Urteil des BFH vom 29.09.2008

BFH: Kindergeld: Haushaltsaufnahme i.S.d. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG, fürsorge, familiengemeinschaft, begriff, zusammenleben, versorgung, aufenthalt, heim, spielzeug, einspruch

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 29.9.2008, III B 193/07
Kindergeld: Haushaltsaufnahme i.S.d. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG
Tatbestand
1 I. Die 1991 geborene Tochter (T) des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist wegen ihrer Behinderung seit
längerem vollstationär in einer Einrichtung untergebracht. Das Kindergeld war zugunsten der Mutter der T, der von dem
Kläger geschiedenen Beigeladenen, festgesetzt. Den im Mai 2006 gestellten Antrag des Klägers, rückwirkend ab
Januar 2006 zu seinen Gunsten Kindergeld festzusetzen, da T dauerhaft in der Einrichtung, nicht aber im Haushalt der
Beigeladenen lebe und er, der Kläger, die höchste Unterhaltsrente zahle, lehnte die Beklagte und
Beschwerdegegnerin (Familienkasse) ab. Einspruch und Klage des Klägers blieben erfolglos.
2 Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass T im Streitjahr 2006 im Haushalt der Beigeladenen aufgenommen gewesen sei.
Es sei im Wesentlichen unstreitig, dass die Beigeladene T nicht nur während deren Aufenthalte im Haushalt betreut und
versorgt (gemeinsames Essen, Spiele, sonstige gemeinsame Unternehmungen), sondern sich darüber hinaus auch um
die schulischen und andere persönliche Belange des Kindes (z.B. Arztbesuche) intensiv gekümmert habe. Neben
diesem Fürsorge- und Betreuungsverhältnis sei auch ein für die Haushaltsaufnahme erforderlicher ausreichender
örtlicher Bezug der T zur Wohnung der Beigeladenen gegeben. Dort stehe für T ein eigenes Zimmer zur Verfügung und
dort würden auch persönliche Gegenstände der T (Kleidung, Spielzeug u.ä.) aufbewahrt. Darüber hinaus belaufe sich
der zeitliche Umfang der Aufenthalte der T im Haushalt der Beigeladenen in 2006 ausweislich der Fehlzeitmeldung der
Einrichtung auf insgesamt 49 Tage. Der Zeitraum von insgesamt sieben Wochen erscheine unter den gegebenen
Umständen als ausreichend, um die Aufenthalte der T nicht als bloße Besuche, sondern als Ausdruck der
Haushaltszugehörigkeit der T zu werten. Diese Wertung trage auch dem besonderen Gewicht Rechnung, das der
intensiven Fürsorge, die die Beigeladene T ungeachtet der auswärtigen Unterbringung in einem Heim zukommen
lasse, beizumessen sei.
3 Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die
Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung sowie Verfahrensfehler geltend.
Entscheidungsgründe
4 II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
5 1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) misst der Kläger der Frage bei, ob
"Besuche in dem Umfang, wie sie von dem FG zugrunde gelegt wurden, als Haushaltsaufnahme zu bewerten" seien.
Zu entscheiden sei, "ab welchem zeitlichen Umfang, anteilig auf das Jahr gerechnet, eine Haushaltsaufnahme vorliegt".
Eine Entscheidung des BFH, in der ein genauer zeitlicher Rahmen gesetzt werde, diene der Rechtsklarheit.
6 Dieses Vorbringen rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, denn der Begriff der
Haushaltsaufnahme i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ist bereits geklärt. Nach ständiger
Rechtsprechung des BFH liegt eine Haushaltsaufnahme vor, wenn das Kind in die Familiengemeinschaft mit einem
dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen
Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art
(Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein (z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. Oktober 2006 III S 3/06 (PKH), BFH/NV 2007, 238, und
vom 18. Februar 2008 III B 69/07, BFH/NV 2008, 948). Die Betreuung des Kindes im Haushalt eines Berechtigten muss
einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben; die Aufenthalte des Kindes dürfen nicht nur Besuchs- oder Feriencharakter
haben (BFH in BFH/NV 2007, 238). Eine den Besuchscharakter überschreitende Dauer ist regelmäßig anzunehmen,
wenn der Aufenthalt im Haushalt des Berechtigten sechs Wochen übersteigt. Dies kann auch bei entsprechend
häufigen tageweisen Aufenthalten des Kindes der Fall sein (z.B. BFH-Urteile vom 26. August 2003 VIII R 91/98, BFH/NV
2004, 324, und vom 22. September 2004 III R 40/03, BFHE 208, 138, BStBl II 2005, 326).
7 2. Da das FG seiner Entscheidung diese Rechtsgrundsätze erkennbar zu Grunde gelegt hat und der Kläger keine
Gesichtspunkte vorgetragen hat, die eine erneute Entscheidung des BFH erfordern, kommt auch eine Zulassung der
Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO)
nicht in Betracht.