Urteil des BFH vom 29.02.2008

BFH: Voraussetzungen einer Divergenz und der grundsätzlichen Bedeutung, Gewerblicher Grundstückshandel bei Veräußerung von weniger als vier Objekten, rückabwicklung, kaufvertrag, allgemeininteresse

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 29.2.2008, X B 131/07
Voraussetzungen einer Divergenz und der grundsätzlichen Bedeutung - Gewerblicher Grundstückshandel bei Veräußerung
von weniger als vier Objekten - Verwertungszeitraum - Drei-Objekt-Grenze
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe gegeben ist.
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1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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a) Er leitet aus einer Reihe von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), die er genau bezeichnet hat, den
abstrakten Rechtssatz ab, "dass das Prinzip der Abschnittsbesteuerung bei den jährlich veranlagten Steuern den
Grundsatz von Treu und Glauben überlagert und die Beteiligten des Besteuerungsverfahrens nicht an ihre in früheren
Veranlagungszeiträumen vertretenen Rechtsansichten gebunden sind, wenn sie deren Fehlerhaftigkeit später
erkennen". Deshalb komme einer in der Steuererklärung geänderten Rechtsansicht keine Bedeutung zu.
Demgegenüber habe das Finanzgericht (FG) in dem angefochtenen Urteil für die Beantwortung der Frage, ob der
Kläger als gewerblicher Grundstückshändler zu betrachten sei, es für rechtserheblich gehalten, dass der Kläger für
das Jahr 1987 eine Gewerbesteuererklärung abgegeben habe.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit dieser Überlegung aus dem angefochtenen Urteil einen abstrakten
Rechtssatz herausgearbeitet hat, wie es für die Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz gefordert wird.
Entscheidend ist, dass das FG seine Annahme, der Kläger habe mit dem Objekt in A bereits einen gewerblichen
Grundstückshandel nach § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes betrieben, maßgeblich auf andere
Gesichtspunkte --wie der Betätigung des Klägers in mannigfaltiger Weise auf dem Grundstücksmarkt im Rahmen
seiner hauptberuflichen Tätigkeit im Baubereich-- und nicht allein auf das Erklärungsverhalten des Klägers gegenüber
dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) gestützt hat. Von daher ist es ausgeschlossen, dass das
angefochtene Urteil insofern auf einer Divergenz von den genannten Entscheidungen des BFH beruht.
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b) Der Kläger sieht den Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung ferner in einer Abweichung des angefochtenen Urteils von dem Urteil des FG
Düsseldorf vom 12. September 2006 3 K 3105/03 G (Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 686), soweit das FG
das Objekt A als Gegenstand des gewerblichen Grundstückshandels betrachtet hat. Dem behaupteten Divergenzurteil
sei der abstrakte Rechtssatz zu entnehmen, "dass auch bei einer Veräußerung eines Grundstücks vor dessen
Fertigstellung und Vollendung der Bebauung durch den Veräußerer allenfalls eine widerlegbare Vermutung für das
Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels gegeben ist und dass gleichwohl anhand einer Prüfung der
Besonderheiten des Einzelfalls zu prüfen ist, ob der entsprechende Verkauf ein gewerblicher Vorgang ist". Davon sei
das angefochtene Urteil abgewichen, weil es ohne weitere Prüfung der Umstände des Einzelfalls den Verkauf der
Immobilie in A wegen der Veräußerung vor Fertigstellung als gewerblich gewertet habe.
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Unabhängig davon, ob in diesen Ausführungen ein abstrakter Rechtssatz gesehen werden kann, der dem
angefochtenen Urteil zugrunde liegt, ist die behauptete Divergenz zu verneinen. Das FG hat in dem angefochtenen
Urteil bei der Würdigung des Verkaufs des Objektes A vor allem für rechtserheblich erachtet, dass der Kläger sich in
mannigfaltiger Weise auf dem Grundstücksmarkt im Rahmen einer hauptberuflichen Tätigkeit im Baubereich betätigt
hat. Insofern hat das FG in Übereinstimmung mit dem behaupteten Divergenzurteil die Umstände und Besonderheiten
des zu beurteilenden Einzelfalls in seine Erwägungen einbezogen.
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Darüber hinaus wäre die Zulassung der Revision auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die behauptete Divergenz
vorläge. Die Einkünfte aus dem Objekt A sind nicht in dem angefochtenen Steuerbescheid berücksichtigt worden. Das
FG hat auch ohne diesen Verkaufsvorgang den Verkauf von vier Objekten mit einer Haltedauer von weniger als fünf
Jahren sowie innerhalb eines Verwertungszeitraums von fünf Jahren und damit das steuerlich erhebliche
Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze bejaht. Damit beruht das angefochtene Urteil nicht auf dem Verkauf des
Objektes A und der behaupteten Divergenz.
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c) Eine weitere die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz sieht der Kläger darin, dass das angefochtene
Urteil von der Rechtsprechung des BFH zur Drei-Objekt-Grenze insofern abweiche, als es die Einschränkung des
Verwertungszeitraums auf fünf Jahre missachte, weil es in seine Betrachtung mit dem Objekt A die Veräußerung von
fünf Objekten einbeziehe und auf diese Weise zwischen dem Verkauf des Objektes A im Juli 1987 und der letzten
Veräußerung im März 1994 der fünfjährige Verwertungszeitraum um 19 Monate überschritten sei.
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Auch mit diesem Vorbringen kann der Kläger die Zulassung der Revision nicht erreichen. Zum einen gibt es keinen
von der Rechtsprechung entwickelten starren und stringent zu beachtenden Verwertungszeitraum von fünf Jahren.
Vielmehr kann sich der Verwertungszeitraum auch über zehn Jahre erstrecken (BFH-Entscheidungen vom 18.
September 1991 XI R 23/90, BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135, und vom 8. November 2006 X B 183/05, BFH/NV
2007, 232), insbesondere bei Vorliegen einer hauptberuflichen Tätigkeit im Baubereich (vgl. BFH-Entscheidungen in
BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135, und vom 30. Januar 2006 X B 116/05, BFH/NV 2006, 969), wie dies bei dem als
Architekten und Gesellschafter-Geschäftsführer einer Bauträgergesellschaft tätigen Kläger gegeben ist. Zum anderen
gilt auch insoweit, dass das FG auch ohne den Verkaufsvorgang A den Verkauf von vier Objekten und damit das
Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze bejaht hat (s. oben 1.b am Ende).
10 d) Der Kläger behauptet, das FG weiche mit dem angefochtenen Urteil von dem BFH-Urteil vom 1. Dezember 2005 IV
R 65/04 (BFHE 212, 106, BStBl II 2006, 259) ab. Darin sei der abstrakte Rechtssatz tragend, "dass bei der
Veräußerung von weniger als vier Grundstücken Gewerblichkeit anzunehmen ist, wenn die Immobilie vor deren
Fertigstellung veräußert wird, nach Vertragsabschluss im Interesse des Erwerbers durch den Veräußerer Mieter
gesucht werden, der Veräußerer Bauunternehmer beauftragt und die Zusage mängelfreier Fertigstellung erteilt".
11 Zu Recht äußert der Kläger in der Beschwerdebegründung selbst Zweifel, ob seine Ausführungen einen abstrakten
Rechtssatz wiedergeben. Sie fassen lediglich das Ergebnis der vom BFH in dem konkreten Streitfall vorgenommenen
Subsumtion der Umstände des zu beurteilenden Sachverhalts unter einem vom Großen Senat des BFH im Beschluss
vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291) bekräftigten Rechtssatz zusammen. Danach
können wegen der bloßen Indizwirkung der Drei-Objekt-Grenze auch bei der Veräußerung von weniger als vier
Objekten besondere Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen, wenn aufgrund objektiver
Umstände z.B. feststeht, dass der Grundbesitz mit der unbedingten Absicht erworben oder bebaut worden ist, ihn
innerhalb kurzer Zeit zu verkaufen. Diese für die Abgrenzung von gewerblicher und vermögensverwaltender
Betätigung grundlegende Regel hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt. Es ist allerdings
aufgrund seiner Würdigung der objektiven Umstände des Streitfalls zur Verneinung der unbedingten
Veräußerungsabsicht beim Erwerb des Grundstücks und bei der Errichtung des Einkaufszentrums gekommen. Eine
Abweichung im Grundsätzlichen kann darin nicht gesehen werden. Nur eine solche rechtfertigt jedoch die
Revisionszulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., §
115 Rz 55).
12 2. Entgegen der Ansicht des Klägers und ungeachtet der Ausführungen im angefochtenen Urteil, das insoweit auf die
Entscheidungsgründe im Urteil 15 K 5221/05 E,F Bezug nimmt, wonach es einerseits keiner Feststellungen zum
Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze bedürfe und andererseits hilfsweise auf das Überschreiten dieser Grenze
hingewiesen werde, hat das FG die vier dort unter 2.d abgehandelten Verkaufsvorgänge hinreichend auch unter dem
Gesichtspunkt des Zählobjekts und damit der Drei-Objekt-Grenze gewürdigt. In den Entscheidungsgründen hat das
FG unter 2.d), aa), bb), cc) bei drei Objekten ausdrücklich die Indizien für die Gewerblichkeit dieser Verkaufsvorgänge
geprüft und bejaht und bei dem unter dd) abgehandelten Objekt B konnte es ohne Weiteres auf die Feststellungen im
Tatbestand des Urteils zurückgreifen, nach denen das Objekt vor seiner Fertigstellung für fast 40 Mio. DM veräußert
wurde.
13 3. Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision auch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i.S.
des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
14 a) Seiner Ansicht nach kommt der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu, "ob die Rückabwicklung eines Erwerbs
bzw. die Weiterveräußerung eines Grundstücks an einen vom ursprünglichen Veräußerer bestimmten Erwerber zum
ursprünglichen Kaufpreis mit zusätzlicher Berechnung zwischenzeitlich erbrachter Planungsleistungen eine
Veräußerung eines Zählobjekts i.S. der Drei-Objekt-Grenze oder eine für die Begründung eines gewerblichen
Grundstückshandels unerhebliche Rückabwicklung ohne Gewinnerzielungsabsicht sowie eine daneben erbrachte
Dienstleistung darstellen".
15 Der Kläger lässt bei dieser Fragestellung außer Acht, dass das FG in dem Weiterverkauf des Grundstücks in C an
einen Dritten ausdrücklich keine Rückabwicklung aufgrund des Rücktrittsrechts gesehen hat, das dem Kläger in dem
Kaufvertrag mit der Gemeinde eingeräumt war. Für das Vorbringen, die Kommune habe den Dritten als Käufer
bestimmt, enthält das angefochtene Urteil keine Feststellungen. Der Bescheinigung der Kommune, die
Voraussetzungen für einen Rücktritt hätten vorgelegen und lediglich aus Vereinfachungsgründen sei das Grundstück
an einen anderen Interessenten weiterveräußert worden, hat das FG jedenfalls eine solche Bedeutung nicht
beigemessen. Es besteht daher kein Anlass, über die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage zu entscheiden, die
ersichtlich für das angefochtene Urteil unerheblich war (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 30).
16 b) Für grundsätzlich bedeutsam hält der Kläger die Frage, "ob die vom Großen Senat des Bundesfinanzhofs in dessen
Beschluss vom 11.04.2005 für zulässig gehaltene Umqualifikation tatsächlich vermögensverwaltender Einkünfte einer
'Zebragesellschaft' auf Ebene der persönlichen Besteuerung eines Beteiligten auch dann entsprechend
vorgenommen werden kann, wenn auf Ebene der Feststellungsgemeinschaft lediglich rechtsfehlerhaft
vermögensverwaltende Einkünfte festgestellt wurden, zutreffend aber gewerbliche Einkünfte hätten festgestellt werden
müssen".
17 Der Kläger übersieht bei dieser Fragestellung, dass das FG in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich eine
vermögensverwaltende Tätigkeit der B GbR bejaht und eine gewerbliche Tätigkeit verneint hat. Insoweit erweist sich
die vom Kläger aufgeworfene Frage als hypothetisch. Sie war für das Urteil unerheblich und könnte in dem
angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
18 c) Mit der vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Frage, "ob die Veräußerung einer Immobilie vor deren
Fertigstellung auch bei Veräußerung von insgesamt weniger als vier Objekten zur Gewerblichkeit führt, wenn nach
Vertragsabschluss im Interesse des Erwerbers durch den Veräußerer Mieter gesucht werden, der Veräußerer
Bauunternehmer beauftragt und die Zusage der mängelfreien Fertigstellung erteilt", kann die Zulassung der Revision
nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht begründet werden. Die Frage, wann bei der Veräußerung von weniger als vier
Objekten eine gewerbliche Betätigung angenommen werden kann, ist durch die Rechtsprechung --nicht zuletzt durch
den Beschluss des Großen Senats des BFH (in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291)-- im Grundsätzlichen geklärt und
danach von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängig. Letztlich zielt die Frage des Klägers
darauf hin, eine Entscheidung des BFH zu der konkreten Gestaltung seines Falls zu erwirken. Allein das Fehlen einer
Entscheidung des BFH zu einer konkreten Fallgestaltung begründet jedoch weder einen Klärungsbedarf noch erst
recht das erforderliche Allgemeininteresse (BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2006 VIII B 114/05, BFH/NV 2006, 709;
vom 11. Dezember 2006 VIII B 82/06, BFH/NV 2007, 453).