Urteil des BFH vom 08.07.2008

BFH (legasthenie, beschwerde, bewerber, arbeit, leistungsfähigkeit, bewertung, verlängerung, zulassung, form, ausgleich)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 8.7.2008, VII B 241/07
Steuerberaterprüfung: Erleichterungen für Bewerber mit Behinderungen
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte mit ihrer Zulassung zur Steuerberaterprüfung 2005
zugleich die Verlängerung der Bearbeitungszeit für die Anfertigung der Aufsichtsarbeiten gemäß § 18 Abs. 3 der
Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und
Steuerberatungsgesellschaften (DVStB), wofür sie zunächst eine privatärztliche Bescheinigung, später auch ein
amtsärztliches Zeugnis vorlegte, mit denen Legasthenie attestiert bzw. die Verlängerung der Bearbeitungszeit
befürwortet wurde. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzministerium) gewährte daraufhin für die Fertigung
der Aufsichtsarbeiten eine Prüfungsverlängerung von einer Stunde pro Tag.
2 Im schriftlichen Teil der Steuerberaterprüfung erzielte die Klägerin eine Gesamtnote von 4,66, woraufhin ihr mitgeteilt
wurde, dass sie die Steuerberaterprüfung nicht bestanden habe. Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage wandte sich die
Klägerin gegen die Bewertung der mit 4,5 benoteten Aufsichtsarbeit aus den Gebieten der Buchführung und des
Bilanzwesens und machte geltend, dass für diese Arbeit zu den gegebenen 41 Punkten noch weitere 16 Punkte
vergeben werden müssten. Nachdem das seitens der Klägerin beantragte verwaltungsinterne Überdenkungsverfahren
zur Vergabe von zwei weiteren Punkten durch die Prüfer geführt hatte, was jedoch an der Note nichts änderte, wies das
Finanzgericht (FG) die Klage ab. Das FG urteilte, dass außerdem noch drei zusätzliche Punkte für die Arbeit zu
vergeben seien, was aber zu insgesamt 46 Punkten und damit zu keiner besseren Note als 4,5 führe. Wegen der
ärztlich bescheinigten Legasthenie sei der Klägerin mit der Schreibzeitverlängerung ein angemessener Ausgleich
gewährt worden; eine weitere Berücksichtigung in Form eines abweichenden Bewertungsmaßstabs könne die Klägerin
nicht beanspruchen.
3 Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
4 II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund jedenfalls nicht vorliegt, weshalb der
Senat auf die Mängel bezüglich der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen schlüssigen Darlegung der
Zulassungsgründe nicht näher eingehen muss.
5 Die von der Beschwerde bezeichnete Frage, ob Legasthenie eines Bewerbers nicht nur durch Gewährung einer
Schreibzeitverlängerung gemäß § 18 Abs. 3 DVStB, sondern auch zusätzlich im Rahmen der einzelnen
Prüfungsarbeiten zu berücksichtigen sei, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie sich nur so beantworten lässt, wie es das
FG getan hat. Die maßgebenden Vorschriften über das Prüfungsverfahren sehen nicht vor, dass bei der Bewertung der
Prüfungsleistungen der Bewerber unterschiedliche Maßstäbe unter Berücksichtigung ihrer individuellen
Leistungsfähigkeit angelegt werden, was in Anbetracht der Variationen individueller Leistungsfähigkeit und
Veranlagungen und deren fehlender Messbarkeit auch gar nicht möglich wäre. Nach § 18 Abs. 3 DVStB können allein
im Rahmen des Verfahrens ärztlich attestierte Behinderungen Berücksichtigung finden, indem den Bewerbern durch
Schreibzeitverlängerung eine Erleichterung gegenüber den anderen Bewerbern gewährt wird. Dies ist rechtlich nicht
zu beanstanden; die Anlegung gleicher Bewertungsmaßstäbe bei behinderten und nicht behinderten Prüflingen ist
keine Verletzung, sondern ein Gebot der Chancengleichheit und stellt erst recht keine Diskriminierung behinderter
Prüflinge dar.
6 Im Übrigen wäre die von der Beschwerde bezeichnete Frage in einem Revisionsverfahren auch nicht klärungsfähig,
weil es sich --wie das FG zutreffend erkannt hat-- nicht feststellen lässt, ob das Fehlen von Ausführungen in der
Prüfungsarbeit zu bestimmten Teilen der Prüfungsaufgabe auf die ärztlich bescheinigte Legasthenie zurückzuführen ist.