Urteil des BFH vom 15.07.2004

BFH (gleichbehandlung im unrecht, treu und glauben, kläger, ausdehnung, steuerfestsetzung, steuerbefreiung, umsatzsteuer, begründung, rechtsfrage, tätigkeit)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 24.4.2008, V B 259/07
Abweichende Steuerfestsetzung bei nachträglich der Umsatzsteuer unterworfenen Schönheitsoperationen?
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes, der in den
Streitjahren 1996 bis 2000 als Arzt medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen durchgeführt hatte.
2 Im Anschluss an eine Außenprüfung gelangte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zu der
Rechtsauffassung, dass medizinisch nicht indizierte Schönheitsoperationen nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr.
14 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) fielen, und setzte entsprechend Umsatzsteuer fest.
3 Nachdem ein für die Jahre 1996 bis 1998 durchgeführtes Klageverfahren sowie die Revision mit Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Juli 2004 V R 27/03 (BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862) und eine
Verfassungsbeschwerde (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2006 1 BvR 2241/04) erfolglos
geblieben waren, beantragte der vormalige Kläger ein Absehen von der Besteuerung aus Billigkeitsgründen nach §
163 der Abgabenordnung (AO). Zur Begründung führte er aus, weder aus Verwaltungsanweisungen noch aus der
Rechtsprechung habe sich ergeben, dass die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nur die heilberufliche Tätigkeit
eines Arztes umfasse. Auch nach Ergehen des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 14.
September 2000 Rs. C-384/98 (Slg. 2000, I-6795, Umsatzsteuer-Rundschau 2000, 432) sowie des Erlasses des
Bundesministeriums der Finanzen vom 13. Februar 2001 (BStBl I 2001, 157) hätten einzelne Oberfinanzdirektionen
(OFD) aus Billigkeitsgründen ein Absehen von der Besteuerung angeordnet, nicht jedoch die für den vormaligen Kläger
zuständige OFD Berlin.
4 Nachdem das FA den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO abgelehnt sowie einen hiergegen
eingelegten Einspruch u.a. mit der Begründung zurückgewiesen hatte, § 4 Nr. 14 UStG diene der Entlastung der
Sozialversicherungsträger, die jedoch bei medizinisch nicht indizierten Maßnahmen nicht leistungspflichtig seien, wies
das Finanzgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, ein Ermessensfehler des FA sei nicht erkennbar, weil
die Steuerfestsetzungen nicht den Wertungen des Gesetzgebers zuwider liefen. Der BFH habe bereits mit Urteil vom
26. Mai 1977 V R 95/76 (BFHE 123, 199, BStBl II 1977, 879) zu Arzneimittelverkäufen eines Arztes aus der
Hausapotheke entschieden, dass nicht jegliche Tätigkeit eines Arztes, sondern nur die Ausübung der Heilkunde nach §
4 Nr. 14 UStG steuerbefreit sei. Das FA habe auch keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, aufgrund dessen der
vormalige Kläger auf eine Steuerbefreiung dieser Umsätze nach Treu und Glauben hätte vertrauen dürfen. Der Kläger
habe weder eine Auskunft beim FA eingeholt noch eine verbindliche Zusage erhalten. Es hätten in den Streitjahren
auch keine entsprechenden Verwaltungsrichtlinien bestanden. Auf eine Billigkeitsregelung der OFD Karlsruhe könne er
sich nicht berufen, weil es keinen Anspruch auf Ausdehnung einer gesetzwidrigen Billigkeitsregelung in den Bereich
einer anderen OFD gebe.
5 Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der auf grundsätzliche Bedeutung gestützten Nichtzulassungsbeschwerde. Zu
klären sei die Rechtsfrage, ob sich aus Billigkeitsregelungen einzelner OFD ein Anspruch auf Gleichbehandlung
ergebe. Drei süddeutsche OFD hätten "in nahezu gesetzwidriger Weise" ihre Schönheitskliniken von der Besteuerung
ausgenommen. Der Grundsatz, wonach es keine Gleichbehandlung im Unrecht gebe, gelte in diesem Falle nicht.
Entscheidungsgründe
6 II. Die Beschwerde ist unzulässig.
7 1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde --wie im Streitfall-- auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. des §
115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützt, so muss der Beschwerdeführer darlegen, dass die für die
Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung
und Handhabung des Rechts berührt. Hierzu muss er nach ständiger Rechtsprechung des BFH in der
Beschwerdeschrift schlüssig und substantiiert darlegen, aus welchen Gründen und in welchem Umfang die
Rechtsfrage umstritten ist (z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Oktober 1996 VIII B 2/96, BFH/NV 1997, 411; vom 9. August
1999 VII B 282/98, BFH/NV 2000, 74). Daran fehlt es. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann aus dem
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes kein Anspruch auf Ausdehnung einer gesetzwidrigen
Verwaltungspraxis entnommen werden (BFH-Beschluss vom 13. Februar 2007 II B 32/06, BFH/NV 2007, 966). Aus
welchen Gründen im Streitfall etwas anderes gelten soll, hat die Klägerin nicht substantiiert ausgeführt.
8 2. Im Übrigen hat der Senat in einem gleich gelagerten Fall, in dem es ebenfalls um eine abweichende
Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach Schönheitsoperationen ging, mit Beschluss vom 26. September 2007 V
B 8/06 (BFH/NV 2008, 320) bereits entschieden, dass schlichtes Verwaltungsunterlassen durch jahrelanges
Unterlassen der Besteuerung von Schönheitsoperationen keine hinreichende Vertrauensgrundlage für einen
Billigkeitserlass begründet und sich zudem aus der unterschiedlichen Verwaltungspraxis einzelner OFD kein Anspruch
auf Ausdehnung einer gesetzwidrigen Besteuerung herleiten lässt. Auch im Hinblick auf diese Entscheidung fehlt es an
der von der Klägerin geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung.