Urteil des BFH vom 15.07.2010

Aufwendungen für einen zu Ausbildungszwecken genutzten Drucker im Kindergeldrecht - Einkünfte und Bezüge des Kindes - Ermittlung des ausbildungsbedingten Mehraufwands - Mehrere Gegenstände als einheitliches Wirtschaftsgut oder als Einzel-Wirtschaftsgüter

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 15.7.2010, III R 70/08
Aufwendungen für einen zu Ausbildungszwecken genutzten Drucker im Kindergeldrecht - Einkünfte und Bezüge des Kindes -
Ermittlung des ausbildungsbedingten Mehraufwands - Mehrere Gegenstände als einheitliches Wirtschaftsgut oder als Einzel-
Wirtschaftsgüter
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beantragte Kindergeld für seinen Sohn (S), der bei einer Bank beschäftigt
war und daneben ein berufsbegleitendes Studium der Betriebswirtschaftslehre absolvierte. Von Oktober bis Dezember
2004 hielt sich S zu Studienzwecken im Ausland auf. Er erzielte im Jahr 2004 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit
von 13.296,52 EUR. Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte den Kindergeldantrag ab, weil nach
ihrer Berechnung die Einkünfte und Bezüge von S im Jahr 2004 die Jahresgrenze von 7.680 EUR nach § 32 Abs. 4
Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung für das Jahr 2004 (EStG) überstiegen. Der Einspruch des
Klägers hatte keinen Erfolg.
2 Im anschließenden Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) begehrte der Kläger den Abzug von Aufwendungen, die nach
seiner Ansicht bei Ermittlung der Einkünfte und Bezüge von S abzuziehen waren. Streitig war u.a. die Berücksichtigung
eines im Oktober 2004 für 159 EUR angeschafften Druckers und der Semestergebühren von 125 EUR. Das FG gab der
Klage statt (Urteil vom 25. September 2007 5 K 2929/07, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2009, 778). Es
war der Ansicht, der auf Ausbildungszwecke entfallende Anteil der Anschaffungskosten des Druckers (80 %) sei als
Erhaltungsaufwand des Wirtschaftsguts "Computeranlage" zu berücksichtigen. Außerdem seien die Semestergebühren
abziehbar. Nach der Berechnung des FG war die Jahresgrenze von 7.680 EUR damit nicht überschritten.
3 Zur Begründung der Revision führt die Familienkasse aus, die üblichen Semester- oder Rückmeldegebühren seien
nicht von den Einkünften und Bezügen des Kindes abzusetzen, da es sich hierbei um Mischkosten handele.
4 Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil
aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
5 Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
6 Zur Begründung führt er aus, das FG habe zu Recht die Anschaffungskosten für den Drucker als sofort abziehbaren
Erhaltungsaufwand behandelt. Zumindest lägen nachträgliche Anschaffungskosten vor, die zusammen mit der
Computeranlage zu aktivieren und auf die Restnutzungsdauer zu verteilen seien. Die Semestergebühren seien in
voller Höhe abziehbar, weil sie zwingend zu entrichten seien.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht bei der Ermittlung der Einkünfte und
Bezüge von S die Aufwendungen für den Drucker in Höhe des "Ausbildungsanteils" als sofort abziehbaren Aufwand
behandelt.
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1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird Kindergeld nur dann gewährt, wenn die Einkünfte
und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind,
einen Betrag von 7.680 EUR nicht übersteigen. Einkünfte sind i.S. von § 2 Abs. 2 EStG zu verstehen (Urteile des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566, und vom 4. November
2003 VIII R 59/03, BFHE 204, 126, BStBl II 2004, 584). Bezüge sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die nicht
im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst werden (BFH-Urteil vom 23. Juli 2002 VIII R
63/00, BFH/NV 2003, 24).
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2. Der Umstand, dass S von Januar bis September 2004 neben seiner Berufsausbildung in Vollzeit bei einer Bank
beschäftigt war, steht der ganzjährigen Berücksichtigung als Kind nicht entgegen (s. Senatsurteile vom 22. Oktober
2009 III R 29/08, BFH/NV 2010, 627; vom 21. Januar 2010 III R 62/08, BFH/NV 2010, 871, und III R 68/08, BFH/NV
2010, 872).
10 3. Die nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ermittelten Einkünfte und Bezüge des Kindes sind um ausbildungsbedingten
Mehraufwand zu kürzen (BFH-Urteile vom 14. November 2000 VI R 62/97, BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491, und
vom 29. Mai 2008 III R 33/06, BFH/NV 2008, 1664). Es handelt sich dabei um solche Aufwendungen, die wegen der
Ausbildung zu den Kosten der Lebensführung hinzukommen (z.B. Studiengebühren, Aufwendungen für Bücher usw.).
Sie orientieren sich dem Grunde und der Höhe nach an den Beträgen, die im Rahmen eines
Ausbildungsdienstverhältnisses als Werbungskosten anzusetzen wären (BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 77/00,
BFHE 196, 159, BStBl II 2002, 12).
11 4. Die Abziehbarkeit von Aufwendungen für einen zu Ausbildungszwecken genutzten Computer richtet sich nach den
Grundsätzen, die für die Berücksichtigung solcher Aufwendungen als Werbungskosten maßgebend sind (s. hierzu
BFH-Urteil vom 15. Juni 2004 VIII R 42/03, BFH/NV 2004, 1527). Ein Computer kann ein Arbeitsmittel nach § 9 Abs. 1
Satz 3 Nr. 6 EStG sein. Die private Mitbenutzung ist unschädlich, soweit sie einen Anteil von etwa 10 % nicht
übersteigt. Bei einer darüber hinausgehenden Privatnutzung eines auch zu beruflichen Zwecken genutzten
Computers sind die auf die berufliche und die private Nutzung entfallenden Aufwendungen im Wege der Schätzung
aufzuteilen (BFH-Urteil vom 19. Februar 2004 VI R 135/01, BFHE 205, 220, BStBl II 2004, 958). Entsprechendes gilt für
die Nutzungsanteile eines zum Teil zu Ausbildungszwecken genutzten Computers sowie der Peripheriegeräte.
12 5. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanz ist der Drucker nicht als unselbständiger Bestandteil eines
Wirtschaftsguts "Computeranlage" anzusehen.
13 Bei Beurteilung der Frage, ob mehrere Gegenstände zu einem einheitlichen Wirtschaftsgut zusammenzufassen oder
als Einzel-Wirtschaftsgüter zu beurteilen sind, kommt es darauf an, ob sie auch nach einer etwaigen Verbindung ihre
selbständige Bewertbarkeit behalten (Senatsurteil vom 28. September 1990 III R 178/86, BFHE 162, 177, BStBl II
1991, 187). Entscheidend ist, ob das Wirtschaftsgut nach der allgemeinen Verkehrsanschauung in seiner Einzelheit
von Bedeutung und bei einer Veräußerung greifbar ist (s. Senatsurteile vom 28. September 1990 III R 77/89, BFHE
164, 156, BStBl II 1991, 361, und vom 15. Juli 2004 III R 6/03, BFHE 206, 513, BStBl II 2004, 1081). Hiernach ist ein
Drucker als eigenständiges Wirtschaftsgut anzusehen (s. BFH-Urteile vom 10. März 2004 VI R 19/02, BFH/NV 2004,
1386, sowie in BFH/NV 2004, 1527; Verfügung der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 16. April 2002 S 2354 - 5 - St
222, Finanz-Rundschau 2002, 697). Der Austausch des Druckers im Streitfall führte daher nicht zu sofort abziehbarem
Erhaltungsaufwand (a.A. Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl., § 9 Rz 175 "Computer"). Auch eine Behandlung als
nachträgliche Anschaffungskosten für ein Wirtschaftsgut "Computeranlage" scheidet aus.
14 6. Der Drucker ist auch kein geringwertiges Wirtschaftsgut nach § 6 Abs. 2 EStG.
15 Aufwendungen für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter, die selbständig nutzbar sind, können im Jahr der
Anschaffung in voller Höhe als Werbungskosten abgesetzt werden, wenn die Aufwendungen für das einzelne
Wirtschaftsgut 410 EUR nicht übersteigen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 EStG a.F. i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG). Ein
Wirtschaftsgut ist nicht selbständig nutzbar, wenn es nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit
anderen Wirtschaftsgütern genutzt werden kann und die in den Nutzungszusammenhang eingeführten
Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind (§ 6 Abs. 2 Satz 2 EStG). Dies trifft auf die einzelnen
Komponenten einer PC-Anlage zu, die nach ihren technischen Eigenschaften auf ein Zusammenwirken angelegt sind
und nach einer Trennung von den übrigen Geräten regelmäßig nicht selbständig genutzt werden können (BFH-Urteil
in BFHE 205, 220, BStBl II 2004, 958).
16 7. Die Absetzung für Abnutzung (AfA) für den im Oktober 2004 angeschafften Drucker ist für drei Monate anzusetzen
(§ 7 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG). Bei Anschaffungskosten von 159 EUR, einer Nutzungsdauer
von drei Jahren (vgl. AfA-Tabelle lt. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 15. Dezember 2000 IV D 2 -
S 1551- 188/00, BStBl I 2000, 1532, 6.14.3.2), einer Nutzungszeit von drei Monaten und einem von den Beteiligten als
zutreffend erachteten "Ausbildungsanteil" von 80 % ergibt sich für das Jahr 2004 ein als AfA zu berücksichtigender
Betrag von (aufgerundet) 11 EUR. Das FG, das die Anschaffungskosten des Druckers als Erhaltungsaufwand
behandelt und die Semestergebühren zum Abzug zugelassen hat, ging in seiner Entscheidung unter Bezugnahme
auf eine Berechnung des Klägervertreters von Einkünften und Bezügen von (aufgerundet) 7.636 EUR aus. Werden
diese um 116 EUR erhöht (= 159 EUR x 80 % ./. 11 EUR), so ergibt sich ein Betrag von 7.752 EUR, der über der
Jahresgrenze von 7.680 EUR liegt. Ob und ggf. in welcher Höhe die Semestergebühren abziehbar sind, braucht
deshalb nicht entschieden zu werden.