Urteil des BFH vom 20.12.2007

BFH (abweisung der klage, gewinn, auf lebenszeit, rente, gegenleistung, versorgung, höhe, gebäude, entgelt, erweiterung)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 18.3.2009, I R 9/08
Gewerbesteuerpflicht des Zinsanteils im Erbbauzins für den Eigentumsübergang an Grundstücken - Zurechnung von
Gebäuden beim Erbbauberechtigten - Unterscheidung zwischen Kaufpreisraten und Veräußerungsrenten - Wagnisbehaftete
wiederkehrende Bezüge
Leitsätze
1. Eine Rente i.S. des § 8 Nr. 2 GewStG i.d.F. vor dem JStG 2008 liegt nicht vor, wenn als Gegenleistung für die Übertragung
eines Vermögensgegenstandes wiederkehrende Bezüge vereinbart werden, die nicht der Versorgung des Veräußerers
dienen .
2. Wird an einem bebauten Grundstück ein Erbbaurecht bestellt und als Gegenleistung für den Übergang des Eigentums an
den Gebäuden ein über die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrages verteiltes gleichbleibendes Entgelt vereinbart, werden die in
den Erbbauzinsen auf die Gebäude enthaltenen Zinsanteile dem Gewinn gemäß § 8 Nr. 1 GewStG i.d.F. vor dem JStG 2008
zur Hälfte hinzugerechnet .
Tatbestand
1 I. Am 22. Juni 1972 schloss die Stadt G als Erbbauverpflichtete mit S einen Erbbaurechtsvertrag über ein
Industriegrundstück von insgesamt 25 060 qm. S war seit 1964 als Einzelunternehmer tätig. Auf dem Erbbaugrundstück
waren Bauwerke (Lagerhallen, Kran- und Gleisanlagen) vorhanden, die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung
über das Erbbaurecht (Erbbaurechtsverordnung --ErbbauVO--; jetzt: Gesetz über das Erbbaurecht --
Erbbaurechtsgesetz-- [ErbbauRG]) als wesentliche Bestandteile des Erbbaurechts galten. Der jährliche Erbbauzins
sollte 200 000 DM betragen. S teilte den Gesamtbetrag in einen Bodenanteil (40 000 DM) und in einen auf die
Bauwerke entfallenden Anteil (160 000 DM) auf. Er passivierte den Kapitalwert der auf die Bauwerke entfallenden
anteiligen Zahlungsverpflichtung und aktivierte gegenläufig die erworbenen Wirtschaftsgüter. Von diesen
Bilanzansätzen nahm er in der Folgezeit Absetzungen für Abnutzung vor. Nach Ablauf von jeweils 10 Jahren sollte eine
Anpassung der Höhe der Erbbauzinszahlungen an den Preisindex für die Lebenshaltungskosten erfolgen. Dies hätte
im Jahr 1982 eine Erhöhung um knapp 50 % auf 299 800 DM gerechtfertigt. Da der Bauwerksanteil (160 000 DM)
unverändert bleiben sollte, wurde jedoch nach entsprechenden Einwendungen des S nur der Bodenanteil
entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten um 50 % von 40 000 auf 60 000 DM erhöht. Im Jahr 1992
gründete S als Alleingesellschafter die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH. Er brachte sein
Einzelunternehmen zu Buchwerten in die Klägerin ein, deren Gegenstand die Vermietung und Verpachtung von
Anlagevermögen an zwei andere GmbH ist, die das Speditions- und Lagergeschäft betreiben. Am 31. Mai 1994 wurde
der Erbbaurechtsvertrag unter gleichzeitiger Verlängerung der Laufzeit bis ins Jahr 2044 (bis dahin: 2021) neu gefasst.
Der Erbbauzins wurde in zwei Teilbeträge aufgeteilt und wie folgt bemessen: Ein Teilbetrag von anfänglich 4,20 DM je
Quadratmeter (105 252 DM) sollte nach Ablauf von jeweils 10 Jahren an die Entwicklung des Preisindex für die
Lebenshaltungskosten angepasst werden. Ein zweiter Teilbetrag von 80 000 DM sollte hingegen während der Laufzeit
des Erbbaurechtsvertrages unverändert bleiben. Der zuletzt genannte Betrag sollte auf die Bauwerke entfallen. Nach
einer Prüfung gelangte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, bei dem auf die
Bauwerke entfallenden Anteil der Zahlungen handele es sich um Kaufpreisraten. Aus diesen Raten sei ein Zinsanteil
herauszurechnen, der gewerbesteuerrechtlich als Entgelt für sog. Dauerschulden (§ 8 Nr. 1 des
Gewerbesteuergesetzes i.d.F. vor dem Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007, BGBl I 2007, 3150 --GewStG
a.F.--) zu beurteilen und dem Gewinn aus Gewerbebetrieb zur Hälfte hinzuzurechnen sei. Die gegen die entsprechend
geänderten Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 1998 bis 2002 erhobene Klage war erfolgreich. Das Urteil
des Finanzgerichts (FG) Münster vom 9. November 2007 9 K 2275/06 G ist in Entscheidungen der Finanzgerichte
(EFG) 2008, 399 veröffentlicht. Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das
Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.
3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA hat zu Recht den in den Erbbauzinsen enthaltenen
Zinsanteil gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. zur Hälfte dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet.
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1. Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG a.F.) die Hälfte der Entgelte für
Schulden hinzuzurechnen, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes oder eines Anteils am
Betrieb (Teilbetriebes) oder mit der Erweiterung oder Verbesserung des Betriebes zusammenhängen oder der nicht
nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen.
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2. In den Erbbauzinszahlungen der Klägerin waren anteilige Zinszahlungen für Schulden enthalten, die wirtschaftlich
mit der Erweiterung und Verbesserung des Betriebes zusammenhängen und zudem der nicht nur vorübergehenden
Verstärkung des Betriebskapitals dienten.
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a) Wird ein Erbbaurecht an einem bereits bebauten Grundstück bestellt, ist eine einheitliche als "Erbbauzins"
bezeichnete Zahlung aufzuteilen in ein Entgelt für die Übertragung des Eigentums an den Bauwerken einerseits und
ein Entgelt für die Nutzung des Grund und Bodens andererseits (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Januar
1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533). Denn gemäß § 12 ErbbauRG sind Bauwerke wesentliche
Bestandteile des Erbbaurechts. Der Erbbauberechtigte wird daher mit der Erbbaurechtsbestellung zivilrechtlicher und
regelmäßig auch wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes (BFH-Urteil in BFHE 135, 434, BStBl II 1982, 533).
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b) Dies hat zur Folge, dass die für die Übertragung des Eigentums an den Bauwerken gezahlten laufenden Beträge
nicht als Nutzungsentgelt für das Erbbaurecht (vgl. hierzu Senatsurteil vom 7. März 2007 I R 60/06, BFHE 217, 100,
BStBl II 2007, 654), sondern als Anschaffungskosten der Gebäude zu beurteilen sind. Diese Anschaffungskosten
bemessen sich nach dem Barwert der Zahlungsverpflichtung, der grundsätzlich unter Zugrundelegung eines
Zinsfußes von 5,5 % (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes) zu ermitteln ist (BFH-Urteile vom 19. Mai 1992
VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87; vom 2. Mai 2001 VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10).
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c) Die Klägerin ist dementsprechend verfahren und hat den Kapitalwert der auf die Bauwerke entfallenden anteiligen
Zahlungsverpflichtungen passiviert und die erworbenen Bauwerke gegenläufig mit diesem Wert aktiviert.
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d) Soweit der Gesamtbetrag der auf die Bauwerke zu leistenden Zahlungen die jährliche Barwertminderung
(Tilgungsanteil) übersteigt, liegen Zinsen vor. Diese Zinsen sind gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. hälftig dem Gewinn aus
Gewerbebetrieb hinzuzurechnen, da die Erbbaurechtsbestellung und der damit einhergehende Erwerb der Gebäude
zu einer Erweiterung und einer Verbesserung des bisherigen Betriebes führten. Zudem dienen die Darlehen der nicht
nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals.
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3. Der Anwendungsbereich des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. ist im Streitfall nicht durch § 8 Nr. 2 GewStG a.F.
ausgeschlossen.
10 a) Gewerbesteuerrechtlich bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen Kaufpreisraten und Veräußerungsrenten für
den Anwendungsbereich des § 8 Nr. 2 GewStG a.F. Während Renten und dauernde Lasten, die im Zusammenhang
mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes zusammenhängen, in vollem Umfang dem Gewinn aus
Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind, sind Schuldzinsen gemäß § 8 Nr. 1 GewStG a.F. nur zur Hälfte zu
berücksichtigen. Unter § 8 Nr. 2 GewStG a.F. fallen Renten aller Art (Senatsurteil vom 22. November 1972 I R 124/70,
BFHE 108, 202, BStBl II 1973, 403). Nach herrschender Meinung regelt § 8 Nr. 2 GewStG a.F. abschließend, unter
welchen Voraussetzungen Renten und dauernde Lasten dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind (z.B.
Kratzsch in Lenski/Steinberg, GewStG, § 8 Nr. 2 Rz 46, m.w.N.; Senatsurteil in BFHE 108, 202, BStBl II 1973, 403;
BFH-Urteil vom 25. November 1992 X R 21/91, BFH/NV 1993, 489; Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 482;
Wüllenkemper, EFG 2008, 402; a.A. FG Köln, Urteil vom 20. April 1983 V 354/81 G, EFG 1984, 362; Glanegger/Güroff,
GewStG, 6. Aufl., § 8 Nr. 2 Rz 1). Renten und dauernde Lasten, die nicht mit der Übertragung des Betriebes
zusammenhängen, erhöhen danach den Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht, auch wenn im Übrigen die
Voraussetzungen des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. vorliegen.
11 b) Das Verhältnis von § 8 Nr. 1 GewStG a.F. zu § 8 Nr. 2 GewStG a.F. bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, da die
auf die Gebäude entfallenden Zahlungen Kaufpreisraten und keine Zeitrenten sind.
12 aa) Grundsätzlich sind laufende Zahlungen, die für die Übereignung eines oder mehrerer Wirtschaftsgüter zu
erbringen sind und bei denen sich Leistung und Gegenleistung nach der Vorstellung der Vertragsparteien
gleichwertig gegenüber stehen, als ratenweise erbrachte Kaufpreiszahlungen anzusehen (BFH-Urteil vom 29.
Oktober 1974 VIII R 131/70, BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173). Der Veräußerer realisiert, wenn es sich um ein
betriebliches Wirtschaftsgut handelt, mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Käufer einen
Veräußerungsgewinn/-verlust in Höhe des Barwerts der Kaufpreisforderung abzüglich des Buchwerts und der
Veräußerungskosten. Das mit der Stundung des Kaufpreises regelmäßig vorliegende Darlehen zur Finanzierung des
Kaufpreises ist demgegenüber als schwebendes Geschäft zu behandeln, sodass die Zinserträge erst in den
folgenden Jahren realisiert werden (vgl. Schmidt/ Glanegger, EStG, 28. Aufl., § 6 Rz 398).
13 bb) Von einer Rente ist bei der Vereinbarung wiederkehrender Leistungen im Zusammenhang mit der Übertragung
von Vermögensgegenständen nur auszugehen, wenn die Leistungen der Versorgung des Bezugsberechtigten dienen
sollen (vgl. BFH-Urteil vom 31. August 1994 X R 44/93, BFHE 176, 19, BStBl II 1996, 676). Dies gilt nicht nur, wenn
dem Übertragenden eine Rente auf Lebenszeit, sondern auch begrenzt auf einen bestimmten Zeitraum zugesagt wird.
14 Die Rechtsprechung, die dem Veräußerer im Rahmen der Betriebsveräußerung bei wagnisbehafteten
wiederkehrenden Bezügen ein Wahlrecht zwischen Sofortversteuerung und Zuflussversteuerung des
Veräußerungsgewinns gewährt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 87, m.w.N.), lässt sich jedenfalls im Streitfall nicht
zugunsten einer Einordnung als Rente i.S. von § 8 Nr. 2 GewStG a.F. dienstbar machen. Denn wagnisbehaftet sind
wiederkehrende Bezüge nur, wenn sie mit Risiken verbunden sind, die über die zeitlich gestreckte Umschichtung und
die damit verbundene Gefahr einer Geldentwertung hinausgehen (BFH-Urteil in BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173).
Dies ist nach der Rechtsprechung der Fall, wenn sie lebenslang zu zahlen sind oder bei fester Laufzeit von mehr als
10 Jahren primär der Versorgung oder bei besonders langer Zeit mindestens auch der Versorgung des Berechtigten
dienen (BFH-Urteile vom 30. Januar 1974 IV R 80/70, BFHE 111, 477, BStBl II 1974, 452; vom 26. Juli 1984 IV R
137/82, BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 29. März 2007 XI B 56/06, BFH/NV 2007,
1306; vom 12. Mai 1999 IV B 52/98, BFH/NV 1999, 1330; Schmidt/ Wacker, a.a.O., § 16 Rz 222, m.w.N.).
15 cc) Da im Streitfall die Erbbauzinszahlungen weder eine Gegenleistung für die Übertragung eines Betriebes
darstellen noch der Versorgung der Erbbaurechtsbestellerin dienen, liegt eine Rente i.S. des § 8 Nr. 2 GewStG a.F.
nicht vor. Ob bei einem nach Zeit und Höhe bestimmten Kapitalbetrag als Gegenleistung für die Übertragung eines
(Teil-)Betriebes angesichts des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66,
BStBl II 1993, 897) überhaupt noch von einer Zeitrente auszugehen ist oder ob auch in diesem Fall nunmehr
Kaufpreisraten anzunehmen sind (vgl. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz 225 a.E.; Richter/Richter, Der Betrieb 1995,
1098), kann im Streitfall offenbleiben.
16 4. Die Sache ist spruchreif. Die Höhe des in den Erbbauzinszahlungen enthaltenen Zinsanteils ist zwischen den
Beteiligten nicht im Streit. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage vollen Umfangs abzuweisen.