Urteil des BFH vom 10.10.2001

BFH (stiftung, zuwendung, zuwendung unter lebenden, in angemessener weise, verhältnis zwischen, gegenleistung, juristische person, schenkung, stiftungsvermögen, selbständigkeit)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.12.2009, II R 22/08
Schenkungsteuerpflicht bei Zustiftung an eine (Familien-)Stiftung - Keine Zuwendung "an sich selbst" bei nur einem
Begünstigten - Bestimmung des Zuwendenden und des Bedachten - Kausale Abhängigkeit zwischen Leistung und
Gegenleistung - Keine Minderung der Bereicherung durch Verpflichtung zur satzungsmäßigen Verwendung
Leitsätze
Die Zustiftung an eine (Familien-)Stiftung ist auch dann gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nach der Steuerklasse III
steuerpflichtig, wenn der Zuwendende zugleich der einzige Begünstigte der Stiftung ist .
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine rechtsfähige Familienstiftung, deren Zweck darin besteht, den
B, dessen Abkömmlinge und die Ehegatten durch Gewährung von "Wohnmöglichkeiten und Lebenshaltungskosten" in
angemessener Weise zu versorgen. Da B unverheiratet und kinderlos blieb, ist er der einzige Begünstigte der Klägerin.
2 Zum Vermögen der Klägerin gehörte u.a. ein in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführter land- und
forstwirtschaftlicher Betrieb, der in den Jahren 1999 bis 2001 erhebliche Verluste erwirtschaftete. Mit notariell
beurkundetem Vertrag vom 10. Oktober 2001 wendete der aufgrund seines Gesundheitszustands unter Betreuung
stehende Begünstigte der Klägerin daher mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts 1 Mio. DM zu, um den Hof als
ihm vertrauten Lebensmittelpunkt und Wohnsitz zu erhalten.
3 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Klägerin durch Bescheid vom 8.
November 2004 für diese Zuwendung 146.791,90 EUR Schenkungsteuer nach der Steuerklasse III fest.
4 Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Die Klägerin sei als eigenständiges
Rechtssubjekt auf Kosten des Begünstigten bereichert worden. Die Vorentscheidung ist in Entscheidungen der
Finanzgerichte 2008, 1138 veröffentlicht.
5 Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG). Anders als bei der Erstausstattung einer Stiftung nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG
könne die Steuerbarkeit der Zustiftung nicht ohne die Einbeziehung der Person des Begünstigten beurteilt werden.
Danach sei die Klägerin nicht auf Kosten des Begünstigten bereichert, weil die Zustiftung allein dem Zuwendenden als
einzigem Begünstigten der Klägerin zugute komme. Das Vormundschaftsgericht hätte die Verfügung nicht genehmigt,
wenn dadurch Dritte bereichert worden wären. Außerdem fehle es am Bereicherungswillen des Begünstigten, weil er
der Klägerin das Geld in der Erwartung, selbst davon zu profitieren, zugewendet habe.
6 Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Schenkungsteuerbescheid vom 8. November 2004 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 2005 aufzuheben.
7 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
8 Wegen der rechtlichen Selbständigkeit der Klägerin genüge der vom Begünstigten gewollte Zuwachs des
Stiftungsvermögens für die Annahme einer Schenkung.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG war zu Recht der Auffassung, dass eine Zuwendung an eine rechtsfähige Stiftung auch dann
schenkungsteuerpflichtig ist, wenn der Zuwendende ihr einziger Begünstigter ist.
10 1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige
Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG;
vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Dieser Schenkungsteuertatbestand setzt objektiv eine
Vermögensverschiebung voraus, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Zuwendenden und eine
Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten, subjektiv den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit.
11 a) Das FG hat richtig angenommen, dass die Klägerin auf Kosten des Begünstigten objektiv bereichert wurde.
12 aa) Die Klägerin ist Bedachte der Vermögenshingabe, was der Annahme einer nicht der Schenkungsteuer
unterliegenden Zuwendung des Begünstigten "an sich selbst" entgegensteht.
13 Bei der Prüfung, wer als Zuwendender und Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt ist, kommt es
ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen
oder Einkommen zuzurechnen ist; denn die Schenkungsteuer ist eine Verkehrsteuer (Urteile des Bundesfinanzhofs --
BFH-- vom 22. September 1982 II R 61/80, BFHE 137, 188, BStBl II 1983, 179; vom 25. Januar 2001 II R 39/98,
BFH/NV 2001, 908; vom 9. Juli 2009 II R 47/07, Deutsches Steuerrecht 2009, 2590). Diese zivilrechtliche Prägung des
Schenkungsteuerrechts kommt auch bei der Besteuerung unentgeltlicher Vermögensübertragungen auf eine
rechtsfähige Stiftung zum Tragen. Die durch anerkanntes Stiftungsgeschäft errichtete Stiftung ist eine mit eigener
Rechtsfähigkeit ausgestattete juristische Person, die eine selbständige, nicht an Personen gebundene
Vermögensmasse mit eigener Vermögenszuständigkeit bildet (§ 80 BGB). Wegen dieser rechtlichen Selbständigkeit
wird mit der Zuwendung das Vermögen der Stiftung und nicht das Vermögen ihrer Begünstigten vermehrt. In der
Zuwendung von Stiftungsvermögen an den Begünstigten liegt sodann ein weiterer Verkehrsakt, der wiederum
schenkungsteuerrechtlich (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 9 ErbStG) oder ertragsteuerrechtlich (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 9 des
Einkommensteuergesetzes) zu würdigen ist.
14 Die Zuwendung an eine Stiftung ist auch dann steuerpflichtig, wenn --wie im Streitfall-- der Zuwendende ihr einziger
Begünstigter ist. Auch dies führt nicht dazu, dass sein Vermögen mit dem Vermögen der Stiftung verschmilzt, so dass
seine Zuwendung an die Stiftung als Zuwendung an sich selbst erschiene. Bei einer nach § 80 BGB rechtsfähigen
Stiftung ist das Vermögen kraft ihrer rechtlichen Selbständigkeit vom Vermögen der Begünstigten getrennt. Dies
unterscheidet die Klägerin auch von der nach liechtensteinischem Recht errichteten Stiftung, wie sie der BFH-
Entscheidung vom 28. Juni 2007 II R 21/05 (BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669) zugrunde lag, bei der dem
Zuwendenden aufgrund von Treuhandabreden umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Stiftungsvermögen
zustanden, so dass letztlich er allein rechtlich und tatsächlich frei darüber verfügen konnte. Im Streitfall bestehen dafür
nach den Feststellungen des FG jedoch keine Anhaltspunkte.
15 Bei der Zuwendung an eine Stiftung kann es sich um eine unter § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG fallende --bei einer
Familienstiftung steuersatzprivilegierte (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG)-- Erstausstattung der Stiftung oder --wie im
Streitfall-- um eine freigebige Zuwendung unter Lebenden an die bereits bestehende Stiftung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG ("Zustiftung") handeln. Die Auffassung der Klägerin, die Zustiftung sei im Gegensatz zur Erstausstattung nicht
steuerbar, wenn der Zuwendende zugleich alleiniger Begünstigter der Stiftung ist, ist mit der rechtlichen
Selbständigkeit der Stiftung nicht vereinbar. Diese wirtschaftliche Sichtweise hätte auch zur Konsequenz, dass unter
Missachtung des Zuwachses zum Stiftungsvermögen stets eine Zuwendung des Stifters direkt an die Destinatäre
anzunehmen wäre (dagegen schon Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 28. Juli 1920 II A 132/20, RFHE 3, 221).
Der Gesetzgeber hat zudem § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG nur deshalb als eigenständigen Schenkungsteuertatbestand
geschaffen, weil damals nicht geklärt schien, ob die Zuwendung an eine erst noch zu errichtende Stiftung begrifflich
eine Schenkung sein könne (vgl. Kipp, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 1927, § 3 Rz 185). Die
Voraussetzungen der Steuerbarkeit sind bei beiden Vorschriften dieselben.
16 Die Schenkungsteuerbarkeit wird schließlich nicht durch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts in Frage
gestellt. Sollte das Vormundschaftsgericht seine Zustimmung zu der Verfügung unter dem wirtschaftlichen
Gesichtspunkt erteilt haben, dass der Begünstigte damit auch seinen persönlichen Interessen dienen wollte, wäre dies
schenkungsteuerrechtlich ohne Bedeutung.
17 bb) Die Zuwendung an die Klägerin erfolgte auch unentgeltlich, da sie weder synallagmatisch noch konditional oder
kausal mit einer --gleichwertigen-- Gegenleistung verknüpft war.
18 Der Begünstigte hat durch die Zuwendung keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Rückfluss des zugewendeten
Betrags erhalten.
19 Der Erhalt des Hofs als Wohnsitz und Lebensmittelpunkt ist nicht als kausale Gegenleistung anzusehen. Eine solche
kausale Abhängigkeit zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, wenn die Bewirkung der erstrebten
Gegenleistung Geschäftsgrundlage für die eigene Leistung ist. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Parteiwillen:
Je mehr die Zweckerreichung dem Interesse des Zuwendenden oder eines Dritten dient, desto näher liegt die
Annahme einer kausalen Verknüpfung; je mehr die Zweckerreichung dem Interesse des Bedachten dient, desto näher
liegt die Annahme einer Schenkung (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 472,
unter II.5., zur Abgrenzung zwischen Zweckschenkung und Schenkung mit kausaler Gegenleistung). Nach diesen
Kriterien scheidet im Streitfall eine kausale Verknüpfung aus. Der Fortbestand des zum Stiftungsvermögen
gehörenden defizitären Hofs lag in erster Linie im Interesse der Klägerin selbst, denn nur durch Bereitstellen dieses
Wohnsitzes konnte sie ihren Zweck erfüllen. Der Begünstigte hat zudem das Stiftungskapital gestärkt, obwohl auch
andere Möglichkeiten zum Erhalt des Hofs als Wohnsitz und Lebensmittelpunkt bestanden haben, wie z.B. ein
Darlehen direkt an die KG oder die Aufgabe des verlustbringenden Betriebs.
20 b) Die Vorentscheidung lässt auch keinen Rechtsfehler zur subjektiven Seite des Schenkungsteuertatbestands
erkennen. Der Wille zur Freigebigkeit ist dann gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der
Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem
synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige) Gegenleistung zu
erhalten. Für die zutreffende --ggf. irrtumsausschließende-- Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der (Un-
)Entgeltlichkeit genügt es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt "nach Laienart" zutreffend erfasst
("Parallelwertung in der Laiensphäre"); eine exakte juristische Subsumtion ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 29.
Oktober 1997 II R 60/94, BFHE 183, 253, BStBl II 1997, 832). Da eine den objektiven Schenkungsteuertatbestand
erfüllende Zuwendung im Verhältnis zwischen Zuwendendem und Stiftung vorliegt, der keine (kausale) Gegenleistung
der Bedachten gegenübersteht, war es für den Willen zur Freigebigkeit erforderlich aber auch ausreichend, dass der
Zuwendende eine Vermögensmehrung der Stiftung zu seinen Lasten gewollt hat.
21 2. Die Verpflichtung zur satzungsmäßigen Verwendung des zugewendeten Kapitals mindert die Bereicherung der
Klägerin nicht, wobei auf sich beruhen kann, ob darin schon keine Auflage zu sehen ist, weil sie sich aus der
Stiftungssatzung und nicht aus der Zuwendung selbst ergibt (so: RFH-Urteil vom 12. Mai 1931 Ie A 164/30, RStBl
1931, 539), oder ihr Abzug durch § 10 Abs. 9 ErbStG ausgeschlossen wird, weil die Auflage der Klägerin selbst zugute
kommt, indem sie die Zuwendung für eigene satzungsmäßige Zwecke verwendet (so: BFH-Urteil vom 16. Januar 2002
II R 82/99, BFHE 197, 269, BStBl II 2002, 303).