Urteil des BFH vom 17.06.2010

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 17.6.2010, IX B 32/10
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten
Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
2 1. Der Kläger macht zu Unrecht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1
der Finanzgerichtsordnung (FGO); denn die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage --ob Wiedereinsetzung auch
dann zu gewähren sei, wenn innerhalb der Antragsfrist die versäumte Handlung nachgeholt werde und die Tatsachen,
die zur Versäumung der Frist geführt hätten, sich aus der nachgeholten Rechtshandlung selbst ergäben, jedoch
ergänzende Angaben, warum die Fristversäumnis erfolgte, erst nach Ablauf der 14-tägigen Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1
FGO dargelegt und glaubhaft gemacht würden-- ist höchstrichterlich geklärt. Es entspricht der ständigen
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dass es für eine Wiedereinsetzung nicht ausreicht, innerhalb der
Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO lediglich die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Vielmehr müssen
innerhalb dieser Frist auch die für eine Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen schlüssig vorgetragen werden (vgl.
z.B. BFH-Beschluss vom 9. Februar 2006 VIII B 47/05, BFH/NV 2006, 1119, m.w.N.). Lediglich die
Glaubhaftmachung der innerhalb der Frist vorgetragenen Gründe kann auch noch "im Verfahren über den Antrag"
erfolgen. Das Finanzgericht (FG) ist auch nicht verpflichtet, von sich aus zu ermitteln, ob Gründe gegeben sind, die eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen können. Nach Ablauf der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO können
Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben, sondern nur noch unklare und unvollständige Angaben ergänzt
oder vervollständigt werden (BFH-Beschluss vom 26. April 2005 I B 248/04, BFH/NV 2005, 1591, m.w.N.).
3 Im Übrigen würde es sich bei der Frage, ob sich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigenden
Tatsachen aus einer (bestimmten) nachgeholten Rechtshandlung ergeben, um eine auf den Einzelfall bezogene und
damit nicht verallgemeinerungsfähige Beurteilung handeln, die der Beweiswürdigung und damit dem materiellen Recht
zuzuordnen ist. Ob danach Wiedereinsetzung zu gewähren wäre, ist keine Rechtsfrage i.S. des § 56 FGO, sondern eine
Tatfrage.
4 Der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die von dem Kläger aufgeworfene Frage im vorliegenden
Verfahren auch nicht entscheidungserheblich wäre. Denn das FG hat keine Feststellungen dahin getroffen, dass sich
im Streitfall die Tatsachen, die zur Versäumung der Frist geführt haben, aus der nachgeholten Rechtshandlung --hier
der verspätet eingegangenen Klage-- selbst ergeben. Wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) in der
Beschwerdeerwiderung zutreffend ausführt, hätten zu diesen "Tatsachen" auch die Gründe gehört, die belegen
könnten, dass die Säumnis unverschuldet war (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573,
BStBl II 1990, 546, m.w.N.).
5 2. Wird die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen Divergenz zu Entscheidungen
des BFH und anderer Gerichte begründet, sind tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des
FG einerseits und den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herauszuarbeiten und so einander
gegenüberzustellen, dass eine Abweichung verdeutlicht wird. Insbesondere muss es sich um einen vergleichbaren
Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handeln (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Dezember 2005 VIII B 74/05,
BFH/NV 2006, 740). Die Rüge eines bloßen Subsumtionsfehlers und eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen
reicht zur schlüssigen Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht
aus. Denn nicht schon die Unrichtigkeit des FG-Urteils im Einzelnen, sondern erst dessen Fehlerhaftigkeit im
Grundsätzlichen rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen Divergenz (BFH-Beschluss vom 22. Februar 2007 VI B
29/06, BFH/NV 2007, 969). Die Beschwerde des Klägers lässt eine diesem Maßstab gerecht werdende Begründung
vermissen.
6 3. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützt, bedarf es
hierfür eines Vortrags der Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Außerdem muss
dargelegt werden, dass die angefochtene Entscheidung --ausgehend von der insoweit maßgebenden, ggf. auch
unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann, es
also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre (BFH-Beschluss vom 25. August 2006 VIII
B 13/06, BFH/NV 2006, 2122, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht
gerecht.