Urteil des BFH vom 13.10.2009

BFH: grobes verschulden, anleitung, fahrlässigkeit, quelle, rechtsirrtum, abgabenordnung

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 13.10.2009, X B 205/08
Fehlerhaftes Nichtausfüllen einer Zeile im Steuererklärungsvordruck als grobes Verschulden - Sorgfaltspflichten des
Steuerpflichtigen - Auslegung von Erklärungsvordrucken - Unbeachtlichkeit von Rechtsirrtümern
Gründe
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Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehren die Zulassung der Revision gegen ein Urteil, mit dem das
Finanzgericht (FG) das fehlerhafte Nichtausfüllen einer Zeile im Mantelbogen zur Einkommensteuererklärung bei der
Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen als grobes Verschulden bewertet und infolgedessen mit dem
Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) die spätere Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 der
Abgabenordnung verwehrt hat. Sie machen geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
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Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Keine der drei geltend gemachten Divergenzen liegt vor.
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1. Die Kläger rügen zunächst sinngemäß, das FG habe inzident einen von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH)
vom 23. Januar 2001 XI R 42/00 (BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379) abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Während
nach dem BFH-Urteil im Erklärungsvordruck verwendete Begriffe in ihrer Bedeutung mit dem allgemeinen
Sprachgebrauch übereinstimmen müssten, erfolge nach Auffassung des FG die Definition im Erklärungsvordruck
verwendeter Begriffe indirekt durch die Erläuterungen in den zugehörigen Abschnitten der Anleitung.
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Diese Abweichung besteht nicht.
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a) Zum einen enthält schon das BFH-Urteil im Kern einen anderen Rechtssatz, als die Kläger meinen. Der BFH hat
nicht allgemeine Anforderungen an die Erklärungsvordrucke dahin formuliert, dass diese stets dem allgemeinen
Sprachgebrauch entsprechen müssten. Er hat vielmehr Schlussfolgerungen für den Fall gezogen, dass die
Erklärungsvordrucke dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechen und selbst keine Hinweise darauf enthalten,
dass sie anders als im allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen sein könnten. In diesem Falle handelt der
Steuerpflichtige nicht von vornherein grob fahrlässig --eine abschließende Entscheidung hatte der BFH nicht
getroffen--, wenn er auf das Verständnis nach dem allgemeinen Sprachgebrauch vertraut.
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b) Zum anderen hat das FG weder ausdrücklich noch implizit den Rechtssatz formuliert, den die Kläger in seinem
Urteil sehen. Es hat seinem Urteil nicht zu Grunde gelegt, dass die in den Erklärungsvordrucken verwendeten Begriffe
stets (nur) mit Hilfe der Erläuterungen hierzu definiert werden. Es hat vielmehr ausgeführt, dass sich die Kläger bei
gewissenhaftem Durchlesen der Zeilen 25 bis 30 der Anlage N zur Lektüre auch der Erläuterungen hätten veranlasst
sehen müssen und dann hätten erkennen können und müssen, dass auch die Tätigkeit im Vorruhestand einzutragen
gewesen wäre.
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2. Die Kläger rügen weiter, das FG habe in Abweichung von dem BFH-Urteil vom 22. Mai 1992 VI R 17/91 (BFHE 168,
221, BStBl II 1993, 80) den Rechtssatz aufgestellt, dass auch Steuerpflichtige, die weder steuerrechtlich vorgebildet
noch beraten seien, Steuerrechtskenntnisse über die Hinweise im Erklärungsvordruck und in der Anleitung hinaus
besitzen müssten.
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Diesen Rechtssatz hat das FG nicht aufgestellt. Das FG ist vielmehr davon ausgegangen, dass auch der nicht
steuerrechtlich vorgebildete Steuerpflichtige, der über gute intellektuelle Fähigkeiten verfügt, auf Grund der Hinweise
in der Anleitung hätte erkennen müssen, dass die Tätigkeit im Vorruhestand in den Vordruck ebenfalls einzutragen
gewesen wäre.
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3. Schließlich rügen die Kläger eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 18. Mai 1988 X R 57/82 (BFHE 153, 304,
BStBl II 1988, 713), mit dem der BFH grobes Verschulden verneint habe, wenn der Steuerpflichtige sich --wenn auch
vergeblich-- ernsthaft bemüht hat, eine Steuerrechtsfrage zu klären. Das FG sei davon ausgegangen, dass es dem
Steuerpflichtigen anzulasten sei, wenn sein ernsthaftes Bemühen nicht zum Erfolg geführt habe.
10 Auch die so dargelegte Abweichung liegt nicht vor.
11 Zum einen hat der BFH in dem genannten Urteil nicht allein auf Grund ernsthaften Bemühens um Klärung einer Frage
ein grobes Verschulden allgemein verneint, sondern hat auf Grund einer Würdigung des Einzelfalls die
Sorgfaltsanforderungen des FG für zu hoch erachtet, ohne jedoch abschließend zu entscheiden.
12 Zum anderen hat das FG dem Steuerpflichtigen nicht etwa, wie die Kläger sinngemäß meinen, einen Rechtsirrtum
unabhängig vom Verschulden angelastet. Es hat vielmehr einen Irrtum des Klägers über Folgewirkungen seiner
Erklärung ungeachtet der Quelle des Irrtums für unbeachtlich gehalten. Das steht im Einklang mit den Urteilen des
BFH vom 19. Dezember 2006 VI R 59/02 (BFH/NV 2007, 866) und vom 20. November 2008 III R 107/06 (BFH/NV
2009, 545) und widerspricht nicht dem Urteil in BFHE 153, 304, BStBl II 1988, 713. Die Sorgfaltspflichten des
Steuerpflichtigen beschränken sich auf die Abgabe der zutreffenden Erklärungen, während Irrtümer über
Folgewirkungen als reine Rechtsirrtümer unbeachtlich sind.
13 4. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang allgemein beanstanden, das FG habe zu hohe Anforderungen an ihre
Sorgfaltspflichten zur Vermeidung grober Fahrlässigkeit gestellt, machen sie damit lediglich geltend, das Urteil sei
unrichtig. Das stellt gemäß § 115 Abs. 2 FGO keinen Grund zur Zulassung der Revision dar.