Urteil des BFH vom 13.08.2010

Teilurteil oder Grundurteil - Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten im sog. ELSTER-Verfahren

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 13.8.2010, IX B 20/10
Teilurteil oder Grundurteil - Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten im sog. ELSTER-Verfahren
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Das Finanzgericht (FG) hat --nach dem insoweit maßgebenden Tenor und entgegen der unmaßgeblichen
Bezeichnung-- kein Teilurteil nach § 98 der Finanzgerichtsordnung (FGO), sondern ein Grundurteil nach § 99 FGO
erlassen. Die Frage, ob hinsichtlich eines Änderungsbescheides die Änderungsvoraussetzungen vorliegen, gehört zum
Anspruchsgrund (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. November 1992 VIII R 35/91, BFH/NV 1993, 316;
Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 99 FGO Rz 18; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 99 Rz 6).
3 2. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) liegt nicht vor.
4 Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss der Beschwerdeführer schlüssig und
substantiiert vortragen, weshalb die für bedeutsam gehaltenen Rechtsfragen im Allgemeininteresse klärungsbedürftig
und im Streitfall klärbar sind. Die Frage, ob der Finanzbehörde beim Erlass eines Verwaltungsakts Schreibfehler,
Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) unterlaufen sind,
ist in einem Revisionsverfahren nicht abstrakt klärbar; denn hierbei handelt es sich um eine Tatfrage, die lediglich in
eingeschränktem Umfang der revisionsgerichtlichen Prüfung unterliegt und im Übrigen nur aufgrund der
Gesamtumstände des einzelnen Falles und deshalb nicht allgemein beantwortet werden kann (vgl. BFH-Beschluss
vom 6. Februar 2008 VII B 23/07, BFH/NV 2008, 814).
5 Auch die in diesem Zusammenhang von den Klägern hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber
der Anwendbarkeit des § 129 AO im sog. ELSTER-Veranlagungsverfahren vermögen die grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache nicht zu begründen. Im ELSTER-Verfahren eingereichte Steuererklärungen werden --in gleicher
Weise wie auf amtlichem Vordruck abgegebene Steuererklärungen-- auf einem in Papierform vorliegenden Vordruck
von dem zuständigen Sachbearbeiter der Finanzbehörde geprüft. Dabei werden --wie gerade der Streitfall zeigt--
Prüfvorgänge, die sachverhaltsbezogene Denk- oder Überlegungsfehler beinhalten könnten, entgegen der Auffassung
der Kläger auch ausreichend (handschriftlich) dokumentiert; deshalb hat der Steuerpflichtige auch im ELSTER-
Verfahren ohne weiteres die Möglichkeit, einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum, der ein mechanisches Versehen und
damit eine offenbare Unrichtigkeit ausschließt, einzuwenden.
6 Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das FG im Streitfall seiner Entscheidung die von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Berichtigungsnorm des § 129 AO aufgestellten Rechtsgrundsätze zugrunde
gelegt hat. Dass dem FG bei seiner Würdigung der mittels Beweisaufnahme festgestellten Tatsachen revisionsrechtlich
relevante Fehler unterlaufen sind, ist nicht ersichtlich.
7 3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2.
Alternative FGO) liegen nicht vor. Soweit die Kläger eine Divergenz des angefochtenen Urteils mit verschiedenen
Urteilen des BFH rügen, sind die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und der (vermeintlichen)
Divergenzentscheidungen schon nicht so herausgearbeitet und gegenübergestellt, dass eine Abweichung im
Grundsätzlichen erkennbar wird. Im Übrigen rügen die Kläger insoweit nach dem tatsächlichen Gehalt ihres
Beschwerdevorbringens lediglich eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung bzw. einen schlichten
Subsumtionsfehler; mit der Rüge solcher materiell-rechtlicher Fehler kann die Zulassung der Revision indes nicht
erreicht werden.