Urteil des BFH vom 27.10.2010
BFH: Keine Bindungswirkung eines vorangegangenen Prozessurteils, wiedereinsetzung in den vorigen stand, verfahrensmangel, vertagung, vorverfahren, rechtsmittelfrist, einsichtnahme, zukunft
BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 27.10.2010, VII S 44/10 (PKH)
Keine Bindungswirkung eines vorangegangenen Prozessurteils
Tatbestand
1 I. Der Antragsteller, Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte unter dem 5. Januar 2005 für die X-GbR die
Erteilung eines Abrechnungsbescheids "aller Steuern", was der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA-
-) mit der Begründung ablehnte, der Kläger möge zunächst anhand des ihm übersandten Kontoauszugs konkret
bezeichnen, inwieweit Streit über die Verwirklichung von Steueransprüchen bestehe. Die hiergegen erhobene Klage
wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 30. Januar 2008 11 K 414/07 AO wegen fehlenden Vorverfahrens als
unzulässig ab. Die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (VII B 101/09) wurde zurückgenommen.
2 Unter dem 25. November 2008 beantragte der Kläger für die X-GbR erneut die Erteilung eines Abrechnungsbescheids,
woraufhin das FA erwiderte, dass über diesen Antrag bereits ablehnend entschieden worden sei. Die hiergegen
erhobene Klage wies das FG als unzulässig mit der Begründung ab, dass sich der Kläger das rechtskräftige Urteil in
der Sache 11 K 414/07 AO entgegenhalten lassen müsse. Die Beteiligten seien an diese Entscheidung gebunden. Der
erneute Antrag vom 25. November 2008 enthalte keinen neuen Sachvortrag, welcher eine Aufhebung oder Änderung
der Entscheidung rechtfertigen könnte.
3 Hiergegen richtet sich die vom Kläger persönlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (VII B 171/10), für deren
Durchführung er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.
Entscheidungsgründe
4 II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung, die
Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil vom 8. Juni 2010 6 K 361/09 AO, keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung).
5 Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zwar nicht deshalb aussichtslos, weil sie von ihm persönlich eingelegt
worden ist, denn im Fall der Bewilligung der PKH könnte dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt
werden, um die von ihm persönlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater
oder Wirtschaftsprüfer zu wiederholen (§ 62 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO) und damit für die Zukunft wirksam zu
machen.
6 Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen, nämlich der Eingang sowohl des Antrags auf Bewilligung von PKH als
auch der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Rechtsmittelfrist, sind im
Streitfall zwar erfüllt. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich jedoch nichts entnehmen, was sich als --wenn auch nur
laienhafte-- Darlegung eines Grundes für die Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO ansehen ließe, welcher
im Fall einer später von einer vertretungsberechtigten Person formgerecht eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde
dieser zum Erfolg verhelfen könnte.
7 Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel wegen Ablehnung der von ihm in der mündlichen Verhandlung
beantragten Vertagung rügt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass das FG-Urteil auf diesem angeblichen
Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die
hierfür gegebene Begründung, der Klage auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids stehe das rechtskräftige Urteil in
der Sache 11 K 414/07 AO entgegen, hielte zwar einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, weil nach § 110 Abs. 1
FGO rechtskräftige Urteile die Beteiligten nur binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,
während jedoch über den Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids bisher keine rechtskräftige
Entscheidung ergangen ist, vielmehr seine frühere Klage in dem Verfahren 11 K 414/07 AO als unzulässig abgewiesen
worden war. Gleichwohl ist das FG-Urteil im Ergebnis richtig, weil es im Streitfall an dem gemäß § 44 Abs. 1 FGO für die
Zulässigkeit der Klage vorgeschriebenen Vorverfahren fehlt. Dass dieser Zulässigkeitsmangel durch die vom Kläger
beantragte Vertagung und die damit von ihm begehrte Möglichkeit einer Einsichtnahme in die Steuerakten hätte
behoben werden können, ist nicht ersichtlich.
8 Das übrige Vorbringen des Klägers, mit dem er die Gründe für seinen Antrag auf Erteilung eines
Abrechnungsbescheids erläutert, ist --auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um einen laienhaften
Vortrag handelt-- ebenfalls nicht geeignet, einen Grund für die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil schlüssig
darzulegen.