Urteil des BFH vom 25.02.2009

BFH: Abziehbarkeit der Finanzierungskosten von Lebensversicherungsbeiträgen als Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, Wirtschaftlicher Zusammenhang, Finanzierungsfreiheit, kauf

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 25.2.2009, IX R 62/07
Abziehbarkeit der Finanzierungskosten von Lebensversicherungsbeiträgen als Werbungskosten bei Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung - Wirtschaftlicher Zusammenhang - Finanzierungsfreiheit
Leitsätze
Dient eine Kapitallebensversicherung der Rückzahlung von Darlehen, die zum Erwerb von Mietgrundstücken aufgenommen
worden sind, so sind die Zinsen für ein zur Finanzierung der Versicherungsbeiträge aufgenommenes Darlehen als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nahm im Zusammenhang mit dem Kauf verschiedener, zu
Vermietungszwecken vorgesehener Immobilien Darlehen auf, deren Rückzahlung durch gleichzeitig abgeschlossene
Kapitallebensversicherungen mit einer Mindestlaufzeit von 12 Jahren erfolgen sollte. Die Ansprüche aus den
Lebensversicherungen wurden an die finanzierenden Kreditinstitute abgetreten. Die Versicherungsprämien finanzierte
der Kläger durch verzinsliche Darlehen, wodurch in den Streitjahren 1992 bis 1997 jährlich Aufwendungen zwischen 4
066 DM und 73 177 DM entstanden.
2 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte in den geänderten Einkommensteuerbescheiden
für die Streitjahre die Finanzierungskosten der Lebensversicherungsbeiträge nicht als Werbungskosten bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
3 Das Finanzgericht (FG) ließ in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 370, veröffentlichten Urteil die
Zinsaufwendungen für die Versicherungsbeiträge nicht als Werbungskosten zum Abzug zu; die Schuldzinsen dienten
auch der Absicherung des Todesfallrisikos und seien insoweit gemischt veranlasst (§ 12 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes --EStG--).
4 Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die er auf eine Verletzung materiellen Rechts stützt. Aus der
Nichtabziehbarkeit der Versicherungsbeiträge folge nicht auch die der hierfür aufgewendeten Zinsen.
5 Der Kläger beantragt,
6 das Urteil des FG aufzuheben sowie die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1992 bis 1997 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass Zinsaufwendungen in Höhe von 49 382 DM (1992), 73 177 DM
(1993), 19 824 DM (1994), 25 281 DM (1995), 9 948 DM (1996) und 4 066 DM (1997) als weitere Werbungskosten
berücksichtigt werden.
7 Das FA beantragt,
8 die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
9
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an
das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu
Unrecht hat das FG die geltend gemachten Schuldzinsen im Grundsatz nicht als Werbungskosten bei den Einkünften
aus Vermietung und Verpachtung zum Abzug zugelassen.
10 1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der
Einnahmen. Dies gilt auch für Schuldzinsen, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang
stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Ein Abzug dieser Aufwendungen als Sonderausgaben kommt dann nicht in
Betracht (§ 10 Abs. 1 Satz 1 EStG).
11 Als abziehbare Werbungskosten müssen Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sein, die durch die
Einkünfteerzielung --hier aus Vermietung und Verpachtung-- veranlasst ist. So verhält es sich, wenn der
Steuerpflichtige ein Darlehen tatsächlich dazu verwendet, um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen,
insbesondere indem er damit Anschaffungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes finanziert
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. März 2007 IX R 10/06, BFHE 217,
531, BStBl II 2007, 645, m.w.N.). Ein allein rechtlicher Zusammenhang --etwa aufgrund einer Besicherung des
Grundstücks-- reicht ebenso wenig aus wie eine bloße gedankliche Zuweisung des Steuerpflichtigen (ständige
Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 6. Oktober 2004 IX R 68/01, BFHE 207, 24, BStBl II 2005, 324, m.w.N.).
12 Schließt der Erwerber eines Grundstücks zur Sicherung des Kaufpreises eine Risikolebensversicherung ab, so führen
zwar die Prämien selbst nach ständiger Rechtsprechung nicht zu Werbungskosten (BFH-Urteil vom 7. August 1990 IX
R 139/86, BFH/NV 1991, 94, m.w.N.). Anders verhält es sich aber mit den Schuldzinsen, die der Erwerber aufwenden
muss, weil er die Prämienzahlungen ihrerseits durch Darlehen finanziert hat. Während mit den
Versicherungsbeiträgen die Anschaffungsdarlehen getilgt werden und sie deshalb zum privaten Vermögensbereich
des Darlehensnehmers zählen, dienen die hier streitigen Schuldzinsen der Finanzierung der Tilgung der
Anschaffungskosten und sind deshalb in gleicher Weise zu beurteilen wie Schuldzinsen für ein
Anschaffungsdarlehen. Die Finanzierung der Vermietungsobjekte über Kapitallebensversicherungen ist Bestandteil
eines einheitlichen Gesamtkonzepts zur Finanzierung der Anschaffungskosten (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 2005 IX
R 15/04, BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754). Wenn Darlehen ausschließlich zur Finanzierung der
Lebensversicherungsbeiträge aufgenommen werden, dienen sie der Tilgung von Darlehen, mit denen die
Anschaffungskosten der zu vermietenden Immobilien finanziert werden. Entscheidet sich der Steuerpflichtige --
anstelle einer Langfristfinanzierung allein durch Darlehen-- für eine kürzere Laufzeit der Finanzierung unter Einsatz
von Kapitallebensversicherungen, so würde seine Finanzierungsfreiheit (vgl. grundlegend Beschluss des Großen
Senats des BFH vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) in unverhältnismäßiger Weise
eingeschränkt, wenn der wegen der kürzeren Finanzierungszeit höhere Finanzierungsaufwand nicht realitätsgerecht
berücksichtigt würde.
13 2. Nach diesen Grundsätzen kann das Urteil des FG keinen Bestand haben.
14 a) Im Streitfall sind die Zinsen für die zur Finanzierung von Kapitallebensversicherungsbeiträgen aufgenommenen
Darlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Sie dienen der
Finanzierung der Anschaffungskosten der Vermietungsobjekte im Rahmen eines einheitlichen und marktgängigen
Finanzierungskonzepts.
15 b) Die Sache ist nicht spruchreif. Ausgehend von der Ablehnung eines Werbungskostenabzugs dem Grunde nach hat
das FG keine hinreichenden Feststellungen zur Höhe der abziehbaren Zinsen getroffen.