Urteil des BFH vom 17.07.2008

Verdeckte Gewinnausschüttung: Private PKW-Nutzung - Kostenentscheidung bei teilweiser Zurückverweisung

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 17.7.2008, I R 83/07
Verdeckte Gewinnausschüttung: Private PKW-Nutzung - Kostenentscheidung bei teilweiser Zurückverweisung
Tatbestand
1 I. Streitig ist der Ansatz von verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA).
2 Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist ein Beratungsunternehmen. Das
Unternehmen wird unter der Wohnanschrift ihres alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers, X, betrieben. Zum
Betriebsvermögen der Klägerin gehört ein im ersten der beiden Streitjahre (1998 und 1999) gebraucht erworbener
PKW (Listenneupreis: 51 615 DM). Eine Nutzungsüberlassung für private Zwecke ist nicht Gegenstand des
Anstellungsvertrages der Klägerin mit X. Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--)
ging bei der Veranlagung der Klägerin von einer privaten Nutzung des PKW sowie einem privaten Nutzungsanteil der
im Gesamtbetrag als Betriebsaufwand erfassten Telefonkosten (Festnetzanschluss im Wohnhaus des X) aus. Es kam
zum Ansatz von vGA (für die Nutzung des PKW unter Anwendung der sog. 1 %-Regelung, für Telefonkosten durch
Abzug eines betrieblich veranlassten Teils von den Gesamtkosten; Gesamtbeträge einschließlich Umsatzsteuer: 5 070
DM für 1998 und 8 212 DM für 1999) bzw. eines steuerpflichtigen Eigenverbrauchs (für die Nutzung des PKW 70 % der
erklärten PKW-Kosten abzüglich 20 % geschätzter nicht vorsteuerbelasteter Kosten; die Vorsteuerbeträge auf die
private Telefonnutzung wurden gekürzt).
3 Die Klage war im Wesentlichen erfolgreich; das Finanzgericht (FG) ging zwar mit dem FA von einer privaten Nutzung
des PKW durch X aus, ordnete die Überlassung des PKW zur Nutzung an X aber ausschließlich einer betrieblichen
Veranlassung bzw. dem Unternehmensbereich der Klägerin zu (FG des Saarlandes, Urteil vom 23. Oktober 2007 1 K
1405/03).
4 Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die
Klage abzuweisen, hilfsweise, die PKW-Überlassung auch bei Annahme einer betrieblichen Veranlassung als
umsatzsteuerbare Leistung der Klägerin zu beurteilen.
5 Die Klägerin hat die von ihr eingelegte Revision nicht begründet und sich auch im Übrigen zum Verfahren nicht
geäußert.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen (§ 124 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--),
da es an einer Begründung fehlt. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und
zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Dem Grunde nach liegt eine vGA vor; die
tatsächlichen Feststellungen des FG reichen indes für eine abschließende Entscheidung durch den Senat zur Höhe
der vGA nicht aus.
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1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft
eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis
(mit-)veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen
Ausschüttung steht; dabei muss diese Unterschiedsbetragsminderung die objektive Eignung haben, beim
Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (z.B. Senatsurteile vom 7.
August 2002 I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; vom 6. April 2005 I R 15/04, BFHE 210, 14, BStBl II 2006,
196; vom 3. Mai 2006 I R 124/04, BFHE 214, 80). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die
Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter
oder einer diesem nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines
ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige
Rechtsprechung des Senats, z.B. Urteil vom 23. Februar 2005 I R 70/04, BFHE 209, 252, BStBl II 2005, 882). Ist der
begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die
Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich
wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (z.B. Senatsurteil vom 20. Oktober 2004 I R 4/04,
BFH/NV 2005, 723).
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2. Eine vGA ist hiernach gegeben.
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Das FG ist bei seiner Entscheidung aufgrund einer Würdigung der Sachumstände des konkreten Falles davon
ausgegangen, dass eine Privatnutzung des PKW durch den Gesellschafter-Geschäftsführer vorgelegen hat. Die
Klägerin habe den entsprechenden Anscheinsbeweis (keine ordnungsgemäße Führung eines Fahrtenbuchs; keine
organisatorischen Maßnahmen, um eine Privatnutzung auszuschließen) nicht widerlegt. Der erkennende Senat ist an
diese dem Tatsachenbereich zuzuordnende Feststellung, die von den Beteiligten nicht angegriffen wurde, gebunden
(§ 118 Abs. 2 FGO); eine Privatnutzung steht damit revisionsrechtlich fest. Sie löst im Umfang der entsprechenden
Minderung des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) eine vGA aus (s. insoweit
Senatsurteil vom 23. Januar 2008 I R 8/06, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 865).
10 Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in BFHE 209, 252, BStBl II 2005, 882 entschieden, dass die vertraglich
nicht geregelte private PKW-Nutzung durch den Geschäftsführer und Ehemann der Alleingesellschafterin einer
Kapitalgesellschaft in Höhe der Vorteilsgewährung eine vGA darstellt. Daran hat der Senat in seinem Urteil in DStR
2008, 865 angeschlossen und entschieden, dass auch eine vertragswidrige Nutzung zum Ansatz einer vGA führt.
Damit ist in allen Fällen, in denen der Gesellschafter-Geschäftsführer den Betriebs-PKW ohne entsprechende
Gestattung der Gesellschaft für private Zwecke nutzt, eine vGA anzusetzen. Nur diejenige Nutzung des PKW ist
betrieblich veranlasst, welche durch eine fremdübliche Überlassungs- oder Nutzungsvereinbarung abgedeckt wird.
Die ohne eine solche Vereinbarung erfolgende oder darüber hinausgehende oder einem ausdrücklichen Verbot
widersprechende Nutzung ist hingegen durch das Gesellschaftsverhältnis zumindest mitveranlasst.
11 Die Vorinstanz hat im Rahmen der Prüfung, ob die durch die Privatnutzung ausgelöste Minderung des
Unterschiedsbetrags durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, demgegenüber darauf abgestellt, dass --
ungeachtet einer vertraglichen Regelung-- die Überlassung eines Betriebs-PKW zur privaten Nutzung üblich sei.
Dabei hat das FG Feststellungen zur Frage, ob eine Überlassung ohne vertragliche Grundlage fremdüblich sei, nicht
getroffen. Gerade wenn der Arbeitgeber eine private Nutzung des Betriebs-PKW abstreitet und wenn --
konsequenterweise-- ein entsprechender Vergütungsbestandteil nicht zeitnah erfasst ist, eine private Nutzung aber
tatsächlich festgestellt wird, kann jedenfalls in einer Situation eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers
als Begünstigtem von einer ausschließlichen Veranlassung durch das Anstellungsverhältnis nicht gesprochen
werden. Vielmehr indiziert die nicht durch eine Vereinbarung abgesicherte und ohne besondere Vorkehrungen gegen
eine nicht gewollte Privatnutzung erfolgte Überlassung an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer die
Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis; denn es handelt sich dabei um eine Vorteilszuwendung, die nicht
auf einer klaren, vorherigen Vereinbarung zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden
Gesellschafter-Geschäftsführer beruht (vgl. z.B. Senatsurteil vom 23. Oktober 1996 I R 71/95, BFHE 181, 328, BStBl II
1999, 35; Senatsbeschluss vom 16. Juli 2003 I B 215/02, BFH/NV 2003, 1613).
12 3. Zur Bewertung der vGA ist auf die Senatsurteile in BFHE 209, 252, BStBl II 2005, 882 und in DStR 2008, 962 zu
verweisen: Die vGA ist nicht mit dem lohnsteuerrechtlichen Wert (1 % des Listenpreises des Fahrzeugs, § 8 Abs. 2
Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) zu bewerten. Der Vorteil ist im Rahmen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf der
Ebene der Kapitalgesellschaft ausschließlich nach Fremdvergleichsmaßstäben zu bewerten, was in der Regel zum
Ansatz des gemeinen Wertes führt und damit einen angemessenen Gewinnaufschlag einbezieht.
13 4. Da die Vorinstanz zur Bewertung der vGA keine eigenständigen Feststellungen getroffen hat, ist das Urteil aus
diesem Grund aufzuheben und die Sache zur Nachholung dieser Feststellungen zurückzuverweisen.
14 5. Für die Entscheidung, die Revision der Klägerin wegen fehlender Begründung zu verwerfen, bedurfte es keines
entsprechenden Antrages des FA.
15 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO. Auch bei nur teilweiser Zurückverweisung der Sache muss
dem FG die Entscheidung über die gesamten Kosten des Verfahrens übertragen werden (Grundsatz der
Einheitlichkeit der Kostenentscheidung).