Urteil des BFH vom 15.07.2010

Keine Verfahrenstrennung ohne ausdrücklichen Beschluss

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 15.7.2010, VIII B 39/09
Keine Verfahrenstrennung ohne ausdrücklichen Beschluss
Gründe
1 Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist begründet. Sie führt gemäß § 116 Abs. 6 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht (FG).
2 Zu Unrecht hat das FG ein Urteil nur gegenüber der Klägerin erlassen.
3 Entsteht nach einer Kostenentscheidung wegen Erledigung der Hauptsache (§ 138 Abs. 1 FGO) Streit darüber, ob
übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben wurden, ist das Verfahren fortzusetzen. So liegen die
Verhältnisse im Streitfall: das FG hat eine Kostenentscheidung getroffen, nachdem im Verfahren 10 K 125/06
(Anfechtungsklage der Klägerin und ihres Ehemannes) die Beteiligten den Rechtsstreit nach dem Sitzungsprotokoll zur
mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2008 wegen Einkommensteuer 1992 und 1995 bis 2000 übereinstimmend
in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten. Da in der Folge beide Ehegatten die Abgabe von Erledigungserklärungen
bestritten haben, war das Verfahren 10 K 125/06 fortzuführen.
4 Hiervon ist auch das FG ausgegangen. Unzutreffend hat es jedoch angenommen, das Verfahren könne auch ohne
Trennungsbeschluss für jeden Ehegatten getrennt fortgeführt und entschieden werden. In diesem Zusammenhang ist
die Vergabe neuer Aktenzeichen für das fortgeführte Verfahren ein verwaltungstechnischer Vorgang ohne
entscheidungserhebliche Bedeutung. Die Eheleute haben ihre Anfechtungsklage gemeinsam erhoben (so genannte
subjektive Klagehäufung); als zusammenveranlagte Ehegatten bilden sie eine einfache Streitgenossenschaft (s.
Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 59 Rz 6). Auch in einem derartigen Fall subjektiver Klagehäufung ist
eine Trennung der Verfahren der verschiedenen Kläger nach § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO zwar grundsätzlich möglich (vgl.
Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. August 2007 X B 130/06, BFH/NV 2007, 2320; vom 30. Oktober
1986 III R 153/86, BFH/NV 1987, 256), hier aber nicht erfolgt. Miteinander durch Verbindungsbeschluss oder von
vornherein nach § 43 FGO oder durch gemeinsame Klageerhebung verbundene Verfahren --z.B. wie hier durch
subjektive Klagehäufung-- können nicht durch eine konkludente Entscheidung, sondern nur durch einen
ausdrücklichen richterlichen Trennungsbeschluss getrennt werden (BFH-Beschlüsse vom 24. Oktober 1973 VII B 47/72,
BFHE 110, 465, BStBl II 1974, 137; vom 22. März 1993 XI R 23/92, XI R 24/92, BFHE 170, 308, BStBl II 1993, 514; vgl.
auch FG Köln, Urteil vom 21. Dezember 2005 10 Ko 4172/05, Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 441).
5 Die angefochtene Entscheidung kann keinen Bestand als Teilurteil gemäß § 98 FGO haben. Jedenfalls dann, wenn die
Ehegatten ersichtlich ein gemeinsames Klageziel verfolgen und --wie hier-- auch prozessual im Gleichklang handeln,
kommt eine Entscheidung nur einem Ehegatten gegenüber nicht in Betracht. Deshalb kann dahinstehen, ob bei
Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer ein Teilurteil nicht schon dem Grunde nach
ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2003 VI R 148/01, BFH/NV 2004, 527).