Urteil des BFH vom 29.05.2009

BFH: genehmigung, vertagung, unterbrechung, beweiskraft, rückwirkung, zivilprozessordnung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 29.5.2009, IX B 23/09
Übergang des wirtschaftlichen Eigentums - Rückwirkung der Genehmigung eines Rechtsgeschäfts -
Darlegungsanforderungen bei behaupteter Divergenz - Verletzung des rechtlichen Gehörs
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil (s. unter 1. b, 2.) entspricht ihre Begründung nicht den
Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen (s. unter 1. a) ist der
geltend gemachte Zulassungsgrund nicht gegeben.
2 1. a) Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115
Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO ist nicht erforderlich; die gerügten Divergenzen liegen --unabhängig von deren hinreichender
Darlegung (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. April 2008 IX B 15/08, BFH/NV 2008, 1350, unter 3., m.w.N.)-- nicht vor.
3 Dem von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zitierten Aussetzungs-Beschluss des BFH vom 25. Juni 1998
VIII B 45/97 (BFH/NV 1999, 33) lag ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde, in dem der BFH von einem --hier vom
Finanzgericht (FG) nicht festgestellten-- Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ausgegangen ist. Im Übrigen wirkt
nach ständiger BFH-Rechtsprechung eine (nachträgliche) Genehmigung eines Rechtsgeschäfts nur zivilrechtlich (vgl. §
184 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches), nicht aber steuerrechtlich auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
zurück (vgl. BFH-Urteile vom 2. Oktober 2001 IX R 45/99, BFHE 196, 567, BStBl II 2002, 10; vom 7. Juni 2006 IX R 4/04,
BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294; vom 16. Oktober 2007 VIII R 21/06, BFHE 219, 165, BStBl II 2008, 126). Auf der
Basis dieser Rechtsprechung hat das FG den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums der Geschäftsanteile erst mit
der im Streitjahr 2003 erteilten Genehmigung angenommen - auch die Preisvorstellungen der Vertragspartner lagen
nicht unerheblich auseinander. Demgegenüber stellt die Klägerin auf einen so vom FG nicht festgestellten Sachverhalt
(nämlich unwiderrufliche vertragliche Zustimmung, Übergang des wirtschaftlichen Eigentums) ab; insoweit zeigt auch
der Hinweis auf das BFH-Urteil vom 22. Juli 2008 IX R 74/06 (BFHE 222, 458, BStBl II 2009, 124) keine Divergenz auf.
Damit setzt die Klägerin ihre eigene Sachverhaltswürdigung und Rechtsansicht anstelle des FG und rügt im Kern eine
fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, mithin materiell-rechtliche Fehler (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. April
2007 V B 122/05, BFH/NV 2007, 1517; vom 17. Juli 2008 IX B 234/07, juris, m.w.N.), die aber eine Zulassung der
Revision nicht rechtfertigt.
4 b) Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 17 des Einkommensteuergesetzes (i.d.F. des Streitjahres 2003) hat die
Klägerin die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht hinreichend dargelegt. Der (bloße) Hinweis der
Klägerin auf das beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfahren 2 BvR 753/05 und den Beschluss des
FG Berlin-Brandenburg vom 2. Oktober 2008 7 V 7111/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 33), die die Jahre
1999 und 2001 betreffen, reicht für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht aus (vgl. BFH-
Beschlüsse vom 14. März 2006 IV B 2/05, BFH/NV 2006, 1283; vom 27. November 2007 V B 171/07, juris). Vielmehr
hätte sich die Klägerin mit den einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes (GG) und der dazu bereits ergangenen
höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere der des BVerfG, auseinandersetzen müssen (vgl. BFH-Beschlüsse
vom 25. Januar 2000 VII B 268/99, BFH/NV 2000, 992; vom 27. Januar 2006 II B 13/05, BFH/NV 2006, 1299). Daran
fehlt es im Streitfall; abgesehen davon betreffen die beim BVerfG anhängigen Verfahren nicht das Streitjahr.
5 2. Eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) hat die Klägerin weder schlüssig
dargelegt (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) noch liegt eine solche Verletzung vor, auch nicht in Gestalt einer
Überraschungsentscheidung. Denn nach eigenem Vorbringen der Klägerin hat das FG auf seine "neue
Rechtsauffassung" hingewiesen und ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem FG (zu dessen
Beweiskraft s. § 94 FGO i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung) wurde die "Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten
erörtert". Zudem fehlt der Vortrag, weshalb eine entsprechende Gehörsrüge in der mündlichen Verhandlung nicht
möglich war (vgl. BFH-Beschluss vom 15. März 2007 IX B 234/06, BFH/NV 2007, 1179) und insbesondere weshalb
nicht --wegen der vom FG eingebrachten neuen Rechtsauffassung-- von den rechtskundigen Prozessvertretern der
Klägerin eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung oder eine Vertagung mit Schriftsatznachlass geltend
gemacht wurde (vgl. BFH-Urteil vom 20. Januar 2009 IX R 98/07, noch nicht veröffentlicht).