Urteil des BFH vom 17.02.2005

Keine Änderung bestandskräftiger Umsatzsteuerfestsetzungen der Betreiber von Geldspielautomaten - Einspruchsfrist

Keine Änderung bestandskräftiger Umsatzsteuerfestsetzungen aufgrund EuGH-Entscheidung zur Steuerfreiheit des Betriebs
von Geldspielautomaten
- Urteil vom 23.11.06 V R 67/05 -
- Urteil vom 23.11.06 V R 51/05 -
Nach dem Urteil des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 17. Februar 2005 C-453/02 und C-462/02 --
Linneweber und Akritidis-- gilt die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Buchstabe f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG nicht
nur für die Veranstaltung oder den Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten aller Art in zugelassenen öffentlichen
Spielbanken, sondern auch für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber
sind.
Daraus folgte, dass die deutsche Regelung in § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG, die Steuerfreiheit nur für Umsätze in öffentlichen
Spielbanken zuließ, gemeinschaftsrechtswidrig war.
"Private" Betreiber von Geldspielautomaten versuchten darauf hin, die gemeinschaftsrechtlich gebotene Steuerfreiheit für ihre
Umsätze in vergangenen Jahren rückwirkend trotz bestandskräftiger Steuerfestsetzung zu erhalten.
Mehrere Revisionsverfahren zu dieser Frage kamen vor den Bundesfinanzhof (BFH). Mit Urteilen vom 23. November 2006
verneinte er die Änderungsmöglichkeit.
Im Urteilsfall V R 67/05 griff eine GmbH, die Geldspielautomaten betrieb, die bestandskräftige Umsatzsteuerfestsetzung für
1993 aus dem Jahr 1994 an. Nach dem o.g. Linneweber-Urteil des EuGH legte sie im Jahr 2005 Einspruch gegen den
Umsatzsteuerbescheid für 1993 ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie berief sich auf das EuGH-
Urteil vom 25. Juli 1991 C 208/90 --Emmott--, demzufolge ein Mitgliedstaat, solange er eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß
umgesetzt habe, sich nicht auf Bestandskraft einer Steuerfestsetzung berufen dürfe, wenn der Steuerpflichtige seinen
richtlinienkonformen Anspruch geltend gemacht habe und die Geltendmachung des Anspruchs praktisch unzumutbar
erschwert und versperrt gewesen sei.
Im Verfahren V R 51/05 legte eine Spielhallenbetreiber-GmbH im Jahr 2003 Einspruch gegen die bestandskräftigen
Umsatzsteuerbescheide für 1985 bis 1996 und 1998 ein. Auch sie berief sich auf das o.g. Emmott-Urteil des EuGH und
machte geltend, der deutsche Gesetzgeber habe wider besseres Wissen die gemeinschaftsrechtswidrige Regelung in § 4 Nr.
9 Buchst. b UStG aufrechterhalten. Die Steuerfreiheit von Glücksspielumsätzen wäre bereits durch das Glawe-Verfahren vor
dem EuGH (Urteil vom 5. Mai 1994 C-38/93) festgestellt worden, wenn dieses Verfahren nicht gezielt in eine andere Richtung
gesteuert worden wäre.
Der BFH verneinte die rückwirkende Änderbarkeit der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen. Der EuGH habe in seiner
Rechtsprechung seit dem Emmot-Urteil mehrfach klar gestellt, dass die Durchsetzung seiner Entscheidungen trotz
bestandskräftiger Steuerfestsetzung nur in solchen Ausnahmefällen in Betracht komme, in denen die Nichteinhaltung der
Klagefrist auf treuwidrigem Verhalten der Behörden beruhe. Grundsätzlich könne ein bestandskräftiger Verwaltungsakt zum
Zweck der (rückwirkenden) Durchsetzung von günstigerem Gemeinschaftsrecht nur dann geändert werden, wenn das
nationale Recht dies (aufgrund einer entsprechenden Änderungsvorschrift) zulasse. Grundsätzlich gehe die Rechtssicherheit
vor, die mit der Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung eintrete, die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder
Erschöpfung des Rechtswegs eingetreten sei.
In Übrigen könne --so der BFH-- von einer vorsätzlichen Nichtumsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Befreiung nicht die
Rede sein, weil bis zum EuGH-Urteil Linneweber/Akritidis vom 17. Februar 2005 die Rechtslage ungeklärt gewesen sei.