Urteil des BFH vom 26.11.2008

BFH: von Steuerbescheiden nach Eingang einer nicht wirksamen strafbefreienden Erklärung, Entdeckung der Tat i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG, Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 26.11.2008, X R 20/07
Änderung von Steuerbescheiden nach Eingang einer nicht wirksamen strafbefreienden Erklärung - Entdeckung der Tat i.S.
des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG - Auslegung des § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG - Zulassung der Revision - Erweiterung
des Klageantrags im Revisionsverfahren - Bindung an den Klageantrag - Anerkennung zusätzlicher Betriebsausgaben bei
Schätzung Erlöschen von Steueransprüchen gemäß § 8 Abs. 1 StraBEG
Leitsätze
1. Will die Finanzbehörde nach Eingang einer wegen des Vorliegens eines Sperrgrunds nicht wirksamen strafbefreienden
Erklärung zunächst ergangene Steuerbescheide ändern, dann muss sie nicht zuvor die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG
bewirkte Steuerfestsetzung aufheben.
2. I.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG ist eine Tat entdeckt, wenn nach den für den Betroffenen erkennbaren
Verdachtsmomenten von der Wahrscheinlichkeit einer strafgerichtlichen Verurteilung auszugehen ist.
Tatbestand
1
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb in den Streitjahren 2000 und 2001 ein Einzelunternehmen als
Ausbeiner. In seinen für die Streitjahre abgegebenen Umsatzsteuererklärungen erklärte er mit 16 v.H. steuerpflichtige
Nettoumsätze von 292 538 DM (2000) und 279 646 DM (2001). Diese Einnahmen legte er auch seinen für die
Streitjahre abgegebenen Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen zugrunde. Hierdurch ergaben sich nach
Abzug der erklärten Betriebsausgaben Gewinne aus Gewerbebetrieb von 132 956 DM (2000) und 156 258 DM
(2001). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte in den für die Streitjahre ergangenen
ursprünglichen Bescheiden die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuermessbeträge
erklärungsgemäß fest.
2
Am 13. Oktober 2003 erhielt das FA die Kontrollmitteilung des Finanzamts X (FA X) vom 7. Oktober 2003. Nach den
vom Finanzgericht (FG) hierzu getroffenen Feststellungen hat der Kläger von der F-GmbH für Aushilfs- und für
Ausbein- und Zerlegearbeiten Zahlungen erhalten. Ferner sind in einer Anlage zu der Kontrollmitteilung die in den
Streitjahren gegenüber der F-GmbH insgesamt ausgestellten Rechnungen des Klägers im Einzelnen unter Angabe
des jeweiligen Rechnungsdatums, des Bruttorechnungsbetrags und der darin enthaltenen, offen ausgewiesenen
Umsatzsteuer von 16 v.H. dargestellt. Diesen Bruttorechnungsbeträgen stellte der Sachbearbeiter des FA nach den
vom FG hierzu getroffenen Feststellungen mittels auf dieser Anlage angebrachter Vermerke die vom Kläger für die
Streitjahre jeweils erklärten Bruttoumsätze gegenüber.
3
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2003 wies das FA den damaligen Steuerberater des Klägers unter Auflistung der in der
Kontrollmitteilung für die Streitjahre jeweils ausgewiesenen Gesamtumsätze auf erhebliche Differenzen zu den
erklärten Umsätzen hin. Es bat um Überprüfung und Stellungnahme.
4
Auf der vom Kläger mit der Antragsschrift im Aussetzungsverfahren 1 V 1903/04 beim FG eingereichten Kopie des
Schreibens vom 22. Oktober 2003 sind neben handschriftlich ergänzten Zahlen folgende handschriftliche Vermerke
angebracht: "Original am 30.10.2003 9.45 Uhr Hr. H (Kläger) zwecks Klärung + Stellungnahme vorgelegt; hat
Schreiben mit nach Hause genommen. Soll sich möglichst bald bei uns diesbezügl. melden" und "Anruf v. Hr. H
30.10.2003 10.15 Uhr: Angaben FA X bzw. F-GmbH stimmen". Beide Vermerke sind jeweils mit einem
Unterschriftskürzel versehen.
5
Mit am 12. Februar 2004 beim FA eingegangenem Schreiben übersandte der Kläger einen unterschriebenen
Vordruck "Strafbefreiende Erklärung" nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz --StraBEG-- (vom 23. Dezember
2003, BGBl I 2003, 2928). In dieser Erklärung wurden aufgrund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener
Angaben nicht besteuerte Einnahmen der Jahre 1993 bis 2002 angegeben. In einer Anlage wurden u.a. hinsichtlich
der Streitjahre nicht versteuerte Bruttobetriebseinnahmen von 80 947,51 DM (2000) und 137 657,80 DM (2001)
erklärt.
6
Das FA erließ für die Streitjahre 2000 und 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte
Einkommensteuerbescheide, nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide, sowie nach § 35b Abs. 1 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) geänderte Gewerbesteuermessbescheide. In den geänderten Einkommensteuer-
und Gewerbesteuermessbescheiden erhöhte es die gewerblichen Einkünfte des Klägers um den für das jeweilige
Jahr in der strafbefreienden Erklärung angegebenen Betrag der nicht besteuerten Einnahmen, gekürzt um die darin
enthaltene Umsatzsteuer. Diese Nettoeinnahmen wurden auch in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden
angesetzt. In einer Anlage, die jeweils den geänderten Einkommensteuerbescheiden beigefügt war, wies das FA
darauf hin, die strafbefreiende Erklärung könne (für das jeweilige Streitjahr) nicht anerkannt werden. Dem FA sei
bereits vor dem 1. Januar 2004 bekannt gewesen, dass die Einnahmen nicht in der tatsächlichen Höhe erklärt worden
seien.
7
Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil von ihm eine
wirksame strafbefreiende Erklärung abgegeben worden sei. Eine Tatentdeckung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b
StraBEG habe nicht vorgelegen. Das FA habe im Streitfall noch keine solch umfassende Kenntnis vom objektiven und
subjektiven Tatbestand sowie von der Rechtswidrigkeit und der Schuld einer Steuerstraftat besessen, dass (vor
Abgabe der strafbefreienden Erklärung) eine Anklage hätte erhoben werden können. Die erst zwei Monate nach
Abgabe der strafbefreienden Erklärung erfolgte Einleitung eines Strafverfahrens belege, dass das FA entgegen der
Intention des Gesetzgebers gerade seine strafbefreiende Erklärung zur Grundlage eines Strafverfahrens gemacht, es
ohne diese Erklärung aber nicht den zur Anklageerhebung erforderlichen Kenntnisstand besessen habe.
8
Die angesetzten gewerblichen Einkünfte seien überdies überhöht. Die zusätzlich angesetzten Einnahmen seien
zumindest im Schätzwege um die konkreten, jedenfalls aber um die durchschnittlichen Erwerbsaufwendungen zu
mindern.
9
Das FA ist der Klage entgegengetreten. Die Erklärung des Klägers habe keine Straf- oder Bußgeldfreiheit bewirkt.
Seine Tat sei bereits vor Eingang seiner Erklärung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG entdeckt gewesen, als
der Sachbearbeiter des FA nach Eingang der Kontrollmitteilung die darin für die einzelnen Streitjahre jeweils
genannten Endsummen mit den Zahlen der jeweiligen Steuererklärungen verglichen und dies auch handschriftlich
festgehalten habe.
10 Das FG hat die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1312 veröffentlichten Urteil
abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von formellem
und materiellem Recht.
11 Das FG habe entgegen § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht darauf hingewirkt, dass der Kläger statt der
Abänderung der angefochtenen Bescheide deren Aufhebung beantragt habe.
12 Zudem habe das FG seine Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt. Zu Unrecht gehe das FG davon aus,
dass in der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 Zahlungen an den Kläger genannt seien. Klärungsbedürftig sei
gewesen, ob die in der Kontrollmitteilung genannten Beträge richtig ermittelt worden seien, ob die Rechnungen
tatsächlich vom Kläger stammten und ob in Höhe der Rechnungsbeträge in den jeweiligen Jahren auch tatsächlich
Zahlungen erfolgt seien. Zudem sei das FG gehalten gewesen, den Sachbearbeiter des FA als Zeugen dazu zu hören,
ob er bereits vor dem Eingang der strafbefreienden Erklärung die Tat als entdeckt angesehen habe.
13 Auch habe das FG unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger in den Streitjahren seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt habe. Zudem habe das FG auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob
der Kläger in diesen Jahren seine Umsätze nach vereinbarten (§ 16 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--) oder
nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 Abs. 1 UStG) zu versteuern hatte. Hieraus könnten sich aber erhebliche
Unterschiede ergeben.
14 In materiell-rechtlicher Hinsicht habe das FG nicht berücksichtigt, dass das FA die aufgrund der strafbefreienden
Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung (§ 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG) nicht aufgehoben habe.
15 Auch seien die für § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO geltenden Grundsätze nicht in vollem Umfang auf § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b
StraBEG übertragbar. Im Gegensatz zur Selbstanzeige erfordere ein Ausschluss der Strafbefreiung nach Nr. 1 Buchst.
b, dass die Tat insgesamt und nicht lediglich zum Teil entdeckt sei. Eine solche Tatentdeckung setze voraus, dass der
Tatverdacht bereits so weit konkretisiert sein müsse, dass bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines
verurteilenden Erkenntnisses gegeben sei.
16 Im Streitfall habe vor Eingang der strafbefreienden Erklärung bereits der objektive Tatbestand einer
Steuerhinterziehung nicht festgestanden. Wegen des für den Kläger geltenden Zuflussprinzips sei nicht
auszuschließen gewesen, dass die Zahlungszuflüsse in erheblichem Umfang von den in der Kontrollmitteilung
genannten Rechnungsbeträgen abgewichen seien. Von einer Tatentdeckung aufgrund der Kontrollmitteilung könne
auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil dort Rechnungsbeträge, nicht aber Zahlungszuflüsse genannt seien.
In den Dezembermonaten 2000 und 2001 seien vom Kläger auch Rechnungen in erheblichem Umfang an die F-
GmbH erteilt worden. Hinsichtlich der Rechnungsbeträge habe es der Aufklärung bedurft, ob diese im jeweiligen
Rechnungsjahr zugeflossen seien.
17 Auch der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung habe nicht festgestanden. Es sei im Zeitpunkt des Eingangs
der Kontrollmitteilung nicht auszuschließen gewesen, dass die nicht erklärten Umsätze auf einen Fehler im
Steuerberaterbüro des Klägers zurückzuführen seien oder dass ein Fehler der F-GmbH vorgelegen habe. Aus diesem
Grund sei es auch folgerichtig gewesen, dass der Sachbearbeiter des FA den Steuerberater um Aufklärung gebeten
habe. Dies belege, dass der Sachbearbeiter sich noch kein abschließendes Bild gemacht habe. Vielmehr sei dieser
lediglich von Vorfeldermittlungen nach Nr. 146 Abs. 1 und 2 der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren
(Steuer) --AStBV-- (BStBl I 1996, 959) ausgegangen. Bei Vorliegen eines Anfangsverdachts wäre das FA hingegen
verpflichtet gewesen, umgehend ein Steuerstrafverfahren einzuleiten (Nr. 121 AStBV). Die Nichtbeachtung dieser
Verpflichtung begründe einen Verstoß gegen § 160 Abs. 1 i.V.m. § 136 der Strafprozessordnung (StPO) und damit ein
Verwertungsverbot.
18 Das FG habe bei der Frage der Tatentdeckung auch nicht nach den jeweiligen Steuerarten und Veranlagungszeiten
differenziert.
19 Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz, die Einspruchsentscheidung des FA vom 8. September
2005 und den Einkommensteuer-, den Umsatzsteuer- und den Gewerbesteuermessbescheid jeweils für 2000 vom 29.
März 2004 sowie den Einkommensteuer- und den Gewerbesteuermessbescheid für 2001 vom 31. März 2004 und den
Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 29. März 2004 aufzuheben.
20 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
21 Das angefochtene Urteil sei nicht zu beanstanden. Die Tat sei bereits vor Eingang der strafbefreienden Erklärung
entdeckt gewesen. Das FA sei bereits aufgrund der Kontrollmitteilung in der Lage gewesen, Folgerungen für das
Besteuerungsverfahren zu ziehen. Aufgrund der Differenzen zu den Steuererklärungen habe schon ohne weitere
Ermittlungen festgestanden, dass Beträge nicht erklärt und somit hinterzogen seien. Das Schreiben vom 22. Oktober
2003 an den damaligen Steuerberater des Klägers habe lediglich der Gewährung rechtlichen Gehörs gedient. Dem
Kläger habe eine sog. "goldene Brücke" gebaut werden sollen, sich selbst näher zu seiner Steuerhinterziehung zu
äußern. Auch der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung habe festgestanden. Dies werde durch den
handschriftlichen Vermerk des Steuerbüros auf dem Anschreiben des FA vom 22. Oktober 2003 belegt. In der
Rechtsprechung zu § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO sei anerkannt, dass eine Tatentdeckung nicht voraussetze, dass das volle
Ausmaß der Steuerverkürzung bekannt sei.
22 Der erkennende Senat hat durch Beschluss vom 23. April 2008 von dem vorliegenden Verfahren den Rechtsstreit
wegen der für das Jahr 1999 ergangenen Änderungsbescheide gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO abgetrennt.
Entscheidungsgründe
23 II. Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
24 1. Der erkennende Senat hat den Revisionsantrag des Klägers in dem Sinne ausgelegt, dass dieser die vollständige
Aufhebung der für die Streitjahre ergangenen Änderungsbescheide begehrt. Sein hilfsweise gestellter Antrag, die in
diesen Bescheiden festgesetzten Steuerbeträge auf die von ihm benannten Beträge herabzusetzen, ist als bloßes
Minus von dem Aufhebungsantrag mit umfasst. Keine besondere Bedeutung hat auch der hilfsweise gestellte Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Denn dies bewirkt lediglich die
Überführung des Rechtsstreits in den zweiten Rechtsgang und damit noch keine den Rechtsstreit abschließende
Entscheidung.
25 2. Die Revision ist zulässig.
26 a) Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass der angerufene Senat (angeblich) zu Unrecht die Revision
gegen das angefochtene Urteil zugelassen hat. Das Revisionsgericht ist an die von ihm ausgesprochene Zulassung
gebunden (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 71).
27 b) Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Kläger mit seinem Revisionsantrag abweichend von seinem
beim FG gestellten Antrag, die angefochtenen Bescheide abzuändern, nunmehr deren Aufhebung beantragt. Zwar
darf ein Revisionsantrag nicht über das Klagebegehren hinausgehen. Eine Erweiterung des Klageantrags im
Revisionsverfahren ist gemäß § 123 Abs. 1 FGO unzulässig (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Mai 2006 VI
R 61/05, BFH/NV 2007, 45). Auch fehlt es insoweit an der erforderlichen formellen Beschwer (Gräber/Ruban, a.a.O., §
123 Rz 2). Es ist indessen anerkannt, dass keine Bindung an den Klageantrag gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO besteht,
wenn der BFH zu dem Ergebnis gelangt, der angefochtene Bescheid sei (z.B. wegen eingetretener
Festsetzungsverjährung) insgesamt rechtswidrig (Senatsurteil vom 25. April 2006 X R 42/05, BFHE 212, 421, BStBl II
2007, 220). Es kann deshalb einem Revisionskläger nicht verwehrt sein, mit seinem Revisionsantrag geltend zu
machen, ein solcher Ausnahmefall liege vor. So ist es im Streitfall. Der Kläger macht geltend, die von ihm abgegebene
strafbefreiende Erklärung sei wirksam. Die Ansprüche auf von ihm hinterzogene Steuern seien erloschen und hätten
daher gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nicht festgesetzt werden dürfen (vgl. hierzu Kamps/Wulf, Finanz-Rundschau --
FR-- 2004, 121, 131). Nach Auffassung des Klägers hätten die allein wegen der hinterzogenen Steuern ergangenen
streitigen Änderungsbescheide deshalb nicht ergehen dürfen.
28 3. Die gerügten Verfahrensfehler liegen entweder nicht vor oder sie sind für das angefochtene Urteil nicht
rechtserheblich.
29 a) § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO verpflichtet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des
Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Diese Vorschrift ist daher dann verletzt, wenn das FG den
Inhalt der ihm vorliegenden Akten nicht vollständig und einwandfrei berücksichtigt (ständige BFH-Rechtsprechung;
vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 24. Juli 2007 X B 6/07, BFH/NV 2007, 1921, m.w.N.).
30 Der Kläger rügt, das FG habe deshalb § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO verletzt, weil es davon ausgegangen sei, in
30 Der Kläger rügt, das FG habe deshalb § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO verletzt, weil es davon ausgegangen sei, in
der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 seien (durchgehend) an den Kläger geleistete Zahlungen genannt
worden, obwohl in der Anlage zu dieser Kontrollmitteilung Rechnungsbeträge aufgeführt seien. Auch habe das FG
unberücksichtigt gelassen, dass in dieser Kontrollmitteilung zwar das Kästchen "Zahlungen" angekreuzt sei, nicht aber
die Kästchen "erhalten von" bzw. "getätigt an".
31 Dieser Verstoß liegt nicht vor. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils (dort S. 3) hat das FG festgestellt, dass in der
genannten Anlage (zu dieser Kontrollmitteilung) Rechnungsbeträge genannt sind. Auch hat das FG ausdrücklich
ausgeführt, dass als Art der Zahlung für einen Teil der Beträge (gemeint diejenigen, die in der Kontrollmitteilung selbst
aufgeführt sind), Zahlung "durch Bank" ausgewiesen ist. Diese Feststellung ist ausweislich des Inhalts dieser
Kontrollmitteilung zutreffend. Ohne Belang ist, dass die vom Kläger bezeichneten Kästchen dort nicht ausgefüllt sind.
Dass es um an den Kläger geleistete Zahlungen und nicht um Zahlungen geht, die dieser an die F-GmbH erbracht hat,
ergibt sich zweifelsfrei bereits aus der in dieser Kontrollmitteilung enthaltenen ausdrücklichen Anfrage des FA X, ob
diese Erträge in der Gewinnermittlung des Klägers enthalten sind.
32 b) Zutreffend ist hingegen die Rüge des Klägers, das FG habe unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger seinen
Gewinn in den Streitjahren gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt habe. Sofern das FG übersehen hat, dass der Kläger
ausweislich der dem Senat vorliegenden Ersatzakte Gewinnermittlung seinen Gewinn in den Streitjahren gemäß § 4
Abs. 3 EStG ermittelt hat, beruht das angefochtene Urteil nicht hierauf. Das Urteil wäre unter Berücksichtigung der
Rechtsauffassung des FG bei Nichtvorliegen dieses Verfahrensfehlers nicht abweichend ausgefallen.
33 Das FG hat den Standpunkt eingenommen, eine Tatentdeckung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG erfordere
einen hinreichenden Tatverdacht, der bei vorläufiger Tatbewertung eine (strafgerichtliche) Verurteilung des
Betroffenen wahrscheinlich mache. Eine Tatentdeckung setze nicht voraus, dass die Finanzbehörde bereits Kenntnis
von den jeweiligen konkreten Besteuerungsgrundlagen haben müsse (Rüping in Hübschmann/Hepp/ Spitaler --
HHSp--, § 371 AO Rz 183 Fn 93; Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 5. April 2000 5 StR 226/99, BFH/NV
2001, Beilage 1, 70, unter IV.1.b bb der Gründe). Hiervon ausgehend hält es das FG für das Vorliegen einer
Tatentdeckung für ausreichend, dass ein Vergleich der in einer Kontrollmitteilung ausgewiesenen Umsätze mit den
steuerlich erklärten Umsätzen die unvollständige Erklärung von Umsätzen belegt.
34 Dies ist auch dann der Fall, wenn man die Tatsache der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG berücksichtigt. Das
FG hat auf den Inhalt der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 Bezug genommen und diesen daher festgestellt
(Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz 37, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Danach ergeben sich im Dezember
ausgestellte Rechnungsbeträge für 2000 von netto 30 619,77 DM und für 2001 von netto 47 842,24 DM. Geht man
zugunsten des Klägers davon aus, dass alle diese Rechnungen jeweils erst im Folgejahr beglichen worden sind und
lässt man auch jeweils Zuflüsse aufgrund von in diesen Jahren beglichenen Rechnungen der Vorjahre außer Acht,
dann ergeben sich zugeflossene Nettoerlöse von 339 722,07 DM (2000) und von 345 998,50 DM (2001). Auch diese
Beträge übersteigen die steuerlich erklärten Umsätze von 292 538 DM (2000) und von 279 646 DM (2001) nicht
unerheblich.
35 c) Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO deshalb verletzt, weil es in Bezug auf die
streitigen Umsatzsteuerbescheide nicht aufgeklärt habe, ob der Kläger in diesen Jahren seine Umsätze nach
vereinbarten oder nach vereinnahmten Beträgen habe versteuern müssen, ist ein solcher Verstoß nicht
rechtserheblich. Selbst wenn man unterstellt, dass die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten zu erfolgen hatte,
ergibt sich wie vorstehend unter b) dargelegt, ein hinreichender Verdacht, dass in den Umsatzsteuererklärungen zu
geringe Umsätze angegeben waren.
36 d) Es kann offenbleiben, ob der Kläger rechtzeitig und schlüssig gerügt hat, das FG habe dadurch gegen § 76 Abs. 1
Satz 1 FGO verstoßen, dass es den Sachbearbeiter des FA nicht als Zeugen vernommen hat. Ein solcher
Verfahrensfehler liegt jedenfalls nicht vor.
37 Das FG ist, wenn kein entsprechender Beweisantrag gestellt wird, nur dann zu einer weiteren Sachaufklärung
verpflichtet, wenn sie sich dem FG aufdrängen muss. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn in Bezug auf einen
relevanten Geschehensverlauf andere Erkenntnismöglichkeiten nicht vorhanden oder solche zwar vorhanden, aber
widersprüchlich sind (Senatsbeschluss vom 22. Mai 2006 X B 190/05, BFH/NV 2006, 1681). Daran fehlt es. Zu der zu
klärenden Tatsache, ob der Sachbearbeiter des FA die Tat als entdeckt angesehen hat, lagen dem FA zwei Urkunden
vor. Sowohl in dem Schreiben an den Steuerberater des Klägers vom 22. Oktober 2003 als auch im Schreiben an das
FA X vom 20. Oktober 2003 hat der Sachbearbeiter zum Ausdruck gebracht, die in der Kontrollmitteilung
ausgewiesenen Umsätze wichen erheblich von den erklärten Umsätzen ab.
38 4. Bezogen auf die Streitjahre 2000 und 2001 ist das angefochtene Urteil auch materiell-rechtlich nicht zu
beanstanden. Die durch den Kläger hinsichtlich der Einkommensteuer, der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer der
Streitjahre jeweils begangenen Steuerhinterziehungen waren bereits vor Eingang der strafbefreienden Erklärung i.S.
des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG entdeckt.
39 a) Das FA war zum Erlass der angefochtenen Einkommensteuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, der
angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide gemäß § 35b GewStG und der angefochtenen
Umsatzsteuerbescheide gemäß § 164 Abs. 2 AO berechtigt, da die in diesen Bescheiden festgesetzten
Steuermehrbeträge nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG erloschen sind. Diese Steueransprüche erlöschen dann
nicht, wenn nach dem ersten Abschnitt des StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt, weil z.B. --wie im
Streitfall-- der Ausschlussgrund des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG eingreift.
40 b) In verfahrensrechtlicher Hinsicht setzt der Erlass von geänderten Bescheiden, die deshalb ergehen, weil die
Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nicht vorliegen, nicht voraus, dass zuvor die durch die
strafbefreiende Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung (§ 10 Abs. 2 StraBEG) aufgehoben worden ist. Das FG musste
daher keine Feststellungen dazu treffen, ob das FA vor Erlass der streitigen Änderungsbescheide diese
Steuerfestsetzung aufgehoben hat.
41 Der Kläger hat eine strafbefreiende Erklärung i.S. des § 1 StraBEG unter Beachtung des § 3 StraBEG abgegeben. Die
Erklärung führt nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG zu einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung, und
zwar selbst dann, wenn der mit der Abgabe dieser Erklärung beabsichtigte Erfolg des Erlangens von Straf- und
Bußgeldfreiheit und des Erlöschens der in § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG genannten Steueransprüche nicht eintritt. § 10
Abs. 2 StraBEG knüpft allein an das Vorliegen einer strafbefreienden Erklärung an, die in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
StraBEG gesetzlich definiert ist (Rüping in HHSp, § 1 StraBEG Rz 3 und § 10 StraBEG Rz 4).
42 Tritt nach dem StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit ein, ist vorbehaltlich des § 10 Abs. 3 Satz 2 StraBEG die nach
§ 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern. Nach dem eindeutigen Wortlaut
von § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG greift diese Bestimmung nicht nur ein bei verspäteter Zahlung dieser Steuer, sondern
auch dann, wenn die Straf- oder Bußgeldfreiheit wegen § 7 StraBEG ausgeschlossen ist (Kamps/Wulf, FR 2004, 121;
Stahl, Die Steuerberatung 2004, 153; Kamps in Streck, Berater-Kommentar zur Steueramnestie, § 10 Rz 55; unklar
Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Merkblatt zur Anwendung des StraBEG vom 3. Februar 2004 IV A 4 -S
1928- 18/04, BStBl I 2004, 225, Rz 12.4).
43 Eine weitergehende Bedeutung hat § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG nicht. Insbesondere besagt die Regelung nicht, dass
verfahrensrechtlich der ursprüngliche Steueranspruch so lange in dem durch die strafbefreiende Erklärung bewirkten
Umfang als erloschen gilt, bis ein Aufhebungsbescheid ergangen ist (so aber Kamps in Streck, a.a.O., § 10 Rz 51;
Striegel/Weger, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2004, 534; wie hier Levedag, FR 2005, 1084; Pfützenreuter, EFG
2007, 332). § 8 Abs. 1 StraBEG macht das Erlöschen der dort genannten Steueransprüche allein davon abhängig,
dass nach dem ersten Abschnitt des StraBEG Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt.
44 Das Erlöschen dieser Ansprüche ist deshalb bereits kraft Gesetzes davon abhängig, dass der in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 StraBEG genannte Betrag rechtzeitig bezahlt wird und auch kein Sperrgrund i.S. von § 7 StraBEG eingreift. Es
bedarf daher, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, keines besonderen Verwaltungsakts, um ein Erlöschen
der in § 8 Abs. 1 StraBEG genannten Steueransprüche zu verhindern.
45 Von diesem Verständnis geht auch § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aus. Danach ist der Nichteintritt der Straf- oder
Bußgeldfreiheit gesetzliche Voraussetzung für die Befugnis der Finanzbehörde, die Steuerfestsetzung i.S. von § 10
Abs. 2 StraBEG aufzuheben oder zu ändern, nicht aber Regelungsgegenstand.
46 c) Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG tritt Straf- oder Bußgeldfreiheit dann nicht ein, wenn die Tat bereits
entdeckt war und der Erklärende dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
47 aa) Diese Vorschrift entspricht inhaltlich im Wesentlichen derjenigen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die herrschende
Meinung geht deshalb zutreffend davon aus, dass die zu dieser Vorschrift vorliegenden Erkenntnisse jedenfalls im
Grundsatz auf § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG übertragen werden können (BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225, Tz.
9.1; Rüping in HHSp, § 7 StraBEG Rz 8 ff.; Stahl, Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, 2. Aufl., Rz 678; Seer in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 7 StraBEG Rz 1; ebenso BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII
R 99/04, BFHE 218, 1, BStBl II 2008, 7, unter II.2.a und Senatsurteil vom 12. Dezember 2007 X R 31/06, BFHE 219,
498, BStBl II 2008, 344, unter II.2.a aa zu § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG).
48 Zu § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO ist anerkannt, dass eine Tatentdeckung dann gegeben ist, wenn der Finanzbehörde
tatsächliche Erkenntnisse in einem solchen Ausmaß vorliegen, dass bei vorläufiger Tatbewertung die objektiven und
subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung angenommen werden können und deshalb eine
strafrechtliche Verurteilung des Betroffenen wahrscheinlich ist (ständige BGH-Rechtsprechung; BGH-Urteil vom 27.
April 1988 3 StR 55/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1989, 319; BGH-Beschlüsse vom 6. Juni
1990 3 StR 183/90, HFR 1991, 367, und vom 30. März 1993 5 StR 77/93, HFR 1994, 165, sowie in BFH/NV 2001,
Beilage 1, 70). Nach dem zuletzt genannten Beschluss ist es aber nicht erforderlich, dass der Finanzbehörde bereits
die genauen Besteuerungsgrundlagen bekannt sind.
49 bb) Allerdings weicht der Wortlaut des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG von demjenigen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO
insoweit ab, als nach der zuletzt genannten Vorschrift eine Selbstanzeige dann keine Straffreiheit bewirkt, wenn die
Tat zuvor bereits ganz oder zum Teil entdeckt war. Demgegenüber liegt der Ausschlussgrund des § 7 Satz 1 Nr. 1
Buchst. b StraBEG (nur) vor, wenn die Tat bereits entdeckt war. Welche Folgerungen hieraus für den Ausschlussgrund
des Nr. 1 Buchst. b zu ziehen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird lediglich pauschal auf § 371 Abs. 2
AO verwiesen (Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 7 StraBEG Rz 1). Andererseits wird angenommen, an die Wahrnehmung
der Tat seien im Vergleich zu § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO höhere Anforderungen zu stellen (Rüping in HHSp, § 7 StraBEG
Rz 10). Schließlich wird vertreten, im Rahmen von Nr. 1 Buchst. b sei die entdeckte Tat nicht die abgegebene
unrichtige Steuererklärung, sondern der Lebenssachverhalt (i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 2 StraBEG, so Stahl, a.a.O., Rz
686; im Ergebnis ebenso Wulf in Streck, Berater-Kommentar zur Steueramnestie, § 7 Rz 20).
50 Nach Ansicht des erkennenden Senats ist § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG normspezifisch so auszulegen, dass sich
die entdeckte Tat im Sinne dieser Vorschrift nach den Verdachtsmomenten bestimmt, welche hinreichend sind, um
von der Wahrscheinlichkeit einer (strafgerichtlichen) Verurteilung auszugehen. Im Unterschied zu § 371 Abs. 2 AO
umfasst der Begriff der Tat i.S. des § 1 StraBEG deshalb nicht alle in einer unzutreffenden Steuererklärung
enthaltenen untrennbaren Besteuerungsgrundlagen (zu Letzterem vgl. z.B. Rüping in HHSp, § 371 AO Rz 169). Diese
Auslegung folgt aus dem Sinn der Regelung des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG. Mit dem StraBEG verfolgt der
Gesetzgeber den Zweck, "eine Brücke in die Steuerehrlichkeit einzuführen" (BFH-Beschluss vom 2. Juni 2005 IX B
59/05, BFH/NV 2005, 1498). Dieser Zweck ist insoweit nicht zu erreichen, als für den Betroffenen bereits vor Abgabe
der strafbefreienden Erklärung erkennbar ist, dass die Finanzbehörde auch ohne sein Zutun in der Lage sein wird, die
steuerliche Verfehlung zu ahnden. In einem solchen Fall würde die Anerkennung der steuerlichen Abgeltungswirkung
gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nicht auf einem Akt tätiger Reue und damit freiwillig, sondern auf einem bloßen
Mitnahmeeffekt beruhen, den der Gesetzgeber durch die Ausschlussgründe des § 7 StraBEG verhindern will (Sell,
DStR 2003, 1185).
51 Ausgehend hiervon ist es geboten, den Tatbegriff i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG an dem zur
Tatentdeckung führenden Verdachtsmoment auszurichten, wobei die Tatentdeckung gemäß Halbsatz 2 dieser
Vorschrift dem Betroffenen bekannt sein muss oder er bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen
musste. Diese Betrachtungsweise, die sich an den für den Betroffenen erkennbaren Umständen ausrichtet, lässt ihm
die Möglichkeit, nicht von dem Verdachtsmoment erfasste andere unzutreffende Besteuerungsgrundlagen (z.B.
hinreichender Verdacht zu gering erklärter Betriebseinnahmen, kein Verdacht der Nichtangabe von Einnahmen aus
Kapitalvermögen) wirksam in einer strafbefreienden Erklärung aufzudecken. Denn insoweit handelt der Betroffene
typisierend betrachtet weiterhin freiwillig. Von einem solchen Verständnis ist der angerufene Senat auch in seinem
Urteil in BFHE 219, 498, BStBl II 2008, 344 ausgegangen. Für eine solche Auslegung spricht der Umstand, dass auch
§ 3 Abs. 1 Satz 3 StraBEG nicht die Angabe aller in der jeweiligen Steuererklärung unrichtig angegebenen
Besteuerungsgrundlagen, sondern neben der Angabe der hinterzogenen Steuern die Darlegung des
Lebenssachverhalts verlangt. Dieser ist durch Bezeichnung der Einnahmequelle und/oder der Art der Tätigkeit zu
konkretisieren (BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225, Tz. 5.4).
52 cc) In subjektiver Hinsicht setzt die Tatentdeckung voraus, dass die der Finanzbehörde bekannten Erkenntnisse den
für die strafgerichtliche Verurteilung erforderlichen Hinterziehungsvorsatz (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 StraBEG
i.V.m. §§ 370, 370a AO) hinreichend wahrscheinlich machen. Notwendig ist daher, dass der Betroffene die zur
Erfüllung des Tatbestands der Steuerhinterziehung erforderlichen Umstände kennt, deren Sinngehalt im Wege einer
Parallelwertung in der Laiensphäre zutreffend erfasst und den Willen zur Steuerhinterziehung hat (vgl. Hellmann in
HHSp, § 370 Rz 216 f., m.w.N.).
53 dd) In Anwendung der vorgenannten Grundsätze hat das FG zu Recht angenommen, die jeweilige
Steuerhinterziehung der Einkommensteuer 2000 und 2001, der Gewerbesteuer 2000 und 2001 sowie der
Umsatzsteuer 2000 und 2001 sei in dem Zeitpunkt i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG entdeckt gewesen, als
der Sachbearbeiter des FA die in der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 für das jeweilige Jahr ausgewiesene
Summe der Rechnungsbeträge mit den Angaben in den Steuererklärungen verglichen und festgestellt hat, dass die in
der Kontrollmitteilung genannten Beträge die erklärten Betriebseinnahmen in nicht unerheblichem Umfang
überstiegen. Hierdurch ergab sich der hinreichende Tatverdacht, dass die vorstehend genannten Steuern in objektiver
Hinsicht hinterzogen waren.
54 Gegenteiliges kann nicht daraus abgeleitet werden, dass der Kläger seinen Gewinn in diesen Jahren jeweils gemäß §
4 Abs. 3 EStG ermittelte. Auch wenn sich deshalb Abweichungen zwischen den in der Kontrollmitteilung
ausgewiesenen Rechnungsbeträgen und den (nach dem Zuflussprinzip) anzusetzenden Betriebseinnahmen
ergeben, war unter Zugrundelegung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs --wie oben bei II.3.b c dargelegt-- davon
auszugehen, dass Betriebseinnahmen bzw. Umsätze in den Steuererklärungen in erheblichem Umfang in zu geringer
Höhe steuerlich erklärt worden sind. Die vom Kläger für denkbar gehaltene Konstellation, die Abweichung von den
steuerlich erklärten Einnahmen könne darauf beruhen, dass Rechnungsbeträge in erheblichem Umfang (z.B. wegen
eines Zurückbehaltungsrechts) nicht beglichen worden seien, ist rein spekulativer Natur. Hinweise hierauf finden sich
in der Kontrollmitteilung nicht. Gegen eine solche Annahme spricht insbesondere der Umstand, dass der Kläger
ausweislich der in der Kontrollmitteilung genannten zahlreichen Rechnungen zu der F-GmbH in einer
Dauerrechtsbeziehung stand. Zwar ist es auch in einem solchen Fall nicht ausgeschlossen, dass es zu größeren
Zahlungsrückständen kommt. Hierbei handelt es sich indessen um Ausnahmefälle. Die Annahme, dass dem Kläger in
erheblichem Umfang Rechnungsbeträge in den Streitjahren nicht zugeflossen sind, ist daher nicht wahrscheinlich.
55 Nichts anderes gilt hinsichtlich der Annahme, es könnte sich bei den in der Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003
genannten Rechnungen um vorgetäuschte Betriebsausgaben der F-GmbH handeln. Denn aus der Kontrollmitteilung
ist jedenfalls hinsichtlich einzelner Rechnungen zu entnehmen, dass diese per Bank tatsächlich auch beglichen
worden sind.
56 Die Feststellung, wonach Betriebseinnahmen in den Steuererklärungen der Streitjahre 2000 und 2001 nicht in vollem
Umfang steuerlich erklärt worden sind, bewirkt sowohl für die Einkommensteuer, die Gewerbesteuer und die
Umsatzsteuer der jeweiligen Streitjahre (zum Vorliegen von Einzeltaten vgl. BGH-Beschluss vom 20. Juni 1994 5 StR
595/93, BStBl II 1994, 673) eine Tatentdeckung i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG. Die steuerlich
anzusetzenden Betriebseinnahmen bestimmen maßgeblich die Höhe des im Rahmen der jeweiligen
Einkommensteuererklärung anzugebenden Gewinns aus Gewerbebetrieb. Dieser Gewinn wiederum bildet die
Grundlage für die Ermittlung des Gewerbeertrags und damit für die Ermittlung der Gewerbesteuer. Die im Rahmen des
§ 4 Abs. 3 EStG anzusetzenden Betriebseinnahmen sind zudem identisch mit denen, die in der
Umsatzsteuererklärung anzugeben sind, wenn die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) erfolgt.
Erfolgt die Besteuerung hingegen nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 UStG), ist erst recht von einer
Tatentdeckung auszugehen, weil dann die bei der Umsatzsteuer erklärten Umsätze unmittelbar mit den in der
Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 für die Streitjahre 2000 und 2001 genannten Bruttorechnungsbeträgen
verglichen werden können.
57 Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass im Streitfall in dem vorstehend genannten Zeitpunkt ein hinreichender
Tatverdacht auch hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen der jeweiligen Steuerhinterziehung gegeben war.
Zwar fehlt es an der subjektiven Voraussetzung der Tatentdeckung, wenn objektiv hinreichende Anhaltspunkte für
eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung vorlagen, die Finanzbehörde diese aber nicht erkannt hat. Hierfür kann
im Einzelfall die Tatsache sprechen, dass diese Behörde den Steuerpflichtigen um Aufklärung des Sachverhalts bittet,
ohne ihn gemäß § 393 Abs. 1 AO zu belehren (Hoyer in Beermann/Gosch, AO § 371 Rz 46; vgl. auch BGH-Urteil in
BFH/NV 2001, Beilage 1, 70, unter II.1.c zur Bedeutung des Verfolgungswillens). Dieses Indiz ist aber dann widerlegt,
wenn sich aus einem solchen behördlichen Schreiben mit der erforderlichen Klarheit ergibt, dass die Finanzbehörde
erkannt hat, dass objektiv hinreichende Umstände für eine strafgerichtliche Verurteilung vorliegen und Umstände nicht
erkennbar sind, aus denen die Behörde auf das Fehlen der subjektiven Voraussetzungen hätte schließen können.
58 So ist es im Streitfall. Zwar hat das FA in seinem Schreiben an den Steuerberater des Klägers vom 22. Oktober 2003
den Kläger nicht über seine Rechte als Beschuldigter (§ 393 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 136 Abs. 1 und § 163a StPO)
belehrt. Es hat aber in dem Scheiben unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die in einer Kontrollmitteilung
genannten Umsätze der Streitjahre jeweils erheblich von den erklärten Umsätzen abweichen. Hinzu kommt, dass
auch im Schreiben des FA an das FA X vom 20. Oktober 2003 von einer erheblichen Abweichung die Rede ist. Das
FA hatte mithin erkannt, dass ein hinreichender Tatverdacht bestand, dass der Kläger in seinen Steuererklärungen die
Betriebseinnahmen nicht in vollständigem Umfang angegeben hat. Die Annahme, die unvollständige Erklärung der
jeweiligen Betriebseinnahmen könne auf einem Versehen des Steuerberaters oder einer diesem Berater
zuarbeitenden Bürokraft beruhen, lässt die eigene Verantwortlichkeit für die von ihm unterschriebenen und von ihm
eingereichten Steuererklärungen nicht entfallen. Zudem besteht jedenfalls dann ein hinreichender Tatverdacht, wenn
Anhaltspunkte für ein solches Versehen konkret nicht erkennbar, sondern lediglich theoretisch denkbar sind.
59 ee) Der Kläger musste bei verständiger Würdigung der Sachlage auch mit der Tatentdeckung rechnen.
60 § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG setzt neben der Tatentdeckung voraus, dass der Erklärende von der Tatentdeckung
positive Kenntnis hat oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Letzteres ist dann
anzunehmen, wenn der Erklärende die Umstände, die für eine Tatentdeckung sprechen, positiv gekannt hat,
gleichwohl hieraus aber nicht den Schluss gezogen hat, die Tat sei entdeckt (Rüping in HHSp, zur insoweit
wortgleichen Vorschrift des § 371 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 AO Rz 193).
61 Im Streitfall kann der erkennende Senat offenlassen, ob sich die positive Kenntnis des Klägers von der Tatentdeckung
aus dem handschriftlichen Vermerk ergibt, der auf der Kopie des Schreibens des FA vom 22. Oktober 2003
angebracht ist. Der Senat muss deshalb auch nicht prüfen, ob dieser Vermerk verwertbar ist. Denn der Kläger musste
bei verständiger Würdigung der Sachlage jedenfalls damit rechnen, dass die Tat entdeckt war.
62 Das FG hat festgestellt, dass das FA den durch seinen Steuerberater vertretenen Kläger mit Schreiben vom 22.
Oktober 2003 unter Auflistung der sich daraus für die einzelnen Jahre ergebenden Umsätze auf den Inhalt der
Kontrollmitteilung vom 7. Oktober 2003 und auf die erhebliche Abweichung von den erklärten Umsätzen hingewiesen
hat. Damit war dem Kläger bekannt, dass das FA davon Kenntnis hatte, dass er in seinen Steuererklärungen Umsätze
erklärt hatte, die erheblich unter denen lagen, die in dem dem FA vorliegenden Kontrollmaterial ausgewiesen waren.
Bei diesem Kenntnisstand des FA musste er von einer Tatentdeckung ausgehen. Bei einer solchen Sachlage kommt
der vom FA in dem Schreiben geäußerten Bitte um Aufklärung keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Ein
etwaiger Irrtum des Klägers, das FA habe die Tat nicht entdeckt, weil der Sachverhalt noch aufzuklären sei, ist
unbeachtlich.
63 5. Die angefochtenen Steuerbescheide 2000 und 2001 sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Dass die bei der
Berechnung des Gewinns und bei der Umsatzsteuer anzusetzenden Einnahmen in zutreffender Höhe angesetzt sind,
steht nicht im Streit.
64 Zutreffend hat das FA auch entschieden, dass keine zusätzlichen Betriebsausgaben anzuerkennen sind.
Betriebsausgaben sind betrieblich veranlasste Aufwendungen. Sie sind zu berücksichtigen, wenn feststeht, dass und
in welcher Höhe solche Aufwendungen angefallen sind. Im Wege der Schätzung sind (zusätzliche) Betriebsausgaben
dann anzuerkennen, wenn feststeht, dass dem Grunde nach solche Aufwendungen angefallen sind, aber deren Höhe
nicht bekannt ist (BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51). Das FG hat festgestellt,
dass der Kläger im Rahmen seiner jeweiligen Gewinnermittlung Betriebsausgaben in erheblichem Umfang
berücksichtigt hat. Es ist nicht zu beanstanden, dass das FG hieraus den Schluss gezogen hat, es stehe nicht fest,
dass dem Grunde nach weitere Betriebsausgaben angefallen sind.