Urteil des BFH vom 21.08.2012

Keine Entnahme betrieblicher und in Vorjahren zu mehr als 10 % genutzter PKW durch Absenkung der betrieblichen Nutzung unter 10 % - Grundsatz der Abschnittsbesteuerung - Gewillkürtes Betriebsvermögen - Kein Vertrauenstatbestand durch Nichtbeanstandung ein

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 21.8.2012, VIII R 11/11
Keine Entnahme betrieblicher und in Vorjahren zu mehr als 10 % genutzter PKW durch Absenkung
der betrieblichen Nutzung unter 10 % - Grundsatz der Abschnittsbesteuerung - Gewillkürtes
Betriebsvermögen - Kein Vertrauenstatbestand durch Nichtbeanstandung einer steuerrechtlich
fehlerhaften Handhabung in Vorjahren
Leitsätze
1. Vermindert sich der Umfang der betrieblichen Nutzung eines Kfz, das dem gewillkürten
Betriebsvermögen eines Unternehmens in einem früheren Veranlagungszeitraum wegen einer
mehr als 10 %igen betrieblichen Nutzung zugeordnet wurde, in einem Folgejahr auf unter 10 %, so
ändert dies an der Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen nichts, weil eine solche
Nutzungsänderung allein keine Entnahme darstellt.
2. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung schließt die Bildung eines Vertrauenstatbestands aus,
der über die im Steuerbescheid für ein Veranlagungsjahr zugrunde gelegte Entscheidung
hinausgeht (Anschluss an Beschluss des BVerfG vom 28. Juni 1993 1 BvR 1346/89, HFR 1993,
544, und BFH-Urteil vom 14. Oktober 2009 X R 37/07, BFH/NV 2010, 406).
3. Die Würdigung eines Sachverhalts durch das FA in früheren Veranlagungszeiträumen kann
nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung stets nur auf diese Zeiträume bezogen werden;
die aus einer solchen Würdigung für die Zukunft gezogenen Schlüsse --auch hinsichtlich der
Notwendigkeit einer Beweisvorsorge für künftige Veranlagungszeiträume-- sind grundsätzlich
allein der Verantwortungssphäre des Steuerpflichtigen zuzurechnen (Anschluss an BFH-
Beschlüsse vom 2. August 2004 IX B 41/04, BFH/NV 2005, 68; vom 8. Juni 2006 IX B 121/05,
BFH/NV 2006, 1655).
Tatbestand
1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als ... Einkünfte aus nichtselbständiger
Tätigkeit sowie Einkünfte aus selbständiger Arbeit als freiberuflicher Berater auf dem Gebiet
der .... Den Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit ermittelt er durch
Einnahmenüberschussrechnung.
2 In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 machte der Kläger bei den Einkünften
aus selbständiger Tätigkeit einen Verlust in Höhe von 10.113 EUR geltend, den der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Einkommensteuerbescheid vom
21. November 2005 lediglich in Höhe von 7.370 EUR berücksichtigte.
3 Nachdem die Kläger dagegen Einspruch eingelegt hatten, ging das FA aufgrund einer
Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, der Kläger habe sein Zweitfahrzeug --einen Audi
A3 sowie einen nach dessen Veräußerung im Frühjahr 2004 erworbenen BMW Cabrio-- zu
Unrecht dem gewillkürten Betriebsvermögen seiner freiberuflichen Tätigkeit zugeordnet.
Grund für diese Würdigung war die Feststellung, das Fahrzeug werde, anders als der
unstreitig betrieblich genutzte weitere PKW des Klägers --ein Audi A6--, zu weniger als 10 %
unternehmerisch genutzt.
4 Dementsprechend änderte das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2003 -
-nach vorheriger Ankündigung mit Änderungsbescheiden vom 31. Januar 2007 und 13. April
2007-- u.a. in der Weise, dass die Aufwendungen für den PKW Audi A3 nicht als
Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit berücksichtigt wurden.
Sodann wies das FA den Einspruch gegen die Einkommensteuerfestsetzung für 2003 in
Gestalt der Änderungsbescheide als unbegründet zurück.
5 Bei der Einkommensteuerveranlagung der Kläger für 2004 minderte das FA ebenfalls den
erklärten Verlust des Klägers bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von
19.401 EUR auf 11.248 EUR mit der Begründung, nach den Feststellungen der
Umsatzsteuer-Sonderprüfung seien die Einnahmen und Aufwendungen des Klägers im
Zusammenhang mit dem jeweils genutzten Zweitfahrzeug nicht seinem Unternehmen
zuzuordnen.
6 Auch den dagegen erhobenen Einspruch wies das FA nach zwischenzeitlicher mehrmaliger
Änderung des Einkommensteuerbescheids durch Einspruchsentscheidung vom 13. August
2008 im Wesentlichen als unbegründet zurück und änderte die
Einkommensteuerfestsetzung für 2004 lediglich wegen anderer im Klage- und
Revisionsverfahren nicht streitiger Besteuerungsgrundlagen zu Gunsten der Kläger.
7 Daraufhin erhoben die Kläger Klage mit dem Begehren, die Aufwendungen des Klägers in
den Streitjahren für das jeweilige Zweitfahrzeug als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften
aus selbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
8 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte
2011, 1311 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
9 Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
10 Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben sowie die angefochtenen
Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 und 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 13. August 2008 unter Berücksichtigung des jeweils genutzten
Zweitfahrzeugs als Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens bei den Einkünften des Klägers
aus selbständiger Arbeit gewinnmindernd zu ändern.
11 Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
12 Mangels Fahrtenbuchs und fehlender zeitnaher Aufzeichnungen des Klägers über die
Nutzung seiner Fahrzeuge im Rahmen seiner freiberuflichen Nebentätigkeit sei
entsprechend dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. August 2004
IV B 7-S 7300-70/04 (BStBl I 2004, 864) davon auszugehen, dass das Zweitfahrzeug zu
weniger als 10 % unternehmerisch genutzt worden sei. Dies gelte umso mehr, als die
erstmals im Jahre 2009 gefertigten bzw. vorgelegten Aufzeichnungen gravierende
Ungenauigkeiten enthielten.
13 Auf die abweichende Erfassung des Zweitfahrzeugs als gewillkürtes Betriebsvermögen in
den Veranlagungen der Vorjahre könnten sich die Kläger nach dem Grundsatz der
Abschnittsbesteuerung nicht berufen. Abgesehen davon gebe es eine solche
Vorjahresveranlagung für den erst im Jahre 2004 als Zweitfahrzeug angeschafften PKW
BMW Cabrio nicht. Im Übrigen habe der Kläger in den Vorjahren niemals eine zeitnahe
Aufzeichnung mit einer Darlegung des betrieblichen Nutzungsumfangs der Fahrzeuge
vorgelegt. Nur bei einer solchen Darlegung könne in den Folgejahren von einem
entsprechenden Nutzungsumfang ausgegangen werden.
Entscheidungsgründe
14 II. Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
15 Hinsichtlich des in der Gewinnermittlung beider Streitjahre als gewillkürtes
Betriebsvermögen erfassten PKW Audi A3 hat das FG zu Unrecht die Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide in Gestalt der
Einspruchsentscheidung allein mit der Begründung bejaht, für die begehrte Zuordnung des
Zweitwagens zum gewillkürten Betriebsvermögen in den Streitjahren --entsprechend den
Steuererklärungen und Veranlagungen der Vorjahre-- fehle es an dem Nachweis der
erforderlichen betrieblichen Nutzung zu mindestens 10 % (siehe dazu unter II.1b und c).
Hinsichtlich des erst im Streitjahr 2004 angeschafften PKW BMW Cabrio hat das FG
dagegen zu Recht eine Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen verneint (siehe dazu
unter II.2a).
16 Die Zurückweisung ist geboten, weil das FG aufgrund seiner abweichenden Auffassung zur
ausschließlichen Erheblichkeit des betrieblichen Nutzungsumfangs von weniger als 10 % in
den Streitjahren keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der PKW Audi A3
möglicherweise zu Unrecht in den Einkommensteuerveranlagungen der Vorjahre dem
gewillkürten Betriebsvermögen zugerechnet wurde und deshalb nicht dem gewillkürten
Betriebsvermögen zuzurechnen ist.
17 1. Zum gewillkürten Betriebsvermögen können nur Wirtschaftsgüter gehören, die objektiv
dazu geeignet und erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern (vgl. Urteil des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Februar 1997 XI R 1/96, BFHE 182, 567, BStBl II 1997,
399).
18 a) Auch im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
--wie im Streitfall-- kann gewillkürtes Betriebsvermögen gebildet werden, wenn das
Wirtschaftsgut zu mindestens 10 % betrieblich genutzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar
2011 VIII R 19/08, BFH/NV 2011, 1311) und dessen Zuordnung unmissverständlich, zeitnah
und unumkehrbar dokumentiert wird (vgl. BFH-Urteile vom 2. Oktober 2003 IV R 13/03,
BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985; vom 16. Juni 2004 XI R 17/03, BFH/NV 2005, 173; vom
29. April 2008 VIII R 67/06, BFH/NV 2008, 1662 zur Zuordnung von Fahrzeugen zum
Betriebsvermögen).
19 So kann die zeitnahe Aufnahme des erworbenen Wirtschaftsguts in das betriebliche
Bestandsverzeichnis (R 31 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--) ausreichen
und sich im Falle einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sogar anbieten (BFH-Urteil
in BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985).
20 Der Steuerpflichtige trägt damit die Feststellungslast, wenn er --wie der Kläger--
Betriebsausgaben und Verluste im Zusammenhang mit gewillkürtem Betriebsvermögen
geltend macht (BFH-Urteil in BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985).
21 b) Gehört ein Wirtschaftsgut nach diesen Grundsätzen zum gewillkürten Betriebsvermögen,
so verliert es diese Eigenschaft --wie die Kläger zu Recht geltend machen-- nur durch eine
Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb (BFH-Urteil
vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395, unter 2.a der Gründe).
22 Der sachliche betriebliche Zusammenhang wird --bei unveränderter subjektiver Zurechnung
des Wirtschaftsguts-- nur durch eine Entnahme gelöst, die einen Entnahmewillen und eine
Entnahmehandlung erfordert. Es muss sich um ein Verhalten handeln, das nach außen den
Willen des Steuerpflichtigen erkennen lässt, ein Wirtschaftsgut nicht (mehr) für betriebliche
Zwecke im betrieblichen Bereich, sondern für private Zwecke im privaten Bereich zu nutzen,
also es nicht mehr zur Erzielung von Betriebseinnahmen, sondern von Privateinnahmen
(z.B. aus Vermietung und Verpachtung) oder zu einkommensteuerrechtlich irrelevanten
Zwecken einzusetzen (im Einzelnen BFH-Urteile in BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395; vom
14. Mai 2009 IV R 44/06, BFHE 225, 367, BStBl II 2009, 811).
23 c) Eine solche Entnahmeerklärung kann auch in einem schlüssigen Verhalten liegen, durch
das die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen erkennbar gelöst wird.
Sie muss jedoch unmissverständlich und von einem entsprechenden Entnahmewillen
getragen sein (BFH-Urteile vom 7. Februar 2002 IV R 32/01, BFH/NV 2002, 1135; in BFHE
225, 367, BStBl II 2009, 811).
24 Dazu muss der Steuerpflichtige die sich aus der Entnahme ergebenden Folgerungen ziehen
und regelmäßig den Gewinn aus der Entnahme des Wirtschaftsguts erklären (BFH-Urteile
vom 21. August 1996 X R 78/93, BFH/NV 1997, 226; in BFHE 225, 367, BStBl II 2009, 811,
m.w.N). Im Übrigen muss sich die bisherige Nutzung des Wirtschaftsguts auf Dauer so
ändern, dass es --wie die Rechtsprechung zur Privatnutzung von Grundstücken eines
Betriebsvermögens entschieden hat-- seine Beziehung zum Betrieb verliert und dadurch zu
notwendigem Privatvermögen wird (vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 2008 IV R 44/05,
BFH/NV 2008, 1156, unter II.3.b aa der Gründe; vom 10. November 2004 XI R 31/03, BFHE
208, 180, BStBl II 2005, 334, unter II.1. der Gründe; vom 4. November 1982 IV R 159/79,
BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448, unter II.2. der Gründe; zum Sonderfall der Grundstücke
des notwendigen Betriebsvermögens nach § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, die nach
Nutzungsänderung als gewillkürtes [geduldetes] Betriebsvermögen zu berücksichtigen sind
vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2002 IV R 57/00, BFHE 200, 236, BStBl II 2003, 16).
25 d) Eine Nutzungsänderung --wie hier-- führt danach allein grundsätzlich nicht zu einer
Entnahme kraft schlüssigen Verhaltens (vgl. BFH-Beschluss vom 1. Februar 2000
IV B 138/98, BFH/NV 2000, 713, sowie BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 1135; in BFHE 225,
367, BStBl II 2009, 811).
26 2. Diesen Grundsätzen entspricht die angefochtene Entscheidung nur zum Teil.
27 a) Sie ist allerdings aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, soweit das FG die
Voraussetzungen für eine Zuordnung des PKW BMW Cabrio zum gewillkürten
Betriebsvermögen des Klägers und damit auch die Abziehbarkeit der darauf bezogenen
Aufwendungen als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG bei seinen Einkünften aus
selbständiger Arbeit verneint hat.
28 Zwar hat der Kläger dieses Fahrzeug durch zeitnahe Aufnahme in das betriebliche
Bestandsverzeichnis (R 31 Abs. 1 EStR) hinreichend erkennbar dem gewillkürten
Betriebsvermögen zugeordnet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985).
29 Zu Recht hat aber das FG im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen und den Senat
nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Würdigung in dem Vortrag der Kläger und in ihren
Aufzeichnungen keinen --zeitnah zu erbringenden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1662)--
hinreichenden Nachweis dafür gesehen, dass der PKW im Streitjahr 2004 zu mindestens
10 % betrieblich genutzt wurde.
30 Der dagegen erhobene Einwand der Kläger, das Erfordernis zeitnaher Aufzeichnungen (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985, m.w.N.) gelte nicht für bereits in Vorjahren
als Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens erfasste Fahrzeuge, ist für den PKW
BMW Cabrio ohne Bedeutung, weil das Fahrzeug erst im Streitjahr 2004 angeschafft wurde.
31 Im Übrigen haben sich die Kläger im Revisionsverfahren auf den Hinweis beschränkt,
zumindest mit ihrem Schriftsatz vom 14. Mai 2010 hinreichend einen betrieblichen
Nutzungsumfang von 10 % nachgewiesen zu haben, ohne sich im Einzelnen mit der
tatsächlichen Würdigung ihres Vortrags durch das FG auseinanderzusetzen.
32 Infolgedessen ist die in jeder Hinsicht mögliche tatsächliche Würdigung des FG, die insoweit
darlegungs- und nachweispflichtigen Kläger hätten den Nachweis einer mindestens
10 %igen betrieblichen Nutzung des PKW BMW Cabrio nicht erbracht, nach Maßgabe des
§ 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend.
33 b) Die Entscheidung des FG ist gleichwohl aufzuheben, weil sie die Zuordnung des PKW
Audi A3 zum gewillkürten Betriebsvermögen ausschließlich mit der Begründung verneint, in
den Streitjahren fehle es an dem Nachweis der erforderlichen betrieblichen Nutzung zu
mindestens 10 %.
34 aa) Ein betrieblicher Nutzungsanteil in den Streitjahren 2003 und 2004 von unter 10 % ist
nämlich --wie die Kläger zu Recht geltend machen-- dann für die Zuordnung zum
gewillkürten Betriebsvermögen ohne Bedeutung, wenn ein Wirtschaftsgut, wie hier der PKW
Audi A3, (vor diesem Zeitraum) materiell-rechtlich wirksam durch erkennbaren äußeren Akt
dem Betriebsvermögen zugeordnet wurde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 203, 373, BStBl II 2004,
985), im Umfang von mindestens 10 % betrieblich genutzt wurde (vgl. BFH-Urteile in BFHE
203, 373, BStBl II 2004, 985; in BFH/NV 2011, 1311) und nicht durch ausdrückliche oder
schlüssige Handlung des Steuerpflichtigen zu privaten Zwecken entnommen wurde (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985).
35 bb) Eine Nutzungsänderung --wie sie im Streitfall vom FA wegen Absenkung des
betrieblichen Nutzungsanteils des PKW auf unter 10 % geltend gemacht wird-- ist --wie
dargelegt-- grundsätzlich nicht als Entnahme kraft schlüssigen Verhaltens zu werten. Eine
Ausnahme macht die Rechtsprechung nur für Nutzungsänderungen, die ihrer Art nach --
anders als hier-- auf Dauer angelegt sind (BFH-Urteile vom 12. November 1964 IV 99/63 S,
BFHE 81, 128, BStBl III 1965, 46, m.w.N. zur Bebauung eines Betriebsgrundstücks mit
einem Wohnhaus zur dauerhaften alleinigen Nutzung durch den Betriebsinhaber; in BFHE
137, 294, BStBl II 1983, 448).
36 cc) Im Streitfall liegt weder eine ausdrückliche Entnahmehandlung noch eine solche durch
schlüssiges Verhalten vor. Denn über die in ihrem Umfang streitige Absenkung des
betrieblichen Nutzungsanteils hinaus sind selbst nach dem Vortrag des FA keine
Anhaltspunkte für einen solchen Entnahmetatbestand gegeben. Danach ist --auch
hinsichtlich der insoweit geltend gemachten Betriebsausgaben-- entscheidungserheblich, ob
der Kläger den PKW Audi A3 zu Recht in den Vorjahren dem gewillkürten Betriebsvermögen
zugerechnet hat.
37 3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie ist vielmehr zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, weil die bisherigen tatsächlichen
Feststellungen des FG eine Beurteilung nicht zulassen, ob der PKW Audi A3 in den Jahren
vor 2003 gewillkürtes Betriebsvermögen mit einem betrieblichen Nutzungsanteil von
mindestens 10 % war.
38 Die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen ist nämlich nicht schon aufgrund der
Bestandskraft der Vorjahresveranlagungen oder aus Gründen des Vertrauensschutzes mit
Wirkung für die Streitjahre anzunehmen.
39 a) Die Bestandskraft der Vorjahresveranlagungen betrifft nur den verfügenden Teil der
Steuerbescheide. Demgegenüber bilden die für die Steuerfestsetzung maßgeblichen
Besteuerungsgrundlagen --vom Fall ihrer gesonderten Feststellung abgesehen-- einen nicht
selbständig anfechtbaren Teil der Bescheide (Beschluss des Großen Senats des BFH vom
17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344).
40 Infolgedessen müssen die Finanzbehörden bei der Festsetzung der Einkommensteuer für
einen bestimmten Veranlagungszeitraum die Besteuerungsgrundlagen --wie hier die
Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen-- selbständig und ohne Bindung
an ihren Ansatz in anderen Steuerbescheiden ermitteln und berücksichtigen (BFH-Urteile
vom 9. Dezember 1987 I R 1/85, BFHE 151, 554, BStBl II 1988, 463; vom 27. September
1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, BStBl II 1989, 225; vom 6. Dezember 1990 IV R 129/89,
BFHE 163, 130, BStBl II 1991, 356; vom 14. November 2007 XI R 37/06, BFH/NV 2008, 365;
zur Korrektur fehlerhafter Bilanzansätze nach den Grundsätzen des formellen
Bilanzenzusammenhangs siehe BFH-Urteil vom 28. April 1998 VIII R 46/96, BFHE 185, 492,
BStBl II 1998, 443).
41 b) Entsprechendes gilt für den geltend gemachten Anspruch auf Vertrauensschutz in die
Fortführung der Zuordnung des PKW Audi A3 zum Betriebsvermögen in den Streitjahren
entsprechend den Einkommensteuerveranlagungen der Vorjahre.
42 aa) Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (§ 25 Abs. 1 EStG) hat das FA in jedem
Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und
rechtlich zu würdigen (vgl. BFH-Urteile vom 17. Oktober 1990 I R 182/87, BFHE 162, 307,
BStBl II 1991, 136, und vom 12. Dezember 1990 I R 176/87, BFH/NV 1991, 820).
43 Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühest möglichen Zeitpunkt
aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut und
entsprechend disponiert haben sollte (BFH-Urteile vom 23. Mai 1989 X R 17/85, BFHE 157,
516, BStBl II 1989, 879; vom 5. September 1990 X R 100/89, BFH/NV 1991, 217; vom
15. April 2004 IV R 51/02, BFH/NV 2004, 1393, und vom 29. April 2008 VIII R 75/05, BFHE
221, 136, BStBl II 2008, 817). Dies gilt selbst dann, wenn die Finanzbehörde über eine
längere Zeitspanne eine rechtsirrige Auffassung vertreten hat (BFH-Urteil vom 22. Juni 1971
VIII 23/65, BFHE 103, 77, BStBl II 1971, 749), es sei denn, das Finanzamt hat eine
entsprechende Behandlung in den Folgejahren zugesagt (vgl. BFH-Urteile vom
13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274; in BFH/NV 1991, 217,
sowie zu zusageähnlichen Vereinbarungen BFH-Urteil vom 11. Februar 1966 VI 229/63,
BFHE 85, 409, BStBl III 1966, 486).
44 Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung schließt danach die Bildung eines
Vertrauenstatbestands aus, der über die im Steuerbescheid für ein Veranlagungsjahr
zugrunde gelegte Entscheidung hinausgeht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 28. Juni 1993 1 BvR 1346/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 544, und
BFH-Beschluss vom 9. Dezember 2002 I B 7/02, BFH/NV 2003, 630; BFH-Urteil vom
14. Oktober 2009 X R 37/07, BFH/NV 2010, 406).
45 Auf dieser Grundlage kann die Nichtbeanstandung einer steuerrechtlich fehlerhaften
Handhabung --wie hier die möglicherweise unrichtige ungeprüfte Übernahme der Zuordnung
Handhabung --wie hier die möglicherweise unrichtige ungeprüfte Übernahme der Zuordnung
des PKW Audi A3 zum gewillkürten Betriebsvermögen des Klägers in den Vorjahren--
keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand schaffen (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 217).
46 bb) Dies gilt nach der Rechtsprechung gleichermaßen für die Anforderungen an die
Darlegungs- und Nachweispflichten des Steuerpflichtigen in den Folgejahren. Insbesondere
kann die Würdigung eines Sachverhalts durch das Finanzamt in früheren
Veranlagungszeiträumen nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung stets nur auf
diese Zeiträume bezogen werden, so dass die aus einer solchen Würdigung für die Zukunft
gezogenen Schlüsse --ggf. auch hinsichtlich der Notwendigkeit einer Beweisvorsorge in
künftigen Veranlagungszeiträumen-- grundsätzlich allein der Verantwortungssphäre des
Steuerpflichtigen zuzurechnen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. August 2004 IX B 41/04,
BFH/NV 2005, 68; vom 8. Juni 2006 IX B 121/05, BFH/NV 2006, 1655).
47 Nur wenn die frühere tatsächliche Sachverhaltswürdigung möglich war, ist eine bei späterer
Aufgabe dieser Würdigung entstehende Beweisnot des Steuerpflichtigen durch
angemessene Abmilderung der Regeln für die strenge richterliche Überzeugungsbildung
nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 68).
48 c) Das FG hat danach im zweiten Rechtszug festzustellen, ob für die Streitjahre davon
ausgegangen werden kann, dass der Kläger nach Maßgabe des aufzuklärenden Umfangs
der betrieblichen Nutzung in den Vorjahren zu Recht eine Zuordnung des PKW Audi A3 zum
Betriebsvermögen vorgenommen hat.
49 Ergeben die Feststellungen, dass die Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen
mangels betrieblicher Nutzung von mindestens 10 % in den Vorjahren zu Unrecht
vorgenommen wurde, ist für die Streitjahre nach Maßgabe der bisherigen bindenden
tatsächlichen Feststellungen zur betrieblichen Nutzung des PKW Audi A3 im Streitzeitraum
im Umfang von weniger als 10 % die Abziehbarkeit der streitigen Aufwendungen für das
Fahrzeug als Betriebsausgaben zu verneinen.