Urteil des BFH vom 20.01.2009

BFH: Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO, wirtschaftliche verfügungsmacht, rechtliches gehör, bezugsrecht, verpfändung, insolvenz, geschäftsführer, gesellschafter, dienstvertrag, rüge

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 20.1.2009, VI B 47/08
Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO
Tatbestand
1 I. Im finanzgerichtlichen Verfahren war streitig, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) schon im
Veranlagungszeitraum 1999 die wirtschaftliche Verfügungsmacht über Ansprüche aus einer
Rückdeckungsversicherung erlangt hatte.
2 Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Diese hatte ihm eine Versorgungszusage erteilt, über die
Versorgung eine Rückdeckungsversicherung abgeschlossen und ihm ein Pfandrecht an der
Rückdeckungsversicherung eingeräumt. Nachdem über das Vermögen der GmbH 1999 das Insolvenzverfahren
eröffnet und die Rückdeckungsversicherung im Jahr 2000 an den Kläger ausgezahlt worden war, bestätigte das
Finanzgericht (FG) den gegen den Kläger für das Jahr 1999 ergangenen Einkommensteuerbescheid, der einen
geldwerten Vorteil in Höhe des Zeitwerts der Versicherung als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt
hatte. Das FG führte zur Begründung an, dass der Kläger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die an ihn
verpfändete Forderung zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt habe.
3 Die Kläger wenden sich gegen die Entscheidung des FG mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
4 II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der
Divergenz und des Verfahrensmangels liegen nicht vor.
5 1. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert. Eine die
Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten
Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, ein anderes
Bundesgericht oder ein anderes FG (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 53, m.w.N.).
6 a) Soweit die Kläger eine Divergenz zwischen der angefochtenen Entscheidung des FG und dem Urteil des
Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. April 2005 IX ZR 138/04 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 2231) rügen,
liegt eine solche tatsächlich nicht vor. Denn während die Entscheidung des FG ausdrücklich darauf gründet, dass der
Kläger mit der zivilrechtlich wirksamen Verpfändung der Forderung ein unwiderrufliches Bezugsrecht in der Insolvenz
der GmbH und ein Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) habe, war das Urteil des BGH
zum widerruflichen Bezugsrecht ergangen. Tragende Grundlage dieser Entscheidung des BGH war, dass der
Insolvenzverwalter ohne eine wirksame Verpfändung die Bezugsberechtigung widerrufen könne, sodass die
Rückkaufswerte in die Insolvenzmasse fielen (BGH-Urteil in NJW 2005, 2231, unter II. 2. der Entscheidungsgründe).
7 b) Soweit die Kläger eine Divergenz zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 10. Juli 1980 3 AZR 68/79 (NJW
1981, 302) darin sehen, dass das FG entgegen der Rechtsprechung des BAG den Gesellschafter-Geschäftsführer als
Arbeitnehmer qualifiziere, kann die Rüge schon deshalb nicht erfolgreich sein, weil der einkommensteuerrechtliche
Arbeitnehmerbegriff und der arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff nicht deckungsgleich sind (Küttner/Huber/Seidel,
Personalbuch 2008, Stichwort Arbeitnehmer (Begriff), Rz 28) und die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sich
daher unterscheiden.
8 2. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und
vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Ist die Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe
gestützt, muss wegen jeder der Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden
und vorliegen (BFH-Beschlüsse vom 30. Januar 2003 VIII B 155/02, BFH/NV 2003, 881; vom 7. Dezember 2007 III B
172/06, BFH/NV 2008, 558, jeweils m.w.N.). Angesichts dessen kann für den Streitfall dahinstehen, ob das FG zu Recht
aufgrund der Insolvenz und der Eintragungen in der Lohnsteuerkarte davon ausgehen konnte, dass der Kläger am 1.
November 1999 als Arbeitnehmer aus der GmbH ausgeschieden sei. Denn unabhängig von der Frage des
Ausscheidens hat das FG die Forderung gegen den Arbeitgeber des Klägers schon als nach § 41 InsO fällige und
daher pfandreife Forderung beurteilt, weil die Insolvenzordnung im Gegensatz zur früher geltenden Konkursordnung
nicht mehr zwischen betagten Forderungen und aufschiebend bedingten Forderungen unterscheide.
9 Wenn die Kläger weiter rügen, dass die Frage der Übertragung arbeitsrechtlicher Grundsätze auf den Dienstvertrag des
Klägers weder schriftlich in den Akten noch in der mündlichen Verhandlung erörtert worden sei und dadurch der
Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt werde, kann auch
hierauf nicht die Entscheidung des FG i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruhen, weil sich das FG auch insoweit nur
ergänzend auf die Rechtsprechung des BAG (BAG-Urteile vom 16. März 1972 3 AZR 191/71, Der Betrieb --DB-- 1972,
2116; vom 11. Oktober 1988 3 AZR 295/87, DB 1989, 731) bezogen hatte.