Urteil des BFH vom 14.03.2017

BFH (1995, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, höhe, eugh, erwerb, ermittlung, zweck, reserven, kaufpreis, stillen)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 3.2.2010, I R 21/06
Schlussurteil "Glaxo Wellcome": § 50c EStG a.F. verstößt nicht gegen das Gemeinschaftsrecht - mittelbarer Sperrbetrag bei
Aufwärtsverschmelzung - Ermittlung des Übernahmegewinns/Übernahmeverlusts bei formwechselnder Umwandlung -
Einräumung einer Nachweismöglichkeit über die sperrbetragsmindernde Differenzierung des Anteilskaufpreises -
Passivierung zu erwartender Mehrsteuern
Leitsätze
1. Kommt es im Rahmen einer konzerninternen Umstrukturierung zum Erwerb einer Beteiligung an einer inländischen GmbH
I von der ausländischen Muttergesellschaft durch die inländische Tochterkapitalgesellschaft II (GmbH II), wird durch diesen
Erwerb ein sog. Sperrbetrag nach § 50c Abs. 1 EStG 1990 ausgelöst; wird die GmbH I alsdann auf die GmbH II verschmolzen
(sog. Aufwärtsverschmelzung), geht der Sperrbetrag nicht unter, er setzt sich vielmehr --als mittelbarer Sperrbetrag-- an den
Anteilen der GmbH II gemäß § 50c Abs. 7 EStG 1990 (i.d.F. des StandOG) fort (Bestätigung des Senatsurteils vom 7.
November 2007 I R 41/05, BFHE 219, 549, BStBl II 2008, 604). Kommt es schließlich zu einer formwechselnden
Umwandlung der GmbH II in eine GmbH & Co. KG, sind bei der Ermittlung des Übernahmegewinns/Übernahmeverlusts (§ 4
Abs. 4 und 5 UmwStG 1995) sowohl der mittelbare Sperrbetrag an den Anteilen der GmbH II als auch ein etwaiger
unmittelbarer Sperrbetrag an den Anteilen der GmbH II zu berücksichtigen, der aus einem Anteilserwerb an der GmbH II
durch eine weitere inländische Tochtergesellschaft von der ausländischen Muttergesellschaft herrührte (Bestätigung des
Senatsurteils vom 12. November 2008 I R 77/07, BFHE 224, 32, BStBl II 2009, 831) .
2. Dass danach eine Wertminderung von Anteilen durch Gewinnausschüttungen bei der Gewinnermittlung nicht zu
berücksichtigen ist (§ 50c EStG 1990), verstößt im Grundsatz nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Dem Steuerpflichtigen ist
jedoch im Wege einer sog. geltungserhaltenden Reduktion des Wortlauts des § 50c Abs. 4 Satz 1 EStG 1990 die Möglichkeit
einzuräumen, den Nachweis zu erbringen, dass die Anschaffungskosten der Anteile eine Abgeltung eines
Körperschaftsteuerguthabens an den nicht anrechnungsberechtigten Veräußerer der Anteile nicht einschließen (Anschluss
an das Urteil des EuGH vom 17. September 2009 C-182/08 "Glaxo Wellcome", IStR 2009, 691) .
Tatbestand
1
I. Es handelt sich um jenes Klageverfahren, das dem Vorabentscheidungsersuchen des Senats an den Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften (ab 1. Dezember 2009 Gerichtshof der Europäischen Union) --EuGH-- vom 23.
Januar 2008 I R 21/06 (BFHE 220, 280) sowie dem anschließenden Urteil des EuGH vom 17. September 2009 C-
182/08 "Glaxo Wellcome" (Internationales Steuerrecht --IStR-- 2009, 691) zugrunde lag:
2
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist zum 1. Juli 1995 durch
eine formwechselnde Umwandlung (§§ 190 ff. des Umwandlungsgesetzes 1995 --UmwG 1995--) einer GmbH, der
GW GmbH, entstanden. Im Zeitpunkt der Umwandlung waren an der GW GmbH zu 99 % die GV GmbH und zu 1 % die
S GmbH, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der GV GmbH, beteiligt. Da zwischen der GV GmbH und der S GmbH ein
Ergebnisabführungsvertrag bestand, gingen die Beteiligten für das vorliegende Verfahren davon aus, dass der GV
GmbH (wirtschaftlich gesehen) im Umwandlungszeitpunkt alle Anteile an der GW GmbH zuzurechnen waren.
3
Der Umwandlung waren folgende Vorgänge vorausgegangen: Am 26. Juni 1995 erwarb die GV GmbH, die bereits 95
% der Anteile an einer G GmbH besaß, von ihrer in Großbritannien ansässigen Muttergesellschaft, der GG Ltd., die
restlichen 5 % der Anteile an der G GmbH und wurde damit deren alleinige Muttergesellschaft. Am 27. Juni 1995 und
am 7. Juli 1995 erwarb die G GmbH --im Zuge eines Unternehmenserwerbs eines weiteren britischen Konzerns durch
die GG Ltd. und einer länderübergreifenden Unternehmensumstrukturierung-- sämtliche Anteile an der W GmbH, und
zwar von der GG Ltd. 99,98 % (Kaufpreis: 327,5 Mio. DM) und von einer ebenfalls in Großbritannien ansässigen B Ltd.
--die im EuGH-Urteil in IStR 2009, 691 als Muttergesellschaft der GG Ltd. bezeichnet wurde-- 0,02 % der Anteile
(Kaufpreis: 65.500 DM). Durch Verschmelzungsvertrag vom 25. August 1995 wurde die W GmbH gemäß § 54 Abs. 1
Nr. 1 UmwG 1995 rückwirkend zum 29. Juni 1995 und ohne Ausgabe neuer Anteile auf ihre alleinige Gesellschafterin,
die G GmbH, verschmolzen (unter Umbenennung des Namens: nunmehr GW GmbH). Dadurch ergab sich für die GW
GmbH aus der Differenz zwischen dem Bilanzansatz ihrer Anteile an der W GmbH und dem steuerlichen Eigenkapital
der W GmbH zum 29. Juni 1995 ein Verschmelzungsverlust von 306.028.396 DM, der sich aber steuerlich nicht
auswirkte (§ 12 Abs. 2 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 --UmwStG 1995--). Am 30. Juni 1995 verkaufte
die GV GmbH 1 % ihrer Anteile an der GW GmbH an die S GmbH.
4
Die am 20. Dezember 1995 in das Handelsregister eingetragene Umwandlung der GW GmbH in die Klägerin, an der
zu 1 % die S GmbH als Komplementärin und zu 99 % die GV GmbH als Kommanditistin beteiligt ist, erfolgte steuerlich
zu Buchwerten. Zum Umwandlungsstichtag (1. Juli 1995) waren die Anteile an der GW GmbH bei der GV GmbH
(einschließlich der S GmbH) mit 500 Mio. DM bilanziert. Die Klägerin berechnete einen Übernahmeverlust (§ 4 Abs. 4
und 5 UmwStG 1995) unter Berücksichtigung der Rechtsfolge des § 5 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1995 und unter Ansatz
eines sog. Sperrbetrages nach § 50c des Einkommensteuergesetzes 1990 i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der
steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt
(Standortsicherungsgesetz) vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) --EStG 1990-- von
22.887.706 DM wie folgt:
5
Buchwert aller Anteile an der GW GmbH
500.000.000 DM
Steuerliches Eigenkapital der GW GmbH
- 131.263.937 DM
Übernahmeverlust 1. Stufe
= 368.736.063 DM
anzurechnendes Körperschaftsteuerguthaben
(§ 10 UmwStG)
- 17.751.794 DM
Sperrbetrag nach § 50c EStG 1990 (durch den
Erwerb des 5 %igen Anteils an der GW GmbH
von der GG Ltd.)
- 22.887.706 DM
Übernahmeverlust 2. Stufe
= 328.096.563 DM
6
Mit diesem Übernahmeverlust von 328.096.563 DM stockte die Klägerin den Bilanzansatz eines auf sie
übergegangenen Grundstücks um 6 Mio. DM auf (§ 4 Abs. 6 Satz 1 UmwStG 1995) und aktivierte einen Marktwert "W"
(322.096.563 DM), der unter Ansatz einer Absetzung für Abnutzung (AfA) in den Folgejahren fortgeschrieben wurde.
7
Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, dass nicht nur
der Erwerb der Anteile an der G/GW GmbH durch die GV GmbH von der Muttergesellschaft GG Ltd. einen die
erworbenen Anteile belastenden Sperrbetrag nach § 50c Abs. 1 EStG 1990 in Höhe von 22.887.706 DM ausgelöst
habe. Auch die Anteile an der W GmbH, die die Rechtsvorgängerin der Klägerin von der GG Ltd. und der W Ltd.
erworben hatte, seien mit einem Sperrbetrag in Höhe von 322.565.500 DM belastet gewesen. Jener (aus zwei
Einzelbeträgen zusammengesetzte) Sperrbetrag sei im Zuge der Verschmelzung der W GmbH mit der GW GmbH in
Anwendung von § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 auf die von der GV GmbH gehaltenen Anteile an der G/GW GmbH
"übergesprungen". Der sich aus dem Formwechsel der GW GmbH ergebende Übernahmeverlust reduziere sich daher
unter Berücksichtigung der --zusammen drei-- Sperrbeträge auf 5.531.063 DM. Dieser Verlust sei ausschließlich als
Aufstockungsbetrag für das Grundstück zu verwenden. Die Aktivierung eines Marktwerts und die jährlichen AfA hierauf
entfielen somit. Insoweit stellte das FA in Änderungsbescheiden erhöhte Gewinne aus Gewerbebetrieb fest; bei der
Einkünfteermittlung war --gegenläufig zu den Erhöhungen-- ein erhöhter Gewerbesteueraufwand einkünftemindernd
berücksichtigt worden.
8
Das Begehren der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren ging dahin, einen Marktwert von 344.984.269 DM
anzusetzen und auf dieser Grundlage AfA --nach der zwischen den Beteiligten getroffenen Verständigung über einen
Abschreibungszeitraum von 11 Jahren-- zu berücksichtigen, und die Wertaufstockung des Grundstücks auf 6 Mio. DM
anzuheben, was sich (Verkauf des Grundstücks in 1996) durch einen Buchverlust 1996 in Höhe von 468.937 DM
auswirken sollte. Darüber hinaus sollte die Gewerbesteuer-Rückstellung in der nach handelsrechtlichen Maßgaben
vom Wirtschaftsprüfer gebildeten Höhe aufrecht erhalten bleiben, die ausweislich des Prüfungsberichts zum
Jahresabschluss für das Rumpfgeschäftsjahr 1. Juli 1995 bis 31. Dezember 1995 "Aufwendungen aus
Abschreibungen auf den Marktwert W" nicht berücksichtigt hat. In ihrer steuerlichen Deklaration
(Feststellungserklärung 1995) hatte die Klägerin eine "Abweichung HB/StB Gewerbeertragsteuer" einkünfteerhöhend
(eine Minderung des Steueraufwands unter Berücksichtigung der AfA auf den Marktwert) angesetzt. Ob diese
Abweichung auch Gegenstand der Deklarationen in den anderen Streitjahren war (ggf. in welcher Höhe), hat das
Finanzgericht (FG) nicht festgestellt.
9
Das FG folgte dem Begehren der Klägerin teilweise. Die gegen die geänderten Feststellungsbescheide erhobene
Klage hatte Erfolg, soweit es um den Ansatz der Sperrbeträge (und gegenläufig um den Ansatz der vom FA gebildeten
höheren Gewerbesteuerrückstellungen) ging; die Gewinne der Klägerin sollten --entsprechend dem Klageantrag--
niedriger festgestellt werden, allerdings sollte es bei der Berechnung zu einer (gegenläufigen) erfolgswirksamen
Auflösung der von der Klägerin "dafür" gebildeten Gewerbesteuerrückstellungen kommen (Urteil des FG München
vom 10. Februar 2006 8 K 5285/02, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 820).
10 Sowohl die Klägerin als auch das FA rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts.
11 Der erkennende Senat hat dem EuGH durch Beschluss in BFHE 220, 280 unter Hinweis darauf, dass der Ansatz von
Sperrbeträgen gemäß § 50c EStG 1990 gegen die in Art. 52 bzw. Art. 73b des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft (EGV) bzw. in Art. 43 bzw. Art. 56 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des
Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG) sowie
einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. C 340, 1)
verbürgten Freiheiten der Niederlassung bzw. des Kapitalverkehrs verstoßen könnte, die folgende Rechtsfrage zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
12 "Stehen Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG) bzw. Art. 73b EGV (jetzt Art. 56 EG) der Regelung eines Mitgliedstaates
entgegen, nach welcher im Rahmen eines nationalen Systems der Körperschaftsteueranrechnung die Wertminderung
von Anteilen durch Gewinnausschüttungen von einem Einfluss auf die Bemessungsgrundlage der Steuer
ausgeschlossen wird, wenn ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter Steuerpflichtiger einen Anteil an
einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner
erworben hat, während im Anschluss an den Erwerb von einem anrechnungsberechtigten Anteilseigner eine solche
Wertminderung die Bemessungsgrundlage der Steuer des Erwerbers mindert?"
13 Durch Urteil in IStR 2009, 691 entschied der EuGH auf dieses Ersuchen:
14 "Art. 73b EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG) ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht
entgegensteht, wonach die Wertminderung von Anteilen durch Gewinnausschüttungen von einem Einfluss auf die
Bemessungsgrundlage der Steuer eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen ausgeschlossen wird, wenn dieser
Anteile an einer gebietsansässigen Kapitalgesellschaft von einem gebietsfremden Anteilseigner erworben hat,
während im Anschluss an den Erwerb von einem gebietsansässigen Anteilseigner eine solche Wertminderung die
Bemessungsgrundlage der Steuer des Erwerbers mindert. Dies gilt in den Fällen, in denen eine solche Regelung
nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis
zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und um rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu
verhindern, die allein zu dem Zweck geschaffen wurden, ungerechtfertigt in den Genuss eines Steuervorteils zu
kommen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob sich die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung auf
das beschränkt, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist."
15 In dem daraufhin fortgeführten Revisionsverfahren beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil dahin abzuändern,
dass die mit dem Urteil bestimmten Änderungen der Gewinnfeststellungen ohne erfolgswirksame Auflösung von
Gewerbesteuerrückstellungen erfolgen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen; im Übrigen beantragt
sie, die Revision des FA zurückzuweisen.
16 Das (zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladene, jedoch nicht erschienene) FA hat schriftsätzlich
beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision der Klägerin
zurückzuweisen.
17 Dem Revisionsverfahren ist das Bundesministerium der Finanzen (BMF) beigetreten (§ 122 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung --FGO--); es hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
18 II. Die Revisionen der Beteiligten sind begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
FGO). Die bisherigen Feststellungen des FG reichen nicht aus, eine abschließende Entscheidung über die Höhe der --
in ihrem Anwendungsbereich aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht auf einen verhältnismäßigen Kern beschränkten und
bei der Ermittlung des Übernahmeverlusts anzusetzenden-- Sperrbeträge und die Höhe der Gewerbesteuer-
Rückstellungen zu treffen.
19 1. Geht das Vermögen einer Körperschaft durch Umwandlung auf eine Personengesellschaft über, ist auf der Ebene
der Personengesellschaft durch Gegenüberstellung des Wertes, mit dem die übergehenden Wirtschaftsgüter zu
übernehmen sind, und des Buchwerts der Anteile an der übertragenden Körperschaft der Übernahmegewinn/-verlust
zu ermitteln (§ 4 Abs. 4 UmwStG 1995). Dies gilt für den Fall, dass eine Körperschaft formwechselnd in eine
Personengesellschaft umgewandelt wird (§§ 190 ff. UmwG 1995), entsprechend (§ 14 UmwStG 1995). Der so
ermittelte Übernahmegewinn/-verlust "1. Stufe" ist gemäß § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 um die nach § 10 Abs. 1 UmwStG
1995 anzurechnende Körperschaftsteuer und um einen Sperrbetrag i.S. des § 50c EStG 1990 zu erhöhen bzw. zu
mindern, soweit die Anteile an der übertragenden Körperschaft am steuerlichen Übertragungsstichtag zum
Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft gehörten. Ergibt sich danach weiterhin ein
Übernahmeverlust ("2. Stufe"), sind die Wertansätze der übergegangenen materiellen und immateriellen
Wirtschaftsgüter bis zu ihren Teilwerten aufzustocken; ein dann immer noch verbleibender Betrag mindert den Gewinn
der übernehmenden Personengesellschaft (§ 4 Abs. 6 UmwStG 1995).
20 2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund streiten die Beteiligten darum, ob der von der Klägerin erzielte
Übernahmeverlust um einen Sperrbetrag i.S. des § 50c EStG 1990 gemindert wird, der auf dem Erwerb der Anteile an
der W GmbH durch die GW GmbH bzw. dem Erwerb der Anteile an der G/GW GmbH durch die GV GmbH beruht.
Diese Frage ist --entgegen der Annahme der Vorinstanz-- nach deutschem Recht zu bejahen.
21 a) Nach § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 kann ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter
Steuerpflichtiger, der einen Anteil an einer in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder in dem Zeitpunkt der Gewinnminderung
unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erwirbt,
Gewinnminderungen, die (u.a.) durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts im Jahr des Erwerbs oder in einem der
folgenden neun Jahre entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht berücksichtigen, soweit der Ansatz des niedrigeren
Teilwerts nur auf Gewinnausschüttungen (u.a.) zurückgeführt werden kann und die Gewinnminderungen insgesamt
den Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Nennbetrag des Anteils (sog. Sperrbetrag, vgl. §
50c Abs. 4 EStG 1990) nicht übersteigen; wirtschaftlich entspricht dieser Sperrbetrag den vom Erwerber als Teil des
Kaufpreises bezahlten offenen Rücklagen bzw. stillen Reserven der Kapitalgesellschaft. Dieser (begrenzten)
Nichtberücksichtigung einer Gewinnminderung liegt in erster Linie die Zielsetzung zugrunde, in Fällen der
Veräußerung einer Beteiligung durch einen nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner (vgl. § 51 des
Körperschaftsteuergesetzes --KStG-- 1991 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1990) die "Abgeltung"
des Körperschaftsteuerguthabens über den Kaufpreis zu neutralisieren und dadurch aus Sicht des
Anrechnungsverfahrens missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken (vgl. BTDrucks 8/3648, S. 22 ff.; BTDrucks
8/4157, S. 5 f.). Da der Veräußerungsgewinn der inländischen Besteuerung regelmäßig entzogen ist, wird, um dieses
Regelungsziel durchzusetzen, in gewisser Weise systemwidrig verfahren und nicht an die Besteuerung des
nichtanrechnungsberechtigten Anteilsveräußerers, sondern an die Gewinnermittlung des anrechnungsberechtigten
Steuerpflichtigen angeknüpft, indem der ausschüttungs- oder abführungsbedingte Ansatz des niedrigeren Teilwerts
bei diesem unberücksichtigt bleibt. Die Belastung der Erträge mit Körperschaftsteuer während der Besitzzeit des
Nichtanrechnungsberechtigten wird dadurch bei dem (anrechnungsberechtigten) Anteilserwerber definitiv; eine
"Einmalbesteuerung" im Inland wird sichergestellt (Senatsurteile vom 7. November 2007 I R 41/05, BFHE 219, 549,
BStBl II 2008, 604; vom 12. November 2008 I R 77/07, BFHE 224, 32, BStBl II 2009, 831, je m.w.N.).
22 b) Die Voraussetzungen für die Bildung eines Sperrbetrages gemäß § 50c Abs. 1 EStG 1990 waren im Augenblick des
Erwerbs der 5 %igen Beteiligung an der GW GmbH durch die GV GmbH und der insgesamt 100 %igen Beteiligung an
der W GmbH durch die GW GmbH erfüllt. Dies gilt auch für das zwischen den Beteiligten allein streitige
Tatbestandsmerkmal des Erwerbs von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner.
23 Die Vorinstanz hat die jeweiligen Anteilsveräußerer --in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaften-- nicht als
nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner i.S. des § 50c Abs. 1 EStG 1990 angesehen. Dazu hat das FG darauf
verwiesen, dass ein in Großbritannien ansässiger Anteilseigner ähnlich dem in Deutschland geltenden
Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren eine Steuergutschrift in Höhe der von seiner Kapitalgesellschaft für die
ausgeschütteten Gewinne bezahlten "advance corporation tax" erhalte und dass dabei gemäß Art. XVIII Abs. 1 Buchst.
b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und
Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November
1964 (BGBl II 1966, 359, BStBl I 1966, 730) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 23. März 1970 (BGBl II 1971, 46, BStBl I
1971, 140) jedenfalls auch die Körperschaftsteuer einzubeziehen sei, die eine deutsche ausschüttende Gesellschaft
in Deutschland zu entrichten hatte. Auf dieser Grundlage ("Anrechnungsberechtigung") greife § 50c Abs. 1 EStG 1990
schon seinem Wortlaut nach nicht ein. Dieser Ansicht folgt der Senat nicht.
24 Der Tatbestand des § 50c Abs. 1 EStG 1990, der einen Erwerb eines Anteils an einer unbeschränkt steuerpflichtigen
Körperschaft durch einen zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten Steuerpflichtigen von einem
nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erfasst, nimmt auf den Ausschluss von der Anrechnung der
Körperschaftsteuer durch § 50 Abs. 5 Satz 2 EStG 1990 und § 51 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 KStG 1991 Bezug.
Dass eine Steueranrechnung im ausländischen Wohnsitz- bzw. Sitzstaat des Anteilseigners auf der Grundlage eines
Doppelbesteuerungsabkommens nicht tatbestandserheblich ist, folgt insbesondere aus dem Zweck der Vorschrift, die
Einmalbesteuerung in Deutschland erzielter Gewinne mit inländischer Ertragsteuer zu gewährleisten. Dieser Zweck
würde verfehlt, wenn eine --nach welchen Maßgaben auch immer ausgestaltete-- Anrechnung deutscher
Körperschaftsteuer auf eine ausländische Steuer den Tatbestand des § 50c EStG 1990 ausschließen könnte. Auch
zeigt § 50c Abs. 6 EStG 1990, der den Wechsel eines bisher nicht anrechnungsberechtigten Anteilseigners in die
Anrechnungsberechtigung regelt, was insbesondere dem Wechsel von der beschränkten in die unbeschränkte
Steuerpflicht entspricht (z.B. BTDrucks 8/3648, S. 24), den tatbestandlichen Bezug zu dem auf unbeschränkt
Steuerpflichtige abzielenden Anrechnungsverfahren des nationalen Rechts auf. Auf dieser Grundlage geht die ganz
herrschende Ansicht davon aus, dass der Tatbestand des § 50c Abs. 1 EStG 1990 bei beschränkter Steuerpflicht des
Veräußerers stets anzuwenden ist, ohne dass es auf eine kraft Doppelbesteuerungsabkommens im ausländischen
Staat eingeräumte Anrechnungsmöglichkeit ankommt (z.B. Dötsch in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, §
50c EStG Rz 40; Blümich/ Hofmeister, EStG/KStG/GewStG, § 50c EStG Rz 10; Krebs/ Bödefeld, Betriebs-Berater 2004,
407, 408; wohl auch Kempermann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50c EStG Rz 8). Dem schließt sich der
Senat an.
25 Ein abweichendes Ergebnis lässt sich für den Fall, dass der nichtanrechnungsberechtigte beschränkt Steuerpflichtige
innerhalb der Europäischen Union ansässig ist, vor dem Hintergrund der einschlägigen Spruchpraxis des EuGH (vgl.
etwa Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071; vom 12. Dezember 2002 C-324/00 "Lankhorst-
Hohorst", Slg. 2002, I-11779; vom 7. September 2004 C-319/02 "Manninen", Slg. 2004, I-7477) auch nicht im Wege
einer gemeinschaftsrechtskonformen Regelungsauslegung erreichen. Wortlaut und Zweck der Vorschrift belassen
insoweit keine Auslegungsspielräume.
26 c) Der den Anteilen an der W GmbH anhaftende Sperrbetrag ist im Zuge der Verschmelzung der W GmbH auf die
G/GW GmbH nicht untergegangen. Zwar ist er, da die Verschmelzung ohne Ausgabe neuer Anteile vollzogen wurde,
entgegen der Revision des FA nicht gemäß § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 (i.d.F. vor dem Inkrafttreten des
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) auf die Anteile
an der GW GmbH "verlagert" worden. Eine Berücksichtigung des Sperrbetrages bei der Ermittlung des
Übernahmeergebnisses der Klägerin folgt jedoch aus § 50c Abs. 7 EStG 1990.
27 § 50c Abs. 7 EStG 1990 unterwirft ausschüttungsbedingte Gewinnminderungen aus Anteilen an einer
Tochtergesellschaft, die ihrerseits Erwerberin i.S. des § 50c EStG 1990 ist, den Rechtsfolgen dieser Vorschrift. Damit
sollte insbesondere eine Fallgestaltung getroffen werden, bei der zwischen dem nichtanrechnungsberechtigten
Anteilsveräußerer und dem anrechnungsberechtigten Erwerber eine anrechnungsberechtigte Person
zwischengeschaltet wurde, die --vom Erwerber durch Einlagen ausgestattet-- die Beteiligung erwarb und dann die von
ihr im Erwerbspreis der Anteile mitbezahlten Dividenden an den Erwerber weiter ausschüttete (BTDrucks 12/5016, S.
89 f.). Neben den Gewinnminderungen durch den (ausschüttungsbedingten) Ansatz des niedrigeren Teilwerts ist vom
sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift eine Gewinnminderung bei der Muttergesellschaft erfasst, die bei
Auflösung oder Herabsetzung des Nennkapitals der Tochtergesellschaft entsteht, soweit sie darauf zurückzuführen ist,
dass "Gewinnausschüttungen im Sinne des Absatzes 1 weitergeleitet worden sind".
28 Zu dieser zuletzt angeführten Variante der Regelung wird die Auffassung vertreten, dass die Verschmelzung der
Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft der Auflösung der Tochtergesellschaft gleichgestellt werden kann.
Dieser Auffassung hat sich der Senat in seinen Urteilen in BFHE 219, 549, BStBl II 2008, 604 und in BFHE 224, 32,
BStBl II 2009, 831 angeschlossen. Daran hält er fest. Dass die Berechnung des die Anteile an der W GmbH
betreffenden Sperrbetrages (322.565.500 DM) den Maßgaben des § 50c Abs. 4 EStG 1990 entspricht, ist unter den
Beteiligten nicht in Streit.
29 d) Bei der Berechnung des Übernahmeverlusts gemäß § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG 1995 war die Rechtsfolge des § 5
Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1995 zu beachten. Daher war der Übernahmegewinn/-verlust im Streitfall so zu ermitteln, als
seien Anteile an der übertragenden Körperschaft --hier: der GW GmbH--, die zum inländischen Betriebsvermögen
eines Gesellschafters der übernehmenden Personengesellschaft --hier: der GV GmbH-- gehören, zum Buchwert in
das Betriebsvermögen der Personengesellschaft überführt worden. Dass die Berechnung des diese Anteile
betreffenden Sperrbetrages (22.887.706 DM) den Maßgaben des § 50c Abs. 4 EStG 1990 entspricht, ist unter den
Beteiligten nicht in Streit.
30 3. Der Ansatz der Sperrbeträge in der vom deutschen Recht vorgegebenen Höhe steht jedoch mit
gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen nicht uneingeschränkt in Einklang. Für eine Entscheidung über den Ansatz
der Sperrbeträge im Streitfall bedarf es weiterer Sachaufklärung durch das FG.
31 a) Wie der EuGH in seinem Urteil in IStR 2009, 691 entschieden hat, ist Art. 73b EGV (später Art. 56 EG, jetzt Art. 63
des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV--) dahin auszulegen, dass er § 50c EStG 1990
nicht entgegensteht, soweit sich diese Regelung auf das beschränkt, was erforderlich ist, um die Ausgewogenheit der
Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und um rein künstliche, jeder
wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu verhindern, die allein zu dem Zweck geschaffen wurden,
ungerechtfertigt in den Genuss eines Steuervorteils zu kommen. Diese Prüfung sei dem nationalen Gericht
vorbehalten. Dieser Prüfungsauftrag lässt Raum für die der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Senats
entsprechende "geltungserhaltende Reduktion" einer nationalen Norm, um dem Anwendungsvorrang
gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts (und damit hier der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG, jetzt Art. 63
AEUV) vor nationalem Recht durch das "Hineinlesen" der vom EuGH verbindlich formulierten
gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse in die betroffene nationale Norm Rechnung zu tragen (vgl. z.B. Senatsurteile
vom 10. Januar 2007 I R 87/03, BFHE 216, 312, BStBl II 2008, 22; vom 9. August 2006 I R 31/01, BFHE 214, 496,
BStBl II 2007, 838; s. auch Gosch, Deutsches Steuerrecht 2007, 1553, 1555; derselbe, Die Unternehmensbesteuerung
2009, 73, 77 f., jeweils m.w.N.).
32 b) Die Prüfung, ob sich § 50c EStG 1990 auf das beschränkt, was erforderlich ist, um die Ausgewogenheit der
Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und um rein künstliche, jeder
wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu verhindern, die allein zu dem Zweck geschaffen wurden,
ungerechtfertigt in den Genuss eines Steuervorteils zu kommen, bezieht sich nach den Vorgaben des EuGH-Urteils in
IStR 2009, 691 zunächst auf die Bemessung des Sperrbetrages. Indem der Sperrbetrag anhand der
Anschaffungskosten der betreffenden Anteile errechnet wird und sich allein darauf bezieht, dass der Kaufpreis den
Nennbetrag der Anteile übersteigt, beruht er auf der (gesetzlichen) Vermutung, "dass jede Erhöhung des
Verkaufspreises unweigerlich die Berücksichtigung der Steuergutschrift umfasst", obgleich "die nicht ausgeschütteten
Gewinne und die Möglichkeit, in den Genuss einer mit den Anteilen zusammenhängenden Steuergutschrift zu
kommen, nur ein Bestandteil des Verkaufspreises der Anteile" sein kann (EuGH-Urteil in IStR 2009, 691, dort Rz 94
bis 96).
33 Die gesetzliche Regelung zur Ermittlung des Sperrbetrages in § 50c Abs. 4 Satz 1 EStG 1990 lässt mit dem Hinweis
auf den Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Nennbetrag der Anteile nach seinem
Wortlaut keine Möglichkeit erkennen, einen solchen Unterschiedsbetrag auf seine Veranlassung hin zu untersuchen
und gegebenenfalls aufzuspalten. Eine solche Differenzierung ist aber nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
erforderlich, um die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung zu wahren. Dem Erwerber der Anteile muss die
Möglichkeit eingeräumt werden, nachzuweisen, dass der konkret gezahlte Kaufpreis eine besondere Vergütung des
bereits bestehenden Körperschaftsteuerguthabens (bezogen auf bereits versteuerte Rücklagen, die bei einer
Ausschüttung eine Körperschaftsteuerminderung bei der Körperschaft und eine Körperschaftsteueranrechnung beim
Ausschüttungsempfänger zur Folge haben, s. dazu Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 50c EStG Rz 6, 11) nicht
beinhaltet, sondern dieser Kaufpreis auch einem anrechnungsberechtigten Anteilsverkäufer gezahlt worden wäre (s.
insoweit auch Lieber, jurisPR-SteuerR 51/2009 Anm. 5, zu C.).
34 Dass der Sperrbetrag neben den im Kaufpreis mitbezahlten offenen Rücklagen auch die stillen Reserven der
Kapitalgesellschaft, die im Augenblick der Anteilsübertragung vorhanden sind, erfasst, wird zwar von der Klägerin
gerügt. § 50c EStG 1990 schieße insoweit über seinen Zweck --die Verhinderung der Körperschaftsteuer-Anrechnung
"über die Grenze"-- hinaus (s. auch Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 50c EStG Rz 81). Denn über die
Einbeziehung der stillen Reserven, die bisher im Inland nicht zu besteuern waren und daher auch keinen
Körperschaftsteuer-Anrechnungsanspruch ausgelöst haben, wird im Sperrbetrag letztlich eine Besteuerung dieser
stillen Reserven im Inland erreicht (bzw. eine Besteuerung einer Ausschüttung dieser stillen Reserven, im Streitfall in
Gestalt der Verringerung des Übernahmeverlusts).
35 Der Senat schließt sich dieser Kritik aber nicht an. Denn mit der Erfassung der stillen Reserven im Sperrbetrag wird
nicht auf die Wertsteigerung der Anteile zugegriffen, die der Besteuerungsbefugnis des Sitzstaates des
Anteilsveräußerers unterliegen. Vielmehr geht es um die (Einmal-)Besteuerung der im Inland erwirtschafteten stillen
Reserven der juristischen Person, die ansonsten unter Berücksichtigung der Wirkungen der einkommensmindernden
ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung beim Anteilserwerber --der zugleich Empfänger der Ausschüttung ist,
die wiederum als aus der Realisierung dieser stillen Reserven finanziert angesehen werden kann-- gefährdet wäre.
Damit wird dem Gesichtspunkt der angemessenen Abgrenzung der Besteuerungsbefugnisse der Mitgliedstaaten, die
der EuGH als Rechtfertigungsgrund einer Beschränkung anerkannt hat, entsprochen, soweit die im Sperrbetrag
erfassten stillen Reserven als der deutschen Besteuerung unterliegend angesehen werden können.
36 c) In eine Prüfung, ob sich § 50c EStG 1990 auf das beschränkt, was erforderlich ist, um die Ausgewogenheit der
Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, kann nach den Vorgaben des EuGH-
Urteils in IStR 2009, 691 (dort Rz 97 f.) gegebenenfalls auch die Wirkung weiterer Steuerarten einzubeziehen sein.
Dazu wird von der Klägerin darauf verwiesen, dass die Berücksichtigung des Sperrbetrags und die Erhöhung der
Bemessungsgrundlage der Steuer des gebietsansässigen Anteilseigners auch für andere Steuern, denen der
Anteilseigner unterliegen könne, insbesondere für die Berechnung der von ihm geschuldeten Gewerbesteuer, Folgen
habe (s. auch Lieber, a.a.O.). Dem ist vom BMF entgegengehalten worden, dass jedenfalls in der Situation des § 4
Abs. 5 UmwStG 1995 eine Ausschüttung zu Buchwerten erfolgt, so dass der Gesichtspunkt der Sicherstellung der
(inländischen) Einmalbesteuerung nicht berührt ist. Letzterem folgt der Senat. Darüber hinaus ist darauf zu verweisen,
dass die Gewerbesteuer nicht durch den Tatbestand, der die Rechtsfolge des § 50c EStG 1990 nach sich zieht,
ausgelöst wird, sondern sie vielmehr nur an die Erhöhung der inländischen Bemessungsgrundlage anknüpft (§ 6 Satz
1 i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes 1991). Ihr kommt daher kein eigenständiger Regelungszweck im hier
streitigen Zusammenhang zu (so im Ergebnis auch Gosch, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der
Steuerberatung 2009, 418, 419), was allerdings die Erfassung als Gewerbeertrag nicht hindert (s. dazu auch
Senatsurteil vom 22. Februar 2006 I R 120/04, BFHE 213, 25, BStBl II 2007, 321).
37 d) Nach den Vorgaben des EuGH-Urteils in IStR 2009, 691 (dort Rz 99 f.) kann dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf das Regelungsziel, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare
Gestaltungen zu verhindern, die allein zu dem Zweck geschaffen wurden, ungerechtfertigt in den Genuss eines
Steuervorteils zu kommen, nur dadurch entsprochen werden, dass es einem nationalen Gericht möglich ist, eine
Einzelfallprüfung durchzuführen und sich dabei für die Berücksichtigung von missbräuchlichem oder betrügerischem
Verhalten der betroffenen Personen auf objektive Elemente zu stützen. Wenn man diese Möglichkeit zur
gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung des § 50c EStG 1990 einbezieht, muss das Gemeinschaftsrecht der
Anwendung der Sperrbeträge im Streitfall nicht entgegenstehen.
38 Unter den Beteiligten ist streitig, ob diesem Rechtfertigungserfordernis eine eigenständige Bedeutung zukommt. So ist
das BMF der Auffassung, dass eine solche missbrauchsabwehrbezogene Rechtfertigung dann entbehrlich ist, wenn
die Regelung (wie im Streitfall § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 i.V.m. § 50c EStG 1990) nicht speziell einem
Missbrauchsverhinderungszweck dient und in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Sicherstellung der
Einmalbesteuerung im Inland erzielter Gewinne steht. Jedoch lässt sich dem EuGH-Urteil in IStR 2009, 691 eine als
Alternativangebot ausgestaltete Rechtfertigung nicht entnehmen. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich, dass es "Sache
des vorlegenden Gerichts (sei), zu prüfen, ob sich die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung auf das beschränkt,
was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist". Dies schließt es wiederum aber nicht aus, beide rechtfertigenden
Gesichtspunkte --die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis
zwischen den Mitgliedstaaten und die Notwendigkeit der Verhinderung einer Steuerumgehung-- in eine
"Gesamtbetrachtung" der Rechtfertigung einzufügen (EuGH-Urteile vom 18. Juli 2007 C-231/05 "Oy AA", Slg. 2007, I-
6373 Rz 63; vom 21. Januar 2010 C-311/08 "SGI", IStR 2010, 144 Rz 69).
39 Im Streitfall liegt ein in einer äußerst engen zeitlichen Abfolge gestalteter konzerninterner Sachverhalt (Anteilserwerb
mit zeitnaher Aufwärtsverschmelzung und daran anknüpfender ausschüttungsgleicher Umwandlung) vor, der --wenn
der Kaufpreis der Anteile höher war als der Kaufpreis, der an einen anrechnungsberechtigten Anteilsverkäufer gezahlt
worden wäre (s. insoweit Lieber, a.a.O.)-- zumindestens auch zum Zweck hatte, die Einmalbesteuerung der im Inland
erwirtschafteten Vermögenszuwächse zu vermeiden. Dass der Anteilserwerb, wie die Klägerin vorgetragen hat, Teil
einer übernationalen Unternehmensumstrukturierung war, tritt bei einer solchen Ausgestaltung des Geschäfts zurück.
Der Ansatz der Sperrbeträge im Streitfall wäre dann als gerechtfertigt anzusehen.
40 e) Die Feststellungen des FG zu den Übertragungsvorgängen reichen nicht aus, die Ermittlung der jeweiligen
Sperrbeträge --bezogen auf den Erwerb der Anteile an der W GmbH in zwei Teilakten durch die G GmbH bzw. den
Erwerb der Anteile an der G/GW GmbH durch die GV GmbH-- nach den oben dargelegten Maßgaben durchzuführen
bzw. zu der Rechtfertigung i.S. der Ausführungen zu d) zu entscheiden. Insoweit sind weitere Feststellungen, die sich
auf die Kaufpreise und die Zusammensetzung des Betriebsvermögens der W GmbH bzw. der G/GW GmbH beziehen,
erforderlich. Dies nachzuholen, ist Aufgabe des FG. Die Klägerin trägt die Feststellungslast für die
sperrbetragsmindernde Differenzierung des Anteilskaufpreises ("Gegenbeweis" des Steuerpflichtigen, so im Ergebnis
auch Lieber, a.a.O.).
41 4. Bei der Ermittlung der festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind Gewerbesteuer-Rückstellungen in einer
Höhe anzusetzen, die einer Ermittlung des Gewerbeertrages unter Berücksichtigung des Ansatzes der sog.
Sperrbeträge (und der entsprechenden Folgewirkungen auf die Höhe des Übernahmeverlusts) entsprechen.
42 a) Konkrete Feststellungen zur Höhe der bei der Ermittlung der festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb
berücksichtigten Gewerbesteuer-Rückstellungen sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Aus dem Urteil
folgt nur, dass das FG davon ausgegangen ist, dass die Klägerin "in ihren Bilanzen für die Streitjahre wegen der
ungeklärten Rechtsfrage" (hinsichtlich der geltend gemachten Gewinnminderungen durch eine AfA auf den Marktwert)
"rein vorsorglich entsprechend höhere Gewerbesteuerrückstellungen gebildet" habe. Eine "(Vorsorge-)Rückstellung"
könne jedoch frühestens mit der Beanstandung einer bestimmten Sachbehandlung durch den Betriebsprüfer gebildet
werden; da die Betriebsprüfung aber erst nach der Aufstellung der Bilanz des letzten Streitjahrs begonnen habe, seien
die Gewerbesteuer-Rückstellungen "im Wege der Bilanzberichtigung für die einzelnen Streitjahre im Ergebnis
insoweit erfolgswirksam aufzulösen".
43 b) Dem FG ist zwar insoweit zu folgen, dass nach der BFH-Rechtsprechung zur Rückstellungsbildung bei öffentlich-
rechtlichen Verpflichtungen grundsätzlich die verpflichtungsbegründenden Tatsachen den Fachbehörden bekannt
sein müssen bzw. deren Aufdeckung unmittelbar bevorstehen muss (z.B. BFH-Urteil vom 27. November 2001 VIII R
36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731; Senatsurteil vom 16. Februar 1996 I R 73/95, BFHE 180, 110, BStBl II 1996,
592). Auf der anderen Seite hat der Senat bereits im Urteil vom 18. Juli 1973 I R 11/73 (BFHE 110, 226, BStBl II 1973,
860) den allgemeinen Grundsatz hervorgehoben, dass für die Frage der Aktivierungspflicht und der
Passivierungspflicht und damit für die Frage, ob die Bilanz richtig oder unrichtig ist, der Erkenntnisstand des
sorgfältigen Kaufmanns bei Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen ist. Das führt dazu, dass der Steuerpflichtige
Mehrsteuern zu passivieren hat, wenn er bei Aufstellung der Bilanz unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen
Kaufmanns konkret mit der Entstehung der Mehrsteuern rechnen muss (§ 249 i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 und § 253 Abs.
1 des Handelsgesetzbuchs).
44 c) Für den Streitfall folgt daraus, dass die von der Klägerin gebildeten Gewerbesteuer-Rückstellungen dem Grunde
und der Höhe nach bei der steuerlichen Einkünfteermittlung beizubehalten ist, soweit sie tatsächlich die
einkünfteerhöhenden Umstände der Änderungsbescheide (Ansatz der Sperrbeträge) vorweggenommen haben
sollten. Denn jene Rückstellungen waren einerseits unter Berücksichtigung der Verwaltungsauffassung zum Ansatz
der Sperrbeträge ermittelt worden und andererseits in den Handelsbilanzen der Klägerin ausgewiesen sowie eine
Folge der von der Klägerin deklarierten Umstrukturierung. Der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass die Finanzbehörde
den Steuerbetrag auf dieser Grundlage festsetzt, beeinflusst ebenso wie die Frage, ob die durch Änderungsbescheide
umgesetzte Einkünfteerhöhung bis zum Eintritt der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung in dem anhängigen
gerichtlichen Verfahren Bestand haben wird, die Höhe der ungewissen Verbindlichkeit am jeweiligen Bilanzstichtag
der Streitjahre nicht.
45 d) Die Höhe dieser Rückstellung war aber nicht --ebenso wenig wie der Umstand oder die Höhe einer Gegenkorrektur
bei der Einkünfteermittlung durch die Klägerin-- Gegenstand der tatrichterlichen Feststellungen des FG. Es obliegt
dem FG, entsprechende Feststellungen als Voraussetzungen für eine Ermittlung des festzustellenden Gewinns zu
treffen.