Urteil des BFH vom 21.01.2014

Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; kein Abzug nachträglicher Schuldzinsen nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 21.1.2014, IX R 37/12
Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; kein
Abzug nachträglicher Schuldzinsen nach Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht
Leitsätze
1. Sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind
objektbezogen zu prüfen.
2. Ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von (nachträglichen) Schuldzinsen mit
früheren Einkünften i.S. des § 21 EStG ist nicht anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige zwar
ursprünglich mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, seine Absicht zu einer (weiteren)
Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjekts aus anderen
Gründen weggefallen ist.
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte in den Streitjahren (2003 bis 2006)
neben Einkünften aus selbständiger Arbeit als niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin
auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im vorliegenden Revisionsverfahren ist nur
noch streitig, ob der Kläger in den Streitjahren hinsichtlich seiner Einkünfte aus einem
bebauten Grundstück in D nicht (mehr) mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat und ob
er gleichwohl in den Streitjahren Schuldzinsen, die auf ein zur Finanzierung der Immobilie in
D aufgenommenes Darlehen entfielen, als (nachträgliche) Werbungskosten bei seinen
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen kann.
2 Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 4. Dezember 1999 das
maßgebliche Grundstück in D, das mit einem Gebäude, bestehend aus einer Gaststätte, einer
Pächterwohnung sowie sieben Ferienwohnungen bebaut ist. Der Kläger finanzierte die
Anschaffungskosten des Grundstücks in voller Höhe durch ein Darlehen der H-Bank. Im
Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger bestand für das gesamte Objekt ein im Jahr 1998
begründetes, auf 10 Jahre befristetes Mietverhältnis, das mit zwei --jeweils fünfjährigen--
Verlängerungsoptionen ausgestattet war. Das Mietverhältnis, aus dem der Kläger in den
Vorjahren noch Mietzinszahlungen in Höhe von 34.800 DM (2001) und 17.244 EUR (2002)
vereinnahmt hatte, wurde im März 2003 seitens des Klägers beendet, da der Mieter wegen
Insolvenz die Mietzinszahlungen eingestellt hatte. Ende 2003 wurden sodann die ehemaligen
Gaststättenräume zu einer Wohnung umgestaltet und dauerhaft an die Eheleute P vermietet,
welche --gegen geminderten Mietzins-- sich auch um die weitere Unterhaltung des
Gesamtobjekts und die Vermietung der Ferienwohnungen kümmerten. Ferner bemühte sich
der Kläger, die Ferienwohnungen über die Kurverwaltung der Gemeinde D zu vermarkten. In
den Streitjahren erzielte der Kläger aus dem Gesamtobjekt Einnahmen in Höhe von
2.600 EUR (2003), 5.685 EUR (2004), 8.965 EUR (2005) und 13.918 EUR (2006); unter
Berücksichtigung der vom Kläger erklärten Werbungskosten ergaben sich für alle Streitjahre
hohe Werbungskostenüberschüsse, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --
FA--) in den für die Streitjahre ergangenen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der
Abgabenordnung) stehenden Einkommensteuerbescheiden zunächst antragsgemäß
berücksichtigte.
3 Wegen der mangelnden Rentabilität des Gesamtobjekts versuchte der Kläger --parallel zu
seinen Vermietungsbemühungen-- ab Mai 2003, das Objekt unter Einschaltung verschiedener
Makler zu veräußern. Im Jahr 2008 veräußerte er das gesamte Objekt schließlich an seine
Tochter.
4 Das FA ging aufgrund der im Rahmen einer Außenprüfung getroffenen Feststellungen davon
aus, dass der Kläger seine Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich des Gesamtobjekts in D im
zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung des (bei der Veräußerung
übernommenen) Mietvertrages aufgegeben habe, da er in der Folgezeit keine ernsthaften und
nachhaltigen Vermietungsbemühungen mehr entfaltet habe. Das FA berücksichtigte
dementsprechend in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für 2003 und 2004 vom
12. September 2007, für 2005 vom 18. November 2008 und für 2006 vom 6. Dezember 2007,
jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2008, die vom Kläger
ermittelten Werbungskostenüberschüsse aus der Immobilie in D nicht mehr. Der hiergegen
gerichtete Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
5 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Das FG ging in seinem Urteil davon aus,
dass der Kläger seine Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich des Gesamtobjekts nicht schon
zu Beginn, sondern erst im April des Streitjahres 2003 aufgegeben habe. Auch im
nachfolgenden Zeitraum bis einschließlich des Streitjahres 2006 habe er eine solche nicht
wieder neu begründet. Denn der Kläger habe ab diesem Zeitpunkt ernsthaft nur noch die
Veräußerung des Gesamtobjekts betrieben und --zwecks besserer Vermarktung-- die
Aufteilung in Teileigentum geplant. Neben den intensiven und nachhaltigen
Veräußerungsbemühungen des Klägers seien nur geringfügige Vermietungsaktivitäten
feststellbar. Zwar habe der Kläger seine Einnahmen aus der Vermietung der
Ferienwohnungen bis zum Streitjahr 2006 wieder gesteigert; gleichwohl hätten die
Einnahmen bei weitem nicht die Größenordnung erreicht, die für ein vergleichbares Objekt
erzielbar gewesen wären. Überdies sei zu berücksichtigen, dass es im Ergebnis zu einer
Veräußerung des Objekts im Jahr 2008 gekommen sei. Unbeschadet dessen seien in den
Streitjahren nachträgliche Schuldzinsen des Klägers bei seinen Einkünften aus Vermietung
und Verpachtung zu berücksichtigen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung habe den Abzug
nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit Urteil
des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Juni 2012 IX R 67/10 (BFHE 237, 368, BStBl II 2013,
275) anerkannt. In entsprechender Anwendung der Rechtsprechung zur Berücksichtigung
betrieblich begründeter Schuldzinsen beim Übergang eines Betriebs zur Liebhaberei (BFH-
Urteil vom 15. Mai 2002 X R 3/99, BFHE 199, 241, BStBl II 2002, 809) sei auch bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der nachträgliche Schuldzinsenabzug dahin zu
erweitern, dass ein solcher auch beim Übergang einer Vermietungstätigkeit zur Liebhaberei
möglich sei.
6 Hiergegen richtet sich die Revision des FA, das die Auffassung vertritt, ein nachträglicher
Schuldzinsenabzug sei beim Übergang von der Vermietungstätigkeit zur Liebhaberei nicht
möglich.
7 Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen, als
das FG Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 16.206 EUR für 2003,
7.243 EUR für 2004, 7.141 EUR für 2005 und 4.736 EUR für 2006 in Ansatz gebracht hat.
8 Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
9 Der Kläger trägt vor, er habe seine Einkünfteerzielungsabsicht entgegen der Auffassung des
FG im Streitjahr 2003 nicht aufgegeben. Selbst wenn man aber hiervon ausgehen wollte, sei
das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung geltend gemachten nachträglichen Schuldzinsen in den Streitjahren
berücksichtigt werden müssten.
Entscheidungsgründe
10 II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung).
11 1. Das angefochtene Urteil ist schon deshalb aufzuheben, weil das FG die
Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers unzutreffend auf das ganze Grundstück bezogen
hat.
12 a) Den objektiven Tatbestand der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verwirklicht, wer unbewegliches
Vermögen vermietet. Neben einem Rechtsverhältnis in Form eines Miet- oder
Pachtvertrages verlangt das Gesetz ein bestimmtes Objekt (z.B. Grundstück, Gebäude oder
Gebäudeteil), auf das sich die Vermietungstätigkeit des Steuerpflichtigen beziehen muss.
Die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbare Tätigkeit ist stets objektbezogen.
Maßgebend ist die auf eine bestimmte Immobilie ausgerichtete Tätigkeit des
Steuerpflichtigen. Vermietet er mehrere Objekte auf der Grundlage verschiedener
Rechtsverhältnisse, also z.B. --wie hier-- eine Gaststätte und acht Wohnungen, so ist jede
Tätigkeit grundsätzlich je für sich zu beurteilen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Objekte
auf einem Grundstück befinden (vgl. BFH-Urteil vom 1. April 2009 IX R 39/08, BFHE 224,
538, BStBl II 2009, 776, m.w.N.).
13 b) Wie der objektive Tatbestand ist auch die Einkünfteerzielungsabsicht objektbezogen. Sie
ist nur dann in Bezug auf das gesamte Grundstück zu prüfen, wenn sich auch die
Vermietungstätigkeit auf das gesamte Grundstück richtet. Werden verschiedene, auf einem
Grundstück gelegene Gebäudeteile (einzeln) vermietet, bezieht sich die
Einkünfteerzielungsabsicht jeweils nur auf das entsprechende Objekt (BFH-Urteile in BFHE
224, 538, BStBl II 2009, 776; vom 12. Mai 2009 IX R 18/08, BFH/NV 2009, 1627).
14 2. Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil nicht.
15 Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger den objektiven Tatbestand
zunächst in Bezug auf das einheitlich vermietete Grundstück erfüllt hat; da die
Vermietungstätigkeit insoweit auf Dauer ausgerichtet war, war indiziell davon auszugehen,
dass die Vermietungsabsicht des Klägers --trotz der Kündigung des Mietverhältnisses
Anfang 2003-- zunächst weiterbestand, solange nicht anhand von Indizien festgestellt
werden kann, dass er seine Einkünfteerzielungsabsicht --im zeitlichen Zusammenhang mit
der Kündigung oder zu einem späteren Zeitpunkt-- endgültig aufgegeben hat (vgl. BFH-
Urteil vom 11. Dezember 2012 IX R 15/12, BFH/NV 2013, 720).
16 Das FG hat indes, nachdem es zu dem Schluss gekommen war, der Kläger habe seine
ursprüngliche Einkünfteerzielungsabsicht im März 2003 aufgegeben, die Frage, ob der
Kläger zu einem späteren Zeitpunkt seine Einkünfteerzielungsabsicht erneut aufgenommen
hat, wiederum auf das gesamte Grundstück bezogen, obwohl einzelne Teile davon unter
unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen --teils unter Abschluss eines auf Dauer
ausgerichteten Mietvertrages, teils unter Abschluss von Mietverträgen über befristete
Ferienaufenthalte-- an verschiedene Personen vermietet worden sind. Dies widerspricht dem
Grundsatz, dass der subjektive Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bei der Frage,
zu welchem Zeitpunkt eine Einkünfteerzielungsabsicht aufgenommen wurde, objektbezogen
zu prüfen ist.
17 3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird beim 2. Rechtszug erneut der Frage
nachzugehen haben, ob der Kläger hinsichtlich der auf dem Grundstück in D befindlichen
Immobilienobjekte mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat.
18 a) Dabei weist der Senat zunächst darauf hin, dass schon die vom FG vorgenommene
Gesamtwürdigung, wonach der Kläger im März 2003 seine Einkünfteerzielungsabsicht
hinsichtlich des Gesamtobjekts aufgegeben habe, von den Feststellungen im Tatbestand
des angefochtenen Urteils nicht getragen wird. Zwar sind, wovon das FG zutreffend ausgeht,
ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen mögliche Umstände, aus denen sich
der endgültige Entschluss, (weiterhin) zu vermieten, ergeben kann; für die Feststellung des
Weiterbestehens einer Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich vormals dauerhaft
vermieteter, aktuell jedoch renovierungs- oder zumindest umgestaltungsbedürftiger Objekte
können --und müssen im Streitfall-- aber beispielsweise auch der zeitliche Zusammenhang
zwischen Umgestaltung bzw. Renovierung und späterer (tatsächlicher) Vermietung oder
auch die (fehlende) Absehbarkeit, ob und ggf. wann die Räume im Rahmen der Einkunftsart
Vermietung und Verpachtung genutzt werden sollen, als Indizien herangezogen werden (vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 31. Juli 2007 IX R 30/05, BFH/NV 2008, 202).
19 b) Ferner weist der Senat darauf hin, dass die Aufnahme der Einkünfteerzielungsabsicht bei
Ferienwohnungen, die vom Eigentümer in Eigenregie vermietet und im Übrigen nicht selbst
genutzt --d.h. auch in der Leerstandszeit zur Vermietung bereitgehalten werden-- nach
besonderen, vom Senat entwickelten Kriterien geprüft werden muss.
20 c) Kommt das FG im 2. Rechtszug zu dem Ergebnis, dass der Kläger seine
Einkünfteerzielungsabsicht zwischenzeitlich nicht aufgegeben hat, sind die erklärten
Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung dem Grunde nach zu
berücksichtigen, aber der Höhe nach zu prüfen. Kommt das FG im 2. Rechtszug erneut zu
dem Ergebnis, dass der Kläger zu einem bestimmten Zeitpunkt seine
Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich des Gesamtobjekts aufgegeben hat und diese nicht
(auch nicht hinsichtlich einzelner Objekte) wieder aufgenommen hat, verweist der Senat für
die Frage des Abzugs nachträglicher Schuldzinsen auf seine Ausführungen im BFH-Urteil in
BFHE 237, 368, BStBl II 2013, 275), wonach ein fortdauernder
Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften i.S.
des § 21 EStG nicht anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich mit
Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, seine Absicht zu einer (weiteren)
Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjekts aus anderen
Gründen weggefallen ist. Kommt das FG im 2. Rechtszug zu dem Ergebnis, dass der Kläger
zu einem bestimmten Zeitpunkt seine Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich des
Gesamtobjekts aufgegeben hat und diese nur hinsichtlich einzelner Objekte auf dem
Grundstück in D wieder aufgenommen hat, sind die geltend gemachten Schuldzinsen ggf.
anteilig bei den hinsichtlich dieser Objekte noch zu ermittelnden Einkünften aus Vermietung
und Verpachtung zu berücksichtigen.