Urteil des BFH vom 23.04.2009

Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und verdeckter Gewinnausschüttung - Privatnutzung eines Firmenwagens durch GmbH-Gesellschaftergeschäftsführer

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 23.4.2009, VI B 118/08
Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und verdeckter Gewinnausschüttung - Privatnutzung eines Firmenwagens durch GmbH-
Gesellschaftergeschäftsführer
Leitsätze
1. Nutzt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ein Fahrzeug privat auf Grundlage einer im Anstellungsvertrag
ausdrücklich zugelassenen Nutzungsgestattung, liegt keine verdeckte Gewinnausschüttung, sondern ein lohnsteuerlich
erheblicher Vorteil vor.
2. Eine vertragswidrige private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht
stets als Arbeitslohn zu qualifizieren (Senatsbeschluss vom 15. November 2007 VI ER-S 4/07).
Tatbestand
1 I. Im finanzgerichtlichen Ausgangsverfahren war im Rahmen der Überprüfung eines Lohnsteuerhaftungs- und
Nachforderungsbescheids streitig, ob für die private Nutzung eines Firmenwagens durch den Gesellschafter-
Geschäftsführer einer GmbH ein geldwerter Vorteil als Arbeitslohn oder als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu
versteuern ist.
2 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin
(Klägerin) einen Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheid. Grundlage war die Feststellung, dass der
Geschäftsführer der Klägerin einen Dienstwagen zur Verfügung hatte, dessen private Nutzung bisher nicht versteuert
worden war. Der Geschäftsführervertrag sah insoweit vor: "Der Geschäftsführer kann für die Dauer des
Dienstverhältnisses einen Firmenwagen beanspruchen, der auch zu privaten Zwecken benutzt werden darf."
3 Das Finanzgericht (FG) wies die gegen den Bescheid erhobene Klage ab. Das FA habe zu Recht eine private Nutzung
des Kraftfahrzeugs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt und den Vorteil als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt. Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liege nicht vor, weil der Vertrag mit
dem Gesellschafter-Geschäftsführer ausdrücklich die private Nutzung zulasse, so dass er das Fahrzeug nicht ohne
entsprechende Erlaubnis der Gesellschaft für private Zwecke genutzt habe.
4 Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht als
Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und die
Notwendigkeit der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) geltend.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
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1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche
Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige
Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838,
m.w.N.).
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Eine solche grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage wirft die Klägerin im Streitfall nicht auf. Denn jedenfalls für die hier
vorliegende Sachverhaltskonstellation, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer ein Fahrzeug nicht vertragswidrig
privat nutzt, sondern sich auf eine im Anstellungsvertrag ausdrücklich zugelassene Nutzungsgestattung stützen kann,
besteht keine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Nach übereinstimmender Auffassung des I. Senats und des VI. Senats
des BFH liegt in diesen Fällen ein lohnsteuerlich erheblicher Vorteil und keine vGA vor.
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Der VI. Senat des BFH hatte auf Anfrage des I. Senats mitgeteilt, nicht mehr an seinen Beschlüssen vom 14. Mai 1999
VI B 258/98 (BFH/NV 1999, 1330), vom 19. Dezember 2003 VI B 281/01 (BFH/NV 2004, 488) und vom 13. April 2005
VI B 59/04 (BFH/NV 2005, 1300) festzuhalten, dass die vertragswidrige private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs
durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer stets als Arbeitslohn zu qualifizieren sei (Senats-Beschluss vom 15.
November 2007 VI ER-S 4/07). In Übereinstimmung damit hatte der I. Senat sodann auch entschieden, dass eine
vertragswidrige private PKW-Nutzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft in Höhe der
Vorteilsgewährung eine vGA darstelle und der Vorteil nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mit 1 % des
Listenpreises, sondern nach Fremdvergleichsmaßstäben mit dem gemeinen Wert der Nutzungsüberlassung zuzüglich
eines angemessenen Gewinnaufschlags zu bewerten sei (BFH-Urteil vom 23. Januar 2008 I R 8/06, BFHE 220, 276).
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Nach den Feststellungen des FG liegt indessen im Streitfall keine vertragswidrige Nutzung eines Firmenfahrzeugs vor.
Denn unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen, nach denen der Geschäftsführer für die Dauer des
Dienstverhältnisses einen Firmenwagen beanspruchen kann, der auch zu privaten Zwecken benutzt werden darf,
konnte das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der nicht nur möglichen, sondern nahe
liegenden tatsächlichen Würdigung gelangen, dass im Streitfall die private Fahrzeugbenutzung durch den
Geschäftsführervertrag ausdrücklich gestattet worden war. Auf dieser Grundlage konnte es eine vGA ausschließen
und Arbeitslohn annehmen. Die Klägerin kann deshalb insbesondere nicht mit dem Vorbringen gehört werden, dass
die Vereinbarung über die Nutzung des Firmenwagens im Geschäftsführervertrag durch die dort verwendeten Begriffe
"kann" und "darf" keine ausdrückliche Erlaubnis darstelle. Denn ungeachtet der Frage, ob diese Begriffe überhaupt im
Sinne des doch eher fern liegenden Verständnisses der Klägerin so aufgefasst werden könnten, wäre der Senat im
Falle der Zulassung der Revision jedenfalls an die anders lautende tatsächliche Würdigung des FG gebunden.
10 Soweit die Klägerin daher vorbringt, dass die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine private
Kraftfahrzeugnutzung, die ohne Vereinbarung erfolgt oder die über die getroffene Vereinbarung hinaus geht, als vGA
oder als Arbeitslohn zu erfassen ist, grundsätzliche Bedeutung habe, könnte diese Frage --die grundsätzliche
Bedeutung unterstellt-- jedenfalls im Streitfall in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entschieden werden.
11 2. Aus den nämlichen Gründen erfordert der Streitfall auch keine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung. Die Revision ist daher auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO
zuzulassen. In diesem Sinne ist eine Entscheidung des BFH u.a. dann erforderlich, wenn im Falle der sog. Divergenz
das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit den tragenden
Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2007
VI B 70/07, BFH/NV 2008, 216; vom 12. Oktober 2006 VI B 154/05, BFH/NV 2007, 51; Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 53, jeweils m.w.N.). Solche divergierenden Rechtssätze hat das FG mit der
hier streitigen Entscheidung und unter Bezugnahme auf die Entscheidung des I. Senats des BFH (in BFHE 220, 276)
indessen aus den vorstehend genannten Gründen nicht in entscheidungserheblicher Weise aufgestellt.