Urteil des BFH vom 14.07.2009

BFH: Baukostenzuschüsse nach Art. 52 PflegeVG für Altenpflegeheim, herstellungskosten, vermietung, verpachtung, einkünfte, gebäude, gegenleistung, grundstück, sozialhilfe, stadt

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 14.7.2009, IX R 7/08
Baukostenzuschüsse nach Art. 52 PflegeVG für Altenpflegeheim
Leitsätze
Baukostenzuschüsse aufgrund von Art. 52 PflegeVG mindern die Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Tatbestand
1
I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren
Zweck es ist, ein mit einem Altenpflegeheim bebautes Grundstück zu übernehmen, zu verwalten und --im Rahmen
einer Betriebs-GmbH-- Altenpflegeeinrichtungen zu betreiben. Dementsprechend verpflichtete sich die Klägerin
aufgrund eines mit der Stadt X abgeschlossenen und bis zum Jahr 2052 laufenden Erbbaurechtsvertrags über das
Grundstück zugleich zum Betreiben des Altenpflegeheims. Sie vermietete das Altenpflegeheim zu dessen Betrieb an
eine Gesellschaft für Altenpflege GmbH (GmbH). In den Jahren 1993 bis 1997 führte die Klägerin umfangreiche
Neubau-, Umbau-, Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen durch. Mit dem Altenpflegeheim entstanden im Jahr
1996 neue Wohnungen im Gebäudekomplex "Betreutes Wohnen".
2
Durch Bewilligungsbescheid vom 19. September 1996 bewilligte die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB)
auf Grundlage des Art. 52 des Pflege-Versicherungsgesetzes (PflegeVG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I 1994, 1014) sowie
der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zu Investitionsmaßnahmen im Rahmen des
Investitionsprogramms Pflege des Landes Brandenburg (Landesrichtlinie IVP) einen Baukostenzuschuss von 16 306
755 DM und einen rückzahlbaren Baukostenzuschuss von 3 351 270 DM. Gefördert wurden nach der im Bescheid
enthaltenen "Zweckbestimmung des geförderten Bauvorhabens" der Neubau, der Aus- und Umbau sowie die
Sanierung des Altenpflegeheims mit 121 Pflegeplätzen und 40 Plätzen für "Betreutes Wohnen im Heim neue Form".
Der Bescheid wurde unter anderem mit der Auflage verbunden, eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zu Gunsten
der ILB zu bestellen, wonach das Grundstück für 30 Jahre nur zum Betrieb eines Altenpflegeheims genutzt werden
darf. In der Anlage zum Bescheid wurde die Klägerin u.a. verpflichtet, alte, kranke und behinderte Menschen mit
einem besonderen Pflege- und Betreuungsbedarf auf Anforderung des zuständigen örtlichen Trägers der Sozialhilfe
unverzüglich aufzunehmen und auf Dauer in fachlich angemessener Form zu betreuen. Ferner wurde dem Land in
den Einrichtungen für Betreutes Wohnen ein Belegungsrecht vorbehalten und die Anwendung der Bestimmungen der
Zweiten Berechnungsverordnung bei der Berechnung der Miete vorgeschrieben.
3
Mit Zuwendungsbescheid vom 5. Dezember 1996 gewährte die Stadt X der Klägerin 933 750 DM für die Errichtung
von 40 Plätzen Betreutes Wohnen im Heim, und zwar zweckgebunden und anteilsmäßig bezogen auf den Bescheid
der ILB vom 19. September 1996 und verwies auch auf dessen Nebenbestimmungen.
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Die Klägerin verrechnete in ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr 1996 (das erste der Streitjahre, die die Jahre
1996 bis 2000 umfassen) die erhaltenen Zuschüsse mit ihren Herstellungskosten und wies den übersteigenden
Betrag (365 924,85 DM) als steuerpflichtige Einnahme aus. Absetzungen für Abnutzung (AfA) setzte sie nicht als
Werbungskosten ab, weil die Herstellungskosten geringer als die Zuschüsse waren. Der Beklagte, Revisionsbeklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr
1996 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erklärungsgemäß fest. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das FA
die Auffassung, die Baukostenzuschüsse für beide Komplexe (also für den Bereich Altenpflege und für den Teil
Betreutes Wohnen) stellten eine Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung des Grundstücks dar. Die gesamten
Baukostenzuschüsse seien als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu behandeln und dürften nach Abschn.
163 Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien i.d.F. der Streitjahre auf zehn Jahre verteilt werden. Als
Bemessungsgrundlage für die AfA seien Herstellungskosten von insgesamt 19 405 868,52 DM (auf das
Altenpflegeheim entfallend: 16 730 842,23 DM; dem betreuten Wohnen zuzuordnen: 2 675 026,29 DM) zu
berücksichtigen. Dementsprechend änderte das FA die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen für 1996 und 1997 und stellte die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und
Verpachtung der Streitjahre 1998 bis 2000 erstmals fest. Dadurch erhöhte das FA die Einnahmen für die Streitjahre
jeweils um 1 637 098,15 DM.
5
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klage teilweise statt. Zur Begründung führte
es in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1614 veröffentlichtem Urteil u.a. aus, soweit die Zuschüsse
zur Förderung des Altenpflegeheims gewährt worden seien, seien keine Einnahmen aus Vermietung und
Verpachtung anzusetzen und die Herstellungskosten dementsprechend zu mindern. Die Investitionszuschüsse haben
nicht vom Umfang der konkreten Pflegeleistungen abhängen und dem Zuschussempfänger den laufenden
finanziellen Nachteil aufgrund eingeschränkter Verwendungsmöglichkeiten ausgleichen sollen. Wie auch die
100%ige Förderung belege, habe nicht ein bestimmtes Verhalten, sondern die notwendige erstmalige
flächendeckende Errichtung in den neuen Ländern (die Infrastruktur) finanziert werden sollen. Nichts anderes ergebe
sich aus der landesrechtlichen Umsetzung des Investitionszuschusses nach Art. 52 PflegeVG. Die Nebenbestimmung
in der Anlage zum Bescheid sichere lediglich die Zweckbindung für das Altenpflegeheim.
6
Hingegen sei der Zuschuss zum Komplex "Betreutes Wohnen" als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu
beurteilen. Wegen des mit den Nebenbestimmungen vorbehaltenen Belegungsrechts könne die Klägerin die Plätze
nicht frei vergeben, sondern müsse sie für das Land oder im Falle einer Delegierung der Stadt X zur Verfügung stellen
und halten. Der Zuschuss solle diese in einem Verhalten der Klägerin liegende Verpflichtung entgelten.
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Hiergegen richten sich die Revisionen beider Beteiligter.
8
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Satz 1
des Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (EStG). Entgegen der Auffassung des FG liege eine
Mietpreisbindung in der von der Klägerin mit dem Antrag abgegebenen Erklärung, in der sie sich verpflichtet habe, die
Pflegebedürftigen nicht mit Investitionskosten zu belasten. Ansonsten hätte die Möglichkeit bestanden,
Investitionsaufwendungen nach § 82 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches --Elftes Buch-- (Soziale Pflegeversicherung) in
der für die Streitjahre maßgebenden Fassung (SGB XI) umzulegen. Ein Belegungsrecht ergebe sich aus der
Nebenbestimmung zum Bewilligungsbescheid ganz konkret in Bezug auf die vorrangige Aufnahme von Menschen mit
einem besonderen Pflegebedarf.
9
Das FA beantragt,
10 das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, wie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren
von jeweils 1 637 096 DM auf 225 668 DM gemindert, aber Herstellungskosten für das Altenpflegeheim in Höhe von
14 114 298,15 DM berücksichtigt wurden, und die Klage insoweit abzuweisen.
11 Die Klägerin beantragt,
12 die Revision zurückzuweisen.
13 Die Klägerin stellt nach der Rechtslage der Streitjahre ein Belegungsrecht in Abrede, das erst durch die Novellierung
des Landespflegegesetzes vom 29. Juni 2004 --LPflegeG-- (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg,
Teil I, 2004 S. 339) eingeführt worden sei. Es bestehe auch keine Mietzinsbindung. Das Verbot, geförderte investive
Kostenanteile dem Heimbewohner in Rechnung zu stellen, sei lediglich eine Maßnahme, um eine Doppelfinanzierung
durch die öffentliche Hand zu vermeiden.
14 Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Bezug auf den Komplex
"Betreutes Wohnen". Die Zuschüsse stünden auch insoweit nicht im Zusammenhang mit der Gebrauchsüberlassung
und seien keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Wenn Zuschüsse im Bereich der Überschusseinkünfte
und der Gewinneinkunftsarten unterschiedlich behandelt werden, bestehe dafür kein sachlicher Grund.
15 Die Klägerin beantragt sinngemäß,
16 abweichend vom angefochtenen Urteil und von den angefochtenen Feststellungsbescheiden für die Streitjahre in
Gestalt der Einspruchsentscheidungen die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit der Maßgabe festzustellen,
dass die auch nach dem erstinstanzlichen Urteil verbliebene Erhöhung der Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung wegen der Investitionszuschüsse in den Streitjahren hinsichtlich der Einnahmen von jeweils 225 668 DM
gemindert wird, und zwar unter Abzug der Herstellungskosten für den Komplex "Betreutes Wohnen" von 2 256 677
DM.
17 Das FA beantragt,
18 die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
19 II. Revision des FA: Komplex Altenpflege Die Revision des FA ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend die von der ILB gewährten Zuschüsse für das
Altenpflegeheim nicht als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung behandelt (1.), sondern insoweit die
Herstellungskosten für das Altenpflegeheim gemindert (2.).
20 1. Zuschüsse sind als Leistungen eines Dritten Einnahmen i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn sie das
Überlassen des Gebrauchs oder der Nutzung des Grundstücks entgelten sollen. Sie können z.B. bei einer
Mietpreisbindung oder einem Belegungsrecht rechtlich und wirtschaftlich mit der Gebrauchs- oder
Nutzungsüberlassung unmittelbar zusammenhängen (ständige Rechtsprechung, vgl. die Urteile des
Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Oktober 2003 IX R 60/02, BFHE 203, 382, BStBl II 2004, 14, und vom 26. März
1991 IX R 104/86, BFHE 164, 263, BStBl II 1992, 999).
21 Das FG hat diese Voraussetzungen zutreffend verneint.
22 a) Rechtsgrundlage für die Zuschüsse ist Art. 52 Abs. 1 PflegeVG. Danach werden Finanzhilfen zur zügigen und
nachhaltigen Verbesserung der Qualität der ambulanten, teilstationären und stationären Versorgung der Bevölkerung
in den neuen Bundesländern und zur Anpassung an das Versorgungsniveau im übrigen Bundesgebiet gewährt. Sie
dürfen nur dazu verwendet werden, die für den Betrieb von Pflegeeinrichtungen notwendigen Gebäude und sonstigen
abschreibungsfähigen Anlagegüter herzustellen, anzuschaffen, wiederzubeschaffen, zu ergänzen, instand zu halten
oder instand zu setzen sowie die Erstausstattung mit den betriebsnotwendigen Wirtschaftsgütern zu finanzieren.
23 Wenn der Gesetzgeber auf diese Weise die Investitionsmaßnahmen legal definiert, so zeigt sich schon aufgrund des
Wortlauts der Vorschrift ("Herstellen oder Anschaffen abschreibungsfähiger Anlagegüter") und des in ihr zum
Ausdruck kommenden Zwecks (zügige und nachhaltige Verbesserung der Pflegeeinrichtungen), dass die Zuschüsse
nicht --jedenfalls nicht vorrangig-- gewährt wurden, um der Klägerin als Empfängerin im Sinne einer Gegenleistung
die laufenden finanziellen Nachteile auszugleichen, die ihr aufgrund eingeschränkter Verwendungsmöglichkeiten
entstehen. Dem FG ist vielmehr beizupflichten, wonach damit --was auch die Höhe der Finanzierungshilfen bis zu den
gesamten Investitionskosten (also z.B. den gesamten Herstellungskosten) indiziert-- die notwendige erstmalige
flächendeckende Errichtung in den neuen Bundesländern sichergestellt werden sollte. Dass mit dieser
Objektförderung zugleich bewirkt werden soll, die finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen zu senken und
damit das Risiko der Pflegebedürftigkeit sozial abzusichern, ändert daran nichts.
24 b) Ein Belegungsrecht als Gegenleistung für die Finanzierungshilfen ergibt sich --wie das FG zutreffend erkannt hat-
- entgegen der Revision weder aus dem Bewilligungsbescheid noch aus den ihn flankierenden landesrechtlichen
Regelungen.
25 Wenn die Klägerin in 5.3. der Nebenbestimmungen zum Bewilligungsbescheid in Übereinstimmung mit der
Landesrichtlinie IVP verpflichtet wird, alte, kranke und behinderte Menschen mit einem besonderen Pflege- und
Betreuungsbedarf auf Anforderung des zuständigen örtlichen Trägers der Sozialhilfe unverzüglich aufzunehmen, so
mag man darin mit dem FG lediglich eine Sicherung der Zweckbestimmung für das Altenpflegeheim sehen können
und kein Belegungsrecht. Diese Auslegung der Nebenbestimmung gründet das FG auf die Dauer der Zweckbindung
für 30 Jahre, auf die in Art. 52 Abs. 1 PflegeVG zum Ausdruck kommende Intention, in die Altenpflege-Infrastruktur zu
investieren sowie auf den mit der Nebenbestimmung gleichlautenden, in der Landesrichtlinie IVP formulierten
Förderzweck.
26 c) Indessen kann dahinstehen, ob die Nebenbestimmung 5.3. ein Belegungsrecht überhaupt begründet. Jedenfalls
steht dieses Recht in keiner synallagmatischen Beziehung zu den der Klägerin gewährten Finanzierungshilfen. Denn
ein derartiges Belegungsrecht, wie es sich --worauf insbesondere die Revisionserwiderung hinweist-- nunmehr aus
§§ 9, 10 LPflegeG ausdrücklich ergibt, verwirklicht --unbeschadet der Deutungshoheit des FG über landesgesetzliche
Regelungen (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 2 FGO; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 14, m.w.N.)-- im
sozialrechtlichen Kontext lediglich den in Art. 52 Abs. 1 PflegeVG zum Ausdruck kommenden Gesetzeszweck einer
Objektförderung.
27 aa) Die öffentliche Förderung der Investitionen ermöglicht einerseits die Errichtung von Pflegeeinrichtungen, womit die
Länder ihrer Infrastrukturverantwortung aus § 9 SGB XI nachkommen. Zum anderen bezweckt sie, sozusagen als
Reflex, die Pflegesätze von den Investitionskosten zu entlasten (vgl. § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XI), so dass die
Pflegebedürftigen nur für Unterkunft und Verpflegung selbst aufkommen müssen. Dies führt dazu, dass auch
Pflegebedürftige mit einem geringen (aber über der Sozialhilfebedürftigkeit liegenden) Einkommen eher in der Lage
sind, die Pflegesätze aus dem eigenen Einkommen zu bestreiten. Diese Intention verfolgt namentlich das Pflege-
Versicherungsgesetz, dessen Art. 52 Finanzhilfen für Investitionen in Pflegeeinrichtungen im Beitrittsgebiet anordnet
und als dessen Art. 1 das Sozialgesetzbuch --Elftes Buch-- (Soziale Pflegeversicherung) verkündet wurde. Ziel des
Gesetzes ist die soziale Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (vgl. BTDrucks 12/5262, S. 1 f. und BTDrucks
12/5617, S. 1 f.), und diesem Zweck dient auch das Belegungsrecht des Staates, mit dem gewährleistet wird, dass die
geförderten Pflegeplätze vorrangig sozial schwachen Landesbürgern zugute kommen und mit dem der
Sozialhilfeträger entlastet werden soll (Verminderung von Sozialhilfeleistungen), der ansonsten den (höheren)
Pflegesatz zahlen müsste (vgl. zum Zweck des Belegungsrechts eingehend Bundesverfassungsgericht --BVerfG--,
Beschluss vom 17. Oktober 2007 2 BvR 1095/05, Deutsches Verwaltungsblatt --DVBl-- 2007, 1555, unter B. II.,
m.w.N.).
28 bb) Zuvörderst sollen die in Art. 52 PflegeVG geregelten Finanzhilfen des Bundes als zeitlich auf die Jahre 1995 bis
2002 beschränkte Anschubfinanzierung für Investitionsvorhaben im Beitrittsgebiet aber dafür sorgen, die dortigen
Pflegeeinrichtungen an das Versorgungsniveau im übrigen Bundesgebiet anzupassen (Bundesverwaltungsgericht,
Beschluss vom 19. August 2008 3 B 11.08, Die öffentliche Verwaltung 2008, 1001). Deshalb dienen die Finanzhilfen
vorrangig dazu, entsprechende Altenpflegeeinrichtungen zu errichten. Sie schaffen die finanzielle Grundlage dafür,
die für den Betrieb von Pflegeeinrichtungen notwendigen Gebäude und sonstigen abschreibbaren Anlagen
herzustellen oder anzuschaffen, und zwar auch insoweit, als sie nicht die vom Belegungsrecht
Begünstigten betreffen.
29 cc) Dementsprechend ist auch die in § 82 Abs. 3 SGB XI enthaltene Regelung, wonach nur die nicht durch öffentliche
Förderung abgedeckten Investitionskosten auf die Heimbewohner umgelegt und von ihnen im Rahmen der mit ihnen
bestehenden Rechtsverhältnisse beansprucht werden können (vgl. dazu eingehend Bundessozialgericht, Urteil vom
6. September 2007 B 3 P 3/07 R, BSGE 99, 57), keine Mietpreisbindung, sondern eine Folge der öffentlichen
Förderung und vermeidet eine doppelte Begünstigung des Berechtigten, die einträte, wenn er die von der öffentlichen
Hand finanzierten Herstellungskosten zusätzlich auf die Pflegevergütung umlegen könnte. Diese Regelung soll
letztlich bewirken, dass über geringere Pflegesätze ein größerer Anteil von Pflegebedürftigen (die regelmäßig nicht
Nutznießer des Belegungsrechts sind) die Aufwendungen aus den Alterseinkünften finanzieren kann, ohne
Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen zu müssen (zum Zweck der Vermeidung von
Sozialhilfeabhängigkeit BVerfG-Beschluss in DVBl 2007, 1555, unter B. II. 1. c (1), m.w.N.).
30 2. Die als Baukostenzuschüsse empfangenen Finanzierungshilfen mindern die Herstellungskosten der Gebäude i.S.
von § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB). Weil die Mittel vornehmlich gewährt wurden, um
Pflegeeinrichtungen im Beitrittsgebiet erst zu schaffen, sind sie auf die Nutzungsdauer der damit errichteten Gebäude
zu verteilen, deren Zweckbindung auf dreißig Jahre angelegt ist.
31 3. Damit tritt der Senat nicht in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung zum Dritten Förderweg. Wenn er dort
empfangene Mittel als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung behandelt, so deshalb, weil das Gesetz mit der
Förderung von Mietwohnraum bedürftige Haushalte unterstützt, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum
versorgen können (so BFH-Urteil in BFHE 203, 382, BStBl II 2004, 14). Demgegenüber geht der Gesetzeszweck des
Art. 52 PflegeVG darüber hinaus. Zwar will auch das Pflege-Versicherungsgesetz und mit ihm das SGB XI sozial und
finanziell schwache Menschen z.B. mit dem Belegungsrecht begünstigen. Die Förderung ist jedoch --vor allem im
Beitrittsgebiet-- eingebettet in eine Strukturförderung, die auf die erstmalige Errichtung von Pflegeeinrichtungen auf
"Westniveau" gerichtet ist und die auch Pflegeplätze für diejenigen schafft, die sich am Markt ohne weiteres einen
Pflegeplatz beschaffen können. Überdies sind die Begünstigten dieser Art von Förderung eigentlich weniger die
pflegebedürftigen Menschen selbst als vielmehr die Träger der Sozialhilfe, da durch die Finanzierungshilfen --wie
unter 1. c, aa und bb ausgeführt-- Sozialhilfekosten vermindert und/oder vermieden werden.
III.
32 Revision der Klägerin: Komplex "Betreutes Wohnen"
33 Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage auch insoweit
stattzugeben, als die empfangenen Finanzierungshilfen für den Komplex "Betreutes Wohnen im Heim" von 2 256 677
DM von den Herstellungskosten abzuziehen und die Einnahmen der Klägerin in den Streitjahren jeweils um 225 668
DM zu mindern sind (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
34 1. Indem das FG die auf den Komplex "Betreutes Wohnen im Heim" entfallenden Baukostenzuschüsse als Einnahmen
aus Vermietung und Verpachtung behandelt hat, hat es § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verletzt.
35 Bei den Zuschüssen handelt es sich nicht um von einem Dritten erbrachte Gegenleistung für das Überlassen des
Gebrauchs oder der Nutzung des Grundstücks, sondern um eine Minderung der Herstellungskosten i.S. von § 255
Abs. 2 HGB.
36 Es gelten die gleichen Erwägungen, die zu den Finanzierungshilfen zum Altenpflegeheim angestellt wurden. Denn
auch die Beihilfen zum betreuten Wohnen im Heim werden ersichtlich von Art. 52 PflegeVG erfasst. Aus dem explizit
geregelten Belegungsrecht (7.1. der Nebenbestimmungen) folgt nichts anderes. Es ist --wie das oben schon
behandelte ausdrückliche gesetzliche Belegungsrecht-- lediglich Ausdruck des Förderzwecks und hat nicht die
Intention, ein bestimmtes Verhalten zu entgelten. Vorrangig ist auch in diesem Fall die erstmalige Errichtung derartiger
Pflegeeinrichtungen.
37 2. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist in vollem Umfang stattzugeben. Die Herstellungskosten sind um den
Förderbetrag zu mindern, den das FG auf 2 256 677 DM festgestellt hat. Zugleich sind die Einnahmen aus Vermietung
und Verpachtung in den Streitjahren antragsgemäß jeweils um 225 668 DM zu mindern. Die Berechnung der
festzustellenden Besteuerungsgrundlagen wird dem FA aufgrund des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen.
IV.
38 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Im Rahmen einer einheitlichen Kostenentscheidung für
beide Revisionen sind die Kosten des gesamten Verfahrens dem FA aufzuerlegen. Der Antrag nach § 139 Abs. 3 Satz
3 FGO ist im Revisionsverfahren unzulässig und gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. BFH-Urteil
vom 2. Mai 2000 IX R 99/97 (BFH/NV 2001, 14, unter II. 4., m.w.N.).