Urteil des BFH vom 12.03.2008

BFH: Merkmal der Erkennbarkeit bei der zolltariflichen Einreihung, pos, ware, zubehör, sterilität, verpackung, zollverwaltung, zollabfertigung, aufklärungspflicht, eigenschaft

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 12.3.2008, VII B 137/07
Merkmal der Erkennbarkeit bei der zolltariflichen Einreihung
Tatbestand
1 I. Die Oberfinanzdirektion (OFD) als Rechtsvorgängerin der Beklagten und Beschwerdegegnerin
(Bundesfinanzdirektion) erteilte der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf deren Antrag eine verbindliche
Zolltarifauskunft (vZTA) für Kunststoffschläuche in zugeschweißten Einzelverpackungen u.a. mit der Aufschrift
"Verbindungsschlauch, Fingertip/Trichter, steril - nur bei unbeschädigter Verpackung". Die OFD reihte die Ware in die
Unterpos. 3917 33 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) ein mit der Beschreibung: Verbindungsschlauch, Ergebnis
der Untersuchung einer Warenprobe: In einer Einzelverpackung wurde ein transparenter (leichte Lilafärbung), leicht
geriffelter, biegsamer Schlauch mit Anschlussstücken vorgelegt. Nach dem IR-Spektrum besteht der Schlauch aus
weichgemachtem Polyvinylchlorid.
2 Mit Einspruch und Klage verfolgte die Klägerin --vergeblich-- ihre Auffassung, die Ware sei als Katheter in die Unterpos.
9018 39 00 KN einzureihen.
3 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, da es sich bei den Verbindungsschläuchen um andere Schläuche aus
Kunststoff handele, die der Pos. 3917 KN zuzuweisen und nicht in die Pos. 9018 KN einzureihen seien. Die objektiven
Merkmale und Eigenschaften der Ware, auf die es nach ständiger Rechtsprechung ankomme, sprächen für die
Einordnung in die von der OFD angenommene Position. Die Schläuche könnten auch nicht nach Anm. 2 b zu Kap. 90
KN eingereiht werden. Für die Beamten der abfertigenden Zollstelle sei nicht zu erkennen, dass die Schläuche
ausschließlich oder hauptsächlich für Katheter bzw. Absaugpumpen der Pos. 9018 bestimmt seien. Nach dem
optischen Eindruck könnten die Schläuche nicht ohne weiteres einem medizinischen Gerät zugeordnet werden. Zwar
legten die speziell geformten Verbindungsstücke die Annahme nahe, dass es sich um Schläuche für spezielle
Verwendungen handele. Welcher Art diese speziellen Verwendungen seien, lasse sich jedoch nicht ersehen. Auf einen
durch den Hinweis auf Sterilität naheliegenden, allerdings nicht konkret angegebenen speziellen Verwendungszweck
komme es nicht an. Zum einen spreche die Pos. 3917 KN nur allgemein von Schläuchen und schließe nach dem
Wortlaut der Warenbeschreibung nicht etwa Schläuche mit besonderen Materialeigenschaften aus. Zum anderen
würden auch in anderen Bereichen sterile Schläuche eingesetzt. Die Ware könne auch nicht im Sinne von Anm. 2 c zu
Kap. 90 KN als übriges Teil oder übriges Zubehör nach Pos. 9033 KN eingereiht werden. Abgesehen davon, dass die
Klägerin eine Einreihung in diese Position nicht beantragt habe, fehle es schon an der erkennbaren Teile- oder
Zubehöreigenschaft für eine der Waren des Kap. 90 KN. Es bleibe damit bei der spezielleren Pos. 3917 KN.
4 Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde, die sie auf die
Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO--),
der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie auf einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)
stützt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe jedenfalls nicht
vorliegen.
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1. Der Rechtssache kommt weder die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung zu noch ist eine
höchstrichterliche Entscheidung zur Fortbildung des Rechts erforderlich.
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Geht es in einer Zolltarifsache allein darum, ob eine von der Zollverwaltung erteilte vZTA die betreffende Ware
zutreffend in die KN eingereiht hat oder ob die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers die richtige ist,
beschränkt sich also die Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zukommen soll,
auf die Frage der zutreffenden Tarifierung, so kommt, wie der Senat in seinem Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B
136/01 (BFHE 198, 242) eingehend ausgeführt hat, der Klärungsbedürftigkeit der Tarifierungsfrage und ihrer
ausreichenden Darlegung (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) entscheidende Bedeutung zu. Hat das FG die Tarifauffassung
der Zollverwaltung bestätigt, muss der Beschwerdeführer unter Heranziehung der zu dieser Frage ggf. vorhandenen
Literatur und Rechtsprechung der europäischen und der nationalen Gerichte sowie der einschlägigen
Zolltarifmaterialien (Avise, Erläuterungen u.a.), ggf. auch unter Vorlage abweichender vZTA aus anderen
Mitgliedstaaten, Zweifel an dieser Einreihung der Ware erwecken und aufzeigen, aus welchen Gründen seiner
abweichenden Tarifauffassung möglicherweise der Vorzug vor der in der vZTA zugrunde gelegten Tarifauffassung
gegeben werden könnte.
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Einen solchen, Klärungsbedarf auslösenden Zweifel an der Einreihung durch das FG erweckt das
Beschwerdevorbringen der Klägerin nicht.
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Die Klägerin hält für klärungsbedürftig, wie die Anm. 2 b und 2 c zu Kap. 90 KN auszulegen sind, insbesondere ob ein
Verbindungsschlauch von Katheter und medizinischer Absaugpumpe als unter sterilen Bedingungen hergestellter, in
einer zugeschweißten Einzelverpackung gelieferter Verbindungsschlauch mit Anschlussstücken sich als ein anderes
Teil oder anderes Zubehör eines bestimmten medizinischen Geräts oder mehrerer bestimmter medizinischer Geräte
(Anm. 2 b zu Kap. 90 KN) oder ob er sich als übriges Teil oder übriges Zubehör (Anm. 2 c zu Kap. 90 KN) darstellt. Für
einen durchschnittlichen Betrachter sei sicher erkennbar, dass es sich bei dem Schlauch um ein steriles Teil oder
Zubehör für Waren der Pos. 9018 KN handele, da aufgrund seiner Sterilität feststehe, dass er eigens zum Gebrauch
bei chirurgischen Eingriffen und zur Vermeidung der dabei entstehenden Ansteckungs- und Infektionsgefahr
hergestellt sei. Wenn aber die Erkennbarkeit und damit die Voraussetzung der Anm. 2 b zu Kap. 90 KN zu verneinen
sein sollte, sei die Ware gemäß der Auffangvorschrift der Anm. 2 c nach Pos. 9033 KN einzureihen.
10 a) Das FG hat die Einreihung der streitgegenständlichen Schläuche in die Position für Katheter bzw. Absaugpumpen,
also die Pos. 9018 KN, unter Bezugnahme auf die Anm. 2 b zu Kap. 90 KN verneint, weil für die Beamten der
abfertigenden Zollstelle nicht erkennbar sei, dass die Schläuche ausschließlich oder hauptsächlich für diese Geräte
bestimmt sind. Es hat also insoweit nicht darauf abgestellt, ob der Schlauch ein anderes Teil oder anderes Zubehör
eines bestimmten medizinischen Geräts oder mehrerer bestimmter medizinischer Geräte ist, sondern auf die
Erkennbarkeit der Eigenschaft als Teil oder Zubehör von Geräten des Kap. 90 KN für die Beamten im Zeitpunkt der
Zollabfertigung. Die von der Klägerin gestellte Rechtsfrage, ob der Verbindungsschlauch die besondere
Zubehöreigenschaft im Sinne der Anm. 2 b zu Kap. 90 KN erfüllt, stellte sich für das FG deshalb nicht, so dass sich
insoweit Zweifel an der Einreihung nicht ergeben können.
11 Auf das Merkmal der Erkennbarkeit hat das FG zu Recht abgestellt. Klärungsbedarf hat die Klägerin insoweit selbst
nicht behauptet. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 17. Oktober 2006 VII R 41/05 (BFH/NV 2007, 289)
klargestellt, dass die Zuordnung einer Ware als Zubehör für bestimmte Waren des Kap. 90 KN voraussetzt, dass die
ausschließliche bzw. hauptsächliche Bestimmung der Ware als spezielles Zubehörteil aufgrund der an der Ware
objektiv feststellbaren Merkmale und Eigenschaften für einen durchschnittlich sachkundigen Betrachter erkennbar
sein muss.
12 Die Entscheidung, ob die spezifische Zubehöreigenschaft für die Zollbeamten erkennbar ist, ist als
Tatsachenwürdigung regelmäßig einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Die Klägerin hat die
tatsächlichen Feststellungen des FG zur Beschaffenheit der zu tarifierenden Schläuche nicht beanstandet. Den
Ausführungen des FG, weshalb die im Einzelnen erörterten Merkmale der Ware, auch die Sterilität der Schläuche, für
den durchschnittlichen Betrachter nicht den Rückschluss auf die spezielle Verwendung zulassen, setzt sie lediglich
ihre Rechtsansicht entgegen, dass bereits aufgrund der Sterilität der Schläuche sicher erkennbar sei, dass es sich um
Teile oder Zubehör für Waren der Pos. 9018 KN handele. Damit ist die Klägerin ihrer Darlegungspflicht i.S. des § 116
Abs. 3 Satz 3 FGO nicht nachgekommen. Im Übrigen ist die vom FG gegebene Begründung überzeugend.
Insbesondere ist die Sterilität der Schläuche --abgesehen davon, dass die Art und Weise der Verpackung ebenso
wenig wie der Verwendungszweck der Ware für die Zuordnung zu Kap. 90 KN ausschlaggebend ist (vgl. Senatsurteil
in BFH/NV 2007, 289)-- kein Merkmal, das die Ware ausschließlich dem medizinischen Bereich zuordnet. Das FG hat
zutreffend darauf hingewiesen, dass sterile Schläuche auch in der Pharma- und Lebensmittelindustrie sowie in der
Mikrobiologie Verwendung finden.
13 b) Die Klägerin kann die Zulassung der Revision auch nicht mit der Begründung erreichen, dass das FG die
Einreihung der Schläuche in die Pos. 9033 KN gemäß der Anm. 2 c zu Kap. 90 KN rechtsfehlerhaft verneint habe. Die
Entscheidung, dass die zu tarifierenden Schläuche nicht von der Anm. 2 c zu Kap. 90 KN erfasst werden, ist zutreffend.
Denn nach den vom FG festgestellten und von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen objektiven Merkmalen und
Eigenschaften der zu beurteilenden Schläuche ist die auch für die Einreihung in diese Position entscheidende Teile-
oder Zubehöreigenschaft für eine der Waren des Kap. 90 KN nicht gegeben. Das bestreitet auch die Klägerin mit ihrer
Beschwerde nicht. Sie meint aber, dass für die Einreihung in Kap. 90 KN neben den objektiven
Beschaffenheitsmerkmalen auch der Verwendungszweck der Schläuche für medizinische und chirurgische
Instrumente maßgeblich sei. Diese Auffassung hat der Senat jedoch bereits in seiner Entscheidung in BFH/NV 2007,
289 (II.1.b) verworfen. Die Beschwerde setzt sich damit nicht auseinander, so dass erneuter oder weitergehender
Klärungsbedarf nicht ersichtlich ist.
14 2. Ein Eingehen auf die Verfahrensrüge der Klägerin, das FG sei unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht davon
ausgegangen, dass die Klägerin eine Einreihung in diese Pos. 9033 KN nicht beantragt habe, erübrigt sich, da das FG
seine Entscheidung jedenfalls nicht allein auf diese Erwägung gestützt hat.
15 3. Da die Beschwerde weitere Einwände gegen die vZTA und die Einreihung der Schläuche in die Pos. 3917 KN nicht
erhoben hat, sind weitere Ausführungen des Senats insoweit entbehrlich.