Urteil des BFH vom 09.09.2009

BFH: rechtliches gehör, verfahrensmangel, zivilprozessordnung, beweismittel, allgemeininteresse, rüge

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 9.9.2009, IX B 87/09
Darlegungsanforderungen bei der Nichtzulassungsbeschwerde: Rechtliches Gehör - Verletzung der Sachaufklärungspflicht -
Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Nichtberücksichtigung einer materiellen Rechtsnorm
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gerügte Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)
als --verzichtbarer-- Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs
obliegt es dem Gericht u.a., den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben und ihre Ausführungen sowie Anträge
zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --
BFH-- vom 6. September 2007 III S 27/07, BFH/NV 2007, 2327, m.w.N.). Die Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt
vom Gericht indes nicht, der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 2008 2 BvR 2062/07, Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056). Die --vor dem
Finanzgericht (FG) fachkundig vertretene-- Klägerin hatte in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit, zur
Problematik der Einkünftequalifizierung Stellung zu nehmen; dazu ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll, dass die
Beteiligten das Wort erhielten und mit ihnen die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Darüber hinaus ist nicht
dargetan, wozu die Klägerin sich im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht habe äußern können, was sie bei
ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch (zusätzlich) vorgetragen hätte und dass dieser Vortrag --auf
der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl.
BFH-Beschluss vom 30. Mai 2007 VI B 119/06, BFH/NV 2007, 1697, m.w.N.).
2 Die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hat die Klägerin nicht i.S. des §
116 Abs. 3 Satz 3 FGO hinreichend dargetan. So fehlt es u.a. an einer konkreten Auseinandersetzung mit den in
Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten bezüglich einer den Streitfall betreffenden konkreten Rechtsfrage.
Darüber hinaus sind Anhaltspunkte, dass die Rechtssache im Allgemeininteresse grundsätzlich bedeutsam ist, weder
vorgetragen noch ersichtlich.
3 Soweit nach Auffassung der Klägerin das FG gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen
habe, hätte zur ordnungsgemäßen Rüge eines dahin gehenden Verfahrensmangels nicht nur die genaue Angabe der
Beweismittel gehört, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich ihm aber als noch erforderlich hätte
aufdrängen müssen, sondern auch, welche rechtserheblichen Tatsachen sich hierbei voraussichtlich ergeben hätten.
Ferner hätte dargelegt werden müssen, weshalb in der mündlichen Verhandlung keine entsprechenden Anträge
gestellt wurden, da ein Verfahrensmangel nach § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung nicht mehr erfolgreich
geltend gemacht werden kann, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Einhaltung die Prozessbeteiligten
verzichten können und auch verzichtet haben, indem sie ihre Verletzung nicht gerügt haben (z.B. BFH-Beschluss vom
29. Oktober 2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566, m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall.
4 Die als fehlerhaft gerügte Nichtberücksichtigung der Regelung in § 21 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes im
Rahmen der Urteilsfindung ist kein verfahrensrechtlicher, sondern ein behaupteter materieller Fehler, der als solcher
die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen kann.