Urteil des BFH vom 16.06.2010

BFH: Arbeitszimmer: Schwerpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit, universität, verfügung, gegenüberstellung, forschung, einkünfte

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 16.6.2010, VI B 18/10
Häusliches Arbeitszimmer: Schwerpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit
Tatbestand
1 I. Die Beteiligten stritten im finanzgerichtlichen Verfahren u.a. um die Berücksichtigung der Aufwendungen für ein
häusliches Arbeitszimmer der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin). Die Klägerin erzielte im Streitjahr (2005) als
Universitätsprofessorin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin hatte für die Zeit vom 1. April bis 30.
September 2005 ein Forschungsfreisemester in Anspruch genommen.
2 Die Klägerin machte für das Streitjahr Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von rund 5.500 EUR als
Werbungskosten geltend, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) allerdings nur in Höhe von 1.250
EUR berücksichtigte. Die dagegen erhobene Klage blieb insoweit erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gelangte unter
Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu dem Ergebnis, dass im Streitfall das häusliche
Arbeitszimmer nicht der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung der Klägerin sei und daher
nach §§ 9 Abs. 5, 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b des Einkommensteuergesetzes die Höhe der abziehbaren Aufwendungen für
das Arbeitszimmer auf 1.250 EUR begrenzt sei. Das FG berücksichtigte bei seiner Würdigung insbesondere den
Umstand, dass die Lehrveranstaltungen, die in der Universität stattfänden, einen die Tätigkeit der Klägerin als
Hochschullehrerin prägenden Schwerpunkt darstellten. Nicht nur den in der Universität stattfindenden Vorlesungen,
Seminaren und Abnahmen von Prüfungen, sondern auch den der Klägerin als Hochschulprofessorin übertragenen
Verwaltungsaufgaben käme erhebliche Bedeutung zu. Auch unter Berücksichtigung des Forschungsfreisemesters
könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese zeitlich begrenzte Tätigkeit die Gesamttätigkeit der Klägerin in
einem solchen Ausmaß präge, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde.
3 Das FG hatte die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der
Nichtzulassungsbeschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--). Grundsätzlich bedeutsam sei, dass die Kosten der zeitlich abgegrenzten
unterschiedlichen Tätigkeiten unterschiedlich zu beurteilen seien und der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit von den
gesamten Umständen des Veranlagungszeitraums abhänge. Während des Forschungssemesters läge der berufliche
Mittelpunkt sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht ausschließlich im häuslichen Arbeitszimmer und
auch für den übrigen Teil des Veranlagungszeitraums läge der Schwerpunkt qualitativ im häuslichen Arbeitszimmer,
weil die Klägerin dort für Lehrvorbereitung und Forschung mehr Zeit verbringe. Im Übrigen habe das FG Rheinland-
Pfalz (3 K 2619/09) bei gleichem Sachverhalt (Arbeitszimmer in Verbindung mit einem Forschungsfreisemester) die
Kosten für das häusliche Arbeitszimmer anerkannt. Insoweit drohe Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Schließlich
verstoße die Nichtanerkennung der Kosten gegen das Nettoprinzip, weil der Klägerin die Aufwendungen zwangsläufig
entstünden.
Entscheidungsgründe
4 II. Die Beschwerde der Klägerin hat --bei Zweifeln an der Zulässigkeit-- jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Die
geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§
115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch ist eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
5 1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte
Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall
voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen
Rechtslage abhängig ist. Dazu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den
Äußerungen im Schrifttum sowie auch gegebenenfalls veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Ist
über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, ist auch darzulegen, aus welchen Gründen eine erneute
Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. So kann eine weitere oder erneute Klärung der Rechtsfrage dann
etwa geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit
denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat.
6 Die Beschwerde der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Denn die Beschwerde formuliert insoweit keine
Rechtsfrage, sondern stellt vielmehr der Gesamtwürdigung des FG, dass im Streitfall der Schwerpunkt der gesamten
beruflichen Betätigung der Klägerin nicht im häuslichen Arbeitszimmer liege, ihre eigene Würdigung, dass dieser
Schwerpunkt eben doch im häuslichen Arbeitszimmer liege, entgegen. Und die Klägerin macht auch keine
Ausführungen dazu, aus welchen Gründen in ihrem Streitfall die Grundsätze, die der BFH in seiner bisherigen
Rechtsprechung zu der Frage entwickelt hat, keine Anwendung finden sollten. Insoweit ist auch keine
Klärungsbedürftigkeit einer wie auch immer formulierten Rechtsfrage dargetan. Denn die Antwort auf die Frage, wie der
Schwerpunkt der besagten Tätigkeit zu bestimmen ist, folgt aus der Rechtsprechung des BFH, wie sie das FG auch
seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.
7 2. Die Revisionszulassung lässt sich auch nicht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO stützen. Denn zur schlüssigen
Darlegung einer Divergenzrüge gehört eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen
Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen
Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits. Daran fehlt es im Streitfall,
wenn die Klägerin lediglich auf ein Aktenzeichen verweist, ohne solche Rechtssätze jeweils zu nennen und
gegenüberzustellen.
8 3. Wenn die Klägerin schließlich noch vorbringt, dass die Nichtanerkennung der Kosten gegen das Nettoprinzip
verstoße, ist nicht erkennbar, auf welche Revisionszulassungsgründe sie sich damit berufen möchte. Ungeachtet
dessen trägt die Klägerin auch nichts dazu vor, dass ihr die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer
zwangsläufig entstehen, weil sie etwa in der Universität keine Räume zur Verfügung gestellt bekomme. Unbeachtlich
sind Einwände gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen der Revision selbst
rechtserheblich sein können. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass das prozessuale
Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde nicht dazu dient, sich gegen die materielle Richtigkeit der
finanzgerichtlichen Rechtsprechung zu wenden.