublik Deutschland) das Besteuerungsrecht
für Unternehmensgewinne insoweit zu, als sie auf eine dort befindliche Betriebsstätte entfallen. Aus § 5 Abs. 2 DBA--
Luxemburg --der im Wesentlichen Art. 7 Abs. 2 OECD-MA entspricht und dessen Grundsätze gemäß Art. 5 Abs. 3
DBA-Luxemburg u.a. auch für die Einkünfte aus der Veräußerung eines Betriebs im Ganzen gelten-- ergibt sich, dass
der Betriebsstätte diejenigen Einkünfte zugerechnet werden, die sie erzielt hätte, wenn sie sich als selbständiges
Unternehmen mit gleichen oder ähnlichen Geschäften unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen befasst und
Geschäfte wie ein unabhängiges Unternehmen getätigt haben würde. Nach diesen Kriterien kommt es auch für die
abkommensrechtliche Abgrenzung der Betriebsstätteneinkünfte auf das der jeweiligen Betriebsstätte tatsächlich
zuzuordnende Vermögen und das in der Betriebsstätte erwirtschaftete Ergebnis an (sog. Veranlassungsprinzip, vgl.
Senatsurteil in BFHE 222, 402, BStBl II 2009, 464; BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 1076, Tz. 2.2). Somit handelt es
sich bei dem künftigen Gewinn aus der Realisierung der vor der Betriebsverlegung in der deutschen Betriebsstätte
entstandenen stillen Reserven um Einkünfte, die im Rahmen der abkommensrechtlichen Abgrenzung der
Betriebsstätteneinkünfte der vormaligen, in Deutschland belegenen Betriebsstätte zuzuordnen sind (Kessler/Huck,
StuW 2005, 193, 212; Buciek in Flick/ Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 7 Rz 156; Reiß in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 16 Rz F 71; Hidien in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 49 Rz D 4026; Pohl in
Lüdicke, a.a.O., S. 33, 47; Schaumburg, a.a.O., Rz 18.32). Auch in abkommensrechtlicher Hinsicht steht der
Zuordnung nicht entgegen, dass die Betriebsstätte, in der die stillen Reserven erwirtschaftet worden sind, zum
Zeitpunkt der Realisierung nicht mehr besteht (vgl. Vogel in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, 6. Aufl.,
Vor Art. 6-22 Rz 8; Buciek in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 7 Rz 208, m.w.N.).
60 cc) Die Argumente, die das FA und das BMF dagegen vorgebracht haben, die Erwägungen des Senats zur Aufgabe
der sog. Theorie der finalen Entnahme bei der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern auf die Verlegung des
Betriebs im Ganzen zu übertragen (ähnlich Goebel/Ungemach/Jacobs, Deutsche Steuer-Zeitung 2009, 531, 532),
basieren demnach auf einer unzutreffenden Prämisse. Durch die Betriebsverlegung und die Verlegung des
Wohnsitzes des Klägers nach Luxemburg wurde dem deutschen Fiskus weder nach innerstaatlichem Recht noch
abkommensrechtlich die Möglichkeit genommen, die im Inland entstandenen stillen Reserven des Betriebsvermögens
im Falle einer späteren Realisierung zu besteuern; dass zum Realisierungszeitpunkt in Deutschland keine
Betriebsstätte mehr besteht, ist insoweit unerheblich.
61 dd) Soweit vereinzelt gefordert wird, auf eine Sofortbesteuerung dürfe wegen des Zinsnachteils allenfalls um den
"Preis" eines Besteuerungszugriffs des deutschen Fiskus auch auf die erst künftig in der ausländischen Betriebsstätte
entstehenden stillen Reserven verzichtet werden (vgl. Mitschke, Finanz-Rundschau --FR-- 2009, 326, 327 f.; dagegen
Schneider/Oepen, FR 2009, 568, 569), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das Unterlassen einer
Sofortbesteuerung in den Fällen des Transfers von Betriebsvermögen in eine ausländische Betriebsstätte des
gleichen Unternehmens ist kein Billigkeitserweis, den sich der Steuerpflichtige durch Gewährung einer Gegenleistung
erkaufen müsste; es ist vielmehr Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes, nach dem Gewinne erst besteuert werden,
wenn sie sich tatsächlich realisiert haben. Abgesehen davon ist unter diesem Gesichtspunkt ein Zinsnachteil des
deutschen Fiskus nicht erkennbar.
62 ee) Nicht zu verkennen ist allerdings das praktische Problem, dass es insbesondere im Falle des Wegzugs des
Steuerpflichtigen für die Verwaltung häufig schwierig sein wird, das weitere Schicksal des verlegten
Betriebsvermögens zu beobachten und künftige Realisierungsvorgänge zu erkennen und zu erfassen. Dem könnte
der Gesetzgeber indes durch die Statuierung besonderer Mitwirkungspflichten entgegenwirken. Jedenfalls sind allein
die faktischen Schwierigkeiten beim Vollzug des späteren Besteuerungszugriffs nicht geeignet, eine Rechtsgrundlage
dafür zu schaffen, die stillen Reserven des Betriebsvermögens bei einer Betriebsverlegung ins Ausland --im
Gegensatz zu innerstaatlichen Betriebsverlegungen-- ohne Realisierungsvorgang der sofortigen Besteuerung zu
unterwerfen.
63 7. Da es nach allem für eine Besteuerung der stillen Reserven im Streitjahr 1993 nach nationalem Recht an einer
Rechtsgrundlage fehlt, kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage offenbleiben, ob die Sofortbesteuerung bei
einer Betriebsverlegung nach Luxemburg gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 des Vertrages zur Gründung
der Europäischen Gemeinschaft (jetzt Art. 43 nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des
Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, sowie einiger
damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. C-340, 1) verstoßen
würde (so neben dem FG auch FG Köln, Urteil vom 18. März 2008 1 K 4110/04, EFG 2009, 259 --nachfolgend
Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 I R 99/08, BFHE 227, 83--; Schaumburg in Gocke/Gosch/Lang, Festschrift für
Wassermeyer, 2005, S. 411, 427 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer/Andresen/Ditz, a.a.O., Rz 5.15; Reiß in Kirchhof,
a.a.O., § 16 Rz 315; Körner, Internationals Steuerrecht 2004, 424, 429; Spengel/Braunagel, StuW 2006, 34, 41 f.;
Schnitger, Betriebs-Berater 2004, 804, 811 f.; a.A. Mitschke, FR 2008, 1144, 1145 und FR 2009, 326).
64 8. Sollte nach den vom FG im zweiten Rechtsgang zu treffenden Feststellungen der angefochtene
Änderungsbescheid betreffend die Einkommensteuer 1993 nicht wegen Überschreitung der Festsetzungsfrist
insgesamt aufzuheben sein, wird das FG zu beachten haben, dass die unzutreffende Behandlung der
Betriebsverlegung als Betriebsaufgabe in dem Bescheid sich zum Teil auch zu Gunsten des Klägers ausgewirkt hat.
Der Gewinn des Klägers aus der Entnahme von Wirtschaftsgütern, die nach den vorinstanzlichen Feststellungen im
Rahmen der Betriebsverlegung nicht nach Luxemburg überführt worden sind (Garagen, Außenanlagen usw.), hat das
FA nämlich als Bestandteil des vermeintlichen Aufgabegewinns der Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG
1990 unterstellt. Da eine Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG 1990 nicht vorliegt, ist für eine Behandlung des
Entnahmegewinns als außerordentliche Einkünfte indes kein Raum.