Urteil des BFH vom 22.04.2008

BFH: treu und glauben, steuerfestsetzung, festsetzungsverjährung, abgabenordnung, zeitung, erlöschen, behörde, rechtssicherheit

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 22.4.2008, X B 194/07
Der Grundsatz von Treu und Glauben
Gründe
1 Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) entspricht
nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines
Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO. Sie haben nicht in der erforderlichen Weise dargetan, dass die
Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hat.
2 1. Wird dieser Grund für die Zulassung der Revision geltend gemacht, dann ist darzulegen, aus welchen Gründen die
aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der
Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Auch ist darzustellen, in welchem Umfang, von
welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist. Hat der
Bundesfinanzhof (BFH) bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, dann muss begründet werden, weshalb eine
erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage erforderlich ist. Insbesondere ist auszuführen, welche neuen und
gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und/oder der
Literatur gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht worden sind. Auch verlangt die Rechtsprechung, dass sich
eine auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde damit befassen muss, ob die aufgeworfene
Rechtsfrage im konkreten Streitfall klärungsfähig ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 116 Rz 32, 33, 35,
m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Diese Darlegungserfordernisse sind auch im Rahmen von § 115 Abs. 2 Nr.
1 FGO i.d.F. des ab dem 1. Januar 2001 geltenden Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und
anderer Gesetze zu beachten (BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
3 2. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. In ihr wird die Rechtsfrage aufgeworfen, ob eine
Finanzbehörde trotz eingetretener Festsetzungsverjährung nach Treu und Glauben zur Änderung eines
Steuerbescheids verpflichtet ist, wenn diese Behörde durch aktives Tun einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe.
Zur Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage wird in der Beschwerdebegründung im Wesentlichen lediglich ausgeführt,
der BFH habe in dem Urteil vom 19. August 1999 III R 57/98 (BFHE 191, 198, BStBl II 2000, 330) die Beantwortung
dieser Frage offen gelassen.
4 Diese Ausführungen der Kläger sind nicht ausreichend. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt,
dass der Grundsatz von Treu und Glauben regelmäßig keine Steueransprüche zum Entstehen oder zum Erlöschen
bringt. Er hat allenfalls rechtsbeschränkenden Charakter und kann in diesem Fall verhindern, dass eine Forderung oder
ein Recht geltend gemacht werden kann (ständige BFH-Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 8. Februar 1996 V
R 54/94, BFH/NV 1996, 733, und vom 30. Juli 1997 I R 7/97, BFHE 184, 88, BStBl II 1998, 33; ebenso z.B. Rößler,
Deutsche Steuer-Zeitung 2000, 829, und Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 4 AO,
Rz 166). Hiervon ausgehend nimmt die Rechtsprechung an, dass nach Eintritt der Festsetzungsverjährung auch der
Grundsatz von Treu und Glauben grundsätzlich keine Änderung der Steuerfestsetzung rechtfertigt (BFH-Urteil in BFHE
191, 198, BStBl II 2000, 330, und BFH-Beschluss vom 13. November 2007 VIII B 85/07, nicht veröffentlicht). Soweit der
BFH es in dem zuletzt genannten Urteil offen gelassen hat, ob Abweichendes zu gelten hat, wenn das Finanzamt, von
dem die Änderung einer Steuerfestsetzung begehrt wird, durch aktives Tun einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat,
ist diese Rechtsfrage im vorliegenden Streitfall nicht klärungsfähig. Die Kläger sehen diesen Vertrauenstatbestand
darin, dass der Gewinnfeststellungsbescheid 1997 vom 21. Februar 2002 mit dem Hinweis versehen war, der Gewinn
und die sonstigen in diesem Bescheid getroffenen Entscheidungen würden der Einkommensteuerveranlagung
zugrunde gelegt. Dieser Hinweis wurde aber nicht vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--), sondern
vom FA X angebracht, das diesen Gewinnfeststellungsbescheid erlassen hat. Der Grundsatz von Treu und Glauben
wirkt jedoch nur innerhalb eines bestehenden konkreten Steuerrechtsverhältnisses und erfordert daher eine Identität
der Rechtssubjekte (Senatsurteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BFHE 171, 400, BStBl II 1993, 817). Mit der weiteren
Rechtsfrage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen sich das FA das Handeln des FA X zurechnen lassen muss,
befasst sich die Beschwerdebegründung der Kläger nicht.