Urteil des BFH vom 15.09.2010

Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen: Notwendigkeit schriftlicher Änderung des Versorgungsvertrags - kein Sonderausgabenabzug nach Wiederaufnahme willkürlich ausgesetzter Zahlungen - Prognose zur Erfüllung der Versorgungsleistungen - Rechtsbindun

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 15.9.2010, X R 13/09
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen: Notwendigkeit schriftlicher Änderung des Versorgungsvertrags - kein
Sonderausgabenabzug nach Wiederaufnahme willkürlich ausgesetzter Zahlungen - Prognose zur Erfüllung der
Versorgungsleistungen - Rechtsbindungswillen der Vertragsparteien
Leitsätze
1. Änderungen eines Versorgungsvertrags können nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie von den
Vertragsparteien schriftlich fixiert worden sind.
2. Werden die auf der Grundlage eines Vermögensübergabevertrags geschuldeten Versorgungsleistungen "willkürlich"
ausgesetzt, so dass die Versorgung des Übergebers gefährdet ist, sind die weiteren Zahlungen auch nach Wiederaufnahme
der ursprünglich vereinbarten Leistungen nicht als Sonderausgaben abziehbar.
Tatbestand
1
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2001 bis 2003 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Vater des Klägers übertrug diesem mit notariellem Vertrag vom 23. Oktober
1998 (Übergabevertrag) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zum 1. Januar 1999 das Eigentum an einem
Grundstück sowie an dem auf dem Grundstück befindlichen Bäckereibetrieb. Im Gegenzug verpflichtete sich der
Kläger, seinen Eltern jeweils zum ersten eines Monats eine monatliche Rente in Höhe von 4.000 DM ab dem 1.
Februar 1999 zu bezahlen. Im Übergabevertrag war die Abänderbarkeit der Rente gemäß § 323 der
Zivilprozessordnung (ZPO) vorgesehen. Im Grundbuch wurde eine abänderbare Reallast eingetragen.
2
Der Kläger führte den Bäckereibetrieb im Rahmen einer GmbH fort und vermietete dieser die betrieblichen
Grundstücke. Die monatliche Pacht betrug bis Ende des Jahres 2001 44.080 DM. Wegen der schlechten Ertragslage
des Bäckereibetriebs wurde die Pacht ab 2002 auf 16.000 EUR monatlich vermindert. Zwischen dem Streitjahr 2003
und dem Jahr 2005 traf der Kläger weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Ausgaben des Bäckereibetriebs (z.B.
Wegfall des Weihnachtsgelds und freiwilliger Lohnzuschläge, Schließung einzelner Filialen, Minderung der Pacht
angemieteter Ladengeschäfte). Mit den Banken vereinbarte er eine Tilgungsaussetzung. Sein Geschäftsführergehalt
(2001 111.600 DM; 2002 55.224 EUR; 2003 57.480 EUR) wurde ab Juli 2004 auf 1.600 EUR monatlich gekürzt.
3
In den Streitjahren 2001 bis 2003 leistete der Kläger folgende Rentenzahlungen:
4
2001
2002
2003
Rate
Betrag in DM
Betrag in EUR
Betrag in EUR
Januar
19.01.01 4.000
21.01.02 2.045,17
Februar
29.01.01 4.000
22.02.02
2.045,17
März
27.02.01 1.000
April
01.04.01 4.000
Mai
30.04.01 4.000
Juni
16.05.01 4.000
Juli
August
16.08.01 4.000
31.07.03 2.045,17
September
28.08.03 2.045,17
Oktober
12.10.01 4.000
29.09.03 2.045,17
November 30.10.01 4.000
31.10.03 2.045,17
Dezember 29.11.01
4.000
11.12.03
2.045,17
Summe
37.000
4.090,34
10.225,85
5
Die GmbH und das Vermietungseinzelunternehmen erzielten in den Streitjahren folgende --um die Absetzung für
Abnutzung (AfA) und den Erhaltungsaufwand korrigierte-- Ergebnisse:
6
GmbH
Vermietungseinzelunternehmen
Jahr Ergebnis in EUR Ergebnis in EUR
2001 + 69.205
+ 156.563
2002 + 15.769
+ 104.544
2002 + 15.769
+ 104.544
2003 - 36.175
+ 105.645
7
In ihren Einkommensteuererklärungen machten die Kläger die Rentenzahlungen, die sie teilweise überwiesen und
teilweise bar geleistet hatten, als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in
der in den Streitjahren gültigen Fassung geltend.
8
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte lediglich Rentenzahlungen in Höhe von 24.000
DM für die Monate Januar bis Juni 2001 als Sonderausgaben an und versagte für die Streitjahre 2002 und 2003 den
Sonderausgabenabzug vollständig. Die Einsprüche der Kläger hiergegen blieben erfolglos.
9
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die
Versorgungsleistungen der zweiten Jahreshälfte 2001 sowie die Zahlungen im Januar und Februar 2002 seien trotz
der Abweichung von den Vereinbarungen im Versorgungsvertrag als Sonderausgaben abziehbar. Der Kläger habe
die Rente in den Jahren 1999 und 2000 vollständig und zeitnah bezahlt. Die vereinzelte Nichtzahlung der Rente in
den Jahren 2001 und 2002 sei durch die finanziell verschlechterte betriebliche Lage der Bäckerei bedingt und daher
nicht willkürlich. Zudem könne vernachlässigt werden, dass die Zahlungen gelegentlich verspätet geleistet worden
seien. Auch die Versorgungsleistungen für die Monate August bis Dezember 2003 seien als Sonderausgaben zu
berücksichtigen. Zwar habe bei Übergabe des Vermögens im Jahr 1998/1999 ein Versorgungsvertrag nach dem sog.
Typus 2 vorgelegen, da der Ertrag des von den Eltern übergebenen Vermögens nicht zur Deckung der
Versorgungsleistungen ausgereicht habe. Die Wiederaufnahme der Zahlungen ab August 2003 sei jedoch wegen der
völligen Einstellung der Zahlungen im Vorjahr als Vertragsänderung anzusehen. Der Kläger habe sich mit seinen
Eltern auf ein neues Vertragskonzept geeinigt und beschlossen, nach der begonnenen Sanierung die
Rentenzahlungen in der ursprünglich vereinbarten Höhe wieder aufzunehmen. Deshalb sei zum Zeitpunkt der
Wiederaufnahme der Zahlungen eine neue Ertragsprognose zu stellen. Diese falle zugunsten des Klägers aus, da die
Rentenzahlungen aus dem Betriebsergebnis der GmbH und des Vermietungsunternehmens hätten bedient werden
können.
10 Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 12 EStG. Es liege ein Übergabevertrag
nach dem sog. Typus 2 vor. Die Versorgungsleistungen seien nicht durch die laufenden Nettoerträge des
übernommenen Vermögens gedeckt. Daher seien die in den Jahren 2001 und 2002 gezahlten Renten nicht als
dauernde Last abziehbar, sondern stellten Unterhaltsleistungen oder Leistungen aufgrund freiwillig begründeter
Rechtspflicht i.S. des § 12 EStG dar. Zwar habe es --das FA-- sich auf Antrag des Klägers im Einspruchsverfahren
damit einverstanden erklärt, dass im Streitfall die Grundsätze des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen
(BMF) vom 26. August 2002 IV C 3 -S 2255- 420/02 (BStBl I 2002, 893) weiter anzuwenden seien, weil die Eltern dem
Kläger eine existenzsichernde und ihrem Wesen nach ertragbringende Wirtschaftseinheit --wenn auch ohne
ausreichende Erträge-- überlassen hätten (vgl. hierzu Tz 74 des BMF-Schreibens vom 16. September 2004 IV C 3 -S
2255- 354/04, BStBl I 2004, 922). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (vgl. z.B. Senatsbeschluss
vom 15. November 2006 X B 11/06, BFH/NV 2007, 209) habe das FG diese auf Billigkeitsgründen beruhende
Übergangsregelung aber nicht anwenden dürfen.
11 Die ursprünglich zwischen den Parteien des Vermögensübergabevertrags getroffenen Vereinbarungen seien nicht
wie unter fremden Dritten durchgeführt worden. Ein Fremder hätte nicht die völlige Aussetzung der Zahlungen
hingenommen, sondern allenfalls eine Minderung akzeptiert. Hinzu komme, dass der Kläger auch mit fremden
Gläubigern (Arbeitnehmern, Vermietern) und sich selbst (als Vermieter und Geschäftsführer) nur eine Minderung der
ursprünglich vereinbarten Zahlungsansprüche vereinbart habe. Fremde Dritte hätten zudem auch bei einer
Sanierungsbedürftigkeit des übertragenen Betriebs im Voraus klare, eindeutige und einklagbare Vereinbarungen
über den Charakter der Aussetzung (endgültiger Erlass oder nur vorübergehende Stundung) sowie über deren
vorgesehene Dauer bzw. über eine Wiederaufnahme der Zahlungen getroffen. Die Bezugnahme auf § 323 ZPO im
Übergabevertrag hätte allenfalls eine Minderung der künftigen Leistungen gerechtfertigt.
12 In den letzten drei Jahren vor Betriebsübergabe habe der Durchschnittsgewinn des Einzelunternehmens des Vaters
des Klägers 113.000 DM betragen. Dieser Gewinn hätte zwar ausgereicht, um die Zahlung der zugesagten
Altenteilsleistungen in Höhe von 48.000 DM zu ermöglichen. Da der Vater jedoch noch vor der Betriebsübergabe am
1. Januar 1999 erhebliche Beträge in neue Maschinen und Geräte investiert habe, seien die früheren
Betriebsergebnisse für Prognosezwecke um die bereits absehbaren Finanzierungskosten zu bereinigen. Der
bisherige Durchschnittsertrag wäre davon aufgezehrt worden, während die erhoffte Steigerung der Umsätze und des
Gewinns völlig ungewiss gewesen und auch nicht eingetreten sei. Deshalb habe das FG den Übergabevertrag
zutreffend dem sog. Typus 2 zugeordnet.
13 Die Anerkennung der im Jahr 2003 wiederaufgenommenen Rentenzahlungen als Sonderausgaben stehe in
Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH zur willkürlichen Aussetzung und Wiederaufnahme von Zahlungen (vgl.
Senatsurteil vom 3. März 2004 X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826). Aus dem Senatsurteil vom 13.
Dezember 2005 X R 61/01 (BFHE 212, 195, BStBl II 2008, 16) könne nicht gefolgert werden, dass nach jeder
Vertragsänderung eine erneute Ertragsprognose anzustellen sei und ursprünglich wegen ihrer Zuordnung zum sog.
Typus 2 nicht als Sonderausgaben abziehbare Zahlungen für die Zukunft steuerlich anzuerkennen seien.
14 Das Finanzamt beantragt,
das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
15 Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
16 Die Entscheidung des FG stehe in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH und enthalte keinen
Rechtsanwendungsfehler.
Entscheidungsgründe
17 II. Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), soweit das FG die wiederkehrenden Zahlungen der Kläger in
Höhe von 10.225,85 EUR im Streitjahr 2003 als Sonderausgaben anerkannt hat. Keinen Erfolg hat die Revision des
FA, soweit sie die Streitjahre 2001 und 2002 betrifft.
18 1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und
dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer
Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Hierzu hat die Rechtsprechung des BFH im Wesentlichen die folgenden
Grundsätze entwickelt:
19 a) Nach Maßgabe des § 12 EStG sind nicht abziehbar u.a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen aufgrund einer
freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG). Dies gilt auch für die im Einleitungssatz des § 12 EStG nicht
erwähnten Renten und dauernden Lasten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG), soweit diese --außerhalb der für die
Vermögensübergabe geltenden Sonderregelung-- Unterhaltsleistungen oder Leistungen aufgrund freiwillig
begründeter Rechtspflicht sind (Senatsurteil vom 27. Februar 1992 X R 139/88, BFHE 167, 381, BStBl II 1992, 612).
20 b) Die steuerrechtliche Behandlung der Versorgungsleistungen als dauernde Last/wiederkehrende Bezüge "beruht
auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge
seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen"
(Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Dem liegt
nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12. Mai 2003 GrS 1/00 (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) die
normleitende Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen --ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt--
ohne die vorbehaltenen Erträge, die nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat. Maßgebendes
Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen
sein kann, ist, so der Große Senat, "die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe
muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen --obwohl sie von ihm erwirtschaftet
werden müssen-- als zuvor vom Übergeber vorbehaltene --abgespaltene-- Nettoerträge vorstellbar sind". Dies ist für
die Abziehbarkeit und materiell-rechtlich korrespondierend für die Steuerbarkeit der privaten Versorgungsrente
konstituierend (Senatsurteil vom 16. Juni 2004 X R 50/01 BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130, unter II.1.b der Gründe).
21 2. Die Annahme des FG, der im Oktober 1998 geschlossene Übergabevertrag sei dem sog. Typus 2 (sog. 1.
Rentenerlass vom 23. Dezember 1996 IV B 3 -S 2257- 54/96, BStBl I 1996, 1508; Anerkennung als
Versorgungsleistungen bei deren mindestens 50 %iger Deckung durch das übertragene Vermögen) zuzuordnen, ist
rechtsfehlerhaft.
22 a) Im Streitfall greift die vom Großen Senat in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95 (unter C.II.6.d bb) formulierte
"Beweiserleichterung". Danach besteht bei der Übertragung eines gewerblichen Unternehmens gegen
wiederkehrende Bezüge im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge eine nur in seltenen Ausnahmefällen
widerlegliche Vermutung dafür, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Übertragung angenommen haben, der Betrieb
werde auf Dauer ausreichende Gewinne erwirtschaften, um die wiederkehrenden Leistungen abzudecken. Das FG
hat keinerlei Feststellungen getroffen, die diese Beweiserleichterung entkräften könnten. Vielmehr reichte der in den
Jahren vor der Vermögensübergabe erzielte Durchschnittsgewinn des Einzelunternehmens des Vaters des Klägers
zur Erfüllung der Versorgungsleistungen selbst dann aus, wenn er nicht --wie von den Klägern im finanzgerichtlichen
Verfahren vorgetragen-- bei ca. 300.000 DM, sondern bei 113.000 DM jährlich --so die Einlassung des FA in der
Revisionsbegründungsschrift-- gelegen hätte. Werden --wie vom FA in der Revisionsbegründung berechnet-- für
Prognosezwecke die jährlichen Mehrbelastungen des Besitzunternehmens berücksichtigt, die aus den
fremdfinanzierten Investitionen zwischen dem Abschluss des Übergabevertrags (23. Oktober 1998) und dem Tag der
Betriebsübergabe (1. Januar 1999) resultieren, ist diesen die Ertragssteigerung entgegenzusetzen, die die
Investitionen nach Auffassung der Beteiligten zur Folge haben sollten. Dass die erhoffte Steigerung der Umsätze und
Gewinne nicht sicher war und tatsächlich auch nicht eingetreten ist, ändert hieran schon deshalb nichts, weil die
Versorgungsleistungen selbst in den Streitjahren 2001 bis 2003 nach den Feststellungen des FG (vgl. die
Entscheidungsgründe unter 2.b) trotz der finanziellen Schwierigkeiten in diesen Jahren aus dem Ertragsüberschuss
des Besitz- und des Betriebsunternehmens hätten bedient werden können. Im Übrigen rechnet nach der
Rechtsprechung bei der Übertragung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft auch die
Tätigkeitsvergütung für die Geschäftsführung zum erzielbaren Nettoertrag des überlassenen Vermögens (Senatsurteil
vom 21. Juli 2004 X R 44/01, BFHE 207, 179, BStBl II 2005, 133). Nichts anderes kann gelten in Fällen, in denen der
Vermögensübergeber ein Einzelunternehmen überträgt, der Vermögensübernehmer dieses als GmbH fortführt und
ein Geschäftsführergehalt bezieht.
23 b) Der Senat ist an die vom FG vorgenommene Wertung des Versorgungsvertrags (Typus 2 im Zeitpunkt der
Vermögensübergabe) nicht gebunden. Zwar gehört die Auslegung von Verträgen grundsätzlich zum Bereich der
tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO. Die Bindungswirkung entfällt jedoch, wenn die Auslegung des
FG anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R
75/00, BFHE 201, 278, BStBl II 2003, 467, m.w.N.). Das FG hat im Streitfall den Versorgungsvertrag nicht ausgelegt. Es
hat aus dem Umstand, dass der Ertragsüberschuss der Jahre 2001 bis 2003 die Versorgungsleistungen deckt,
lediglich gefolgert, die neue Ertragsprognose im Jahr 2003 falle zugunsten der Kläger aus (Entscheidungsgründe des
FG unter 2.b). Es hat nicht geprüft, ob die übereinstimmende Einschätzung der Kläger und des FA, bei Vertragsschluss
habe ein Übergabevertrag des sog. Typus 2 vorgelegen, zutreffend ist.
24 3. Zu Recht hat das FG die in der zweiten Jahreshälfte 2001 und im Januar bzw. Februar 2002 gezahlten
wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben anerkannt.
25 a) Zutreffend ging das FG davon aus, dass die vereinbarten Leistungen als abänderbar anzusehen sind. Da im
Versorgungsvertrag auf § 323 ZPO Bezug genommen wurde, konnten die Beteiligten den Vertrag und damit auch die
Höhe der wiederkehrenden Leistungen nicht nur im Hinblick auf eine veränderte Bedarfslage der Berechtigten,
sondern auch auf eine verbesserte bzw. verschlechterte Leistungsfähigkeit des Verpflichteten anpassen.
26 b) Unschädlich ist im Streitfall, dass der Kläger und seine Eltern die Abweichung des tatsächlich Vollzogenen vom
Vereinbarten nicht dokumentiert haben.
27 aa) Zwar ist nach § 761 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leibrente
versprochen wird, die schriftliche Erteilung des Versprechens (ggf. auch in elektronischer Form) erforderlich.
Änderungen der Verpflichtungsermächtigung bedürfen der Form jedoch nur bei Verpflichtungserweiterungen
(Erman/M. Terlau, BGB, 12. Aufl., § 761 Rz 1); nachträgliche Einschränkungen oder bloße Erläuterungen unterliegen
nicht dem Formerfordernis (Staudinger/ Jörg Mayer (2008), § 761 Rz 4).
28 bb) Das FG hat nicht festgestellt, ob die Vertragsparteien im Übergabevertrag geregelt haben, dass
Vertragsänderungen formbedürftig sind. Der Senat muss das Verfahren aus diesem Grund jedoch nicht
zurückverweisen. Vertragsparteien können einen vereinbarten Formzwang jederzeit aufheben. Als actus contrarius
zur formfreien Begründung des Formzwangs ist die Aufhebung der Formabrede gleichfalls formfrei (Erman/H. Palm,
a.a.O., § 125 Rz 8; Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., § 125 Rz 19; vgl. auch BFH-Urteil vom 20.
April 1999 VIII R 81/94, BFH/NV 1999, 1452). Selbst wenn im Streitfall im Übergabevertrag die Formbedürftigkeit einer
Vertragsänderung vereinbart sein sollte, müsste von deren stillschweigender Aufhebung ausgegangen werden, da
die Parteien nach den Feststellungen des FG die Maßgeblichkeit der mündlichen Vereinbarung zur zeitweisen
Aussetzung der Versorgungsleistungen übereinstimmend gewollt haben.
29 cc) Versorgungsleistungen sind nach der gesetzlichen Systematik (Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG) stets privat
veranlasst. Der Bezugsberechtigte erhält Unterhaltsleistungen (vgl. § 22 Nr. 1a EStG), die im Anwendungsbereich der
privaten Versorgungsrente (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG) steuerlich begünstigt sind. Bei Abweichungen vom Vereinbarten
ist deshalb stets zu prüfen, ob die Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, aber auch
Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags durch eine Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt oder willkürlich ist.
Diese Prüfung setzt voraus bzw. wird jedenfalls erleichtert, wenn die Vertragsparteien die Aussetzung oder Änderung
der Höhe der Versorgungsleistungen schriftlich niederlegen und begründen (Änderung des
Versorgungsbedürfnisses/Änderung des Nettoertrags). Der Senat hält es deshalb für geboten, dass künftig über das
Formerfordernis in § 761 BGB hinaus auch nachträgliche Einschränkungen der Rentenverpflichtung schriftlich belegt
werden. Andernfalls können derartige mündliche oder konkludente Vereinbarungen, die nach Bekanntwerden dieser
Entscheidung getroffen worden sind, steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden. Eine schriftliche Fixierung der
Änderungen des Versorgungsvertrags ermöglicht es im Übrigen den Beteiligten auch, bei
Meinungsverschiedenheiten den Inhalt der abweichenden Regelung nachzuweisen.
30 dd) Dem stehen die Rechtsprechungsgrundsätze zur steuerlichen Anerkennung von Verträgen unter nahen
Angehörigen nicht entgegen, wonach u.a. Verträge lediglich bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart, also nicht in
jedem Fall schriftlich abgefasst werden müssen. Im Unterschied zu Miet- oder Arbeitsverträgen unter nahen
Angehörigen liegen einem Versorgungsvertrag keine "entgeltlichen" Leistungen zugrunde; der Versorgungsvertrag
wird nicht nach dem Wert von Leistung und Gegenleistung ausgehandelt. Die Änderung eines Versorgungsvertrags
ist steuerrechtlich daher nur anzuerkennen, wenn die veränderte Bedarfslage des Berechtigten oder eine verbesserte
bzw. verschlechterte Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dies erfordert. Diese Voraussetzungen müssen für eine
spätere Überprüfung festgehalten werden. So kann auch ein ertragloses Wirtschaftsgut nur dann Gegenstand einer
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein, wenn sich der Übernehmer im Übergabevertrag --und damit
schriftlich-- zur Veräußerung des übertragenen Objekts und zum Erwerb einer ihrer Art nach bestimmten
Vermögensanlage verpflichtet (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95, unter
C.II.6.a).
31 c) Den Abzug der in der zweiten Jahreshälfte 2001 und in den Monaten Januar und Februar 2002 gezahlten
Versorgungsleistungen als Sonderausgaben hindert nicht eine fehlende Fremdüblichkeit.
32 aa) Die Funktion des anzustellenden Fremdvergleichs in Fällen der Vermögensübergabe gegen
Versorgungsleistungen unterscheidet sich von derjenigen des Fremdvergleichs bei sonstigen Vertragsverhältnissen
zwischen Angehörigen: Bei Letzteren geht es um die Frage, ob eine Vereinbarung in dem einkommensteuerrechtlich
vorausgesetzten sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften (§ 2 Abs. 1, § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1
EStG) oder mit dem nach § 12 EStG unbeachtlichen privaten Bereich steht (BFH-Urteil vom 28. Juni 2002 IX R 68/99,
BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699).
33 bb) Diese Zuordnungsentscheidung entfällt bei der Anerkennung einer dauernden Last, da diese nach der
gesetzlichen Systematik ohnehin stets privat veranlasst ist (vgl. oben II.3.b cc). Hier sollen durch den Fremdvergleich
Versorgungsverträge, denen beide Parteien --durch äußere Merkmale erkennbar-- rechtliche Bindungswirkung
beimessen, von Vereinbarungen abgegrenzt werden, die zwar der äußeren Form nach als bindend erscheinen, für die
Parteien selbst jedoch den Charakter der Beliebigkeit haben und von denen sie nur Gebrauch machen, wenn es
ihnen opportun erscheint (Senatsurteil in BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826). Entscheidend ist deshalb, ob die
Vertragsparteien mit dem erforderlichen Rechtsbindungswillen handeln.
34 cc) Im Streitfall haben die Kläger im Zeitraum zwischen Juli 2001 bis einschließlich Februar 2002 in zwei Monaten
(Juli 2001 und September 2001) keine Versorgungsleistungen erbracht. Angesichts der Tatsache, dass im
Übergabevertrag auf § 323 ZPO Bezug genommen wurde und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des
übernommenen Bäckereibetriebs in dieser Zeit, die auch zu finanziellen Zugeständnissen Dritter (Vermieter,
Arbeitnehmer, ab 2004 auch der Banken) führte, lässt diese Abweichung vom vertraglich Vereinbarten nicht den
Schluss zu, die Parteien hätten ihren vertraglichen Pflichten insgesamt nicht mehr nachkommen wollen.
35 (1) Der Senat hat im Hinblick auf den Rechtsbindungswillen bei Vermögensübergabe- und Versorgungsverträgen
bereits in seinem Vorlagebeschluss an den Großen Senat des BFH vom 10. November 1999 X R 46/97 (BFHE 189,
497, BStBl II 2000, 188, unter II.) die Auffassung vertreten, lediglich die Unregelmäßigkeit der Zahlungen hindere für
sich allein die Anerkennung einer dauernden Last nicht.
36 (2) Auch wenn in einer finanziell schwierigen Situation des übergebenen Unternehmens einzelne
Versorgungsleistungen ausgesetzt werden, ist nach Auffassung des Senats nicht der Schluss gerechtfertigt, die
Parteien würden dem Versorgungsvertrag keine rechtliche Bindungswirkung mehr beimessen. Solange in solchen
Fällen der Übernehmer seine --sich aus dem Sinn und Zweck des Versorgungsvertrags ergebende-- Hauptpflicht,
nämlich die Sicherung des finanziellen Unterhalts des Vermögensübergebers, erfüllt, sind die geleisteten
Rentenzahlungen als Sonderausgaben abziehbar.
37 4. Zu Unrecht hat das FG jedoch die ab August 2003 gezahlten wiederkehrenden Leistungen in Höhe von 10.225,85
EUR als Sonderausgaben anerkannt.
38 Mag der Kläger auch subjektiv der Meinung gewesen sein, die Versorgungsleistungen zwischen März 2002 und Juli
2003 nicht erbringen zu können, ohne den Bestand des übernommenen Vermögens zu gefährden, stehen dieser
Annahme doch die objektiven Zahlen entgegen. Nach den Feststellungen des FG überstiegen die Nettoerträge der
GmbH und des Vermietungseinzelunternehmens in allen Streitjahren die Versorgungsleistungen. Hinzu kommt, dass
auch die Tätigkeitsvergütung als GmbH-Geschäftsführer zum erzielbaren Nettoertrag des überlassenen Vermögens
rechnet. Der Kläger selbst hat bis 2004 keine Vermögenseinbuße in Form eines Gehaltsverzichts als Geschäftsführer
der GmbH erbracht. Dieses Verhalten lässt darauf schließen, dass er sich nicht mehr an den Versorgungsvertrag
gebunden fühlte. Ein am Versorgungsvertrag festhaltender Vermögensübernehmer würde die Versorgungszahlungen
nicht über einen so langen Zeitraum (insgesamt 17 Monate) vollkommen aussetzen und so die Versorgung
desjenigen gefährden, der ihm Vermögen --wirtschaftlich betrachtet-- jedenfalls teilweise unentgeltlich übertragen hat.
Würde man die Zahlungen steuerlich berücksichtigen, stünde es im Belieben der Vertragsparteien eines
Vermögensübergabevertrags, in welchem Umfang sie den Vertrag als bindend anerkennen und erfüllen wollen.
39 Auch wenn die Beteiligten den Versorgungsvertrag ab August 2003 stets vertragsgerecht erfüllt haben sollten (nach
dem Vortrag des FA wurden jedenfalls auch im Jahr 2004 zwei Rentenzahlungen nicht erbracht), kommt eine
Rückkehr zum vertragsgerechten Verhalten nach einer Phase einer schwerwiegenden Abweichung vom Vereinbarten
nicht in Betracht (so auch BMF-Schreiben vom 11. März 2010 IV C 3 - S 2221/09/10004, BStBl I 2010, 227, Tz 63, bzw.
in BStBl I 2004, 922, Tz 39). Das gravierende vertragswidrige Verhalten während eines längeren Zeitraums (im
Streitfall 17 Monate) zeigt den fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien und lässt den Übergabevertrag als
Ganzes deshalb nicht unberührt (a.A. Schönfelder, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2005, 223). Erfüllt
der Übernehmer in späteren Jahren die vereinbarten Versorgungsleistungen vertragsgemäß, sind deshalb auch diese
Aufwendungen nicht als Sonderausgaben abziehbar. Andererseits hat der Vermögensübergeber, der über einen
längeren Zeitraum vertragswidrig keine Versorgungsleistungen erhalten hat, auch bei Wiederaufnahme der
Zahlungen keine sonstigen Einkünfte zu versteuern.