Urteil des BFH vom 25.02.1992

BFH (gerichtshof der europäischen gemeinschaften, umsetzung des gemeinschaftsrechts, konsularische vertretung, zustellung, beschwerde, sicherheit, italien, mitgliedstaat, deutschland, richtlinie)

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 22.10.2008, VII B 93/08
Zur rechtswirksamen Zustellung eines Branntweinsteuerbescheids in Italien - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung
Tatbestand
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellte Wodka her, den sie im Steueraussetzungsverfahren mit dem
Ziel der Ausfuhr aus der Gemeinschaft im Juni und Juli 1997 nach Litauen befördern ließ. Die ordnungsgemäße
Erledigung der Steuerversandverfahren wurde durch gefälschte Zollstempel nur vorgetäuscht. Tatsächlich wurde bei
vier Sendungen der Wodka in Deutschland abgeladen und an Abnehmer weiterveräußert. Mit Steuerbescheid vom …
nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) die Klägerin zunächst auf Zahlung der
Branntweinsteuer für insgesamt 15 Sendungen Wodka in Anspruch. Der Bescheid wurde durch das deutsche
Generalkonsulat in Mailand im September 2004 bekanntgegeben. Mit Steueränderungsbescheid vom ... reduzierte das
HZA die Forderung auf die Branntweinsteuer, die für den Wodka der vier in Deutschland verbliebenen Lieferungen
entstanden war. In einem weiteren Schreiben wurde der Betrag aufgrund erfolgter Zahlungen anderer Schuldner
nochmals reduziert. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
2 Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass der Steuerbescheid über die nach § 143 Abs. 1 und 4 des
Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG) entstandene Steuer der Klägerin wirksam zugestellt worden sei.
Abgesehen davon, dass etwaige Zustellungsmängel nach § 9 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG)
jedenfalls durch den tatsächlichen Erhalt des Bescheids geheilt worden seien, lasse die Bekanntgabe des Bescheids
keine Rechtsfehler erkennen. Die Zustellung sei gemäß § 14 Abs. 1 VwZG in der bis zum 31. Januar 2006 geltenden
Fassung durch die konsularische Vertretung des Bundes erfolgt. Dem stehe Art. 5 der Richtlinie 76/308/EWG
(BeitreibungsRL) des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von
Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen
Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 73/18), auf den sich die Klägerin nicht unmittelbar berufen könne, nicht
entgegen. Zustellungen außerhalb dieser Vorschrift blieben weiterhin möglich. Dass die Klägerin in Italien eine
Sicherheit geleistet habe, spiele im Streitfall keine Rolle. Diese könne allenfalls im Falle einer Beitreibung durch die
italienischen Behörden in Anspruch genommen werden. Zudem übersehe die Klägerin, dass die BeitreibungsRL die
Vollstreckung aus dem angefochtenen Bescheid in Deutschland unberührt lasse.
3 Mit ihrer Beschwerde, die sie auf sämtliche in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten
Zulassungsgründe stützt, begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision. Sie ist der Auffassung, dass § 14 Abs. 1
VwZG a.F. durch Art. 5 BeitreibungsRL ersetzt worden sei. Soweit dem Gesetz zur Durchführung der EG-
Beitreibungsrichtlinie (EG-Beitreibungsgesetz) sowie den hierzu ergangenen Verwaltungsanweisungen etwas anderes
entnommen werden könne, sei die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts fehlerhaft. Vorsorglich werde beantragt, dem
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Fragen vorzulegen, ob die BeitreibungsRL eine Zustellung
nach nationalen Vorschriften verbiete, ob sich der Steuerschuldner zur Abwendung der Vollstreckung auf eine in
seinem Mitgliedstaat geleistete Sicherheit berufen könne und ob der Steuerpflichtige auf die BeitreibungsRL insoweit
verweisen könne, als Kompetenzkonflikte der Mitgliedstaaten zu seinen Lasten gingen.
4 Art. 15 und Art. 13 der Richtlinie 92/12/EWG (SystemRL) des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System,
den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABlEG Nr. L 76/1) würden völlig leer
laufen, wenn jeder Mitgliedstaat nach nationalem Recht vollstrecken könnte. Vorsorglich werde deshalb beantragt, vom
EuGH die Fragen klären zu lassen, ob sich der Steuerpflichtige gegenüber einem anderen Mitgliedstaat auf eine in
seinem Mitgliedstaat nach Art. 15 SystemRL geleistete Sicherheit berufen könne, ob die Sicherheit im Falle der
Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat zu berücksichtigen sei und ob die beteiligten Mitgliedstaaten ein
gegenseitiges Einvernehmen zu erzielen hätten, wenn sie eine Verbrauchsteuer aufgrund desselben Sachverhalts
geltend machen würden. In der fehlerhaften Auffassung des FG liege zugleich ein Verfahrensmangel.
Entscheidungsgründe
5 II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht schlüssig dargelegt sind, wie es
§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
6 1. Im Stil einer Revisionsbegründung wendet sich die Klägerin gegen die ihrer Ansicht nach rechtsfehlerhafte
Auffassung des FG, dass der streitgegenständliche Steuerbescheid wirksam zugestellt worden sei, bzw. dass etwaige
Zustellungsmängel durch den tatsächlichen Empfang des Schriftstücks geheilt worden seien. Die vermeintlich
unzutreffende Rechtsanwendung belegt die Klägerin durch auszugsweise Wiedergabe des Inhalts der BeitreibungsRL,
gegen deren Geist das FG verstoßen haben soll. Mit diesem Vorbringen wird allenfalls ein Individualinteresse der
Klägerin an einer Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils, jedoch nicht ein Interesse der Allgemeinheit an der
Klärung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage dargelegt. Mit dem bloßen Hinweis auf den Beitritt weiterer
Mitgliedstaaten und auf das Erfordernis der Kalkulierbarkeit der Risiken eines Steuerversandverfahrens in andere
Mitgliedstaaten wird das allgemeine Interesse nicht substantiiert belegt. Auch die Anregung, im Rahmen eines
Vorabentscheidungsersuchens mehrere Fragen dem EuGH vorzulegen, reicht nicht aus, zumal die Beschwerde eine
vertiefte Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung und Literatur zum einschlägigen Gemeinschaftsrecht --
insbesondere zur BeitreibungsRL und SystemRL-- sowie zum VwZG vermissen lässt.
7 Zudem übersieht die Beschwerde, dass das FG seine Entscheidung nicht ausschließlich auf eine wirksam erfolgte
Zustellung nach § 14 Abs. 1 VwZG a.F., sondern auch darauf gestützt hat, dass die Klägerin den Steuerbescheid
tatsächlich erhalten hat und sich dagegen mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen zur Wehr setzen konnte. Sofern
diesen Ausführungen ein allgemeiner Rechtsgedanke entnommen werden könnte, würde sich die von der Klägerin
aufgeworfene Rechtsfrage, ob die BeitreibungsRL eine Zustellung nach dem VwZG verbiete, nicht stellen. Darüber
hinaus geht die Beschwerde nicht auf die Begründungserwägung der BeitreibungsRL ein, dass die Richtlinie nicht
dazu führen dürfe, dass die gegenseitige Unterstützung, die sich einige Mitgliedstaaten aufgrund bilateraler oder
multinationaler Abkommen oder Vereinbarungen gewähren, eingeschränkt werde. Das in dieser Erklärung zum
Ausdruck kommende Verständnis des Anwendungsbereichs der BeitreibungsRL ist deshalb bedeutsam, weil es
zwischen Italien und Deutschland entsprechende Vereinbarungen gibt. So besteht mit Italien z.B. ein nichtvertragliches
Einverständnis, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes durch einen einfachen Brief erfolgen kann (BStBl I
2000, 190, 199). Dies lässt die Beschwerde, die von einer ausschließlichen Anwendbarkeit von Art. 5 BeitreibungsRL
ausgeht, unerörtert.
8 2. Sofern die Klägerin weitere Fragen in Bezug auf die vermeintlich gebotene vorrangige Inanspruchnahme der von ihr
in Italien geleisteten Sicherheit aufwirft, legt sie die Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen in Bezug auf den Streitfall nicht
dar, bei dem es allein um die Inanspruchnahme der Klägerin als Steuerschuldnerin einer nach § 143 Abs. 1
BranntwMonG entstandenen Branntweinsteuer und um die Zustellung des entsprechenden Steuerbescheids geht. Die
Klägerin übersieht, dass das HZA Vollstreckungsmaßnahmen noch gar nicht eingeleitet und hierzu ein
Beitreibungsersuchen an die italienischen Behörden noch gar nicht gerichtet hat. Somit könnten sich Fragen über die
Inanspruchnahme der in Italien geleisteten Sicherheit im Streitfall, bei dem es wie bereits ausgeführt nur um die
Wirksamkeit der Zustellung eines Steuerbescheids geht, nicht stellen.
9 3. Den behaupteten Verfahrensmangel vermag die Beschwerde ebenfalls nicht ausreichend zu bezeichnen. Das
Vorbringen erschöpft sich darin, dass das FG die Zustellung zu Unrecht als wirksam angesehen und damit
rechtsfehlerhaft geurteilt habe.