Urteil des BFH vom 12.10.2007

BFH (kläger, willkürliche beweiswürdigung, tätigkeit, rechtsfrage, zulassung, unterricht, beurteilung, schule, erwägung, beweiswürdigung)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 17.12.2008, VI B 43/08
Keine Revisionszulassung wegen Frage der Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für das häusliche
Arbeitszimmer eines Lehrers - Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung - Überprüfbarkeit der tatrichterlichen
Überzeugungsbildung
Gründe
1
Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen Erfolg. Die von ihnen geltend gemachten
Zulassungsgründe sind ungeachtet der Frage ihrer hinreichenden Darlegung jedenfalls nicht gegeben. Der
Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--),
noch macht sie eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2
Alternative 1 FGO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO)
erforderlich. Auch ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor.
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1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche
Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45, m.w.N.).
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a) Soweit die Kläger dazu geltend machen, dass das objektive Nettoprinzip auch im Hinblick auf die Aufwendungen
der Klägerin für ihr häusliches Arbeitszimmer Anwendung finden müsse, weil das Arbeitszimmer der Klägerin
notwendige Voraussetzung zur Erzielung von Einkünften sei, ist damit eine solche grundsätzlich bedeutsame
Rechtsfrage nicht aufgeworfen. Denn insoweit ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil
vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162) und der nachfolgenden Rechtsprechung
des BFH schon grundsätzlich geklärt, dass für die Fälle, in denen das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt
der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde, die Begrenzung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für das häusliche
Arbeitszimmer sachlich gerechtfertigt ist, da die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer die private
Lebensführung jedenfalls berühren.
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b) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seinen Beruf
teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung
bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre 2002 und
2003 geltenden Fassung), ist ebenfalls hinreichend geklärt (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 82/01,
BFHE 201, 93, BStBl II 2004, 62; vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43; vom 9. April 2003
X R 75/00, BFH/NV 2003, 917; vom 29. April 2003 VI R 78/02, BFHE 202, 303, BStBl II 2004, 76; vom 16. Dezember
2004 IV R 19/03, BFHE 208, 263, BStBl II 2005, 212; BFH-Beschlüsse vom 23. Dezember 2005 VI B 62/05, BFH/NV
2006, 737; vom 24. Juli 2006 VI B 112/05, BFH/NV 2006, 2071; vom 22. Oktober 2007 XI B 12/07, BFH/NV 2008, 47).
Danach ist das Arbeitszimmer "Mittelpunkt" im Sinne der genannten Vorschrift, wenn der Steuerpflichtige im
Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den ausgeübten Beruf wesentlich
und prägend sind. Der "Mittelpunkt" bestimmt sich somit nach dem inhaltlichen qualitativen Schwerpunkt der
beruflichen und betrieblichen Betätigung des Steuerpflichtigen. Wo er liegt, kann nur im Wege einer umfassenden
Wertung der gesamten Tätigkeit einschließlich einer etwaigen Nebentätigkeit festgestellt werden. Dabei obliegt die
entsprechende Würdigung aller Umstände des Einzelfalles in erster Linie dem Finanzgericht (FG) als
Tatsacheninstanz (so auch BFH-Beschluss vom 30. August 2005 VI B 2/05, BFH/NV 2005, 2209).
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c) Wenn die Kläger geltend machen, dass es das objektive Nettoprinzip in ihrem eigenen Streitfall gebiete, die
Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer der Klägerin in unbegrenzter Höhe abzuziehen, weil das
Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde, wenden sie sich im Ergebnis gegen die
Tatsachenwürdigung des FG. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung
sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen (vgl. hierzu Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 154) sind
einer Nachprüfung durch den BFH jedoch weitgehend entzogen. Insoweit zielt das Vorbringen der Kläger auf einen
die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigenden materiell-rechtlichen Mangel der Vorentscheidung
(vgl. BFH-Beschluss vom 30. Dezember 2004 VI B 67/03, BFH/NV 2005, 702). Ein schwerwiegender Rechtsfehler, der
die Zulassung der Revision wegen Divergenz rechtfertigen kann (BFH-Beschluss vom 22. Februar 2007 VI B 29/06,
BFH/NV 2007, 969), liegt indessen, wie nachstehend ausgeführt, nicht vor.
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2. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch
zuzulassen, wenn das Urteil des FG willkürlich oder unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 15. November 2006 XI B 18/06, BFH/NV 2007, 475; vom 9. August 2007 X B 218/06, BFH/NV
2007, 2273; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 69, m.w.N.). Ein solch gravierender
Rechtsfehler von erheblichem Gewicht, der deshalb geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die
Rechtsprechung zu beschädigen, ist aber nicht erkennbar.
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a) Das FG hat seine unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung getroffene Würdigung, dass auch dann,
wenn der Unterricht vor- und nachzubereiten sei, Gutachten zu erstellen seien und ein Teil der Arbeitszeit im
häuslichen Arbeitszimmer verbracht werde, der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit der Klägerin dennoch nicht in ihrem
Arbeitszimmer liege, nachvollziehbar begründet. Dies gilt für die Erwägung, dass die von der Klägerin aufgezählten
Tätigkeiten, die sie über die reine Lehrtätigkeit hinaus erbringe, nicht oder nur zum Teil im Arbeitszimmer ausgeführt
würden, weil Schulsitzungen, die Betreuung der Referendare, die Mitgliedschaft in der Abiturauswahlkommission
sowie Tagungen in Ausübung der Tätigkeit als regionale Fachberaterin und Vortragsveranstaltungen nicht im
Arbeitszimmer stattfänden, so dass der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit der Klägerin nicht im Arbeitszimmer liege.
Entsprechendes gilt für die Erwägung, dass auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Aufgaben der Klägerin der
qualitative Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Unterricht liege, weil sie 20 Wochenstunden Unterricht in der Schule erteile
und qualitativ die Referendarausbildung und Gutachtertätigkeit Nebentätigkeiten seien, die der Hauptverpflichtung,
Unterricht zu erteilen, untergeordnet seien.
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Bei dieser Würdigung kam es nicht mehr entscheidend darauf an, dass die Klägerin laut ihrer
Einkommensteuererklärung für 2003 an 230 Tagen des Streitjahres, also im Ergebnis arbeitstäglich, ihren Arbeitsplatz
in der Schule aufgesucht hatte.
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b) Entgegen der Auffassung der Kläger hat das FG in seiner Urteilsbegründung auch nicht unbestrittenen Sachverhalt
übergangen, sondern den Sachverhalt nur abweichend von der eigenen Beurteilung der Kläger gewürdigt. Dies bietet
aber keine Anhaltspunkte dafür, dass das FG die vorstehend zitierten Rechtsgrundsätze der Rechtsprechung des BFH
in einer qualifiziert rechtsfehlerhaften Weise angewandt hätte.
10 3. Die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) kommt in Betracht,
wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer
richtungsweisenden Orientierungshilfe fehlt oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung
gewichtige Argumente vorgebracht werden, die der BFH bisher noch nicht erwogen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 22.
Mai 2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41, jeweils m.w.N.). Hierzu sind die Kläger
allerdings nicht, wie erforderlich, konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingegangen
und haben auch nicht eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage
herausgestellt (vgl. BFH-Beschluss vom 2. April 2002 VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116
Rz 38, 32). Ihr Vorbringen erschöpft sich auch insoweit im Kern in Einwendungen gegen die tatrichterliche
Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie diesbezügliche Schlussfolgerungen; mit
Einwendungen gegen die inhaltliche Richtigkeit der Vorentscheidung ist jedoch regelmäßig die Zulassung der
Revision nicht zu erreichen.
11 4. Die Kläger rügen zwar einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Sie sehen eine überraschende, nicht den
Denkgesetzen folgende und daher willkürliche Beweiswürdigung des FG in dessen Ausführungen, dass die
Hauptverpflichtung eines Lehrers grundsätzlich in der Unterrichtstätigkeit bestehe und die Klägerin davon nicht in
einem Umfang freigestellt worden sei, dass ausnahmsweise ein anderer Schwerpunkt angenommen werden könnte.
Der Senat kann offen lassen, ob (und ggf. inwieweit) die Kläger mit diesem Vorbringen einen Fehler der Vorinstanz in
der Handhabung des gerichtlichen Verfahrensrechts (vgl. hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 22. Januar 2007 VI B 98/06,
BFH/NV 2007, 949) oder einen Fehler bei der Anwendung materiellen Rechts geltend machen. Jedenfalls ist nicht in
nachvollziehbarer Weise dargelegt, inwieweit die Beweiswürdigung des FG willkürlich sein könnte. Denn der Hinweis
der Kläger auf den unbestrittenen Umstand, dass die Woche 168 Stunden habe, macht die Würdigung des FG nicht
willkürlich. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass das FG die Rechtsprechung des BFH zutreffend zugrunde gelegt
hat und seine Entscheidung insbesondere nicht rein quantitativ auf Zeitanteile, sondern auch darauf gestützt hatte,
dass der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin in der Schule und nicht in ihrem Arbeitszimmer liege.