Urteil des BFH vom 11.06.2008

BFH: unternehmer, vorsteuerabzug, saatgut, anbau, erwerb, vermarktung, verarbeitung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 11.6.2008, XI B 194/07
Vorsteuerabzug bei einem Organträger mit Durchschnittssatzbesteuerung und einer Organgesellschaft mit
Regelbesteuerung - Voraussetzungen einer Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO
Gründe
1 Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. 1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat als Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) aufgeworfen, "ob die in dem
landwirtschaftlichen Betrieb mit Durchschnittssatzbesteuerung gemäß § 24 UStG als Unternehmensteil angefallenen
Vorsteuerbeträge unter dem Hintergrund zum Abzug zugelassen werden können, dass die Organgesellschaft, welche
letztendlich die Vermarktung übernimmt, die Ausgangsumsätze erzielt". Dieser Frage kommt keine grundsätzliche
Bedeutung zu, weil sie nicht klärungsbedürftig ist. Sie lässt sich vielmehr anhand der Grundsätze beantworten, die in
der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aufgestellt worden sind.
2 Der BFH hat wiederholt entschieden, das Verbot, neben der Vorsteuerpauschalierung Vorsteuer aufgrund von
einzelnen Leistungsbezügen abzuziehen (§ 24 Abs. 1 Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 --UStG--), mache
es erforderlich, dass der Unternehmer, der einen --der Regelbesteuerung unterliegenden-- gewerblichen Betrieb und
daneben einen --der Vorsteuerpauschalierung unterliegenden-- landwirtschaftlichen Betrieb unterhält, die einzelnen
Leistungsbezüge je einem der beiden Unternehmensteile zuordnet und damit die entsprechenden Vorsteuerbeträge in
die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG abziehbaren und die im Rahmen der Vorsteuerpauschalierung berücksichtigten
aufteilt (vgl. Urteile vom 26. Februar 1987 V R 71/77, BFHE 150, 165, BStBl II 1987, 685; vom 25. Juni 1987 V R 121/86,
BFHE 151, 463, BStBl II 1988, 150; vom 8. Juni 1988 X R 53/81, BFH/NV 1989, 56; vom 16. Dezember 1993 V R 79/91,
BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339).
3 Er hat ferner entschieden, dass der Unternehmer beim Bezug teilbarer Leistungen und vertretbarer Sachen auch
Teilmengen aus einzelnen Leistungsbezügen je einem Unternehmensbereich zuordnen kann (Urteil in BFHE 151, 463,
BStBl II 1988, 150). Weiter ist geklärt, dass Vorsteuerbeträge aus einer Rechnung über den Erwerb von Gegenständen,
die ein Unternehmer sowohl in seinem der Regelbesteuerung unterliegenden Unternehmensteil als auch in seinem
landwirtschaftlichen Betrieb verwendet, nicht nach § 15 UStG abziehbar sind, soweit sie den nach § 24 UStG
versteuerten Umsätzen zuzurechnen sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339; vom 10. November
1994 V R 87/93, BFHE 176, 477, BStBl II 1995, 218).
4 Danach ist für den Vorsteuerabzug entscheidend, in welchem Betrieb die bezogenen Lieferungen verwendet werden.
Ein weiterer Klärungsbedarf wegen der Zuordnung von Leistungsbezügen eines Unternehmers mit zwei oder mehr
Unternehmensteilen ist weder dargetan noch ersichtlich. Das Nebeneinanderbestehen von Regelbesteuerung und von
Vorsteuerpauschalierung innerhalb eines Unternehmens bringt nicht nur Vorteile mit sich, sondern verursacht auch
Nachteile, z.B. beim Einsatz von Produkten aus dem landwirtschaftlichen Bereich im gewerblichen Unternehmensteil
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 150, 165, BStBl II 1987, 685). Das Gesetz sieht für diesen Fall nicht die Möglichkeit vor, für
Umsätze im gewerblichen Unternehmensteil entweder eine pauschalierte Vorsteuer i.S. des § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG
anzuerkennen oder die Vorsteuer aus Leistungsbezügen, die dem landwirtschaftlichen Unternehmensteil (§ 24 Abs. 3
UStG) zuzuordnen sind, nach § 15 Abs. 1 UStG abzuziehen. Der Unternehmer kann die nachteiligen Folgen für den
Vorsteuerabzug dadurch vermeiden, dass er nach § 24 Abs. 4 UStG auf die Durchschnittssatzbesteuerung verzichtet
(vgl. Schuhmann in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 24 Rz 152).
5 2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO
zuzulassen. Die Klägerin hat eine Abweichung der Vorentscheidung von dem Urteil des Niedersächsischen
Finanzgerichts (FG) vom 23. März 1995 V 187/90 (nicht veröffentlicht) nicht schlüssig dargelegt. Sie hat nicht --wie für
eine schlüssige Darlegung einer Divergenz nach ständiger Rechtsprechung erforderlich (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom
30. Mai 2005 X B 149/04, BFH/NV 2005, 1618)-- abstrakte Rechtssätze aus dem jeweiligen Urteil herausgearbeitet und
einander so gegenübergestellt, dass eine Abweichung erkennbar wird.
6 Im Übrigen setzt eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vergleichbare Sachverhalte voraus (vgl. z.B. BFH-
Urteil vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, unter II. 3. der Gründe; Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 53). Das trifft hier nicht zu. Der vom Niedersächsischen FG entschiedene Fall
der bloßen Verarbeitung von bezogenen Rohstoffen zu Futtermitteln ist mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht
vergleichbar, weil nicht die von der Klägerin bezogenen Jungsauen und das zum Anbau bezogene Saatgut an den
gewerblichen Betrieb weitergegeben worden sind, sondern die hiervon zu unterscheidenden Ferkel und die geernteten
Ackerfrüchte.
7 3. Mit ihrem Hinweis, gemäß § 15a UStG könnten aus Investitionsmaßnahmen der früheren Jahre noch
Vorsteuerberichtigungsbeträge geltend gemacht werden, hat die Klägerin keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs.
2 FGO dargelegt.